Bill Niven

Bill Niven (* 28. Oktober 1956 in Kilmarnock, Ayrshire[1]) ist ein schottischer Historiker für zeitgenössische deutsche Geschichte und Autor wissenschaftlicher Werke. In Deutschland wurde er durch sein Buch „Das Buchenwaldkind“ bekannt.

Leben

Niven promovierte 1984 als Doktor für Philosophie an der University of St Andrews. Von 1993 bis 1998 lehrte er an der Universität Aberdeen, danach war zunächst als Lektor und seit 2005 als Professor für deutsche Zeitgeschichte an der Nottingham Trent University tätig.[1]

Das Buchenwaldkind

Das Werk behandelt titelgebend die Geschichte Stefan Jerzy Zweigs, der als Dreijähriger in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht wurde und dessen Lebensgeschichte von Bruno Apitz im Roman Nackt unter Wölfen verarbeitet wurde. Niven weitet die Betrachtung allerdings aus und beschäftigt sich generell mit dem „Buchenwaldmythos“, den er als einen Gründungsmythos der DDR bezeichnet. Unter Buchenwaldmythos versteht Niven die Darstellung, Buchenwald sei durch die Gefangenen selbst befreit worden.

Das Buch ist wie folgt aufgebaut:

  • Die Rettung Stefan Jerzy Zweigs
  • Die Erschaffung des Mythos von Buchenwald
  • Entstehung und Wirkung von „Nackt unter Wölfen“
  • Der Kinofilm „Nackt unter Wölfen
  • Stefan Jerzy Zweig und die DDR
  • Die Dekonstruktion des Mythos vom Buchenwaldkind

Niven stellt fest, dass die Darstellung Bruno Apitz’ und die offizielle Lesart in der DDR von den tatsächlichen Geschehnissen abweichen. Insbesondere weist er auf folgende Punkte hin (nicht abschließend):

  • Stefan Jerzy Zweig wurde gemeinsam mit seinem Vater nach Buchenwald verbracht und dabei von der SS erfasst. Er wurde nicht von einem Fremden heimlich eingeschmuggelt. Der Vater, Zacharias Zweig, war auch weiterhin in Buchenwald inhaftiert.
  • Die Rettungsaktion begann, als Zweig nach Auschwitz deportiert werden sollte und endete damit, dass er durch den Einsatz der illegalen Lagerleitung von der Deportationsliste gestrichen wurde.
  • In Buchenwald befand sich jederzeit eine große Anzahl von inhaftierten Kindern.

Das Werk wurde überwiegend positiv besprochen.

Der Deutschlandfunk lobt:

„Der Autor stellt kenntnisreich und gut gegliedert die Konstruktion und die Dekonstruktion des Buchenwald-Mythos mit Hilfe der halb-authentischen Rettungsgeschichte dar. Niven findet eine sehr klare Sprache und wertet präzise und differenziert. Sowohl die Geschichtspolitik der DDR als auch unsere aktuelle, die er als antikommunistisch diffamiert, würdigt er sehr kritisch und streitbar. Ein spannendes, anregendes Buch über die beständige Umformung von Geschichte nach den Erfordernissen der Gegenwart.[2]

Das Fritz Bauer Institut schreibt:

„Bill Niven blickt von außen auf eine »innerdeutsche« Geschichte. Dieser Abstand ermöglicht ihm einen moderierenden Ton und ein Heranführen bis an die Gegenwart. Solcherart kritische Begleitung der nationalen Geschichtspolitik und Erinnerungsbildung ist in höchstem Maße wünschenswert.[3]

Sehr negativ äußert sich die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten:

„Bill Niven erhebt den Anspruch, Wahrheit, Fiktion und Propaganda zu diesem Thema zu enthüllen. Dabei lässt er zwei elementare Voraussetzungen hierfür fast vollständig außer Betracht. Erstens die besonderen Bedingungen des Kampfes der deutschen Kommunisten, als ein Teil der internationalen antifaschistischen Widerstandsfront, deren großes Verdienst darin besteht, sich illegal organisiert zu haben, wobei die Sicherheit der Organisation naturgemäß die Abgrenzung von anderen erforderte, und dass sie die sich ihnen bietenden Möglichkeiten für die Interessen der Häftlinge genutzt haben. Zweitens die politischen Verhältnisse in Deutschland in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, die in der BRD durch die Installierung der politischen, wirtschaftlichen, militärischen und geistigen Kräfte, die die Prozesse gegen Naziaktivisten und Kriegsverbrecher überlebt hatten, auf der Grundlage des Artikel 131 GG, wieder in Amt und Würden waren.[4]

Werke (Auswahl)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Prabook. Abgerufen am 27. Dezember 2021 (englisch).
  2. Henry Bernhard: Konstruktion und Dekonstruktion des Buchenwald-Mythos. Abgerufen am 27. Dezember 2021.
  3. Harry Stein: Einsicht 05 Bulletin des Fritz Bauer Instituts. Abgerufen am 27. Dezember 2021.
  4. Stellungnahme der LAG Buchenwald-Dora e.V. zu Bill Niven, Das Buchenwaldkind. Wahrheit, Fiktion und Propaganda, Halle(Saale) 2009. Abgerufen am 27. Dezember 2021.
  5. Vgl. dazu die Besprechung von Johannes Hoppe in: H-Soz-Kult, 16. März 2023 (online).