Amanuensis

Amanuensis (Plural: Amanuenses) ist eine veraltete Bezeichnung für einen Sekretär oder Schreibgehilfen eines Gelehrten. Der Begriff ist lateinischen Ursprungs (manus, ‚die Hand‘) und kann wörtlich als „Handarbeiter“ oder „Handlanger“ übersetzt werden.

Etymologie

Mit Amanuensis wurde im antiken Rom ein Sklave bezeichnet, der in seinem Dienst seinem Herrn für manuelle Arbeiten „die Hand zu reichen“ hatte. Später wurde der Begriff speziell auf einen eng vertrauten Diener angewendet, oft ein Freigelassener, der seinem Herrn als persönlicher Sekretär diente.

Amanuenses seit der Frühen Neuzeit

Im akademischen Bereich

Im akademischen Bereich bezeichnete man mit Amanuensis einen Schreiber, der eine behinderte oder verletzte Person in einer schriftlichen Prüfung oder beim Erstellen schriftlicher Arbeiten unterstützte. Der Begriff wurde auch für wissenschaftliche Mitarbeiter in Bibliotheken, Archiven oder Museen verwendet sowie für Forschungsassistenten, die an einer eigenen wissenschaftlichen Arbeit schrieben. An Sternwarten war der Amanuensis der Gehilfe des Observators. In der Chemie oder Physik bezog sich der Begriff auf einen technisch geschulten Laborassistenten, der für die Vorbereitung von Versuchen, Experimenten und die Wartung der Instrumente verantwortlich war.

In Dänemark wurde der Titel von 1960 bis 1972 für Hilfsprofessuren geführt.[1] In Norwegen wird mit dem Titel Amanuensis das Äquivalent zum US-amerikanischen Assistant Professor bezeichnet, während Førsteamanuensis (also „erster“ Amanuensis) das Äquivalent zum US-amerikanischen Associate Professor bezeichnet. Der Amanuensis kann also mit der Juniorprofessur und der Førsteamanuensis mit der W2-Professur in Deutschland verglichen werden.[2]

In anderen Bereichen

Im 19. und frühen 20. Jahrhunderts war Amanuensis die Berufsbezeichnung für männliche Sekretäre, die auf Schiffen oder in Eisenbahnen den Reisenden der höheren Beförderungsklassen für Dienstleistungen zur Verfügung standen. Im englischen Sprachgebiet verwendeten bisweilen Arbeitgeber die Bezeichnung für, meist ungelernte, Arbeiter am unteren Ende der Hierarchie, vgl. Faktotum und Famulus.

Bedeutende Amanuenses

Während der Begriff seit dem frühen 20. Jahrhundert kaum noch verwendet wird, wurden in älteren Schriften die Sekretäre und engen Mitarbeiter von Wissenschaftlern und Gelehrten gewöhnlich so bezeichnet. Die Tätigkeit als Amanuensis war, neben der des Hauslehrers, seit der Frühen Neuzeit ein üblicher Berufsstart für junge Akademiker.

Amanuensis Lebensdaten im Dienst von:
Marcus Tullius Tiro 104 v. Chr. – 4 v. Chr. Marcus Tullius Cicero
Tertius von Iconium 1. Jahrhundert Paulus von Tarsus
Johannes Gramann[3] 1487–1541 Johannes Eck, später von Martin Luther
Francesco Melzi um 1491/92–um 1570 Leonardo da Vinci
Karl von Utenhove der Ältere um 1500–1580 Erasmus von Rotterdam
Veit Dietrich

Veit Dietrich[4]
1506–1549 Martin Luther
Johannes Oporinus

Johannes Oporinus[5]
1507–1568 Paracelsus
Thomas Hobbes

Thomas Hobbes
1588–1679 Francis Bacon
Johann Friedrich Hodann[6] 1674–1745 Gottfried Wilhelm Leibniz
John Christopher Smith der Ältere 1683–1763 Georg Friedrich Händel
John Christopher Smith der Jüngere

John Christopher Smith der Jüngere
1712–1795 Georg Friedrich Händel
Andreas Lamey[7] 1726–1802 Johann Daniel Schöpflin
Ehregott Andreas Wasianski

Ehregott Andreas Wasianski[8]
1755–1831 Immanuel Kant
Friedrich Wilhelm Riemer

Friedrich Wilhelm Riemer
1774–1845 Johann Wolfgang von Goethe
Michael Faraday

Michael Faraday
1791–1867 Humphry Davy
Georg Schulze[9] 1807–1866 Jakob Grimm
Wilhelm Altmann 1862–1951 Leopold von Ranke
Eugen Täubler 1879–1953 Theodor Mommsen

In der modernen Literatur

Im Thriller Hologrammatica von Tom Hillenbrand (2018 erschienen bei Kiepenheuer & Witsch) wird ein persönlicher digitaler Assistent (ähnlich dem Google Assistant) als Amanuensis bezeichnet. Seine Grundfunktionen sind die einer Suchmaschine, inkl. Bildrecherche, Hotelbuchungen, Terminverwaltung etc. Seine Fähigkeiten gehen jedoch noch weit darüber hinaus, da der Roman im Jahre 2088 spielt.

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Hentschel: Unsichtbare Hände. Zur Rolle von Laborassistenten, Mechanikern, Zeichnern und anderen Amanuenses in der physikalischen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Verlag für Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Diepholz, Stuttgart, Berlin 2008, ISBN 978-3-928186-85-8.

Weblinks

Wiktionary: Amanuensis – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Copyists – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Den Store Danske Encyklopædi: amanuensis, abgerufen im August 2013, dänisch
  2. Offizielle norwegisch-englische Übersetzungsliste der Berufstitel an der Norwegischen Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität (NTNU)
  3. Karl Alfred von HasePoliander, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 576 f.
  4. Johann Jakob HerzogDietrich, Veit. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 5, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 196 f.
  5. Karl SteiffOporinus, Johannes. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 24, Duncker & Humblot, Leipzig 1887, S. 381–387.
  6. Erwähnung in: Carl von PrantlGottfried Wilhelm Leibniz. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 18, Duncker & Humblot, Leipzig 1883, S. 172–209.
  7. Erwähnung in: Peter Fuchs: Andreas.html#ndbcontent Lamey, Andreas. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 444 (Digitalisat).
  8. Erwähnung in:Carl von PrantlImmanuel Kant. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 15, Duncker & Humblot, Leipzig 1882, S. 81–97.
  9. Heinrich PröhleSchulze, Georg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 32, Duncker & Humblot, Leipzig 1891, S. 775 f.