Inge Viett

Inge Viett (* 12. Januar 1944 in Stemwarde bei Hamburg) war Angehörige der Bewegung 2. Juni und schloss sich 1980 der Rote Armee Fraktion an. 1982 tauchte sie, wie bereits zwei Jahre zuvor acht andere RAF-Aussteiger, in der DDR unter. Seit ihrer Haftzeit ist sie als Autorin tätig.

Leben

Nachdem das Jugendamt ihrer Mutter das Sorgerecht entzogen hatte, lebte Inge Viett ab 1946 zunächst in einem Kinderheim. 1950 kam sie zu einer Pflegefamilie nach Schleswig-Holstein, aus der sie nach neun Jahren floh. In Hamburg schlug sich Viett mit Gelegenheitsjobs durch, strippte in St. Pauli und begann sich zu politisieren. 1968 zog sie nach West-Berlin, beteiligte sich an Demonstrationen der APO und wurde schließlich Mitglied der Bewegung 2. Juni.

Viett war u. a. an der Lorenz-Entführung 1975 und an einer Gefangenenbefreiung 1978 beteiligt. Am 7. Mai 1972 sowie am 9. September 1975 wurde sie verhaftet, brach aber beide Male aus dem Gefängnis aus. Am 7. Juli 1976 flohen Inge Viett, Gabriele Rollnik, Monika Berberich und Juliane Plambeck aus der Frauenhaftanstalt Lehrter Straße in Berlin. Sie setzten sich über die Agentenschleuse im Bahnhof Berlin Friedrichstraße mit Hilfe der Stasi in die DDR ab. Im August 1981 schoss sie in Paris aus vier Meter Entfernung auf Francis Violot, einen damals 31-jährigen französischen Polizisten (verheiratet, zwei Kinder), der seither querschnittgelähmt ist.

Flucht in die DDR

1982 konnte sich Viett erneut mit Hilfe der Stasi der Strafverfolgung entziehen. Sie floh in die DDR. Dort lebte sie zunächst unter dem Namen Eva-Maria Sommer in Dresden und absolvierte eine Ausbildung zur Repro-Fotografin. Nachdem der Verdacht aufkam, dass es sich bei ihr um die in der BRD Gesuchte handele, musste sie 1987 nach Magdeburg übersiedeln. Dort lebte sie als Eva Schnell und war Gruppenleiterin in einem Kinderferienlager des Schwermaschinenbau-Kombinats „Karl Liebknecht“. Nach dem Mauerfall wurde Viett am 12. Juni 1990 in Magdeburg verhaftet. Vom Oberlandesgericht Koblenz wurde sie 1992 aufgrund der Schüsse auf den Polizisten in Paris wegen versuchter Tötung zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Nach der Haft

Im Januar 1997 wurde nach Verbüßung der halben Strafe der Rest zur Bewährung ausgesetzt, und sie konnte das Gefängnis verlassen. Schon während ihrer Gefangenenzeit erschien ihr erstes Buch. Heute ist Viett weiterhin als Schriftstellerin tätig. Viett hat sich bis heute nicht von den bewaffneten Aktionen der RAF distanziert. Der Regisseur Volker Schlöndorff benutzte Motive aus ihrer Autobiographie für seinen Film Die Stille nach dem Schuss. Daraufhin warf Viett ihm und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase vor, ein Plagiat begangen zu haben [1]. Die beiden Parteien konnten sich außergerichtlich einigen.

Viett veröffentlichte am 24. Februar 2007 in der Tageszeitung „junge Welt“ einen Beitrag, in dem sie u. a. schreibt, dass der „politisch/militärische Angriff“ damals „für uns der angemessene Ausdruck für unseren Widerstand gegen den Kapitalismus“ gewesen sei. Rückblickend beklagt sie, „dass dem Guerillakampf in der BRD und in allen imperialistischen Staaten verdammt mehr Erfahrung, Klugheit, Ausdauer und Unterstützung zu wünschen gewesen wären“. Dieser Zeitungsbeitrag ist mit dem Titel „Lust auf Freiheit“ überschrieben. Die bewaffneten Aktionen der RAF bezeichnete sie in diesem Beitrag als „Klassenkampf von unten“. Vor vierzig Jahren habe es eine kleine Schar von Menschen gegeben, die entschlossen den Kampf gegen die deutsche Elite und ihr Machtsystem aufgenommen hatten, so Viett. Inspiriert worden sei man dabei von den antikolonialen und nationalen Befreiungsbewegungen.

Am 20. Juli 2008 wurde Inge Viett bei einer Demonstration gegen das Bundeswehr-Gelöbnis verhaftet. Gegen sie wird wegen versuchter Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten ermittelt.[2]

Werke

  • Inge Viett: Einsprüche! Briefe aus dem Gefängnis. Edition Nautilus, Hamburg 1996, ISBN 3-89401-266-8
  • Inge Viett: Nie war ich furchtloser: Autobiographie. Edition Nautilus, Hamburg 1997, ISBN 3-89401-270-6
  • Inge Viett: Cuba libre bittersüß: Reisebericht. Edition Nautilus, Hamburg 1999, ISBN 3-89401-340-0
  • Inge Viett: Morengas Erben: eine Reise durch Namibia. Edition Nautilus, Hamburg 2004, ISBN 3-89401-447-4

Film

  • Große Freiheit - kleine Freiheit, Kristina Konrad (Regie), Dokumentarfilm, Deutschland 2000, s/w, 83 Min.
    Dokumentation über Inge Viett aus Deutschland und María Barhoum aus Uruguay, zwei Frauen, die Ende der 1960er Jahre für eine revolutionäre Veränderung der Welt kämpften.
  • Die Stille nach dem Schuss, halbfiktionales Drama von Regisseur Volker Schlöndorff nach Motiven und Handlung der Autobiografie von Inge Viett. [3].

Einzelnachweise

  1. Inge Viett: Kasperletheater im Niemandsland. In: konkret, Nr. 4, 2000.
  2. Der Tagesspiegel: Ex-Terroristin Inge Viett wieder frei:
  3. konkret, Nr. 4, 2000

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