Martin Melles

Martin Melles 2013

Martin Melles (* 27. August 1960 in Bremen) ist ein deutscher Geologe und Professor an der Universität zu Köln. Er forscht über die Klimageschichte von Arktis und Antarktis in Pliozän und Quartär.

Leben

Melles besuchte das Gymnasium Wesermünde in Bremerhaven (Abitur 1980) und studierte Geologie und Paläontologie an der Universität Göttingen (1987 mit Diplom abgeschlossen). Danach war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und wurde 1990 an der Universität Bremen über Forschungen in der Antarktis (Paläoglaziologie und Paläozeanographie im Spätquartär am Kontinentalrand des südlichen Weddellmeeres, Antarktis) promoviert. 1992 wechselte er im Alfred-Wegener-Institut nach Potsdam. Er habilitierte sich 2000 an der Universität Potsdam zur Rekonstruktion der spätquartären Entwicklungsgeschichte polarer Küstenregionen mit Hilfe von Seesedimenten.

Nach einer Vertretungsprofessur in Leipzig wurde er 2001 Professor für Geologie an der Universität Leipzig und seit 2006 ist er Professor an der Universität zu Köln.

Werk

Martin Melles im Polarforscheroutfit
Elgygytgyn-See

Melles befasst sich mit der Klimageschichte und Klimaschwankungen im Quartär speziell in den Polarregionen. Insbesondere erforschte er dabei das Klimaarchiv in den Sedimentablagerungen des Kratersees Elgygytgyn[An 1] in Tschukotka im Nordosten Sibiriens, der rund 12 km Durchmesser hat und 170 m tief ist. Er entstand vor 3,6 Millionen Jahren im Pliozän wahrscheinlich durch einen Meteoriteneinschlag, war in der Eiszeit nicht vergletschert (wie Olga Gluschkowa 1994 entdeckte) und ist deshalb besonders gut geeignet, die Klimaschwankungen der jüngeren Vergangenheit (Ende des Neogens und gesamtes Quartär) in der Polarregion zu untersuchen (zum Beispiel über den Pollengehalt und den Paläomagnetismus der Sedimente). Im Rahmen eines internationalen Projekts (ICDP; Russland, USA, Deutschland[An 2], Österreich und andere europäische Länder), bei dem Melles von deutscher Seite Projektleiter[An 3] war, wurde dort durch die Eisdecke[An 4] 2009 u. a. ein 315 m langer Sediment-Bohrkern gewonnen. Er ermöglichte Rückschlüsse auf Niederschläge, Vegetation und Temperatur und deren Schwankungen in guter zeitlicher Auflösung über 3,6 Millionen Jahre. Zuvor gab es im Wesentlichen die Klimaaufzeichnungen aus Eisbohrkernen des grönländischen Inlandeises, die aber nur 120.000 Jahre zurückreichten.

Wichtigstes Ergebnis war, dass das Klima in der Arktis in zwei Warmzeiten innerhalb der Eiszeit (vor 400.000[An 5] und vor 1,1 Millionen Jahren) wärmer als bis dahin angenommen war. Damals gab es um den See dichte Nadelwälder[An 6], und die Untersuchungen in der Arktis zeigten für diese sogenannten Super-Warmzeiten mit einer mittleren Temperatur, die vier bis fünf Grad über der von normalen Warmzeiten im Quartär[An 7] lag (mittlere Temperatur 13 Grad[An 8]), einen deutlicheren Unterschied als bisher aus Untersuchungen zum Beispiel in Europa bekannt war. Sie lassen sich allein aus Änderungen der Bahnparameter der Erde nicht erklären und korrelieren zwar mit hohen Kohlendioxidwerten, können durch diese allein aber nicht erklärt werden. In diesen Zeiten war aber auch ein großer Teil des Eisschildes in der westlichen Antarktis abgeschmolzen. Vermutet werden daher Rückkopplungseffekte[An 9] aus dem Grad der Vergletscherung speziell in der Antarktis und in Grönland[An 10], die nahelegen, dass die Polarregionen sensibler auf Klimaänderungen reagieren und sich das Klima dort möglicherweise schneller ändern kann als bisher angenommen.[1]

Am Ende der Aufzeichnungen im Pliozän vor rund 3,6 Millionen Jahren war es in der Arktis im Sommer rund acht Grad wärmer als heute bei vergleichbarem Kohlendioxidgehalt von rund 400 ppm.[An 11]

Melles war unter anderem auch bei einer Forschungsreise auf der Polarstern unterwegs, dabei wurde unter anderem die Klima- und Umweltgeschichte Südgeorgiens untersucht.

In jüngster Zeit dehnte Melles seine Forschungsarbeiten in Sibirien, auf Grönland und in der Antarktis auf Untersuchungen der Klimageschichte in gemäßigteren Breiten aus. Eine besondere Rolle spielt dabei seine Beteiligung am Sonderforschungsbereich 806 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Der SFB 806 hat zum Ziel, die Wanderung des Modernen Menschen von Afrika nach Europa seit seiner Entstehung vor etwa 190.000 Jahren zu rekonstruieren. Dabei liefern die Seesediment-Untersuchungen von Melles Informationen darüber, ob und ggf. inwieweit Klimaschwankungen die Menschheitsgeschichte beeinflusst haben.

Schriften

  • mit Julie Brigham-Grette, Pavel Minyuk, N. R. Nowaczyk, V. Wennrich, R. M. DeConto, P. M. Anderson, A. A. Andreev, A. Coletti, T. M. Cook, E. Haltia-Hovi, M. Kukkonen, A. V. Lozhkin, P. Rosen, P. Tarasov, H. Vogel, B. Wagner 2.8 Million Years of Arctic Climate Change from Lake El’gygytgyn, NE Russia, Science, Band 337, 2012, S. 315–320, Abstract
  • mit Julie Brigham-Grette, Pavel Minyuk, A. Andreev, P. Tarasov, R. DeConto, S. Koenig, N. Nowaczyk, V. Wennrich, P. Rosen, E. Haltia-Hovi, T. Cook, T. Gebhardt, C. Meyer-Jacob, J. Snyder, U. Herzschuh: Pliocene Warmth, Polar Amplification, and Stepped Pleistocene Cooling Recorded in NE Arctic Russia, Science, 9. Mai 2013, Abstract
  • mit Julie Brigham-Grette, Pavel Minyuk, Christian Koeberl, Andrei Andreev, Timothy Cook, Grigory Fedorov, Catalina Gebhardt, Eeva Haltia-Hovi, Maaret Kukkonen, Norbert Nowaczyk The Lake El’gygytgyn Scientific Drilling Project – conquering arctic challenges through continental drilling, Scientific Drilling, März 2011, pdf
  • Herausgeber mit J. Brigham-Grette, P. Minyuk, B. Wagner, T. Cook, D.-D. Rousseau: Initial results from lake El’gygytgyn, western Beringia: first time-continuous Pliocene-Pleistocene terrestrial record from the Arctic, in: Climate of the Past, Special Issue 48, 2012, Online

Weblinks

Anmerkungen

  1. Tschuktschisch für „Weißer See“
  2. Neben dem Alfred-Wegener-Institut das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ)
  3. Leitung von US-Seite Julie Brigham-Grette (University of Massachusetts), auf russischer Seite Pawel Minjuk (NEISRI Magadan), auf österreichischer Seite Christian Koeberl (Universität Wien)
  4. Der See ist neun Monate im Jahr eisbedeckt
  5. Die Sauerstoff-Isotopenstufe (Marine Isotope Stage) MIS 11c, von vor 420.000 bis vor 400.000 Jahren; sie wird in Mitteleuropa von vielen Quartärgeologen der Holstein-Warmzeit zugerechnet, deren Datierung allerdings umstritten ist
  6. Heute ist dort Tundra
  7. Wie der gegenwärtigen Warmzeit, die vor 12.000 Jahren begann, oder der Eem-Warmzeit vor 120.000 Jahren
  8. Sowie mit im Mittel 600 Liter Regen pro Quadratmeter doppelt so viel wie in normalen Warmzeiten
  9. Die Tiefenströmung aus der Antarktis transportiert kaltes Wasser in den Nordpazifik und koppelt so an das Klima der Arktis – beim Abschmelzen des antarktischen Eisschildes wird diese Strömung stark abgeschwächt oder könnte entfallen; außerdem stieg damals der Meeresspiegel (etwa 5 m höher als heute) und warmes Wasser gelangte verstärkt über die Beringstraße in die Arktis
  10. Die Wissenschaftler vermuten, dass ein Großteil Grönlands in den Superwarmzeiten eisfrei war
  11. Heute ist die mittlere Temperatur am See −10,3 °C und schwankt zwischen −40 °C im Winter und +26 °C im Sommer (Daten von 2002). Brigham-Grette u. a. The Lake El’gygytgyn…; für die Angaben im Pliozän: Brigham-Grette u. a. Pliocene Warmth… (beide s. Abschnitt Schriften)

Einzelnachweise

  1. Bericht bei Planet Erde (Memento des Originals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.planeterde.de. Abgerufen am 11. Mai 2013.