Theodor Eschenburg

Theodor Rudolf Georg Eschenburg (* 24. Oktober 1904 in Kiel; † 10. Juli 1999 in Tübingen) war ein deutscher Politikwissenschaftler, Staatsrechtler und der erste Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaft in Deutschland an der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Leben

Eschenburg – ein Enkel des Lübecker Bürgermeisters Johann Georg Eschenburg und als Sohn des Seeoffiziers Theodor Eschenburg in einer wohlhabenden Patrizierfamilie aufgewachsen – studierte Nationalökonomie und Geschichte in Tübingen und Berlin. Er wurde Mitglied der Burschenschaft Germania Tübingen.[1] Nach dem Studium wurde er Mitarbeiter des langjährigen Reichsaußenministers Gustav Stresemann, der ein Vorwort zu seiner Dissertation geschrieben hatte. Zu jener Zeit trat er auch der DVP bei. Als diese nach Stresemanns Tod unter dem neuen Vorsitzenden Ernst Scholz deutlich nach rechts rückte, verließ Eschenburg im Sommer 1930 die DVP und trat mit anderen jüngeren Parteimitgliedern wie Josef Winschuh der Deutschen Staatspartei bei, die gerade aus einer Fusion der DDP mit dem Jungdeutschen Orden entstand.[2] Er war Mitglied des Deutschen Herrenklubs, einer einflussreichen Vereinigung von hochgestellten konservativen Persönlichkeiten.

1933 trat er, wie er in seinen Lebenserinnerungen bekennt, aus opportunistischen Gründen der Motor-SS bei, verließ diese aber bereits nach kurzer Zeit. Als Leiter mehrerer Prüfungsstellen im Rahmen der 'Reichsgruppe Industrie' wirkte Eschenburg Ende 1938 (nach der Reichskristallnacht) an der "Arisierung" einer Berliner Kunststofffabrik in jüdischem Besitz mit.[3] Während des Zweiten Weltkriegs war er Geschäftsführer eines Kartells in der Kurzwarenbranche. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Flüchtlingskommissar für das Land Württemberg-Hohenzollern. Von 1947 bis 1951 war er Stellvertreter des Innenministers von Württemberg-Hohenzollern, Geschäftsführer von Industrieverbänden, 1951 Staatsrat und Honorarprofessor für Politikwissenschaft. 1952 wurde er – trotz fehlender Habilitation – Ordinarius für Politikwissenschaft an der Universität Tübingen. Er wurde Gründungsdirektor des Instituts für Politikwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen. Von 1961 bis 1963 war er Rektor dieser Universität. 1973 wurde Eschenburg emeritiert. Im März 1989 wurde er (inzwischen 85) aus dem Präsidium des Goethe-Instituts verabschiedet. [4]

Bis ins hohe Alter war Eschenburg im politischen Journalismus als Mitarbeiter der Wochenzeitung Die Zeit tätig; die Beiträge sind in deren Archiv frei zugänglich. [5] Er schrieb eine Vielzahl von Büchern und Aufsätzen über aktuelle politische Fragen.

Posthumes

Seine letzte Ruhestätte fand er, zusammen mit seiner Frau Erika, auf dem Tübinger Bergfriedhof.

Die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft vergibt seit dem Jahr 2002 den nach Eschenburg benannten Theodor-Eschenburg-Preis. Auf dem DVPW-Kongress im September 2012 wurde angesichts von Archivfunden Rainer Eisfelds, die Eschenburgs Verstrickung in das NS-Regime aufzeigen, [6] diskutiert, ob der Preis umbenannt werden sollte.[7] Die DVPW gab dazu ein Gutachten in Auftrag, das für eine Umbenennung des Preises plädiert.[8] Der Preisträger 2012, Claus Offe, sprach sich in seiner Dankesrede ebenfalls für eine Umbenennung aus. Als Gründe nannte er neben den genannten Verstrickungen die institutionenfreundliche, unkritische Haltung Eschenburgs gegenüber den Entwicklungen in Westdeutschland nach 1945 (als wenig vorbildhaft für das Fach), sowie dessen Unvermögen, auch im Abstand von mehreren Jahrzehnten ansatzweise so etwas wie Selbstkritik zu seiner Rolle im "Dritten Reich" aufzubringen (beispielsweise in seinen Memoiren).

Die Journalistin Sibylle Krause-Burger (* 1935), die in den Fünfzigerjahren bei Eschenburg studiert hatte und von ihm gefördert worden war, äußerte sich hierzu sehr kritisch. [9]

Auszeichnungen

Schriften

  • Über Autorität. Suhrkamp. Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-06678-1
  • Gustav Streseman: Eine Bildbiographie. T. E. und Ulrich Frank-Planitz. DVA. Stuttgart 1978, ISBN 3-421-01840-5
  • Jahre der Besatzung: 1945–1949. Mit einem einleitenden Essay von Eberhard Jäckel. DVA. Stuttgart 1983, ISBN 3-7653-0328-3
  • Also hören Sie mal zu: Geschichte und Geschichten. Goldmann. München 1998, ISBN 3-442-72185-7, erstmals erschienen 1995
  • Letzten Endes meine ich doch: Erinnerungen 1933 bis 1999. Siedler. Berlin 2000, ISBN 3-88680-701-0
  • Matthias Erzberger. Der große Mann des Parlamentarismus und der Finanzreform. Piper. München 1973, ISBN 3-492-00339-7
  • Republik im Stauferland. Baden-Württemberg nach 25 Jahren. Herausgegeben von T.E. und Ulrich Frank-Planitz. DVA. Stuttgart 1977, ISBN 3-421-01785-9
  • Die Republik von Weimar: Beiträge zur Geschichte einer improvisierten Demokratie. Piper. München 1984, ISBN 3-492-00656-6
  • Spielregeln der Politik: Beiträge und Kommentare zur Verfassung der Republik. DVA. Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06347-8
  • Globke in: T.E., Zur politischen Praxis in der Bundesrepublik. Band 1. Kritische Betrachtungen 1957–1961, Piper München 1967, S. 246-250. (zuerst in: Die Zeit)

Literatur

  • Friedrich Karl Fromme: Zum 100. Geburtstag von Theodor Eschenburg am 24. Oktober 2004. In: Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge / Bd. 54 (2006), S. 167-174.

Einzelnachweise

  1. Studentenkurier Ausgabe 3/1999, S. 24
  2. Christof Brauers: Die FDP in Hamburg 1945 bis 1953, München 2007, S. 74, Fußnote 106.
  3. Rainer Eisfeld: Theodor Eschenburg: Übrigens vergaß er noch zu erwähnen ... Eine Studie zum Kontinuitätsproblem in der Politikwissenschaft, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59 (2011) 1, S. 27–44.
  4. zeit.de: [1]
  5. zeit.de: Schlagwort: Theodor Eschenburg
  6. 1 Eisfeld, Rainer, Theodor Eschenburg: Übrigens vergaß er noch zu erwähnen... Eine Studie zum Kontinuitätsproblem in der Politikwissenschaft, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59 (2011), Heft 1, S. 27-44 (27ff).
  7. Bericht über die den DVPW-Kongress 2012
  8. https://www.dvpw.de/fileadmin/docs/Kongress2012/Paperroom/Eschenburg-Gutachten.pdf Gutachten zu Theordor Eschenburg als pdf-Datei, abgerufen am 28. September 2012
  9. Stuttgarter Zeitung 13. November 2012: Wie man ein Denkmal umstürzt
  10. Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg - Liste der Ordensträgerinnen und Ordensträger 1975–2023 (PDF; 307 KB). Staatsministerium Baden-Württemberg, 19. April 2024, S. 1