Schlacht um Kundus

Schlacht um Kundus
Teil von: Krieg in Afghanistan seit 2001

Lage am 27. September, nachdem die Taliban den Großteil der Stadt besetzt hat
  • unter afghanischer Kontrolle
  • unter Kontrolle der Taliban
  • Datum 24. April 2015 bis 13. Oktober 2015
    Ort Kundus, Provinz Kundus 36° 43′ 48″ N, 68° 51′ 36″ OKoordinaten: 36° 43′ 48″ N, 68° 51′ 36″ O
    Ausgang Sieg der Afghanen
    Konfliktparteien

    Afghanistan Afghanistan
    Unterstützt von:
    Resolute Support:

    Taliban

    Die Schlacht um Kundus war eine Schlacht zwischen den Taliban und den afghanischen Streitkräften um die Stadt Kundus. Am 28. September 2015 überrannten die Aufständischen plötzlich die Stadt, dabei zogen sich die Regierungstruppen zurück. Das war das erste Mal seit 2001, dass die Taliban die Kontrolle über eine Großstadt in Afghanistan übernommen hatten.[1] Die afghanische Regierung behauptete, Kundus bis zum 1. Oktober 2015 bei einem Gegenangriff weitgehend zurückerobert zu haben, obwohl lokale Quellen in der Stadt die Behauptung widerlegten.[2][3]

    Kämpfe in den Außenbezirken von Kundus

    Die Karte zeigt die Offensive der Taliban

    Die Taliban starteten am 24. April 2015 die ersten Angriffe auf die Provinz Kundus und umzingelten bis zum 28. April die Hauptstadt und ein Bataillon von 400 Soldaten der ANA in Imam Sahib. Ein Tag davor begannen die Afghanen damit, dass eingeschlossene Bataillon zu befreien und töteten dabei 27 Taliban. In Talawka mussten lokale Polizeieinheiten den Rückzug antreten. Andernorts gelang es den Taliban, 26 Polizisten gefangen zu nehmen und zwei davon zu töten. Als Reaktion auf die Angriffe entsandte die afghanische Regierung mehrere tausend Soldaten in die Region und Präsident Mohammad Ashraf Ghani berief ein Notfalltreffen mit Militärbeamten ein.[4]

    Es kam bis zum 7. Mai 2015 zu einem Patt ohne Geländegewinn. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Kämpfe wieder aktiver und die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten unter den Toten auch ausländische Kämpfer, wie Tschetschenen und Türken. Es wurde berichtet, dass Menschen, die loyal zum Islamischen Staat seien, erstmals mit den Taliban kämpften.[5] Ende Mai nährten sich die Taliban bis auf zwei Kilometer der Stadt, wobei die Alliierten in Gor Tepa, 15 Kilometer von Kundus entfernt, die Taliban zurückdrängen konnten.[6] Kampfjets der Vereinigten Staaten wurden unter der Autorität der Resolute Support Mission eingesetzt, obwohl sie nicht auf die Taliban feuerten.[7]

    Bis Ende Mai waren etwa 3.000 afghanische Truppen in der Region eingetroffen. Der Aufschwung der Regierungstruppen zwang die Taliban dazu, sich 15 Kilometer von der Stadt zu entfernen.[8]

    Eine Gegenoffensive der Taliban im Juni brachte aufständische Kämpfer in den Distrikt Char Darah, einige Kilometer von Kundus entfernt. Am 21. Juni sagte ein Sprecher der Islamisten, er habe die vollständige Kontrolle über den Distrikt übernommen und örtliche Polizisten überfallen. Ein Sprecher der Polizei des Bezirks Kundus bestritt die Behauptung und sagte, dass die Aufständischen nur etwa die Hälfte des Gebietes kontrollierten und keine Polizisten gefangen genommen hätten.[9] Während des gesamten Monats Juli machten die Taliban weitere Gewinne und eroberten Städte außerhalb von Kundus und im Distrikt Chanabad. Nach Angaben eines Kommandanten einer mit der Regierung verbündeten lokalen Miliz waren etwa 2.000 lokale Milizionäre und Regierungstruppen zum Rückzug gezwungen worden, da die afghanische Regierung keine Verstärkungen und Vorräte versandt hatte.[10]

    Verlauf

    Einnahme

    Am Morgen des 28. September verdrängte ein schneller Vormarsch der Taliban aus drei Richtungen die Regierungstruppen in der Stadt Kundus zurück. Nach mehreren Stunden zogen sich die Afghanen auf den Flughafen zurück und überließen den Aufständischen die vollständige Kontrolle über die Stadt. Laut einem Sicherheitsbeamten der Regierung waren die Taliban zahlenmäßig mit 500 Kämpfern den 7.000 afghanischen Sicherheitskräften weit unterlegen. Die Militanten zündeten eine Polizeistation an. Unbekannte plünderten Juweliergeschäfte, eine Meldung, die sich später als Propaganda erwies.[11] Die Taliban eroberten das Gefängnis und hunderte Gefangen konnten aus ihren Zellen fliehen.[1]

    Am 29. September begannen afghanische Streitkräfte einen Gegenangriff vom Flughafen in Richtung Stadt, unterstützt wurden sie von amerikanischen Luftangriffen[12] und Mitarbeitern der US Army Special Forces, von denen viele an diesem Morgen eingesetzt worden waren.[13] Am Ende des Tages hatten die Soldaten keine Erfolge erzielt, stattdessen wurden sie von den Taliban zurück zum Flughafen gedrängt und umzingelt. Die Regierung entsandte auch zusätzliche Truppen, obwohl Verstärkungen, die auf der Straße unterwegs waren, durch Hinterhalte der Taliban verzögert wurden.[12]

    Am 30. September wurde behauptet, dass sich Anti-Taliban-Milizen der Schlacht angeschlossen haben.[14]

    Gegenoffensive

    Am 30. September versuchten 200 afghanische Soldaten der Spezialeinheit Kundus einzunehmen. Das afghanische Verteidigungsministerium gab an, 150 Taliban getötet zu haben. Gleichzeitig nahmen andere Einheiten Imam Sahib ohne große Kämpfe wieder ein.[15] Es gab Berichte, dass der Special Boat Service von Kabul nach Kundus eingeflogen wurde. Zunächst sollen sie nur beratend tätig gewesen sein, haben dann aber auch selbst in das Geschehen eingegriffen. Daneben wurden auch britische Joint Terminal Attack Controllers eingeflogen, um die Luftangriffe zu koordinieren.[16][17]

    Am 4. Oktober behaupteten Taliban-Kämpfer, die Mehrheit von Kundus zurückerobert zu haben.[18] Diese Angaben wurde von General John F. Campbell im Senate Armed Services Committee am 6. Oktober bestätigt.[19] Einen Tag später starteten afghanische Truppen eine Gegenoffensive, die die Taliban aus weiteren Teilen der Stadt zurückdrängte. Zum ersten Mal seit Beginn der Schlacht wurde die Nationalflagge über der Residenz des Gouverneurs gehisst.[20]

    Am 6. Oktober verstärkten die Taliban ihre Angriffe und eroberten offenbar Teile von Kundus zurück, darunter den zentralen Chowk-Platz und den nördlichen Teil der Stadt.[21]

    Die Aufständischen zogen sich am 13. Oktober nach mehreren Tagen heftiger Kämpfe zurück.[22] Laut einer auf einer Taliban-assoziierten Website veröffentlichten Erklärung war der Rückzug auf die Aussicht auf zusätzliche Opfer und Munitionsausgaben bei fortgesetzten Kämpfen zurückzuführen.[23]

    Luftangriff auf das Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen

    Am 4. Oktober 2015 meldete Ärzte ohne Grenzen, dass ihr Krankenhaus einen Tag zuvor von US-Luftschlägen angegriffen worden war. Ein Flugzeug vom Typ AC-130 traf das Krankenhaus und tötete mindestens 42 Menschen.[24] Die Hilfsorganisation sagte, dass das Traumazentrum „während anhaltender Bombenangriffe mehrmals getroffen und sehr schwer beschädigt wurde“, während sich 105 Patienten und 80 Mitarbeiter im Inneren befanden.[25] Ärzte ohne Grenzen erklärte, sie habe die US-amerikanischen und afghanischen Behörden vorzeitig über den Standort des Krankenhauses informiert.[26]

    Einzelnachweise

    1. a b Joseph Goldstein, Mujib Mashal: Taliban Fighters Capture Kunduz City as Afghan Forces Retreat. Web Archive (früher: The New York Times), 28. September 2015, archiviert vom Original am 2. Oktober 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    2. Alissa J. Rubin: Afghan Forces Rally in Kunduz, but Fight Is Far From Decided. Web Archive (früher: The New York Times), 1. Oktober 2015, archiviert vom Original am 18. Oktober 2017; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    3. Taliban Kunduz attack: Afghan forces claim control of city. BBC News, 1. Oktober 2015, abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).
    4. Mujib Mashal, Jawad Sukhanyar: Afghan Troops Rush to Kunduz Amid Taliban Assault. Web Archive (früher: The New York Times), 28. April 2015, archiviert vom Original am 1. Mai 2015; abgerufen am 20. Oktober 2015 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    5. Afghanistan forces defend Kunduz from Taliban. In: BBC News. 7. Mai 2015, abgerufen am 20. Oktober 2015 (englisch).
    6. Lynne O’Donnel: Afghan forces struggle as Taliban seeks northern stronghold. In: Military Times. 26. Mai 2015, abgerufen am 20. Oktober 2015 (englisch).
    7. Eltaf Najafizada: U.S. Jets Deploy as Afghan Forces Battle to Stop Taliban Advance. Web Archive (früher: Bloomberg Business), 29. April 2015, archiviert vom Original am 22. Juni 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bloomberg.com
    8. Afghan forces struggle as Taliban seeks northern stronghold. Military Times, 26. Mai 2015, abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).
    9. Rod Nordland, Jawad Sukhanyar: Taliban and Afghan Government Dispute Status of Kunduz. Web Archive (früher: The New York Times), 21. Juni 2015, archiviert vom Original am 22. Juni 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    10. Joseph Goldstein: Taliban Make Gains Across 3 Provinces in Afghanistan. Web Archive (früher: The New York Times), 28. Juli 2015, archiviert vom Original am 31. Juli 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    11. Friederike Böge: Afghanistan: Das Trauma von Kundus. Dass die Taliban Kundus einfach überrennen konnten, hat das Vertrauen in die afghanische Regierung schwer beschädigt. Nicht nur der Gouverneur ist kriegsmüde und würde am liebsten nach Deutschland auswandern. Besuch in einer erschütterten Stadt. In: FAZ. 19. Oktober 2015, abgerufen am 20. Oktober 2015.
    12. a b Joseph Goldstein, Mujib Mashal: Afghan Crisis Grows as Push to Retake Kunduz From Taliban Fails. In: The New York Times. 28. September 2015, abgerufen am 20. Oktober 2015 (englisch).
    13. Matthew Rosenberg, Joseph Goldstein: In Afghanistan, U.S. Finds Advisory Role Has a Violent Reality. Web Archive (früher: The New York Times), 8. Mai 2016, archiviert vom Original am 9. Mai 2016; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    14. Tom Coghlan, Aimal Yaqubi: Taliban vow to march on Kabul after winning fight for key city. The Times, 30. September 2015, abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).
    15. Sune Engel Rasmussen: Afghan troops seize parts of Kunduz from Taliban. Residents say fighting continues in several central areas, including around police headquarters. In: The Guardian. 1. Oktober 2015, abgerufen am 20. Oktober 2015 (englisch).
    16. British Special Forces helped Afgan security forces to retake Kunduz. 1. Oktober 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Oktober 2015; abgerufen am 23. Oktober 2015 (englisch).
    17. Mark Nicol: UK special forces kill 200 Taliban insurgents in Northern Afghanistan. In: Daily Mail Online. 3. Oktober 2015, abgerufen am 23. Oktober 2015 (englisch).
    18. Taliban claims recapture of large parts of Kunduz city. Aljazeera, 5. Oktober 2015, abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).
    19. ROD NORDLAND, NAJIM RAHIM: Taliban Gain Advantage in Tug of War in Kunduz. In: The New York Times. 6. Oktober 2015, abgerufen am 20. Oktober 2015 (englisch).
    20. Alissa J. Rubin: Afghan Forces Report Progress in Kunduz as Taliban Press Other Fronts. Web Archive (früher: The New York Times), 5. Oktober 2015, archiviert vom Original am 8. Oktober 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    21. Rod Nordland, Najim Rahim: Disputing U.S. General, Afghans Say Taliban Control Kunduz. Web Archive (früher: The New York Times), 6. Oktober 2015, archiviert vom Original am 6. Oktober 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    22. Zwei Wochen nach Invasion: Taliban geben Kundus wieder frei. In: tagesschau.de. ARD, 13. Oktober 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Oktober 2015; abgerufen am 20. Oktober 2015.
    23. Rod Nordland: aliban End Takeover of Kunduz After 15 Days. Web Archive (früher: The New York Times), 13. Oktober 2015, archiviert vom Original am 1. November 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nytimes.com
    24. Death toll from the MSF hospital attack in Kunduz still rising. Ärzte ohne Grenzen, 23. Oktober 2015, abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).
    25. Josh Smith: US air attack suspected in Kunduz hospital deaths. Stars and Stripes, 3. Oktober 2015, abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).
    26. Afghanistan: MSF Demands Explanations After Deadly Airstrikes Hit Hospital in Kunduz | MSF USA. Web Archive (früher: Ärzte ohne Grenzen), 3. Oktober 2015, archiviert vom Original am 6. Oktober 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.doctorswithoutborders.org