Operation Aedinosaur

Die Operation Aedinosaur war ein Projekt der amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) und befreundeter Dienste unter anderem zur Versorgung des Ostblocks mit verbotener systemkritischer Literatur in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Der Leiter der CIA-Abteilung Verdeckte Operationen wollte damit „die Haltung wie auch das Handeln des Lesers“ beeinflussen.[1] Die Soft-Power-Aktion sollte zur Stärkung einer Veranlagung in Richtung intellektueller Freiheit, respektive der „Unzufriedenheit über deren Abwesenheit“ führen.[2]

Benennung

Das Buchstabenkürzel „AE“ bezeichnete Operationen der Sowjet-Abteilung, während die Gründe für die Wahl des „Dinosaur“ nicht bekannt oder Zufall sind.[3]

Ziele

Die bekannten zwei Ziele[4] waren unter anderem

  • Kauf und Übergabe von Literatur an Reisende in die Sowjetunion
  • Kauf von nicht öffentlich zugänglichen „russischen“ (sowjetischen) Büchern und Zeitschriften

Die Aktivitäten dienten der Infiltration der Ostblockländer mit Literatur[3], im Sinne einer Unterlaufung der dortigen Zensur. Für das Jahr 1959 beispielsweise wurden Mittel aufgewendet zum Druck von zweimal 2500 Miniaturausgaben von zwei nicht genannten Büchern. Ein anderes Buch wurde übersetzt und in 3000 Exemplaren hergestellt.[5]

Pasternak's Doktor Schiwago

Der Roman Doktor Schiwago von Boris Pasternak galt in der Sowjetunion als subversiv.[1] Pasternak hatte das Buch 1956 geschrieben und keine Möglichkeit zur Veröffentlichung erhalten. Die Literaturzeitschrift Novy Mir hatte einen Vorabdruck abgelehnt.[6] Das Manuskript gelangte zum Verlag von Giangiacomo Feltrinelli Editore nach Italien und wurde 1957 auf italienisch veröffentlicht. Die Anweisungen Pasternaks waren jedoch widersprüchlich: Neben Feltrinelli arbeiteten die wissenschaftlichen Verlage Brill und Mouton mit der französischen Übersetzercrew unter Leitung von Jacqueline de Proyart an der Veröffentlichung. Die russische Version erschien 1958 mindestens mit indirekter Unterstützung der CIA im Mouton Verlag in den Haag.[6] Der Niederländische Geheimdienst war auf Ersuchen der CIA daran beteiligt.[7] Dieses Manuskript hatte seinen Weg in die USA offensichtlich via Großbritannien gefunden. Dort lebten sowohl Isaiah Berlin, als auch Georgi Michailowitsch Katow sowie die Geschwister Pasternaks.[2] Die Amerikaner hatten erwartet, dass die Niederländer einen Vertrag mit Feltrinelli abschlossen, was jedoch nicht offiziell geschah. Feltrinelli war erbost, was zu unerwünschter Aufmerksamkeit des klandestinen Teils der Aktion führte.[3] Über 300 der Bücher wurden bei der Brüsseler Weltausstellung im Pavillon des Vatikans gratis an die Besucher verteilt. Dies geschah durch russischsprachige Priester mit Kontakten zum NTS – Bund der russischen Solidaristen.[8] Am 23. Oktober 1958 erhielt Pasternak den Nobelpreis für Literatur. Pasternak hatte den Nobelpreis zunächst angenommen und später auf Druck der KPdSU „freiwillig“ abgelehnt.[6] Im Jahr darauf wurde von der CIA finanziert eine kleinformatige Ausgabe auf Bibeldruckpapier gedruckt. Sie war speziell für die unauffällige Verbreitung im Ostblock geeignet. Die CIA wollte offenbar die ersten 1000 Exemplare des Buches bis 1. September. Ab dem 24. August 1958 wurden diese ausgeliefert.[8] Ein Jahr später wurden nochmals 2000 Exemplare nach Wien gebracht, wo die Weltjugendspiele statt fanden. Mitreisende KGB-Agenten warnten die Teilnehmer vor einer Mitnahme der Bücher nach Hause.[3]

In der Sowjetunion erschien der Roman erst 1988. Nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist veröffentlichte die US-Regierung im April 2014 die Dokumente aus den 1950er-Jahren zu den Geschehnissen.[9][10]

Orwell’s Animal Farm

Der Roman Animal Farm von George Orwell war eines der Bücher, welche von 1952 bis 1959 zu tausenden mittels 3-Meter-Ballonen von drei Startplätzen in Westdeutschland aus ihre Reise in den Ostblock antraten. Die Luftwaffen Polens, Ungarns und der Tschechoslowakei hatten den Auftrag, diese Ballone abzuschießen,[11] aufgefundene Bücher sollten zerstört werden.[3]

Einzelnachweise

  1. a b Auf den Spuren von Boris Pasternaks "Doktor Shiwago", Die Zeit, 24. Oktober 2019
  2. a b Luke Harding: How MI6 helped CIA to bring Doctor Zhivago in from cold for Russians, The Guardian, 6. Oktober 2014
  3. a b c d e Operation Aedinosaur: The CIA’s Mission to Undermine Soviet Censorship During the Cold War. 20. Januar 2022, archiviert vom Original; abgerufen am 5. April 2024.
  4. MEMORANDUM ON REQUEST FOR PROJECT AEDINOSAUR FY 1958 RENEWAL, Finanzantrag für das Jahr 1958 im öffentlich zugänglichen Archiv der CIA
  5. NOTIFICATION OF PROJECT APPROVAL: AEDINOSAUR - RENEWAL FY 1960 Tätigkeitsbericht des Projekts Aedinosaur für das Jahr 1959
  6. a b c Die Nobelpreismacher, NZZ, 15. April 2009
  7. Peter Finn, Petra Couvée: The Zhivago Affair: The Kremlin, the CIA, and the Battle Over a Forbidden Book, Verlag Penguin Random House ISBN 978-0-345-80319-1, Nachwort, Abschnitt "A Note on Sources"
  8. a b Petra Couvée Een geslaagde stunt Operatie Zjivago, de ontknoping, De Parelduiker. Jaargang 4(1999), Seite 63
  9. CIA Declassifies Agency Role in Publishing Doctor Zhivago. 14. April 2014, archiviert vom Original; abgerufen am 5. April 2024 (englisch, CIA Press Release).
  10. 19581024 CABLE AEDINOSAUR. Abgerufen am 5. April 2024 (englisch, Das im Text erwähnte cable).
  11. Nicholas Shakespeare: Novel explosives of the Cold War. In: Spectator. 24. August 2019, archiviert vom Original; abgerufen am 5. April 2024 (englisch).