„Benutzer:SapereAudete/Artikelentwurf“ – Versionsunterschied

Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Zeile 17:Zeile 17:


=== Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten ===
=== Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten ===
Typisch für Autismus ist die exzessive Beschäftigung mit spezifischen Themen, Objekten oder Tätigkeiten, die in Bezug auf Inhalt oder Intensität als abnorm wahrgenommen werden. Diese sogenannten "Spezialinteressen" können im Grunde alles beinhalten. Zum Teil basiert die Themenwahl auf sensorischen Über- oder Unterempfindlichkeiten. So kann beispielsweise eine Faszination mit sich drehenden Objekten oder das exzessive Drehen um die eigene Achse ein Anzeichen für einen unterempfindlichen Gleichgewichtssinn sein. Tendenziell erweist sich das Themenspektrum jedoch als einigermaßen geschlechtsspezifisch. So liegen die Spezialinteressen männlicher Autisten häufiger im mathematischen, naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich, bei Autistinnen hingegen eher bei sozialen, psychologischen oder sprachlichen Themen sowie bei Tieren. Gerade die Spezialinteressen autistischer Mädchen und Frauen fallen seltener durch besonders außergewöhnliche Themengebiete auf, sondern primär durch die außerordentliche Intensität, mit der sich damit beschäftigt wird. Spezialinteressen müssen jedoch nicht langfristig bestehen, sondern können wechseln. Manche Autisten pflegen auch überhaupt keine Spezialinteressen, andere wiederrum mehrere gleichzeitig.<sup>'''x'''</sup>
Typisch für Autismus ist die exzessive Beschäftigung mit spezifischen Themen, Objekten oder Tätigkeiten, die in Bezug auf Inhalt oder Intensität als abnorm wahrgenommen werden. Diese sogenannten "Spezialinteressen" können im Grunde alles beinhalten. Gerade bei Kindern basiert die Themenwahl zum Teil auf sensorischen Über- oder Unterempfindlichkeiten. So kann beispielsweise eine Faszination mit sich drehenden Objekten oder das exzessive Drehen um die eigene Achse ein Anzeichen für einen unterempfindlichen Gleichgewichtssinn sein. Tendenziell erweist sich das Themenspektrum jedoch als einigermaßen geschlechtsspezifisch. So liegen die Spezialinteressen männlicher Autisten häufiger im mathematischen, naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich, bei Autistinnen hingegen eher bei sozialen, psychologischen oder sprachlichen Themen sowie bei Tieren. Gerade die Spezialinteressen autistischer Mädchen und Frauen fallen seltener durch besonders außergewöhnliche Themengebiete auf, sondern primär durch die außerordentliche Intensität, mit der sich damit beschäftigt wird. Spezialinteressen müssen jedoch nicht langfristig bestehen, sondern können wechseln. Manche Autisten pflegen auch überhaupt keine Spezialinteressen, andere wiederrum mehrere gleichzeitig.<sup>'''x'''</sup>



Version vom 29. Juli 2024, 15:46 Uhr

Autismus

Symptomatik

Die diagnoserelevanten Symptome von Autismus sind anhaltende Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie repetitive Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten, die dem Alter nicht angemessen oder generell ungewöhnlich erscheinen. Charakteristisch sind zudem eine Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber bestimmten Sinnesreizen, eine beeinträchtigte Reizfilterung sowie diverse Auffälligkeiten bei der Verwendung und dem Verständnis von Sprache. Neben diesen Kernsymptomen können noch eine Vielzahl weiterer Symptome auftreten, die jedoch nicht unmittelbar diagnoserelevant sind, z. B. Störungen der Exekutivfunktionen[1] oder muskuläre Hypotonie.[2] Bestimmte Faktoren, z. B. Stress x oder Schlafmangel[3][4], können einige Symptome temporär verstärken. Hingegen kann Fieber bei manchen Betroffenen zu einer zeitweisen Besserung der Symptomatik führen.[5][6]

Erste Anzeichen für Autismus lassen sich rückblickend oft bereits im Säuglingsalter feststellen, z. B. eine übermäßig starke Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen oder ungewöhnliche Bewegungsmuster.[7][8] Die Diagnose ist je nach Schweregrad des Störungsbildes meist bereits im Kleinkindalter möglich. Insbesondere bei Kindern ohne Entwicklungsverzögerungen, fallen autismustypische Symptome aber oft erst dann auf, wenn sie zu konkreten Schwierigkeiten im alltäglichen Leben führen, z. B. mit Eintritt in den Kindergarten oder die Grundschule, teils auch erst in der Pubertät.[9] Die Symptomatik einer autistischen Störung ist nicht über die Lebenszeit stabil, sondern wandelt sich mit dem Alter. Tendenziell verringert sich der Schweregrad mit der Zeit eher, die Störung bleibt aber ein Leben lang bestehen.[10][11]

Autismus ist bei jedem Betroffenen individuell unterschiedlich ausgeprägt, das heißt, nicht jedes mögliche Symptom tritt bei jedem in gleicher Weise oder überhaupt auf. Fähigkeiten und Einschränkungen sind oft auffällig ungleich, scheinbar gegensätzlich verteilt. So können Betroffene überdurchschnittliche Leistungen in einem Bereich erbringen, aber an anderen, vergleichsweise banalen Aufgaben scheitern.[12][13] Die Extremform davon ist eine sog. Inselbegabung.

Die Intelligenz liegt bei Autismus überwiegend im Normalbereich, es kommen jedoch auch geistige Behinderungen und Hochbegabungen vor.[14][15][16] Der Schweregrad des Störungsbildes hängt nicht kausal von der Intelligenz ab,[17] x jedoch gelingt es Betroffenen mit höherer Intelligenz und guten Sprachfähigkeiten eher, Defizite zu kompensieren. Die Lebenszeitprognose fällt dementsprechend umso schlechter aus, je geringer die kognitiven Fähigkeiten sind. x Eine geistige Behinderung gilt jedoch nicht als Symptom von Autismus, sondern wird als Zusatzdiagnose gestellt.[18] Die korrekte Bestimmung des Intelligenzquotienten kann bei Autisten jedoch erschwert sein, da die Ergebnisse bei einigen IQ-Tests durch die autistische Symptomatik nach unten verfälscht werden.[19][20] Als besonders problematisch gilt der Wechsler-IQ-Test, da dieser die Intelligenz von Autisten systematisch deutlich zu niedrig angibt, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. So erzielten in einer Studie autistische Probanten beim Ravens-Matrizentest im Schnitt ein rund 30 % höheres Ergebnis, in Einzelfällen sogar 70 %, als beim Wechsler-IQ-Test. Bei neurotypischen Probanden zeigten sich keine solchen Abweichungen.[21]

Zwischenmenschliche Interaktion und Sozialverhalten

Die Symptomatik ähnelt von außen betrachtet einer sozialen Phobie, ist jedoch nicht mit einer solchen gleichzusetzen und auch nicht wie eine Angststörung zu therapieren.

Traditionell gilt die Unfähigkeit, die Emotionen anderer Personen instinktiv zu erfassen als typisch für Autismus. Neueren Forschungen zufolge ist dies jedoch nicht durch den Autismus selbst bedingt, sondern durch eine komorbide Alexithymie, die bei Autisten besonders häufig auftritt.[22]

Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten

Typisch für Autismus ist die exzessive Beschäftigung mit spezifischen Themen, Objekten oder Tätigkeiten, die in Bezug auf Inhalt oder Intensität als abnorm wahrgenommen werden. Diese sogenannten "Spezialinteressen" können im Grunde alles beinhalten. Gerade bei Kindern basiert die Themenwahl zum Teil auf sensorischen Über- oder Unterempfindlichkeiten. So kann beispielsweise eine Faszination mit sich drehenden Objekten oder das exzessive Drehen um die eigene Achse ein Anzeichen für einen unterempfindlichen Gleichgewichtssinn sein. Tendenziell erweist sich das Themenspektrum jedoch als einigermaßen geschlechtsspezifisch. So liegen die Spezialinteressen männlicher Autisten häufiger im mathematischen, naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich, bei Autistinnen hingegen eher bei sozialen, psychologischen oder sprachlichen Themen sowie bei Tieren. Gerade die Spezialinteressen autistischer Mädchen und Frauen fallen seltener durch besonders außergewöhnliche Themengebiete auf, sondern primär durch die außerordentliche Intensität, mit der sich damit beschäftigt wird. Spezialinteressen müssen jedoch nicht langfristig bestehen, sondern können wechseln. Manche Autisten pflegen auch überhaupt keine Spezialinteressen, andere wiederrum mehrere gleichzeitig.x


Reizverarbeitung

Charakteristisch für Autismus ist die veränderte Verarbeitung von Sinnesreizen. Dies äußert sich insbesondere in einer deutlichen Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen, einer beeinträchtigten Reizfilterung und anderen sensorischen Integrationsstörungen. Betroffen sind davon nicht nur die fünf "klassischen" Sinne (Hören, Riechen, Schmecken, Sehen, Tasten), sondern insbesondere auch Temperaturwahrnehmung, Schmerzempfinden, Gleichgewichtssinn und Tiefensensibilität, also die Wahrnehmung des eigenen Körpers und seiner Signale. Die Ausprägung der Reizverarbeitungsstörungen ist bei jedem Autisten individuell, es müssen auch nicht zwingend alle Sinne betroffen sein.x

Die Besonderheiten in der Reizverarbeitung können sich auf unterschiedlichste Weise äußern, je nachdem welcher Sinn wie betroffen ist. Typisch für Über- und Unterempfindlichkeiten sind etwa außergewöhnlich starke Reaktionen auf einzelne Reize (z. B. bestimmte Geräusche oder Texturen) oder eine ungewöhnliche Faszination für bestimmte Wahrnehmungen oder Objekte. Die beeinträchtigte Reizfilterung macht es unmöglich, unwichtige Reize auszublenden, sodass alle Sinnesreize immer in gleicher Intensität wahrgenommen werden. Ebenfalls häufig zu beobachten, sind Probleme mit der Grob- und Feinmotorik (z. B. häufiges Stolpern, Laufen gegen Möbel und Türrahmen, unleserliche Handschrift), was auf Probleme mit der Propriozeption hinweist (vgl. Dyspraxie, Apraxie). Auch eine stark einschränkte Nahrungsmittelauswahl ist häufig zu beobachten, bis hin zu einer vermeidend-restriktiven Ernährungsstörung.

Bei den Betroffenen führt die veränderte Reizverarbeitung zu einem dauerhaft erhöhten Stresslevel, da ihre sensorische Wahrnehmung ständig überbeansprucht wird. Infolgedessen sind Autisten empfindlicher gegenüber zusätzlichem Stress von außen (vgl. Diathese-Stress-Modell) und es kommt leichter zu Reizüberflutungen.[23] Diese können langfristig die Entstehung eines autistischen Burnouts begünstigen, kurzfristig münden sie häufig in sogenannte Meltdowns. Diese sind ein Ausdruck der Verzweiflung, Überforderung und Hilflosigkeit, wirken aus Außenstehende aber meist wie extreme Wutausbrüche.

Sprache und Kommunikation

Der kindliche Spracherwerb kann bei Autisten verzögert sein oder ganz ausbleiben, aber auch vollkommen normal verlaufen. Dabei gelten Auffälligkeiten bei der Verwendung und Verarbeitung von Sprache als zentrales Merkmal von Autismus. x Die mögliche Bandbreite kann von fast keinen bis hin zu schwersten Einschränkungen reichen. So ist die Sprachfähigkeit bei manchen Autisten sehr gut ausgeprägt, bei anderen bleibt sie auf rudimentärem Niveau zurück. Verbale Fähigkeiten sind dabei von kommunikativ-interaktiven zu unterscheiden, da Kommunikationsstörungen auch bei normal entwickelter Sprachfähigkeit bestehen können.[24] x Aspekte des Ausdrucks, Verständnisses und Gebrauchs von Sprache können daher unabhängig voneinander unterschiedlich stark betroffen sein (vgl. Sprachentwicklungsstörung). Es besteht bei Autismus jedoch kein kausaler Zusammenhang zwischen Sprachfähigkeit und Intelligenz. Einzig bei weitgehend oder komplett ausbleibender Sprachentwicklung liegt auch immer eine geistige Behinderung vor.[9]

Besondere Schwierigkeiten bestehen häufig im Bereich der Pragmatik, also dem Verstehen und Verwenden von Sprache im sozialen Kontext. Diese Schwierigkeiten sind jedoch nicht unbedingt als Kommunikationsstörung zu begreifen, sondern eher als ein spezifisch autistischer Kommunikationsstil (vgl. Doppeltes Empathie-Problem). So bestehen neueren Forschungen zufolge autismustypische Kommunikationsprobleme primär zwischen autistischen und nicht-autistischen ("allistischen") Personen, nicht jedoch zwischen Autisten untereinander.[25][26]

Autisten kommunizieren überwiegend auf Sachebene, das heißt, Sprache dient für sie primär der Übermittlung von Informationen.x Alltäglicher Smalltalk, der eher soziale Funktionen erfüllt und nicht dem tiefergehenden Austausch von Informationen dient, fällt ihnen daher häufig schwer. Viele besitzen zudem ein konkretistisches Sprachverständnis, das heißt, sie verstehen Aussagen exakt wörtlich und sind nur eingeschränkt dazu in Lage, implizite Aspekte einer Äußerung zu erfassen.x Beispielsweise würde so die Frage „Kannst du das Fenster schließen?“, nicht als Aufforderung verstanden, das Fenster zuzumachen, sondern nur als Frage nach der Befähigung dazu. Dementsprechend bestehen oft auch Schwierigkeiten, bildhafte Redewendungen, rhetorische Fragen, Ironie und Sarkasmus zu verstehen. Die Fähigkeit, diese Stilmittel selbst einzusetzen, ist dabei nicht zwingend beeinträchtigt. Viele erwachsene Autisten ohne geistige Behinderung sind jedoch in der Lage, ein konkretistisches Sprachverständnis durch Lebenserfahrung und Logik zu kompensieren.[27]

Die Lautsprache von Autisten fällt typischerweise durch geringe oder ungewöhnliche sprachliche Modulation auf (z. B. durch monotone Sprachmelodie, ungleichmäßigen Sprechrhythmus, unangemessene Sprechgeschwindigkeit oder Lautstärke). Häufig treten auch Redeflussstörungen (z. B. Stottern, Poltern) und vokale Tics (z. B. Echolalie, Palilalie) auf. Darüber hinaus fallen viele Autisten durch einen reduzierten oder ungewöhnlichen Einsatz von Körpersprache, Gestik, Mimik und Blickkontakt sowie einen eher flachen Affekt auf. Auf Kommunikationspartner wirken sie daher oft ungewollt herablassend, unhöflich, aggressiv oder gefühllos, da sie z. B. humorvoll gemeinte Äußerungen in derselben Tonlage tätigen wie ernsthafte. Im sozialen Kontakt führt dies häufig zu Missverständnissen und negativen Reaktionen.x

Autisten mit guten Sprachfähigkeiten fallen meist bereits im Kindesalter durch eine ungewöhnlich hochstehende, grammatikalisch anspruchsvolle Ausdrucksweise mit breitem Wortschatz auf, die auch im Erwachsenenalter erhalten bleibt. Sie verwenden gerne eigene Wortneuschöpfungen und bildhafte Ausdrücke, die nur ihnen selbst geläufig sind, sowie repetitive, wie auswendig gelernte Formulierungen. Charakteristisch ist auch ein Hang zu monologartigen Vorträgen über Spezialinteressen, ohne zu beachten bzw. zu bemerken, ob dies den Gesprächspartner überhaupt interessiert. Andererseits haben Autisten häufig Schwierigkeiten, ihre Gedanken aus dem Stegreif in Worte zu fassen oder Dinge zu erklären, wenn es nicht um ihre Spezialinteressen geht. Viele sind daher z. B. nicht in der Lage, unverzüglich auf bestimmte Fragen zu antworten, sondern brauchen einige Zeit, bevor sie sprechen können.x Als ebenfalls charakteristisch für Autismus wird häufig die Unfähigkeit benannt, über eigene Emotionen zu sprechen. Dies ist neueren Forschungen zufolge jedoch nicht unmittelbar autismusbedingt, sondern auf eine komorbide Alexithymie zurückzuführen.x

Motorik

Autismus geht häufig mit Störungen der Bewegungskoordination einher, insbesondere, aber nicht nur, bei Betroffenen ohne geistige Behinderung. Dies kann sich z. B. durch Schwierigkeiten mit der Grob- und/oder Feinmotorik (Dyspraxie, Apraxie), ein auffälliges Gangbild (Gangataxie), Gleichgewichtsstörungen oder generell ungewöhnliche Bewegungsmuster äußern.[28] Als Ursachen werden u. a. muskuläre Hypotonie oder eine eingeschränkte Propriozeption angenommen, womit auch motorische Auffälligkeiten eine Folge der veränderten Reizverarbeitung wären. Motorische Störungen können auch das Nachahmungslernen beeinträchtigen und so z. B. das Erlernen des richtigen Einsatzes von Gestik und Mimik behindern.[29] Oftmals sind sie bereits im Säuglingsalter zu beobachten.[8]

Häufig zu beobachten sind zudem stereotype, repetitive Bewegungsmuster, wie z. B. Flattern mit den Händen, Fingerschnipsen oder im Kreis laufen. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um motorische Störungen, sondern um sogenanntes Stimming. Dieses Verhalten dient meist der Selbstregulation und der Beruhigung in Stresssituationen.

Emotionsregulation

Informationsverarbeitung

Auch das Arbeitsgedächtnis ist häufig beeinträchtigt, was sich z. B. als auffällige Schusseligkeit äußern kann.

Zentrale Kohärenz [30]

Exekutivfunktionen

Als Exekutivfunktionen werden jene Fähigkeiten bezeichnet, die der Regulierung und Steuerung des eigenen Verhaltens dienen, z. B. Selbstkontrolle, Handlungsplanung, Tätigkeiten beginnen und zu Ende bringen, Prioritäten setzen und andere. Diese Funktionen sind bei den meisten Autisten mehr oder weniger stark beeinträchtigt, wobei in der Regel nicht sämtliche Funktionsbereiche gleichermaßen betroffen sind.x Besonders charakteristisch sind Einschränkungen der kognitiven Flexibilität sowie der Fähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit gezielt zu steuern. Dies hat u. a. zur Folge, dass viele Autisten nur schwer zwischen Aktivitäten wechseln können, solange die Vorherige nicht abgeschlossen ist. Auch fällt es ihnen besonders schwer, sich auf Themen zu konzentrieren, die sie nicht interessieren, was insbesondere in der Schule zu Problemen führen kann.x Erwachsene Autisten beschreiben häufig Schwierigkeiten bei der Handlungsplanung als zentrale Problme in der Bewältigung ihres Alltags.x


Für erwachsene Autisten stellen oft Einschränkungen im Bereich der Handlungsplanung zentrale Schwierigkeiten in der Bewältigung ihres Alltags dar.

Für erwachsene Autisten sind Störungen der Exekutivfunktionen, insbesondere im Bereich Handlungsplanung, oft eine der zentralsten Schwierigkeiten in der Bewältigung ihres Alltags.[31]




Ebenfalls typisch für Autismus ist eine auch bei normaler oder hoher Intelligenz verlangsamte Informationsverarbeitung.[1] Dies führt zu verzögerten Reaktionen auf äußere und innere Reize und kann im alltäglichen Leben zu allerlei Problemen führen. Beispielsweise fällt es Autisten häufig schwer, mündlichen Erklärungen oder Anweisungen Folge zu leisten, da die erhaltenen Informationen nicht schnell genug in Handlungsplanungen übersetzt werden können. Gerade bei Kindern wird dies oft als Bockigkeit oder Dummheit missinterpretiert.

Gerade Kindern wird dies häufig fälschlicherweise als Bockigkeit oder Dummheit ausgelegt.


[1] https://doi.org/10.1007/s10803-018-3515-z

Komorbiditäten und Folgeerkrankungen

Depressionen

Bei der medikamentösen Behandlung von Depressionen ist zu beachten, dass die Wirkung von Medikamenten, die Einfluss auf die Gehirnchemie nehmen, bei Autisten weit weniger vorhersehbar ist als bei neurotypischen Menschen. Sie reagieren häufiger besonders sensibel sowie mit mehr und stärkeren Nebenwirkungen. Ebenso ist ein verringertes Ansprechen auf entsprechende Wirkstoffe bei Autisten gehäuft zu beobachten.

Angststörungen

Angststörungen treten bei Autisten aller Altersgruppen gehäuft auf. Diese können sowohl erworben als auch idiopathisch sein. Insbesondere autistische Kinder leiden signifikant häufiger als ihre neurotypischen Altersgenossen unter ungewöhnlichen spezifischen Phobien, z. B. der Angst vor Toiletten, Wind, Staubsaugern oder mechanischen Objekten. Derartige Phobien sind oftmals auf die veränderte Sinneswahrnehmung bei Autismus zurückzuführen[32]

Viele Autisten entwickeln durch zahlreiche negative Erfahrungen soziale Phobien, die die autismusbedingten zwischenmenschlichen Schwierigkeiten zusätzlich verstärken. Besonders häufig tritt auch Gelotophobie auf, die Angst davor, ausgelacht zu werden.[33]

Einzelnachweise

  1. Executive Functions. In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 1888–1888, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_300648 (springer.com [abgerufen am 2. Juli 2024]).
  2. Jane Case-Smith: Fine Motor Development. In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 2024–2030, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_619 (springer.com [abgerufen am 2. Juli 2024]).
  3. K Schreck: Sleep problems as possible predictors of intensified symptoms of autism*1. In: Research in Developmental Disabilities. Band 25, Nr. 1, Februar 2004, S. 57–66, doi:10.1016/j.ridd.2003.04.007 (elsevier.com [abgerufen am 4. Juli 2024]).
  4. Simonne Cohen, Russell Conduit, Steven W Lockley, Shantha MW Rajaratnam, Kim M Cornish: The relationship between sleep and behavior in autism spectrum disorder (ASD): a review. In: Journal of Neurodevelopmental Disorders. Band 6, Nr. 1, 2014, ISSN 1866-1947, S. 44, doi:10.1186/1866-1955-6-44, PMC 4271434 (freier Volltext).
  5. Laura K. Curran, Craig J. Newschaffer, Li-Ching Lee, Stephen O. Crawford, Michael V. Johnston, Andrew W. Zimmerman: Behaviors Associated With Fever in Children With Autism Spectrum Disorders. In: Pediatrics. Band 120, Nr. 6, 1. Dezember 2007, ISSN 0031-4005, S. e1386–e1392, doi:10.1542/peds.2007-0360 (aap.org [abgerufen am 27. Juni 2024]).
  6. Rebecca Grzadzinski, Catherine Lord, Stephan J. Sanders, Donna Werling, Vanessa H. Bal: Children with autism spectrum disorder who improve with fever: Insights from the Simons Simplex Collection. In: Autism Research. Band 11, Nr. 1, Januar 2018, ISSN 1939-3792, S. 175–184, doi:10.1002/aur.1856 (wiley.com [abgerufen am 27. Juni 2024]).
  7. E. Werner, G. Dawson, J. Osterling, N. Dinno: Brief report: Recognition of autism spectrum disorder before one year of age: a retrospective study based on home videotapes. In: Journal of Autism and Developmental Disorders. Band 30, Nr. 2, April 2000, ISSN 0162-3257, S. 157–162, doi:10.1023/a:1005463707029, PMID 10832780 (nih.gov [abgerufen am 10. Juni 2024]).
  8. a b Tony Attwood: The complete guide to Asperger's syndrome. Jessica Kingsley Publishers, London Philadelphia 2008, ISBN 978-1-84310-669-2, S. 273.
  9. a b 6A02 Autism spectrum disorder. In: ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics. World Health Organization, 2023, abgerufen am 5. Juni 2023 (englisch).
  10. Inge Kamp-Becker, Sven Bölte: Autismus (= UTB Profile). 2. Auflage. Ernst Reinhardt, München Basel 2014, ISBN 978-3-8252-4153-7, S. 95–98.
  11. Isabel Dziobek, Sandra Stoll: Hochfunktionaler Autismus bei Erwachsenen: ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Manual (= Kohlhammer Manuale). 1. Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-17-032031-4, S. 43.
  12. Kara Hume: Academic Supports. In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 36–41, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_1147 (springer.com [abgerufen am 3. Juli 2024]).
  13. Luke Beardon, Nick Chown, Kleio Cossburn: First Responders and Autism. In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 2031–2039, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_102159 (springer.com [abgerufen am 3. Juli 2024]).
  14. Intellectual Disability (ID). In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 2502–2502, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_300858 (springer.com [abgerufen am 2. Juli 2024]).
  15. Kenzie B. Billeiter, John Mark Froiland: Diversity of Intelligence is the Norm Within the Autism Spectrum: Full Scale Intelligence Scores Among Children with ASD. In: Child Psychiatry & Human Development. Band 54, Nr. 4, August 2023, ISSN 0009-398X, S. 1094–1101, doi:10.1007/s10578-021-01300-9 (springer.com [abgerufen am 23. Juni 2024]).
  16. Maja Z. Katusic, Scott M. Myers, Amy L. Weaver, Robert G. Voigt: IQ in Autism Spectrum Disorder: A Population-Based Birth Cohort Study. In: Pediatrics. Band 148, Nr. 6, 1. Dezember 2021, ISSN 0031-4005, doi:10.1542/peds.2020-049899 (aap.org [abgerufen am 20. Juni 2024]).
  17. Gail A Alvares, Keely Bebbington, Dominique Cleary, Kiah Evans, Emma J Glasson, Murray T Maybery, Sarah Pillar, Mirko Uljarević, Kandice Varcin, John Wray, Andrew JO Whitehouse: The misnomer of ‘high functioning autism’: Intelligence is an imprecise predictor of functional abilities at diagnosis. In: Autism. Band 24, Nr. 1, Januar 2020, ISSN 1362-3613, S. 221–232, doi:10.1177/1362361319852831 (sagepub.com [abgerufen am 20. Juni 2024]).
  18. BfArM - ICD-10-WHO Version 2019. Abgerufen am 23. Juni 2024.
  19. Lisa Habermann, Christian Kißler: Das autistische Spektrum aus wissenschaftlicher, therapeutischer und autistischer Perspektive. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2022, ISBN 978-3-658-37601-7, S. 14–21, doi:10.1007/978-3-658-37602-4 (springer.com [abgerufen am 20. Juni 2024]).
  20. Shirley Poyau: Intelligence Norms. In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 2503–2504, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_234 (springer.com [abgerufen am 20. Juni 2024]).
  21. Michelle Dawson, Isabelle Soulières, Morton Ann Gernsbacher, Laurent Mottron: The Level and Nature of Autistic Intelligence. In: Psychological Science. Band 18, Nr. 8, August 2007, ISSN 0956-7976, S. 657–662, doi:10.1111/j.1467-9280.2007.01954.x, PMID 17680932 (sagepub.com [abgerufen am 20. Juni 2024]).
  22. Louise Ola, Fiona Gullon-Scott: Facial emotion recognition in autistic adult females correlates with alexithymia, not autism. In: Autism. Band 24, Nr. 8, November 2020, ISSN 1362-3613, S. 2021–2034, doi:10.1177/1362361320932727, PMID 32689812 (sagepub.com [abgerufen am 23. Juni 2024]).
  23. Handlexikon Autismus-Spektrum: Schlüsselbegriffe aus Forschung, Theorie, Praxis und Betroffenen-Sicht. 1. Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-023431-4, S. 280 f.
  24. Autismus verstehen: Außen- und Innensichten. 2., aktualisierte Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-17-037906-0, S. 175.
  25. Damian Elgin Maclean Milton, Brett Heasman, Elizabeth Sheppard: Double Empathy. In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 1509–1517, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_102273 (springer.com [abgerufen am 24. Juni 2024]).
  26. Catherine J Crompton, Danielle Ropar, Claire VM Evans-Williams, Emma G Flynn, Sue Fletcher-Watson: Autistic peer-to-peer information transfer is highly effective. In: Autism. Band 24, Nr. 7, Oktober 2020, ISSN 1362-3613, S. 1704–1712, doi:10.1177/1362361320919286, PMID 32431157 (sagepub.com [abgerufen am 24. Juni 2024]).
  27. Autismus verstehen: Außen- und Innensichten. 2., aktualisierte Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-17-037906-0, S. 177.
  28. Isabel Dziobek, Svenja Köhne: Motorik. In: Georg Theunissen, Wolfram Kulig, Vico Leuchte, Henriette Paetz (Hrsg.): Handlexikon Autismus-Spektrum: Schlüsselbegriffe aus Forschung, Theorie, Praxis und Betroffenen-Sicht. 1. Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-023431-4, S. 266 f.
  29. Jane Case-Smith: Fine Motor Development. In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 2024–2030, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_619 (springer.com [abgerufen am 5. Juli 2024]).
  30. Handlexikon Autismus-Spektrum: Schlüsselbegriffe aus Forschung, Theorie, Praxis und Betroffenen-Sicht. 1. Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-026753-4, S. 317.
  31. Brit Wilczek: Wer ist hier eigentlich autistisch? ein Perspektivwechsel. 2., aktualisierte Auflage. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2023, ISBN 978-3-17-044076-0, S. 78 f.
  32. Susan Dickerson Mayes, Susan L. Calhoun, Richa Aggarwal, Courtney Baker, Santosh Mathapati, Sarah Molitoris, Rebecca D. Mayes: Unusual fears in children with autism. In: Research in Autism Spectrum Disorders. Band 7, Nr. 1, Januar 2013, ISSN 1750-9467, S. 151–158, doi:10.1016/j.rasd.2012.08.002.
  33. Geraldine Leader, Arlene Mannion: Gelotophobia and Autism. In: Encyclopedia of Autism Spectrum Disorders. Springer International Publishing, Cham 2021, ISBN 978-3-319-91279-0, S. 2173–2178, doi:10.1007/978-3-319-91280-6_102315 (springer.com [abgerufen am 8. Juni 2024]).

Pragmatische Sprachentwicklungsstörung

Klassifikation nach ICD-11
6A01.22Pragmatische Sprachentwicklungsstörung
ICD-11: EnglischDeutsch (Entwurf)

Eine Pragmatische Sprachentwicklungsstörung zeichnet sich durch signifikante und anhaltende Schwierigkeiten beim Verwenden und Verstehen von Sprache in sozialen Situationen aus. Expressive und rezeptive Sprachfähigkeiten sind dabei weitgehend unbeeinflusst. Die Kernsymptome ähneln den bei Autismus auftretenden Sprach- und Kommunikationsschwierigkeiten, das Störungsbild wird jedoch klar von Autismus unterschieden. Es handelt sich dabei um eine neurologische Entwicklungsstörung, die also nicht durch später auftretende Hirnschäden o. Ä. verursacht wird.

Das Störungsbild wurde erstmals 2013 im DSM-V unter der Bezeichnung Soziale (pragmatische) Kommunikationsstörung definiert. In der Folge wurde es unter dem im hiesigen Artikel verwendeten Namen auch in den seit 2022 gültigen ICD-11 aufgenommen.

Symptomatik