Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover

Die Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover (MNH) mit Standorten in Hannover, Laatzen und Ahlem war eine zur Zeit des Nationalsozialismus betriebene Firma der Rüstungsindustrie.[1] Die MNH gehörte zu den neun führenden Panzerfirmen, die 1943 einen Produktionsanteil von 90 Prozent an fertig montierten Panzern hatten.[2] Die MNH stellte 30 Prozent der 6000 zwischen 1943 und 1945 produzierten Panther her.[3]

Geschichte

Die Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover wurde im Frühjahr 1939 wenige Monate vor Beginn des Zweiten Weltkrieges als Tochterunternehmen des Eisenwerks Wülfel gegründet;[1] diese Angaben der United States Strategic Bombing Survey stehen allerdings im Widerspruch zu denen der Reichsbetriebskartei Industrie, nach denen die Firma seit 1937 bestand.[3] Firmensitz der „M.N.H. Maschinenfabrik Niedersachsen G.m.b.H“ war die Eichelkampstraße 4 in Hannover–Wülfel.[3] Zweck der Gesellschaft war die Erfüllung von Rüstungsaufträgen; sie war 1944 mit 3383 Arbeitskräften das sechstgrößte hannoversche Rüstungsunternehmen.[4] Zunächst wurde an zwei Standorten in Laatzen und im hannoverschen Stadtteil Linden produziert.

Mahnmal in der Nähe des KZ-Außenlagers Hannover-Ahlem am Ort des Zugangs zu den Asphaltstollen: Stilisierter Grubeneingang mit Asphaltplatten (1994)

Im Jahr 1944 wurde zusätzlich ein Werk in einem Untertagebau in Ahlem (52° 22′ 40,6″ N, 9° 39′ 19,4″ OKoordinaten: 52° 22′ 40,6″ N, 9° 39′ 19,4″ O) eingerichtet, in dem für die MNH und die Continental AG Bauteile für Panzer, Flugzeuge und Geschütze hergestellt werden sollten.[1] Zunächst errichteten etwa 100 Zwangsarbeiter das KZ-Außenlager Hannover-Ahlem weitgehend neu, das als Lager für das in unmittelbarer Nähe geplante unterirdische Rüstungswerk dienen sollte. In den dafür vorgesehenen, bereits vorhandenen Asphaltstollen mussten ab November 1944 die Zwangsarbeiter unter schwersten Arbeitsbedingungen die Gänge erweitern;[5] bereits im Dezember wurden von den unterernährten und entkräfteten Zwangsarbeitern mindestens 250 als krank ins KZ Neuengamme gebracht. Unter den Zwangsarbeitern waren rund 1000 polnische Juden aus dem KZ Auschwitz, die unter Aufsicht von SS-Wachleuten und Kapos standen.[6] In den Stollen wurden Maschinen montiert,[3] die Produktion wurde aber nicht mehr aufgenommen.[5] Von den insgesamt 1500 Zwangsarbeitern starben bis April 1945 etwa 750.[5] Die MNH war Mitglied der Lagergemeinschaft e. V., einer Interessengemeinschaft hannoverscher Rüstungsunternehmen, die im November 1942 ins Vereinsregister eingetragen wurde und die großen Zwangsarbeiterlager in und bei Hannover unterhielt.[7]

Nach schweren Zerstörungen durch die Luftangriffe auf Hannover im März 1945 wurde die Panzerproduktion eingestellt. Das Lindener Werk wurde am 10. April 1945 im Zuge der Befreiung Hannovers von der 9. US-Armee eingenommen[8] und von der britischen Besatzungsmacht weiterbetrieben; teilweise fertiggestellte Panzer wurden für diese weitergebaut. Das Ahlemer Zwangsarbeiterlager wurde am 6. April 1945 evakuiert[9] und Hunderte auf einen Todesmarsch Richtung KZ Bergen-Belsen geschickt, etwa 200 wurden als krank zurückgelassen.[5] Die amerikanischen Befreier fanden am 10. April noch etwa 180 Überlebende vor, von denen mindestens 51 bei der anschließenden Versorgung im Krankenhaus starben.[10] 1946/1947 wurde das Lindener Werk demontiert. Das Laatzener Werk wurde bis 1957 von den Briten weitergeführt.[3]

Literatur

  • Fred Erhardt: Zwischen Masch und Maschinen. Vom Bauerndorf zum Industriestandort. Industriegeschichte und Arbeiterkultur in Hannover Wülfel. Bilder und Dokumente einer Entwicklung. Tragwerk e. V., Hannover 1996, S. 32–42.
  • Werner-Otto Reichelt: Die Demontageliste. Eine vollständige Übersicht über die Reparationsbetriebe sowie die amtlichen Erklärungen der Militärbefehlshaber der Britischen und USA-Zone. Drei Türme, Hamburg 1947, S. 32, Nr. 347–349 (PDF).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Waldemar R. Röhrbein: Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover (MNH). In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 429; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  2. Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945. Nachdruck des von 1969 bis 1996 im Akademie-Verlag erschienenen dreibändigen Werkes. De Gruyter, Berlin 2003, Bd. III, S. 178; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  3. a b c d e Frank Köhler: Die Fertigung von Kettenfahrzeugen bei der Firma M.N.H. in Hannover von 1939–1945.
  4. Klaus Mlynek: Hannover in der Weimarer Republik und unter dem Nationalsozialismus 1918–1945. In: ders., Waldemar Röhrbein (Hrsg.): Geschichte der Stadt Hannover. Bd. 2: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 1994, ISBN 3-87706-364-0, S. 405–578, hier S. 558, Tabelle 23.
  5. a b c d Mahnmal KZ-Außenlager Ahlem. In: Netzwerk Erinnerung + Zukunft in der Region Hannover. Archiviert vom Original am 7. Juli 2015; abgerufen am 13. Dezember 2019.
  6. Anke Quast: Nach der Befreiung. Jüdische Gemeinden in Niedersachsen seit 1945. Das Beispiel Hannover (= Veröffentlichungen des Arbeitskreises Geschichte des Landes Niedersachsen (nach 1945). Bd. 17). Zugleich Dissertation 1999 an der Universität Hannover, Wallstein, Göttingen 2001, ISBN 3-89244-447-1, S. 45f.; online über Google-Bücher.
  7. Zwangsarbeiterlager. In: Netzwerk Erinnerung + Zukunft in der Region Hannover; Klaus Mlynek: Hannover in der Weimarer Republik und unter dem Nationalsozialismus 1918–1945. In: ders., Waldemar Röhrbein (Hrsg.): Geschichte der Stadt Hannover. Bd. 2: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 1994, ISBN 3-87706-364-0, S. 405–578, hier S. 559.
  8. Vgl. Klaus Mlynek: Hannover in der Weimarer Republik und unter dem Nationalsozialismus 1918–1945. In: ders., Waldemar Röhrbein (Hrsg.): Geschichte der Stadt Hannover. Bd. 2: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 1994, ISBN 3-87706-364-0, S. 405–578, hier S. 567, und Waldemar Röhrbein: Hannover nach 1945. Landeshauptstadt und Messestadt. In: ebda., S. 579–800, hier S. 585; Frank Köhler schreibt im angegebenen Weblink irrtümlich vom 9. April und der 9. britischen Armee.
  9. AG Zeitzeugen: Einen Ort der Erinnerung schaffen. KZ und Zwangsarbeit in Hannover-Limmer 1944/45. Broschüre. Hannover, Juni 2011, S. 29 (PDF) (Memento des Originals vom 31. Oktober 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kz-limmer.de.
  10. Anke Quast: Nach der Befreiung. Jüdische Gemeinden in Niedersachsen seit 1945. Das Beispiel Hannover (= Veröffentlichungen des Arbeitskreises Geschichte des Landes Niedersachsen (nach 1945). Bd. 17). Zugleich Dissertation 1999 an der Universität Hannover, Wallstein, Göttingen 2001, ISBN 3-89244-447-1, S. 60–62.