Bahnstrecke Gulbene–Alūksne

Firmenlogo am Personenwagen

Die Bānītis ist eine am 3. Januar 2002 gegründete Gesellschaft unter Beteiligung der Lettischen Eisenbahn, der Städte Gulbene und Alūksne, der Gemeinde Stāmeriena und weiterer Privatpersonen zum Betrieb der letzten verbliebenen Schmalspurbahn Lettlands, die mit einer Spurweite von 750 mm die Livländischen Kreiststädte Gulbene und Alūksne verbindet.

Name

Der Name der Bahngesellschaft wird auch als Bezeichnung für die Schmalspurbahn verwendet. Die lettische Bezeichnung "Bānītis" wurde dem deutschen Wort "Bahn" entliehen und mit der lettischen Verkleinerungsform versehen. Es entspricht also etwa der schwäbischen Bezeichnung "Bähnle".

Strecke

Verlauf

Blick auf durchfahrene Wiesenlandschaft
Aus Alūksne eingefahrene Bānītis in Gulbene

Die 33 km lange Strecke beginnt am Hauptbahnhof von Gulbene und führt eingleisig ins nördlich gelegene Alūksne. Diese Strecke ist der verbliebene Restabschnitt der im Jahre 1903 in Betrieb gegangenen ehemals von Stockmannshof (lett. Stukmaņi - heute Plaviņas) über Walk bis Moisaküll verlaufenden Gesamtstrecke.

Innerhalb der Gleisanlagen des Bahnhofs von Gulbene kreuzt das Gleis der Schmalspurbahn das Breitspurgleis oder ist mit ihm kombiniert.

Nachdem die Fahrt über manuell zu stellende Weichen führt, geht es nach Verlassen des Bahnhofs auf eigenem Gleis in Richtung Nordosten vorbei an weiten Wiesen und Feldern, die sich mit sumpfigen, ursprünglich belassenen Wäldern abwechseln, "hinunter" bis zum nächsten Bahnhof in Stāmeriena. Von dort fährt die Bahn durch feuchte und sumpfige Waldgebiete "hinauf" nach Kalniena. Hier gibt es ein Ausweichgleis, so dass sich hier zwei Züge treffen können. Die Bahnstrecke verläuft anschließend weiter in nordnordöstlicher Richtung über Umernieki zum im Süden der Stadt Alūksne gelegenen Endbahnhof.

Die Bahnstrecke ist insgesamt 10 km kürzer, als die entsprechende Straßenverbindung. Allerdings dauert die Fahrt mit der "Bānītis" von Gulbene nach Alūksne 90 Minuten. In der Rückrichtung braucht die Bahn, da es hierbei "bergab" geht, nur 85 Minuten. Dies ist aber gegenüber dem Fahrplan von 1924[1], als die Bahn noch 110 Minuten für diese Strecke benötigte, schon etwas schneller. Die Streckengeschwindigkeit ist durchgehend auf 25 km/h beschränkt. Im Sommerfahrplan 2006 wird die Strecke 3-mal täglich hin und zurück für den Personenverkehr befahren.

Streckenverlauf der Bānītis
Kilo-
meter
Höhe
m
Haltestelle Bemerkung
0 133 Gulbene Hauptbahnhof Anschluss an die Breitspur (1524 mm)
4 Haltepunkt Birze
6 Haltepunkt Pūriņi
10 119 Stāmeriena bis 1927: Stēmere
14 142 Kalniena bis 1927: Kalnamuiža; Ausweichgleis
20 Haltepunkt Dunduri
21 Haltepunkt Paparde
24 124 Umernieki seit 1928
28 Haltepunkt Vējiņi
33 206 Alūksne

Bedeutung

Datei:BanitisCulture2000.png
"Culture 2000" unterstützt die Bānītis
Drehscheibe zum Ringlokschuppen in Gulbene

Die jetzt von der Bānītis betriebene Reststrecke der Schmalspurbahn wurde im Jahre 1998 als Nationales Kulturerbe Lettlands[2] eingestuft.

Der Erhalt, die Restaurierung und die Öffentlichkeitsarbeit für diese Bahn wird vom Programm der Europäischen Union "Culture 2000" unterstützt.

Die Mitarbeiter der Bānītis restaurieren alte Schmalspurwaggons und -lokomotiven, welche dann bei Ausstellungen oder für den Tourismus zum Einsatz kommen. Das Streckennetz und die historischen Bahnanlagen werden ebenfalls als Kulturerbe gepflegt und erhalten.

Die Bahn fährt frühmorgens und spätabends als "normales" Nahverkehrsmittel für Arbeiter und Schüler zu moderaten Preisen - 1 EUR für die volle Strecke für einen Erwachsenen - zwischen Gulbene und Aluksne mit einem Personenwagen hin und her. Eine weitere planmäßige Tour findet mittags statt, wobei hier die Fahrpreise etwas höher sind (etwa 2,50 EUR für die volle Strecke, Stand: 2006). Zusätzlich finden Sonderfahrten und Veranstaltungen für Bahnfreunde statt.

Da am Sitz der Bānītis in Gulbene sowohl Schmal- als auch Breitspuranlagen vorhanden sind, werden auch diese mit gepflegt. So wird unter anderem einer der letzten in Lettland erhaltenen Ringlokschuppen mit der zugehörigen Drehscheibe zu Bahnfesten vorgestellt.

Die Bānītis ist Mitglied der FEDECRAIL[3].

Geschichte

Streckenbau

Mit Beginn der 1890er wurde der Plan zum Bau einer Eisenbahnstrecke als Schmalspurbahnverbindung (750 mm) in Livland vom südlich an der Daugava gelegenen Stockmannshof (lett. Stukmaņi, heute Pļaviņas) über Alt-Schwanenburg und Marienburg bis zum nördlich gelegenen Ort Walk entwickelt.

Von 1898 bis 1900 erfolgte der Bau der Streckenabschnitte von Stockmannshof bis Alt-Schwanenburg und von Marienburg bis Walk durch die Livländische Fahrwegegesellschaft.

Die Reststrecke von Alt-Schwanenburg bis Marienburg wurde bis 1903 fertiggestellt. Am 15. August 1903 erfolgt die offizielle Inbetriebnahme der gesamten Bahnlinie.

In den Jahren des ersten Weltkriegs wurde der Abschnitt Stuckmannshof - Alt-Schwanenburg durch die russische Armee auf 1542 mm Spurbreite umgebaut.

Nutzung

Schmalspurgüterwagen in Gulbene
Personenzug der Bānītis in Gulbene

Wichtigstes Transportgut war Holz, welches ins Zellulosewerk nach Pärnu transportiert wurde. Der Gütertransport nahm die erste Stelle ein. Personentransporte fanden bereits nach Fahrplan statt, sie mussten sich aber den Interessen und Bedürfnissen der Güterzüge unterordnen.

Bis zum Jahr 1914 wurden weiterhin Gütertransporte durchgeführt. Insgesamt erwies sich die Strecke für die Betreibergesellschaft allerdings als unrentabel.

Während des ersten Weltkriegs erfolgte eine vorwiegend militärische Nutzung durch die russische Armee.

Die Zeit des ersten Weltkriegs und des Kampfes um die nationale Unabhängigkeit Lettlands brachte für die verbliebene Schmalspurstrecke Alt-Schwanenburg - Marienhof - Walk große Zerstörungen.

Nach der Erlangung der Unabhängigkeit Lettlands im Jahre 1918 ging die Strecke in lettisches Staatseigentum über.

Im Jahr 1919 wurde die Strecke von der estnischen Armee genutzt.

Ende der Schmalspurstrecke in Alūksne
Touristikversion einer Draisine

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Strecke Gulbene (früher: Alt-Schwanenburg) - Valka (früher: Walk) stark zerstört. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, als Lettland bereits eine der Sowjetrepubliken geworden war, nahm in Gulbene eine Reparaturwerkstatt für Schmalspurlokomotiven den Betrieb auf. Ende 1945 wurde der Streckenabschnitt Gulbene - Ape bereits wieder befahren.

Nachdem die Eisenbahngesellschaften der drei baltischen Republiken zusammengeschlossen wurden, fuhr die Bahn im Jahre 1963 wieder von Gulbene bis nach Valka.

1970 wurde der Abschnitt Valka - Ape wegen der zunehmenden Verlagerung des Transports auf die Straße geschlossen. 1973 wurde auch der Abschnitt Ape - Alūksne (früher: Marienburg) stillgelegt. Die Bahnanlagen wurden daraufhin demontiert. Die Reststrecke von Gulbene nach Alūksne diente vor allem dem Transport von Steinkohle für die in Alūksne stationierten Truppen der Sowjetischen Armee, was wahrscheinlich das Überleben dieses Abschnitts garantierte.

Im Jahre 1984 wurde die Schmalspurstrecke Gulbene - Alūksne als technisches Denkmal eingestuft.

Am 12. März 1987 wurde der Personentransport wegen technischer Mängel eingestellt. Dies führte zu Protesten seitens der Stadtverwaltungen und der Gesellschaften für Denkmalschutz. Nachdem daraufhin neue Passagierwagen erworben waren, wurde der Personentransport Ende 1987 wieder aufgenommen.

Im Jahre 1992 wurde der Gütertransport eingestellt.

Seit dem 3. Januar 2002 ist die GmbH "Bānītis" Betreiberin der Schmalspurstrecke. Die Bahn wird seitdem für den Personentransport und für touristische Attraktionen eingesetzt.

Maschinenpark

Diesellok "TU2" mit Personenwagen in Alūksne
Kesselwagen vor der Restauration

Ende 1900 und im Jahre 1901 erwarb die Livländische Fahrwegegesellschaft 14 Dampflokomotiven aus Kolomna (Russland) mit einer Zugkraft von je 3,6 t.

Bis zum Jahre 1906 besaß die Livländische Fahrwegegesellschaft bereits 25 Passagierwagen und 150 Güterwagen

Im Jahr 1921 wurden weitere Tenderlokomtiven in Deutschland bei der Firma "Orenstein & Koppel" bestellt. 1923 kamen weitere Lokomotiven von "Linke & Hofmann" aus Deutschland hinzu.

1924 wurden fünf Lokomotiven aus Russland geliefert. Diese Lieferung basierte noch auf dem lettisch-russischen Friedensvertrag.

Nach dem zweiten Welkrieg wurde der Lok- und Wagenpark notdürftig repariert und die im Krieg verteilten Loks und Waggons wieder zusammengesucht.

Im Bestand der Schmalspurbahn befindet sich ein Schneepflug mit Holzaufbau, dessen Drehgestelle wahrscheinlich aus der Zeit von 1920 bis 1930 stammen. Dieser Schneepflug wird heutzutage im Winter von einer Diesellok geschoben. Der Führerstand des Schneepflugs ist hierbei von Bahnmitarbeitern besetzt, die den Pflug vor Hindernissen (zB. Weichenstellhebel) hochziehen und dahinter wieder absenken müssen.


Dampflok "Marisa" in Gulbene
Schneepflug mit Holzaufbau

Im Jahre 1949 wurden aus Weimar offene Güterwagen bezogen. 1950 wurden aus der Babelsberger Fabrik "Karl Marx" (als Nachfolger von "Orenstein & Koppel") neue Lokomotiven geordert.

Im Jahre 1958 wurde die erste Diesellokomotive der Serie TU2 eingesetzt.

Im Jahre 1987 wurden neue Passagierwagen und 1988 neue Lokomotiven aus Kambark (Russland) erworben.

Nachdem die Pioniereisenbahn in Riga geschlossen wurde, kamen zwei Lokomotiven des Typs TU2 und Passagierwagen aus polnischer Produktion im Jahre 1997 nach Gulbene.

Am 17. Juni 2005 wurde eine vom Eisenbahnmuseum Estlands zur Restauration erhaltene Schlepptenderlokomotive des Typs KTsch-4-332 eingweiht. Ursprünglich wurde diese Lok vom Škodaer Maschinenbauunternehmen hergestellt. 2006 fand dann die erste Geburtstagsfeier für die auf den Namen "Marisa" getaufte Lok in Gulbene statt.

Seit 2006 wird für touristische Attraktionen eine mit Schutzblechen ausgestattete Draisine eingesetzt.

Gebäude

Innenansicht des Gulbener Bahnhofsgebäudes
Ringlokschuppen in Gulbene

Während des 1. Weltkriegs wurde die Verbindung von Gulbene bis Pļaviņas im Jahre 1916 auf Breitspur (1524 mm) umgestellt und die Eisenbahnlinie Ieriķi-Abrene eröffnet. Gulbene entwickelte sich hierdurch zu einem bedeutenden Verkehrsknotenpunkt der Region. Unter anderem befindet sich hier einer der drei in Lettland existierenden Ringlokschuppen mit Drehscheibe.

Im Jahre 1926 wurde das Gulbener Bahnhofsgebäude nach Plänen des Architekten Peteris Feders für die Breitspur errichtet. Die Schmalspurstrecke verlief zu dieser Zeit noch vom alten Bahnhof weiter in Richtung Alūksne. Erst im Jahre 1939 wurden die Gleisanlagen der Schmalspurbahn verlagert und in die Gleise der Breitspurbahn mit eingebunden. Dadurch hält die "Banitis" nun direkt am neuen Bahnhofsgebäude.

Da das gesamte Bahnhofsgelände in Gulbene im Jahre 1944 durch die sowjetische Luftwaffe bei deren Vorrücken gegen die Deutsche Wehrmacht zerstört wurde, war auch das Bahnhofsgebäude bis auf die Grundmauern abgebrannt. Nach 1945 wurden in der Grundmauer Zeichnungen und Material gefunden, wonach der Bahnhof von deutschen Kriegsgefangenen nach diesen alten Plänen wiedererrichtet werden konnte. Es ist nunmehr eins der schönsten Bahnhofsgebäude in Lettland.

Bahnhofsgebäude von Alūksne
typischer Holzunterstand eines Haltepunkts

Öffentliche Toiletten sind im Bahnhofsgebäude nicht zu finden. Sie befinden sich in einem Extrahäuschen neben dem Bahnhofsbau.

Auch die anderen Gebäude, wie das Bahndepot, der Ringlokschuppen und die Drehscheibe wurden nach 1945 wiedererrichtet.

Die Bahnhöfe der Strecke Gulbene-Alūksne, welche nach 1945 wiedererbaut wurden, sind als Steinbauwerke, gegebenenfalls mit Holzverkleidungen ausgeführt. Die Haltpunkte bieten jeweils einen Holzunterstand mit Sitzbank.

Der Bahnhof Umernieki, welcher erst seit 1928 besteht und erst seit 1938 ein Bahnhofsgebäude hat, bietet die Besonderheit, dass die Schmalspurbahn hier quer über die Straße hält. Somit muss der Straßenverkehr warten, bis die Bahn weitergefahren ist. Fußgänger können jedoch von beiden Seiten des Zuges zu- und aussteigen.

Quellen

  1. Onlineversion eines Reprints von 1924
  2. Chronologie der Bahnstrecke (engl.)
  3. FEDECRAIL (deutsch)

Weblinks