Anke Domscheit-Berg

Anke Domscheit-Berg auf der „Freiheit statt Angst“-Demonstration 2014.

Anke Margarete Domscheit-Berg, geb. Domscheit, (* 17. Februar 1968 in Premnitz, Kreis Rathenow, DDR) ist eine deutsche Unternehmensberaterin und Politikerin (parteilos, zuvor Bündnis 90/Die Grünen und Piratenpartei). Bei der Bundestagswahl 2017 zog sie als Abgeordnete in den Bundestag über die Liste der Partei Die Linke ein.

Leben

Anke Domscheit-Berg 2011

Anke Domscheit-Berg wuchs als Tochter einer Kunsthistorikerin und eines Arztes in Müncheberg (Kreis Strausberg) auf.[1] Sie hat eine Schwester und zwei Brüder.[2] Domscheit-Berg besuchte in Müncheberg die Polytechnische Oberschule, bevor sie auf eine Erweiterte Oberschule Strausberg wechselte, um dort ihr Abitur zu erwerben.[3] Sie studierte ab 1987 Textilkunst an der Fachschule für angewandte Kunst in Schneeberg. Nach der Wende arbeitete sie drei Jahre, um sich ein weiteres Studium leisten zu können. 1993 begann sie ihr Studium der internationalen Betriebswirtschaft an der International Business School Bad Homburg. Schwerpunkte waren Volkswirtschaft und internationale Wirtschaftsbeziehungen sowie die spanische Sprache. Sie schloss ihr Studium 1996 als Bachelor of Arts – International Business Administration ab und erwarb im selben Jahr einen Master of European Business Administration an der Northumbria University in Newcastle.

Nach ihrem Studium arbeitete sie als Unternehmensberaterin bei Accenture und McKinsey. Von 2008 bis 2011 war Domscheit-Berg als Lobbyistin für die E-Government-Produkte von Microsoft Deutschland tätig. Anschließend machte sie sich als Beraterin selbständig.[4][5] 2010 war sie ehrenamtliche Aufsichtsrätin von Teach First Deutschland.[6]

Seit Juni 2017 war sie nebenberuflich wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundestagsabgeordneten Petra Sitte.

Domscheit-Berg ist seit 2000 Mutter eines Sohnes. Nach der Trennung vom Vater des Kindes war sie eine Zeit alleinerziehend.[7] 2010 heiratete sie Daniel Berg.[8][9]

Sie lebt in Fürstenberg/Havel und engagiert sich dort in einem Strickzirkel.[10]

Engagement für Frauen in der Wirtschaft

2007 war Anke Domscheit-Berg als IT-Strategieberaterin bei McKinsey & Company tätig. Sie war dort Projektleiterin der Studie „A Wake Up Call for Female Leadership in Europe“[11], welche die Aufstiegschancen weiblicher Führungskräfte untersuchte. Die Studie wurde auf dem „Global Summit of Women“ 2007 in Berlin vorgestellt, einer Tagung, auf der 900 beruflich erfolgreiche Frauen aus der ganzen Welt ihre Erfahrungen austauschten.[6][12][13] Sie arbeitete auch bei der Studie Women Matter mit, die sich mit dem Einfluss weiblicher Spitzenkräfte auf den Unternehmenserfolg beschäftigte.[14]

Sie war Gründungsmitglied der Initiative FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte), die sich für eine gesetzliche Quote für Frauen in Aufsichtsräten einsetzen[15] und von 2003 bis 2010 war sie Mitglied im erweiterten Vorstand der überparteilichen „Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen“[16]. 2009 hat sie die Nürnberger Resolution für mehr Frauen in Führungspositionen unterzeichnet und unterstützt sie aktiv.[17]

In einem Kommentar in der Berliner Tageszeitung setzte sie sich 2009 im Gefolge der Wirtschafts- und Finanzkrise mit der Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen auseinander, die ihrer Meinung nach durch die Krise „ein neues Gewicht und eine ganz andere Bedeutung“ gewann. Domscheit-Berg forderte ein „Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft und eine Geschlechterquote für Aufsichtsräte“.[18] In einem Artikel für die Wochenzeitung Die Zeit schilderte sie einige Monate später ihre eigenen Erfahrungen als Mutter und Managerin, die sie dazu brachten, sich in Frauennetzwerken wie dem European Women’s Management Development Network zu engagieren.[8] Domscheit-Berg schulte auch Managerinnen großer Unternehmen und hielt Vorträge zum Thema an Universitäten.[5]

Sie war zudem führend in die im Januar 2013 entzündete #aufschrei-Debatte über Alltagssexismus in Deutschland involviert und forderte dabei zur Suche nach neuen Leitbildern für Geschlechterrollen auf.[19][20]

Open Government

Anke Domscheit-Berg ist Mitbegründerin des „Government 2.0 Netzwerk Deutschland“ und setzt sich damit für Open Government, also für die Öffnung von Regierung und Verwaltung gegenüber der Öffentlichkeit ein. Dabei können auch Technologien des Web 2.0 verwendet werden. Sie fordert, dass Datenbestände der öffentlichen Verwaltung, sofern sie nicht personenbezogen oder sicherheitsrelevant sind, lizenzfrei und maschinenlesbar im Internet abgerufen werden können (Open Government Data).[21] Sie nahm am „Netzdialog“ des Bundesinnenministers teil, einer Reihe von Gesprächsrunden, bei denen Thomas de Maizière 2010 mit einer Expertenrunde über die Perspektiven der Netzpolitik in Deutschland diskutierte.[22][23]

In diesem Zusammenhang war sie Initiatorin des Government 2.0 Camps in Deutschland, das 2009 zum ersten Mal stattfand und zur Gründung des Gov20-Netzwerkes führte.[24] 2011 fand es unter dem Namen Open Government Camp in Berlin zum dritten Mal statt.[25]

Sie ist auch aktiv in der Berlin Open Data Aktionsplattform[26] und war Jurymitglied beim ersten deutschen Apps-Wettbewerb, Apps4Berlin[27], sowie bei der EU Open Data Challenge.[28]

Sie gehört zu den Unterstützern der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde.

Einstellung zu WikiLeaks

Anke Domscheit-Berg ist seit Sommer 2010 mit dem ehemaligen Sprecher von WikiLeaks und Buchautor Daniel Domscheit-Berg verheiratet, der mit OpenLeaks eine eigene Enthüllungsplattform aufbauen wollte. Im Deutschlandfunk schilderte sie ihre grundsätzlich positive, aber auch kritische Einstellung zu WikiLeaks. Sie begrüßte, dass WikiLeaks mit der Veröffentlichung von Regierungsdokumenten auf das Ziel transparenter Regierungen und Staatswesen hinarbeitet und erklärte Einzelheiten zur Echtheitsprüfung der an WikiLeaks eingesandten Dokumente. Sie bedauerte, dass im Deutschen kein positiv besetzter Begriff existiert, der dem englischen „Whistleblower“ entspricht. Sie appellierte allerdings auch an das Gewissen und die Verantwortung derer, die Geheimdokumente veröffentlichen.[29] Einen Interessenkonflikt mit ihrer eigenen Tätigkeit bei Microsoft sah sie nicht, da es ihnen beiden um Transparenz gehe.[30]

Das Ehepaar unterstützt die isländische Initiative zu modernen Medien (IMMI), die vor allem investigativen Online-Journalismus rechtlich schützen soll, wie ihn Wikileaks betreibt. Die Entstehungsgeschichte der IMMI ist eng mit WikiLeaks verknüpft.[31][32]

Parteipolitisches Engagement

Anke Domscheit-Berg war Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Bezirk Mitte.[33] Im Mai 2012 trat sie der Piratenpartei bei, deren Statuten eine Doppelmitgliedschaft erlauben, im Gegensatz zu denen der Grünen.[34][35] Von August 2013 bis Juli 2014 war Domscheit-Berg Vorsitzende der Brandenburger Piraten.[36]

Bei der Bundestagswahl im September 2013 trat Domscheit-Berg auf Platz 2 der brandenburgischen Landesliste der Piraten und als Direktkandidatin im Wahlkreis Oberhavel – Havelland II an,[37][38] bei der Europawahl im Mai 2014 stand sie auf Platz 3 der Piraten-Bundesliste.[39] Bei beiden Wahlen verfehlte sie jedoch einen Einzug ins Parlament.

Im September 2014 trat Anke Domscheit-Berg aus der Piratenpartei aus.[40] Bei der Bundestagswahl 2017 trat sie als parteilose Kandidatin für Die Linke im Wahlkreis Brandenburg an der Havel – Potsdam-Mittelmark I – Havelland III – Teltow-Fläming I an.[41] Zwar unterlag sie in diesem Wahlkreis der CDU-Kandidatin Dietlind Tiemann; dennoch zog sie in den Bundestag ein, da sie auf Platz 3 der brandenburgischen Landesliste der Linken abgesichert war.[42]

Auszeichnung

Anke Domscheit-Berg erhielt 2010 den Berliner Frauenpreis, den der Senat seit 1988 verleiht.[43] Der Senat erklärte auf seiner Website: „Die Managerin und Lobbyistin für Frauen Anke Domscheit erhielt den Frauenpreis 2010 für ihren langjährigen professionellen, politischen und journalistischen Einsatz für die Vernetzung von Frauen und die Förderung von Gleichstellung in der Wirtschaft.“[44] Frauensenator Harald Wolf betonte: „Sie hat 2007 den Global Summit of Women, den Weltfrauengipfel nach Berlin geholt. Frauen aus fast 90 Ländern kamen nach Berlin, schmiedeten Allianzen und knüpften Netzwerke - als Vertreterinnen von Politik, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen.“[44]

Bücher

  • Mauern einreißen! Weil ich glaube, dass wir die Welt verändern können. Heyne Verlag, München 2014, ISBN 978-3-453-20042-5.
  • Ein bisschen gleich ist nicht genug! Warum wir von Geschlechtergerechtigkeit noch weit entfernt sind. Ein Weckruf. Heyne Verlag, München 2015, ISBN 978-3-453-60311-0.[45]
Commons: Anke Domscheit-Berg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.sueddeutsche.de/digital/im-portraet-anke-domscheit-berg-konsequente-schritte-1.1064977
  2. Anke Domscheit-Berg. deutsche Unternehmerin und Politikerin. Munzinger Archiv Personen, abgerufen am 4. Januar 2013 (teilweise kostenpflichtig).
  3. http://ankedomscheitberg.de/?page_id=134
  4. Anke Domscheit-Berg verlässt Microsoft. In: Frankfurter Neue Presse. 23. Februar 2011, archiviert vom Original am 1. März 2011; abgerufen am 23. Februar 2011.
  5. a b accadis Hochschule Bad Homburg; Anke Domscheit: Was Frauen wollen. Abgerufen am 31. Dezember 2010.
  6. a b Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, 15. November 2010
  7. Christina Bylow: Niemand allein – Die alleinerziehende Mutter ist ein Auslaufmodell. In: Berliner Zeitung vom 16. April 2011.
  8. a b Die Zeit 31/2009 vom 23. Juli 2009: »Die gläserne Decke war eher aus Beton«. Abgerufen am 31. Dezember 2010.
  9. Frauen machen Neue Länder am 28. Juli 2010: “Es gibt sie, die anderen Männer!” Abgerufen am 2. Januar 2011.
  10. http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2015%2F05%2F19%2Fa0140&cHash=960e0adf2ba0d04402d3c49a16a08cb5
  11. McKinsey & Co, „A Wake Up Call for Female Leadership in Europe“. Abgerufen am 8. August 2011.
  12. McKinseyCompany: Pressemeldung am 13. Juni 2007. Abgerufen am 30. Dezember 2010.
  13. Die Tageszeitung am 14. Juni 2007: Teilzeit killt Karrieren. Abgerufen am 30. Dezember 2010.
  14. McKinsey & Company: "Women Matter". Abgerufen am 8. August 2011.
  15. Selbstbeschreibung von FidAR 2006. (PDF) Abgerufen am 8. August 2011.
  16. Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e. V: Protokoll der Mitgliederversammlung am 29. August 2003. (PDF; 50 kB) Abgerufen am 8. August 2011.
  17. http://www.nuernberger-resolution.de/berlin.html
  18. Die Tageszeitung am 23. März 2009: Die neuen Trümmerfrauen. Abgerufen am 30. Dezember 2010.
  19. heute.de: "Wie sollen Männer denn jetzt sein?" (Memento vom 12. April 2013 im Webarchiv archive.today), Gespräch mit Wolfgang Gründinger
  20. „Vom Dozenten begrapscht“, Bericht der Frankfurter Rundschau
  21. Spiegel online am 7. Juli 2010: Besser regieren mit dem Internet. Abgerufen am 30. Dezember 2010.
  22. Government 2.0 Netzwerk Deutschland: Bericht von Anke Domscheit-Berg: Der 3. Netzdialog beim Bundesinnenminister im Detail. Abgerufen am 31. Dezember 2010.
  23. Bundesministerium des Inneren: Bericht über den 3. Netzdialog: Der Dialog geht weiter. Abgerufen am 31. Dezember 2010.
  24. Bundesministerium des Innern, Willy Brandt School of Public Policy: Dokumentation Government 2.0 Camp, 28. August 2009 Berlin. (PDF) Archiviert vom Original am 25. Juli 2011; abgerufen am 8. August 2011.
  25. Innovative Verwaltung am 5. Oktober 2011: Bericht über die Veranstaltung. Abgerufen am 6. März 2012.
  26. Open Data Berlin. Abgerufen am 8. August 2011.
  27. Apps4Berlin. Abgerufen am 8. August 2011.
  28. EU Open Data Challenge. Abgerufen am 8. August 2011.
  29. Deutschlandfunk am 28. Juli 2010: Interview. Abgerufen am 27. Februar 2010.
  30. Süddeutsche Zeitung vom 25. Februar 2011; Im Porträt: Anke Domscheit-Berg. Mrs. Microsoft wagt den Absprung. Abgerufen am 27. Februar 2011.
  31. Unterstützerliste für das Gesetzespaket. Archiviert vom Original am 18. Juli 2011; abgerufen am 27. Februar 2011.
  32. BBC News vom 12. Februar 2010: Wikileaks and Iceland MPs propose 'journalism haven' (engl.). Abgerufen am 27. Februar 2011.
  33. Dokumente zur Jahresmitgliederversammlung am 5. Februar 2011. Archiviert vom Original am 5. Oktober 2011; abgerufen am 28. September 2017.
  34. Tweet von Anke Domscheit-Berg am 10. Mai 2012. Abgerufen am 10. Mai 2012.
  35. Focus Online am 10. Mai 2012: Anke Domscheit-Berg wechselt zu den Piraten. Abgerufen am 10. Mai 2012.
  36. vks/dpa: Domscheit-Berg führt Piraten in Brandenburg. In: Spiegel Online. 10. August 2013, abgerufen am 11. August 2013.
  37. Berliner Morgenpost am 28. Oktober 2012: Piraten nehmen Domscheit-Berg Chance auf Bundestagsmandat. Abgerufen am 28. Oktober 2012.
  38. Netzaktivistin Domscheit-Berg nur auf Listenplatz zwei. Märkische Oderzeitung, 28. Oktober 2012, abgerufen am 4. Januar 2012.
  39. sha/dpa: Parteitag in Bochum: Piraten bestimmen Spitzenkandidaten für Europawahl. In: Spiegel Online. 5. Januar 2014, abgerufen am 15. Januar 2014.
  40. Der letzte Tropfen war zu viel. Tschüss, Piratenpartei. Anke Domscheit-Berg, 21. September 2014, abgerufen am 22. September 2014.
  41. Märkische Allgemeine, Potsdam, Brandenburg, Germany: Bundestagswahl 2017: Steinmeier bekommt prominente Konkurrenz – Domscheit-Berg fordert Außenminister heraus / Politik / Nachrichten - MAZ - Märkische Allgemeine. In: Märkische Allgemeine Zeitung. Abgerufen am 21. Mai 2016.
  42. Ulrich Wangemann: Parteitag Die Linke Brandenburg – 100 Prozent der Stimmen für Kirsten Tackmann. In: Märkische Allgemeine Zeitung. 26. November 2016, abgerufen am 27. November 2016.
  43. Der Tagesspiegel Berlin am 9. März 2010: Aggressiv und karrieregeil. Abgerufen am 31. Dezember 2010.
  44. a b Der Berliner Frauenpreis. Verleihung des Frauenpreises 2010 an Anke Domscheit. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen Berlin, archiviert vom Original am 7. August 2011; abgerufen am 31. Dezember 2010.
  45. Rezension von Tina Groll: Kluge Anleitung für eine geschlechtergerechte Welt, Zeit Online, 17. März 2015