Unser Kampf 1968 – ein irritierter Blick zurück

Unser Kampf 1968 – ein irritierter Blick zurück ist eine Monographie des Historikers Götz Aly aus dem Jahr 2008. In dem viel diskutierten Werk beschäftigt sich Aly mit den negativen Aspekten der 68er-Generation und ihrer gesellschaftlichen und politischen Bewegung.

Thesen

Aly konstatiert, dass die 68er-Generation mit der Generation ihrer Eltern mehr Gemeinsamkeiten habe, als dies bisher in der Wissenschaft angenommen wurde. Die 68er hätten "an den Aktionismus ihrer Dreiundreißiger-Väter" angeknüpft[1]. Dabei versucht er, vor allem antidemokratische und reaktionäre Traditionslinien bei den 68ern darzustellen. Dazu wird beispielsweise die Entwicklung zum Antiimperialismus in ihrer Dimension der Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen und Terrororganisationen herangezogen, welche, beispielsweise im Fall Ulrike Meinhofs bis zum offenen Antisemitismus reichte. In seiner Fixierung auf die (deutsche) "Generation der Dreiundreißiger" lässt Aly die Frage nach der Tatsache, dass die 68er-Bewegung eine internationale war, unbeantwortet im Raum stehen.
Aly meint zu erkennen, dass Reformen in der Bundesrepublik und die gesellschaftliche Liberalisierung nicht auf die 68er-Bewegung zurückzuführen sei, sondern dass diese Entwicklungen vielmehr bereits im Regierungshandeln des damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger angelegt waren. Die 68er hätten die Bemühungen der Regierung Kiesinger um eine Liberalisierung vielmehr behindert und damit verzögert.

Aly bezieht beispielsweise konservative Publizisten wie Ernst Fraenkel oder Richard Löwenthal, die seinerzeit den SDS mit der NSDAP gleichsetzten, in seine Quellen mit ein. Ebenfalls wird der Mitgründer des konservativen Bund Freiheit der Wissenschaft Erwin K. Scheuch zitiert, der um 1968 von Studierenden scharf angegriffen wurde.

Rezeption

Alys Thesen und Methoden wurden vielfach kritisiert und diskutiert. So wurde etwa seine Konstruktion einer "33er-Generation" zurückwiesen, welche in der Generationsgeschichte keine seriöse Basis hat. Aly ziele mehr auf "Selbstkasteiung als historische Analyse" und hatte vor allem den "Knalleffekt" im Sinn.[2] Elmar Altvater bezeichnete die größtenteils positive Rezeption von Alys Thesen durch die Machteliten als Zeichen für den "Verfall der politischen Kultur". Altvater verwies auf die Leistungen der 68er-Bewegung für die Entwicklung der Demokratie, beispielsweise im Prager Frühling, verweist darauf, dass die Proteste von 1968 nicht nur durch Studierende, sondern auch durch Arbeiter und andere Schichten der Gesellschaft getragen wurden und warf Aly eine Verharmlosung des Nationalsozialismus vor.[3] Norbert Frei, der zum 2008 ebenfalls einen populär geschriebenen Band über 1968 auf den Markt brachte, warf Aly vor, eine "historiographisch völlig überzogene Darstellung" zugunsten des "medialen Knalleffekts" verfasst zu haben und kritisierte die Konstruktion einer "33er-Generation", die, im Gegensatz zur 68er-Generation, aufgrund verschiedenster Biographien ihrer vermeintlichen "Akteure" nicht bestehen konnte.[4]

Fußnoten

  1. Aly 2008, S. 169
  2. Philipp Gassert, Das kurze „1968“ zwischen Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur: Neuere Forschungen zur Protestgeschichte der 1960er-Jahre Forschungsbericht bei H-Soz-und-Kult
  3. Elmar Altvater, Das 68er-Faszinosum, in: der Freitag, 15. Februar 2008
  4. Interview mit Norbert Frei, in: der Freitag, 20. März 2008