Ögedei-Khanat

Das Ögedei-Khanat (auch Ögedei-Ulus) war ein nach dem Mongolenkhan Ögedei (ca. 1185–1241) benanntes Herrschaftsgebiet in Zentralasien. Neben dem Kyptschak-Khanat (Goldene Horde), dem Tschagatai-Khanat und dem Ilchanat war es eines der sogenannten Vier großen Mongolen-Khanate[1].

Das Ögedei-Khanat wurde 1309 zwischen den Nachbarn aufgeteilt, ein Großteil kam zum Tschagatai-Khanat.

Ögedei

Zeitdauer und Ausdehnung

Ögedei war der drittälteste Sohn von Dschingis Khan (1162–1227) und wurde von ihm zu seinem Nachfolger als Großkhan bestimmt. Die anderen Söhne Dschingis Khans mit seiner Hauptfrau Börte waren Dschötschi, Tschagatei und Tolui.

Das Khanat war das Herrschaftsgebiet von Ögedeis Nachkommen, z. B. seines Sohnes Güyük (1206–1248) und bestand von 1225 bis 1309. Anderen, auch chinesischen Angaben zufolge bestand es von 1229 bis 1309 bzw. 1310, dem 3. Jahr der Zhìdà-Ära des Kaisers Wŭzōng (Külüq Khan) der Yuan-Dynastie[2].

Sein Kernland lag zwischen Altai und Balchaschsee im Einzugsgebiet des Schwarzen Irtysch (d. h. des Oberlaufs des Irtysch; chin.Ertix He) sowie des in den Alakol-See mündenden Flusses Emin He (Imil, Yemili, Urzhar)[3]. Seine Hauptstadt war Yemili[4] (bzw. Imil, im heutigen Kreis Emin[5] bzw. Dorbiljin).

Historisch gesehen umfasste es das ursprüngliche Gebiet der mongolischen Naimanen am Altai und einen großen Teil des Gebiets der Kara Kitai (Xi Liao, d. h. Westliche Liao; 1128–1218) im Gebiet des Schwarzen Irtysch westlich vom Balchaschsee.

Geschichte

Güyük und Ogul Qaimisch

Ursprünglich galt Ögedeis dritter Sohn Köchü als Thronfolger, aber der starb 1236 auf einem Feldzug in China und dessen Sohn Schiremün (Schiramun) war noch zu jung. Also wurde Ögedeis ältester Sohn Güyük, nach einem kurzen Schwanken zwischen ihm und seinem jüngeren Bruder Godan (Göden)[6], als neuer Großkhan eingesetzt (1246). Gleichzeitig erbte er die Herrschaft des Ögedei-Khanats, aber Godan wurde das Gebiet westlich des Gelben Flusses, in der heutigen Provinz Gansu, überlassen.[7]

Als Güyük 1248 starb und mit Möngke (1208–1259) ein Sohn Toluis neuer Großkhan wurde, stellte sich ein Teil der Prinzen gegen Möngke. Insbesondere erhoben die Prinzen Qocha und Naqu (Güyüks Söhne) mit Hilfe ihrer Mutter Ogul Qaimish Thronansprüche, und ebenso der Prinz Schiremün (Schiramun), ein anderer Enkel Ögedeis. Möngke vernichtete die Opposition, indem er die Prinzen verbannte, ihre Ratgeber und Truppenführer hinrichten ließ und ihre Gefolgsleute unter anderen Prinzen aufteilte. Ogul Qaimish wurde hingerichtet. Möngke Khan belohnte aber auch Prinzen, die sich als loyal erwiesen hatten. Insbesondere hatten sich Godan und seine Söhne frühzeitig an Möngkes Seite gestellt. Weiterhin belehnte Möngke Ögedeis Söhne und Enkel Kadan[8], Meliq[9], Qaidu[10] (1235–1301), Totaq[11] und andere mit verschiedenen Gebieten in den China als Westliche Gebiete bezeichneten Regionen.[12]

Qaidu

Nach Möngkes Tod († 1259) wurde die Frage der Großkhans-Würde in einem Bruderkrieg zwischen Arigkbugha († 1266)[13] und Kubilai (1215–1294), zwei Söhnen Toluis (des vierten Sohnes von Dschingis Khan), entschieden.

Der Bruderkrieg änderte die Machtverhältnisse im Stammland des Hauses Ögedei dahingehend, dass sich dort Ögedeis Enkel Qaidu, ein Anhänger Arigkbughas, durchsetzen konnte. Kubilai versuchte zwar 1268 mit dem Prinzen Hoqu, einem Sohn Güyüks einen rivalisierenden Khan einzusetzen, aber Hoqu rebellierte 1274/5 gegen den Großkhan und kooperierte anschließend mit Qaidu.[14]

Bald nach dem Tod des Khans Alghu (Algui o. ä.) aus dem Haus Tschagatais (um 1265) griff Qaidu das Gebiet des Tschagatai-Khanats an und besetzte das Ili-Tal und Kaschgar. Die folgenden militärischen Auseinandersetzungen endeten 1269 in einer Art Vergleich. Zu dem Zweck versammelten sich die drei herrschaftlichen Linien Ögedei, Tschagatai und Dschötschi[15] in einer Reichsversammlung am Fluss Talas, der (vermutlichen neuen) Grenze zwischen den Streifgebieten der drei Herrscherhäuser. Sie legten die gegenseitigen Grenzen, die Verwaltung der mittelasiatischen Städte und die Verteilung ihrer Einkünfte fest.

Vermutlich schlossen Qaidu und der Tschagatai-Khan Boraq auch eine Übereinkunft gegen die beiden Khanate aus dem Haus Toluis, d. h. den Großkhan Kubilai (1271: Yuan-Dynastie) und das Ilchanat, denn als Boraq 1269 den Ilchan Abaqa angriff, hatte er Truppen Qaidus auf seiner Seite, die ihn allerdings noch vor der Schlacht von Herat (1270) wieder verrieten. Nach Boraqs Niederlage und bald darauf folgendem Tod ordneten sich die meisten Prinzen und Emire des Hauses Tschagatai Qaidu unter, mit dem Ergebnis, dass Qaidu praktisch der Herrscher sowohl des Ögedei-Khanats als auch des Tschagatai-Khanats war. Es brauchte jedoch noch die Einsetzung des Prinzen Duwa (Du'a, † 1307, Sohn Boraqs) zum neuen Khan des Hauses Tschagatai, dass Qaidu hier zuverlässige Verbündete gewann.[16]

Sein Herrschaftsgebiet erstreckte sich vom Fluss Irtysch südwärts bis zum Tianshan-Gebirge und über Kaschgar bis Turfan.

Ab Mitte der 80er Jahre griff Qaidu wiederholt die Grenzen Yuan-Chinas, des Herrschaftsgebiets Kubilais und seines Nachfolgers Temür (reg. 1294–1307), an. Es gibt aber auch deutliche Indizien, dass die Initiative zu dem Konflikt zumindest zeitweise von den Yuan ausging.[17] Zunächst vermochte Qaidu aus der Unzufriedenheit hochrangiger Prinzen (Nayan, Melik Temür und Yomuqur, Ulus Buqa u. a.) im unmittelbaren Machtbereich Kubilais politisches Kapital zu schlagen, die mit dessen prochinesischer Politik unzufrieden waren oder von Kubilais Clan von der Macht verdrängt wurden. Längerfristig geriet er aber unter starken Druck, musste Duwa zu Hilfe holen und konnte sich nur mit dessen Hilfe in mehreren Schlachten um 1300/01 behaupten. Qaidu starb bei der Rückkehr von seinem letzten Feldzug an einer Verwundung.

Das Ende

Qaidus Erbe wurde sein Sohn Chapar, der sich aber (laut Raschid ed Din) mit einigen Prinzen auseinandersetzen musste und dabei den Thron der Unterstützung Duwas verdankte. Um 1303 einigten sich Duwa und Chapar mit den Yuan und beendeten damit vorübergehend die innermongolischen Kriege. Zwischen ihren beiden Häusern kam es aber bald zu einem undurchsichtigen Machtkampf, den Duwa für sich entscheiden konnte, nicht zuletzt indem er die Yuan auf seine Seite zog, welche Chapar überraschend am Altai angriffen. Chapar und die anderen Prinzen des Hauses Ögedei (Yangichar, Orus, Schah, Tökme, u. v. a.) mussten sich Duwa unterordnen, der aber bald darauf starb (1306/07). Die Prinzen versuchten nun die Thronstreitigkeiten im Haus Tschagatei auszunutzen und überschritten den Ili, wurden aber 1309 im Raum Almalyq von Kebek geschlagen und flohen nach China.

Chapar unterwarf sich den Yuan, bekam eine Apanage in China und einen Prinzentitel, der anschließend an seinen Sohn und seinen Enkel fiel. Das Ögedei-Khanat wurde 1309[18] zwischen den Nachbarn aufgeteilt: Teile gingen an das Reich der Yuan-Dynastie und der Großteil an das Tschagatai-Khanat[19].

Im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunderts tauchten immer wieder verschiedentlich Nachkommen Ögedeis als glücklose Thronanwärter oder Nominalherrscher auf.

Herrscher

Name Zeit sonstiges
Ögedei (Ögödei) ca. 1225–1241 dritter Sohn Dschingis Khans, 2. Großkhan des Mongolischen Reiches
Töregene 1241–1246 Witwe Ögedeis, Regentin, Mutter von Güyük, Goden und drei weiteren Söhnen
Güyük 1246–1248 ältester Sohn Ögedeis und 3. Großkhan des Mongolischen Reiches
Ogul Qaimish 1248–1251 Witwe von Güyük, Regentin, wurde nach Thronbesteigung Möngke Khans hingerichtet
Kadan (Qadan) (inoffiziell) sechster Sohn Ögedeis, einer der Truppenführer, die 1236–41 Europa angriffen (Mongolensturm)
Qaidu (Kaidu) ca. 1264–1301 Enkel Ögedeis, rebellierte gegen Kubilai Khan, war Seniorpartner des Tschagatai-Khans Duwa
Hoqu[20] 1268 Sohn Güyüks, von Kubilai Khan 1268 in Opposition zu Qaidu eingesetzt
Chapar 1301–1309/10 ältester Sohn und Nachfolger von Qaidu, floh 1310 nach China
Yangichar[21] 1307 Sohn Qaidus, von dem Tschagatai-Khan Duwa 1307 in Opposition zu Chapar eingesetzt

Historische Quellen

Raschīd ad-Dīn (persisch), Yuanshi (Geschichte der Mongolen-Dynastie; chinesisch), Geheime Geschichte der Mongolen (mongolisch), Dschuwaini (persisch)

Literatur

  • Michal Biran: Qaidu and the Rise of the independent Mongol State in Central Asia; Curzon Press, 1997
  • René Grousset: L’Empire mongol (1re phase). Paris: E. de Boccard 1941 (Histoire du monde 8,3) – (Abschnitt Règne d'Ogödaï, S. 284 ff.)
  • Jürgen Paul: Zentralasien. Frankfurt am Main 2012 (Neue Fischer Weltgeschichte, Band 10).
  • Cihai („Meer der Wörter“), Shanghai cishu chubanshe, Shanghai 2002, ISBN 7-5326-0839-5 (Artikel: Wokuotai Hanguo ("Ögedei-Khanat"))

Siehe auch

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. chin. Mènggú sìdà hànguó, auch kurz als die Vier großen Khanate bezeichnet.
  2. Cihai, S. 1774b, Artikel: Wokuotai Hanguo ("Ögedei-Khanat")
  3. chin. 额敏河, Pinyin: Emin He; auch unter dem Namen 葉密立河 (Yemili He) bekannt; vgl. Zhongguo gudai diming da cidian (Historisches Toponymenlexikon): Yelimi He (Memento des Originals vom 20. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gg-art.com. Er entspringt im Gebirge Tarbagatai (塔爾巴哈台嶺) und fließt in südwestlicher Richtung in den Alakol-See. Es bildet der größte Flussnetz im Tacheng-Becken
  4. chin. 叶密立
  5. chin. 额敏县; Pinyin: Emin xian
  6. Godan war der zweite Sohn Ögedeis. Er spielte in der Geschichte Tibets eine Rolle, weil er den Aufstieg Sakya Panditas förderte.
  7. Boyle: The Successors of Genghis Khan, S. 20 Anm. 29
  8. Kadan war der sechste Sohn Ögedais.
  9. Meliq war der siebente Sohn Ögedais.
  10. Qaidu war der einzige Sohn von Ögedais fünftem Sohn Qaschi, der früh verstarb.
  11. Totaq war der Sohn von Ögedais vierten Sohn Qarachar.
  12. Vgl. Biran: Qaidu, S. 19 f.
  13. bzw. Arigh Böke, Erik Böge u. a.; chin. Ali Buge 阿里不哥
  14. Vgl. Biran: Qaidu, S. 38.
  15. chin. Shuchi 朮赤
  16. Duwa wurde nach den Angaben bei Biran: Qaidu, S. 33,41 um 1282 als Khan eingesetzt.
  17. So z. B. schickte Kubilai Khan 1271 zwei seiner Söhne mit einem größeren Truppenaufgebot, die das Ili-Gebiet und das Tarimbecken besetzten und Qaidu westwärts abdrängten. Der Feldzug wurde im Herbst 1276 durch eine Rebellion hochrangiger Prinzen beendet, die Kubilais Söhne gefangen nahmen und sich zumindest mit Qaidu verständigten.
  18. bzw. 1310 (s. o.)
  19. Jürgen Paul: Zentralasien. 2012, S. 231
  20. Biran: Qaidu, S. 38
  21. Biran: Qaidu, S. 77
Ögedei-Khanat (Alternativbezeichnungen des Lemmas)
chin. 窝阔台汗国, Wokuotai Hanguo, Ögödei-Khanat; Öködei Ulus