500-cm³-Klasse der Motorrad-Weltmeisterschaft

Giacomo Agostini auf MV Agusta – erfolgreichster Fahrer dieser Klasse auf einer der erfolgreichsten Maschinen
Valentino Rossi und Honda – die beiden letzten Weltmeister bei den 500ern

Die 500-cm³-Klasse, oder „Halbliterklasse“, oft auch nur die 500er genannt, war eine Kategorie im Rahmen der Motorrad-Weltmeisterschaft, die von 1949 bis 2001 ausgeschrieben und für Maschinen mit einem Hubraum bis maximal 500 cm³ reserviert war. 2002 wurde sie durch die neu eingeführte Klasse MotoGP abgelöst. Während ihres Bestehens war sie die stärkste und prestigeträchtigste Klasse des Motorradsports und wurde allgemein als die „Königsklasse“ bezeichnet.

Geschichte

Vierzylinder Viertaktmotor einer MV Agusta 500 Cardano (1951)
V4 Zweitaktmotor einer Honda NSR 500 (1997)

Die 500er-Klasse wurde 53 Jahre lang ununterbrochen gefahren, von der Premiere der Weltmeisterschaft 1949 bis zur Saison 2001. In diesem halben Jahrhundert war sie die Klasse mit dem größten Hubraum, mit Ausnahme der Saisons 1977, 1978 und 1979, in denen die Formel 750 für seriennahe Motorräder mit einem Hubraum bis 750 cm³ ausgeschrieben war.

Die lange Geschichte der „500er-Klasse“ lässt sich grob in zwei Teile gliedern: Der erste wird von Motorrädern mit 4-Takt-Motoren europäischer Bauart dominiert und in der zweiten Hälfte waren Maschinen mit 2-Takt-Motoren japanischer Bauart tonangebend.[1]

Die 4-Takt-Ära

Die Viertaktmotoren dominierten alle Ausgaben der 500er-Meisterschaften bis etwa 1974, als sich mit dem zunehmenden Aufkommen japanischer Hersteller die Technik der Motoren klar in Richtung Zweitakttechnik veränderte. In den 1970er Jahren hatten die Weiterentwicklung der verwendeten Materialien und die neuen Flüssigkeitskühlsysteme letztlich die Probleme gelöst, die bis dahin häufig zu Motorausfällen führten, die auf schlechte Qualität der Bauteile und vor allem auf eine übermäßige thermische Belastung (Erwärmung oder Abkühlung) zurückzuführen waren. Beim Großen Preis von Deutschland 1976, der am 29. August auf dem Nürburgring stattfand, war der letzte Sieg eines 4-Takt-Motorrads in dieser Klasse zu verzeichnen, zusammen mit dem letzten Sieg in der langen Karriere von Giacomo Agostini (auf MV Agusta 500 Vierzylinder).

Die 2-Takt-Ära

Die zweite Hälfte der „500er-Ära“ brachte eine fortschreitende und kontinuierliche Zunahme der technischen Unterschiede zwischen normalen Serienmotorrädern, normalerweise 4-Takt-Maschinen, und solchen, die für Wettbewerbe gebaut wurden, allesamt 2-Takt-Motorrädern. Das machte es nahezu unmöglich, die in Rennen getesteten Verbesserungen in die entsprechende Produktion von Großserienmotorrädern zu übertragen, außer mit einer immensen Verschwendung technologischer und wirtschaftlicher Ressourcen.

Mit der Rennsaison 2002 wurde die „500er-Klasse“ abgeschafft und durch die MotoGP ersetzt, deren Vorschriften eine größere Flexibilität bezüglich der Gewichts- und Hubraumgrenzen für Zweitaktmotoren im Vergleich zu Viertaktmotoren vorsehen, mit dem offensichtlichen Ziel, den Einsatz von Viertaktern zu fördern.

Reglement

Technisch

Die technischen Bestimmungen wechselten im Laufe der Jahre. In der letzten Fassung des Reglements für die 500er-Klasse (gültig von 1993 bis 2001) wurde ein Mindestgewicht von 100 kg für Motorräder mit Zweizylindermotoren, 115 kg für Dreizylindermotoren und 130 kg für Vierzylindermotoren festgelegt.

Zur Identifizierung des Motorrads und der Klasse mussten die Nummernschildfelder (eines vorne und zwei an den Seiten, eines auf jeder Seite) gelb mit schwarzen Nummern sein.

Organisatorisch (Punktevergabe)

Anmerkung: Die genauen Aufschlüsselungen der Punktevergabe können auch in den jeweiligen Jahres-Artikeln eingesehen werden.

Die ursprüngliche Verfahrensweise für die Punktevergabe aus dem Jahr 1949 wurde im Laufe der Jahre mehrmals geändert. Das ging so weit, dass die Anwendung des Vergabeschlüssel einer nachfolgenden oder vorherigen Meisterschaft manchmal zu einem anderen Gewinner des Fahrer- oder Konstrukteurstitels der ausgewählten Saison geführt hätte. Von 1949 bis 1976 wurden gültige Ergebnisse durch sogenannte Streichresultate eingegrenzt, um zu verhindern, dass die Meisterschaft gewonnen wurde, ohne genug eigene gute Platzierungen errungen und nur vom Ausfall anderer Fahrer profitiert zu haben. Nur in der Saison 1976 gab es eine Regelung, bei der die besten 6 Platzierungen berücksichtigt wurden: Bei der Aufteilung der Meisterschaft in zwei Hälften wurden die besten 3 Ergebnisse in den ersten fünf Rennen und die besten 3 in den letzten fünf Rennen der Saison als gültig gewertet.

Die Meisterschaftswertung begann 1949 damit, den ersten fünf gewerteten Fahrern in jedem Rennen Punkte zuzuteilen, zusätzlich zu einem Punkt für den Fahrer der schnellsten Runde. Im folgenden Jahr wurden sie den ersten sechs gewerteten Fahrern zugeteilt. Der Zusatzpunkt für die schnellste Runde wurde gestrichen. Von 1969 bis 1988 wurde die Punktzahl zunehmend erweitert, bis die ersten 15 gewertet wurden. Ab 1993 wurde durch eine Erhöhung der Punktzahl die Gewichtung der ersten drei Klassifizierten geändert.

Die Punktevergabe für den „Konstrukteurstitel“ basiert immer auf der den Fahrern zugeteilten Punktzahl, addiert werden jedoch nur die Punkte, die durch die beste Platzierung pro Rennen jedes Teams erzielt werden.

Bilanz

Der erfolgreichste Fahrer in der 500-cm³Klasse ist Giacomo Agostini mit acht gewonnenen Weltmeisterschaften, gefolgt von Mick Doohan mit fünf und Geoff Duke, Mike Hailwood, Eddie Lawson und John Surtees mit jeweils vier gewonnenen Meisterschaften.

Was die Verteilung der 53 vergebenen Konstrukteurstitel in der „500er-Klasse“ angeht, ist MV Agusta mit 16 Weltmeisterschaften die erfolgreichste Marke, gefolgt von Honda mit 13 und Yamaha mit 9. Weitere Titel errangen Suzuki (7), Gilera (5), Norton (2) und A.J.S. mit nur einem Titel, dem ersten im Jahr 1949.

Insgesamt wurden 580 Grands Prix ausgetragen. Die Fahrer mit der höchsten Anzahl an Einzelsiegen sind Agostini mit 68, Doohan mit 54 und Hailwood mit 37. Bei den Herstellern belegt Honda mit 156 Siegen den ersten Platz, gefolgt von MV Agusta mit 139 und Yamaha mit 120.[2]

Tabelle

JahrFahrer[3]TeamModellKonstrukteur-Titel
1949[4]Vereinigtes Konigreich Leslie GrahamA.J.S.A.J.S. PorcupineVereinigtes Konigreich A.J.S.
1950Italien Umberto MasettiGileraGilera 500 GP ufficialeVereinigtes Konigreich Norton
1951Vereinigtes Konigreich Geoff DukeNorton MotorcyclesNorton ManxVereinigtes Konigreich Norton
1952Italien Umberto MasettiGileraGilera 500 GP ufficialeItalien Gilera
1953Vereinigtes Konigreich Geoff DukeGileraGilera 500 GP ufficialeItalien Gilera
1954Vereinigtes Konigreich Geoff DukeGileraGilera 500 GP ufficialeItalien Gilera[5]
1955Vereinigtes Konigreich Geoff DukeGileraGilera 500 GP ufficialeItalien Gilera
1956Vereinigtes Konigreich John SurteesMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1957Italien Libero LiberatiGileraGilera 500 GP ufficialeItalien Gilera
1958Vereinigtes Konigreich John SurteesMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1959Vereinigtes Konigreich John SurteesMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1960Vereinigtes Konigreich John SurteesMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1961Rhodesien und Njassaland Gary HockingMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1962Vereinigtes Konigreich Mike HailwoodMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1963Vereinigtes Konigreich Mike HailwoodMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1964Vereinigtes Konigreich Mike HailwoodMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1965Vereinigtes Konigreich Mike HailwoodMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta Corse 500 Quattro CatenaItalien MV Agusta
1966Italien Giacomo AgostiniMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 DreizylinderJapan Honda
1967Italien Giacomo AgostiniMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 DreizylinderItalien MV Agusta
1968Italien Giacomo AgostiniMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 DreizylinderItalien MV Agusta
1969Italien Giacomo AgostiniMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 DreizylinderItalien MV Agusta
1970Italien Giacomo AgostiniMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 DreizylinderItalien MV Agusta
1971Italien Giacomo AgostiniMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 DreizylinderItalien MV Agusta
1972Italien Giacomo AgostiniMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 DreizylinderItalien MV Agusta
1973Vereinigtes Konigreich Phil ReadMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 VierzylinderItalien MV Agusta
1974Vereinigtes Konigreich Phil ReadMV Agusta „Reparto corse“MV Agusta 500 VierzylinderJapan Yamaha
1975Italien Giacomo AgostiniYamahaYamaha OW 23Japan Yamaha
1976Vereinigtes Konigreich Barry SheeneTexaco Heron Team SuzukiSuzuki RG 500Japan Suzuki [6]
1977Vereinigtes Konigreich Barry SheeneTexaco Heron Team SuzukiSuzuki RGA 500Japan Suzuki
1978Vereinigte Staaten Kenny Roberts sr.Yamaha USAYamaha YZR 500 OW35KJapan Suzuki
1979Vereinigte Staaten Kenny Roberts sr.Yamaha USAYamaha YZR 500 OW45Japan Suzuki
1980Vereinigte Staaten Kenny Roberts sr.Yamaha InternationalYamaha YZR 500 OW48Japan Suzuki
1981Italien Marco LucchinelliNava Gallina-SuzukiSuzuki RG 500 (Vers. XR35/40)Japan Suzuki
1982Italien Franco UnciniGallina-SuzukiSuzuki RG 500 GammaJapan Suzuki
1983Vereinigte Staaten Freddie SpencerHonda-HRCHonda NS 500Japan Honda
1984Vereinigte Staaten Eddie LawsonMarlboro Agostini YamahaYamaha YZR 500Japan Honda
1985Vereinigte Staaten Freddie SpencerRothmans Honda-HRCHonda NSR 500Japan Honda
1986Vereinigte Staaten Eddie LawsonMarlboro Agostini YamahaYamaha YZR 500Japan Yamaha
1987Australien Wayne GardnerRothmans Honda-HRCHonda NSR 500Japan Yamaha
1988Vereinigte Staaten Eddie LawsonMarlboro Agostini YamahaYamaha YZR 500Japan Yamaha
1989Vereinigte Staaten Eddie LawsonRothmans Kanemoto HondaHonda NSR 500Japan Honda
1990Vereinigte Staaten Wayne RaineyMarlboro Roberts YamahaYamaha YZR 500Japan Yamaha
1991Vereinigte Staaten Wayne RaineyMarlboro Roberts YamahaYamaha YZR 500Japan Yamaha
1992Vereinigte Staaten Wayne RaineyMarlboro Roberts YamahaYamaha YZR 500Japan Honda
1993Vereinigte Staaten Kevin SchwantzLucky Strike SuzukiSuzuki RGV 500Japan Yamaha
1994Australien Mick DoohanHonda Team HRCHonda NSR 500Japan Honda
1995Australien Mick DoohanRepsol YPF Honda TeamHonda NSR 500Japan Honda
1996Australien Mick DoohanRepsol Honda TeamHonda NSR 500Japan Honda
1997Australien Mick DoohanRepsol YPF Honda TeamHonda NSR 500Japan Honda
1998Australien Mick DoohanRepsol HondaHonda NSR 500Japan Honda
1999Spanien Àlex CrivilléRepsol Honda TeamHonda NSR 500Japan Honda
2000Vereinigte Staaten Kenny Roberts jr.Telefónica Movistar SuzukiSuzuki RGV 500Japan Yamaha
2001[7]Italien Valentino RossiNastro Azzurro HondaHonda NSR 500Japan Honda

Bilder

Die 500er-Maschinen in dieser Galerie sind nicht unbedingt „Sieger-Maschinen“, sondern sollen einen Überblick über die technische Entwicklung geben.

1949–1960

1961–1980

1981–2001

Siehe auch

Literatur

Commons: 500 cc motorcycles – Sammlung von Bildern
  • Motorradonline Ein Streifzug durch die Technik der 500er Königsklasse. (deutsch)
  • Motorsport-Total Rossi: „Die 500er war das perfekte Rennmotorrad“ (deutsch)
  • Gaskrank-TV Zeitgenössische Fernsehreportage: „Nürburgring Nordschleife Motorrad-Weltmeisterschaft 1976 - 500ccm“ (deutsch)
  • motorrad-online Königskinder: ein Streifzug durch die Technik der 500er Königsklasse (deutsch)

Einzelnachweise

  1. Von 1949 bis 2023: Eine kurze Reise durch 1000 GPs. 2023, abgerufen am 11. Oktober 2023.
  2. MOTO-STATS-vainqueurs-500. Abgerufen am 10. Oktober 2023.
  3. Alle MotoGP-Weltmeister seit 1949. Abgerufen am 11. Oktober 2023.
  4. MOTO-GP-1949. Abgerufen am 11. Oktober 2023.
  5. Titel nicht offiziell anerkannt
  6. Titel nicht offiziell anerkannt
  7. MOTO-GP-2001. Abgerufen am 11. Oktober 2023.