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Der Nobelpreis und dessen Vorgeschichte

Ab den späten 1950er Jahren wurde die Vorstellung eines statischen Genoms bei Bakterien und Bakteriophagen durch die Entdeckung von Ausnahmen modifiziert. Eine wichtige Entdeckung war, dass manche Bakteriophagen in das Chromosom ihres Wirts integriert werden können (siehe lysogener Zyklus). Ein integrierter Phage wird als Prophage bezeichnet, weil er inaktiv ist, aber wieder aktiv werden kann, indem er das Wirtschromosom verlässt. Des weiteren fand man, dass Phagen bakterielle Gene von einem Bakterium in ein anderes übertragen können (Transduktion). Außerdem stellte sich heraus, dass manche Plasmide (kleine ringförmige DNA-Moleküle, die neben dem größeren Chromosom vorliegen und ebenfalls Gene enthalten) in das Chromosom integriert werden können; man bezeichnet sie als Episome.[1]

In den frühen 1960er Jahren nahmen einige Forscher Bezug auf McClintocks Arbeit über Transposition. So zog Allan Campbell, als er 1962 postulierte, dass Prophagen in das Wirtschromosom integriert sind, einen Vergleich zu McClintocks Transposons beim Mais. 1961 entdeckte der Doktorand Austin Lawrence Taylor einen Phagen, den er später Mu nannte und der sich in das Wirtschromosom integriert und dabei Mutationen auslöst (daher der Name Mu). Nach seiner Promotion arbeitete er bei Demerec, der ihn mit McClintock bekannt machte. In dieser Zeit fand Taylor, dass Mu anscheinend zufällig an verschiedenen Stellen des Chromosoms integriert werden konnte und dabei verschiedene Mutationen auslöste. Er diskutierte darüber mit McClintock, die sich daran sehr interessiert zeigte. Daraus ergab sich, dass er in seiner Publikation 1963 auf McClintocks Transposons als vergleichbar hinwies.[2]

1965 entdeckte Melvin M. Green erstmals ein Transposon bei Drosophila. Im Unterschied zu McClintocks Transposons beim Mais handelte es sich dabei um ein komplettes Gen, das von einem Chromosom auf ein anderes sprang. Er diskutierte seine Ergebnisse mit McClintock und publizierte 1967 eine Arbeit, in der er vier solche „springenden Gene“ beschrieb und McClintock zitierte. Zu seiner Überraschung stieß das auf sehr wenig Interesse. McClintock meinte dazu, dass die Zeit dafür noch nicht reif sei.[3]

Ebenfalls 1967 publizierten zwei Arbeitsgruppen unabhängig voneinander eine neue Art von Mutationen bei Bakterien. Diese veränderten die Expression von Operons (Gruppen von funktionell zusammengehörigen Genen), und sie waren reversibel. Wie sich herausstellte, beruhten diese Mutationen darauf, dass ein Stück DNA in eines der Gene inserierte. In den folgenden Jahren wurden weitere solche Mutationen bei verschiedenen Operons gefunden, und die inserierenden DNA-Stücke erhielten den Namen Insertionssequenz oder IS-Element. Auch hier bemerkte man mögliche Übereinstimmungen mit McClintocks Transposons beim Mais. In den 1970er Jahren wurde die Bedeutung von IS-Elementen bei der Übertragung von Antibiotikaresistenzen zwischen Bakterien aufgeklärt.[4]

1974 erschien im Annual Review of Genetics ein Artikel über die von McClintock entdeckten Transposons beim Mais. 1976 wurde sie erstmals – erfolglos – für den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin nominiert. 1980 war das jährliche Cold Spring Harbor Symposium dem Thema „Movable Genetic Elements“ (bewegliche genetische Elemente) bei Bakterien, Viren, Hefen, Pflanzen und Drosophila gewidmet. Transposons waren als wichtiges Forschungsgebiet etabliert.[5]

Im Jahre 1981 erhielt McClintock eine Reihe hoher Auszeichnungen. Sie wurde Ehrenmitglied der Society for Developmental Biology, erhielt die erstmals vergebene Thomas Hunt Morgan Medal, den mit 50.000 Dollar dotierten Wolf-Preis in Medizin, die mit 60.000 Dollar dotierte MacArthur Fellowship und den Albert Lasker Award for Basic Medical Research. Außerdem wurde sie erneut für den Nobelpreis nominiert, den sie aber wiederum nicht erhielt.[6]

  1. Nathaniel C. Comfort: The Tangled Field. Barbara McClintocks Search for the Patterns of Genetic Control. 2. Aufl., Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, 2003, S. 227.
  2. Nathaniel C. Comfort: The Tangled Field. Barbara McClintocks Search for the Patterns of Genetic Control. 2. Aufl., Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, 2003, S. 228 f.
  3. Nathaniel C. Comfort: The Tangled Field. Barbara McClintocks Search for the Patterns of Genetic Control. 2. Aufl., Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, 2003, S. 230 f.
  4. Nathaniel C. Comfort: The Tangled Field. Barbara McClintocks Search for the Patterns of Genetic Control. 2. Aufl., Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, 2003, S. 233–237.
  5. Nathaniel C. Comfort: The Tangled Field. Barbara McClintocks Search for the Patterns of Genetic Control. 2. Aufl., Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, 2003, S. 241–244.
  6. Nathaniel C. Comfort: The Tangled Field. Barbara McClintocks Search for the Patterns of Genetic Control. 2. Aufl., Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts, 2003, S. 245.