Heinz Faulstich

Heinz Reinhold Faulstich (* 25. Oktober 1927 in Aschaffenburg; † 10. Juni 2014 in Konstanz) war ein deutscher Psychiater und Psychotherapeut. Er forschte über Psychiatriegeschichte, insbesondere über das Hungersterben in der Psychiatrie.[1][2]

Leben und Wirken

Heinz Faulstich wurde am 25. Oktober 1927 in Aschaffenburg geboren. Er war der Sohn des Bäckermeisters Leo Faulstich und seiner Ehefrau Katharina, geb. Naumann. Als Gymnasiast wurde er für zwei Jahre als Luftwaffenhelfer, Arbeitsmann und Soldat eingezogen. Er wurde verwundet und geriet in Gefangenschaft. Anschließend absolvierte er einen halbjährigen Kriegsteilnehmer-Kurs an der Oberrealschule in Aschaffenburg und bestand dort 1946 das Abitur.

Im Frühjahr 1947 begann er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule zu Bamberg das Studium der Medizin, wechselte zunächst nach Erlangen, dann nach Tübingen, wo er 1952 das Staatsexamen ablegte und sich 1953 mit einer psychologischen Schrift zum Komponisten Mikalojus Konstantinas Čiurlionis promovierte.[3] Er ließ sich in den USA, der Schweiz und Deutschland zum Facharzt ausbilden, arbeitete an verschiedenen Kliniken, u. a. Ende der 1950er Jahre unter Ernst Kretschmer an der Universitäts-Nervenklinik Tübingen, und absolvierte eine Lehranalyse. 1969 kam er ans Psychiatrische Landeskrankenhaus Reichenau, als dessen stellvertretender Direktor er von 1973 bis 1990 wirkte.[4][5][6][7]

Heinz Faulstich recherchierte mit höchster Akribie die Geschichte der badischen Psychiatrien. Die Schicksale der auch in Südbaden während der Aktion T4 ermordeten Menschen waren wie Puzzleteile auf verschiedene Krankenakten verteilt. Das Bild, das Faulstich zusammensetzte, war nur schwer zu ertragen. Aber seine Arbeit schuf ein wissenschaftliches Fundament für ein Verständnis der Vorgänge, auf das bis heute auch überregional Bezug genommen wird. Seine Recherchen brachten noch weitere Ungeheuerlichkeiten zutage, die gänzlich vergessen worden waren, vor allem das systematische Verhungernlassen von Kranken auch in Friedenszeiten. Faulstich sah sich darüber hinaus als Psychiater in der Verantwortung denjenigen Menschen gegenüber, welche die NS-Medizin durch Zwangssterilisationen verstümmelt hatte. Um 1990 lebten noch viele von ihnen weitestgehend unsichtbar auch in Südbaden. Bis in jüngste Zeit mussten sie darum kämpfen, als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt zu werden. Heinz Faulstich unterstützte viele Betroffene der Zwangssterilisationen in ihrem Kampf vor Gericht. Auch an der Errichtung eines von einer Gruppe Mitarbeiter finanzierten Mahnmals für die Opfer der NS-Psychiatrie am Landeskrankenhaus Reichenau war er beteiligt.[8][9]

Auszeichnungen

Werke

Einzelnachweise

  1. J 191 Faulstich, Heinz, Dr., Archivalieneinheit, Landesarchiv Baden-Württemberg, abgerufen am 16. Februar 2016.
  2. Traueranzeigen, Südkurier, 18./21./24. Juni 2014, abgerufen am 16. Februar 2016.
  3. Heinz Faulstich. Mikalojus Konstantins Čiurlionis – Psychologische Betrachtungen über sein Leben und Schaffen. Dissertation, Tübingen 1953
  4. Lebenslauf im Anhang zur Dissertation 1953.
  5. Heinz Reinhold Faulstich: Theorie und Praxis der psychiatrisch-psychotherapeutischen Tageskrankenhäuser in England. In: Zeitschrift für Psychotherapie und medizinische Psychologie. Bd. 10 (1960), S. 118–124.
  6. Nachruf Dr. med. Heinz Faulstich. In: Ärzteblatt Baden-Württemberg. Jg. 69 (2014), H. 8, S. 346 (PDF, abgerufen am 16. Februar 2016).
  7. Philipp Zieger: Trauer um Heinz Faulstich. In: Südkurier, Ausgabe Konstanz, 20. Juni 2014, abgerufen am 16. Februar 2016.
  8. Petra Bühring: Psychiatrie-Geschichte: Wendepunkt 1968. In: Deutsches Ärzteblatt. Bd. 98 (2001) H. 51–52, S. A-3435/B-2893/C-2689
  9. Christoph Schwamm: Medizingeschichte im Südwesten. Eine kritische Chronik der Bezirksärztekammer Südbaden. Freiburg 2021, S. 147: Paradigmenwechsel bei der Vergangenheitsbewältigung.
  10. Sabine Bade: Wir sind vier der über tausend … (2) In: Seemoz, Freitag, 23. Dezember 2022 (Digitalisat, abgerufen am 23. Dezember 2022)