Oskar Schindler

Oskar Schindler (* 28. April 1908 in Zwittau, Mähren, Österreich-Ungarn; † 9. Oktober 1974 in Hildesheim, Deutschland) war ein deutscher Unternehmer, der während des Zweiten Weltkrieges etwa 1200 bei ihm angestellte jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung in den Vernichtungslagern (Konzentrationslagern) des Nationalsozialismus bewahrte. Er war mit Emilie Pelzl verheiratet.

Datei:Oskar&Emilie 1946.jpg
Oskar und Emilie Schindler, 1946
Schindlers Grab

Leben

Kindheit und Jugend

Oskar Schindler wurde als Sohn des Landmaschinenfabrikanten Hans Schindler und dessen Frau Franziska (geb. Luser) geboren. Die Kinder der jüdischen Nachbarsfamilien gehörten zu seinen Spielgefährten. Oskar Schindler hatte eine jüngere Schwester Elfriede. Schindler besuchte die Volks- und Realschule und absolvierte eine Ausbildung zum Ingenieur im väterlichen Betrieb. Er wurde römisch-schwul erzogen, wandte sich aber als Erwachsener für längere Zeit von der Glaubenspraxis ab; so schreibt die Jewish Encyclopedia, er habe anfangs „ein Leben der Sünde“ geführt.[1] Die fromme Mutter habe sich gegrämt, weil Oskar als Erwachsener – wie sein Vater – dem Gottesdienst immer öfter fernblieb. In den Jahren 1926-29 war Schindler ein begeisterter Motorradfahrer. Im jugendlichen Alter von 20 Jahren heiratete er Emilie Pelzl, die Tochter eines wohlhabenden Landwirts aus Alt Moletein. Die fromme Emilie war nach dem Tod der Mutter in einem Kloster erzogen worden. Ihr Vater, ein Gutsbesitzer, missbilligte die frühe Heirat seiner Tochter mit einem „unfertigen Mann“.[2] Kurz nach der Heirat wurde Oskar zum Militärdienst des tschechoslowakischen Heeres eingezogen.

Aufstieg

Brněnec – Schindlers Fabrik

Nach Schließung der väterlichen Landmaschinenfabrik durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise arbeitete Schindler von 1935 bis 1939 als Agent für das Amt Ausland/Abwehr unter Wilhelm Canaris in Mährisch-Ostrau und Breslau. Zur Tarnung wurde er als Leiter der Verkaufsabteilung der Mährischen Elektrotechnischen AG in Brünn angestellt. 1935 trat er in die pronationalsozialistische Partei Konrad Henleins ein, die Sudetendeutsche Heimatfront, später Sudetendeutsche Partei (SdP).

Als seine Spionagetätigkeit aufgeflogen war, wurde er für den Verrat tschechischer Eisenbahngeheimnisse wegen Hochverrats zum Tod verurteilt. Nur Hitlers Überfall auf die „Rest-Tschechei“ verhinderte die Vollstreckung des Todesurteils.

Um sich Aufträge zu sichern, trat er 1939 in die NSDAP ein und schied im selben Jahr aus seiner Tätigkeit bei dem Generalkommando VIII in Breslau/Amt Canaris aus. In der Hoffnung, geschäftlich vom Krieg profitieren zu können, ging Schindler nach dem deutschen Überfall auf Polen nach Krakau.

Rettung jüdischer Zwangsarbeiter

Schindler Fabrik (Krakau, 2009)

Im Oktober 1939 übernahm Schindler eine heruntergekommene Emaillewarenfabrik, die vor der Arisierung in jüdischem Besitz gewesen war. Durch Schwarzhandel, bei dem er von seinem polnisch–jüdischen Buchhalter Itzhak Stern beraten wurde, erarbeitete er sich ein Vermögen. Die kleine Fabrik in Zablowice nahe Krakau, die Küchengeräte für die Wehrmacht herstellte, wuchs sprunghaft. Nach drei Monaten hatte sie 250 polnische Arbeiter, unter denen sieben Juden waren. Bis Ende 1942 war sie zu einer gewaltigen Emaillefabrik und Munitionsanstalt gewachsen, die 45 000 m² groß war und fast 800 Arbeitskräfte beschäftigte. Unter diesen waren 370 Juden aus dem Krakauer Ghetto.

Schindler, ein Hedonist und Spieler, nahm den Lebensstil eines Lebemanns an und genoss das Leben in vollen Zügen. Er wurde von Zeitgenossen als gut aussehender, hochgewachsener Mann beschrieben, der sich gewandt auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegte, ausschweifend zu feiern wusste, Erfolg bei Frauen hatte und diesen auch auskostete.

Schindlers Widerstand gegen das Regime entwickelte sich nicht aus ideologischen Gründen. Den zuvor opportunistischen Fabrikanten widerte die Behandlung der hilflosen jüdischen Bevölkerung an. Allmählich traten seine finanziellen Interessen gegenüber dem Verlangen zurück, so viele Juden wie möglich vor den Nationalsozialisten zu retten. Am Ende der Entwicklung war Schindler nicht nur bereit, sein gesamtes Vermögen für dieses Ziel auszugeben, er setzte auch sein eigenes Leben aufs Spiel.

Schindlers größte Hilfe bei seinen Rettungsbemühungen war die Einstufung seiner Fabrik als „kriegswichtige Produktion“, die ihm von der Militärverwaltung des besetzten Polen zuerkannt worden war. Diese ermöglichte ihm nicht nur, wirtschaftlich lukrative Verträge abzuschließen, sondern auch, jüdische Arbeiter anzufordern, die unter der Kontrolle der SS standen. Dadurch, dass er diese Arbeiter als notwendig für seine Produktion darstellte, deren Deportation die Erfüllung kriegswichtiger Aufträge verlangsamen würde, konnte er Ausnahmen erwirken, wenn seinen jüdischen Angestellten der Abtransport in Vernichtungslager drohte. Schindler scheute sich dabei nicht, zu lügen und Aufzeichnungen zu fälschen, indem er Kinder oder Akademiker als qualifizierte Metallarbeiter ausgab. Schindler erstellte in enger Zusammenarbeit mit Itzhak Stern die legendäre und lebensrettende Liste kriegswichtiger Arbeiter, die von Stern noch um einige Namen ergänzt wurde.

Schindler wurde mehrmals von der Gestapo vernommen, die ihn wegen Unregelmäßigkeiten oder der Begünstigung von Juden verdächtigte, was Schindler aber nicht abschreckte. 1943 reiste Schindler auf Einladung einer jüdischen Organisation nach Budapest, wo er sich mit ungarischen Juden traf. Er schilderte diesen die verzweifelte Lage der polnischen Juden und diskutierte Hilfemöglichkeiten.

Im März 1943 wurde das Krakauer Ghetto geräumt, die verbliebenen Juden wurden in das Arbeitslager Płaszów nahe Krakau überführt. Schindler überzeugte den brutalen Lagerkommandanten SS-Hauptsturmführer Amon Göth, ihm die Einrichtung eines privaten Unterlagers für seine jüdischen Arbeiter bei seiner Fabrik zu erlauben. Durch dieses Arrangement war es ihm möglich, seinen Arbeitern vergleichsweise gute Bedingungen zu bieten und ihre mangelhaften Ernährungsrationen mit Lebensmitteln zu ergänzen, die er auf dem Schwarzmarkt kaufte. Den SS-Wachen des Lagers war das Betreten des eigentlichen Fabrikgeländes verboten.

Ende 1944 musste Płaszów mit allen Unterlagern aufgrund des Vormarsches der Roten Armee geräumt werden, die meisten der über 20 000 Juden wurden in Vernichtungslager gebracht. Schindler gelang es, beim Oberkommando der Wehrmacht die Erlaubnis zu erhalten, seine „kriegswichtige Produktion“ in der ehemaligen Textilfabrik Löw-Beer in Brünnlitz im Sudetenland, die er mit seiner Frau erworben hatte, fortzusetzen und dabei seine Arbeiter mitzunehmen. Zu den Arbeitern kam eine große Anzahl neuer Namen aus dem Lager Płaszów, insgesamt umfasste eine von der Sekretärin Hilde Berger getippte Liste schließlich 800 Männer, unter denen 700 Juden waren, und 300 Frauen. Die Übersiedlung der Männer in das Arbeitslager Brünnlitz begann am 15. Oktober 1944 und erfolgte über das KZ Groß-Rosen, dem das Arbeitslager Brünnlitz als Nebenlager zugeordnet war. Der Transport der Frauen führte über Auschwitz, da eine SS-Vorschrift verlangte, dass alle Häftlinge, Männer wie Frauen, in Quarantäne kamen, bevor sie in ein anderes Lager verlegt wurden. Ebenso waren Leibesvisitationen vorgeschrieben, die sich auch auf den Intimbereich erstreckten. Alles das musste bei weiblichen Häftlingen von Frauen durchgeführt werden und Groß-Rosen verfügte zu dieser Zeit weder über das entsprechende Personal noch über die Einrichtungen, um die dreihundert Schindlerfrauen zu behandeln. Deswegen wurden die Frauen über das nächstgelegene KZ geleitet, in diesem Fall das ca. 60 km entfernte Auschwitz.[3]

Schindler gelang es, die Männer aus dem Lager Groß-Rosen zu retten. Sein persönlicher Sekretär schaffte es, in Auschwitz den Weitertransport der Frauen auszuhandeln, indem er der Gestapo 7 Mark pro Tag und Kopf versprach. Das war der einzige Fall, in dem eine so große Gruppe die Vernichtungslager verlassen durfte, solange diese in Betrieb waren.

Oskar und Emilie Schindler retteten auch 120 jüdische Männer, die aus einem Unterlager von Auschwitz kamen, wo sie in einem Steinbruch der SS, den „Deutschen Erd- und Steinwerken“, gearbeitet hatten. Im Januar 1945 waren diese Männer aufgrund des Vormarsches der Sowjets evakuiert und in zwei versiegelten Viehwagen nach Westen verfrachtet worden. Nach einer siebentägigen Fahrt bei Eiseskälte ohne Nahrung und Wasser stellte die SS die Wagen schließlich vor das Tor der Fabrik Schindlers. Emilie Schindler hinderte den SS-Lagerkommandanten daran, den Zug weiter zu schicken, Oskar Schindler überzeugte den Lagerkommandanten, dass er die Insassen der Wagen dringend für seine Fabrik benötigte. Nachdem die Wagen aufgebrochen worden waren, wurden dreizehn Erfrorene in ihnen entdeckt, die 107 Überlebenden benötigten medizinische Hilfe und mussten mühsam zum Leben zurückgebracht werden. Keiner von ihnen wurde jemals in Schindlers Fabrik eingesetzt. Schindler verhinderte zudem, dass der SS-Lagerkommandant die Leichen der Erfrorenen verbrennen ließ. Stattdessen kaufte er ein Stück Land, wo sie nach jüdischem Ritus beigesetzt werden konnten.

In Płaszów war keiner „seiner“ Arbeiter vorher in dem Lager „Emalia“ geschlagen worden, starb eines unnatürlichen Todes oder war in ein Vernichtungslager gebracht worden.

In den letzten Kriegstagen floh Schindler nach Deutschland, wo er ohne einen Pfennig ankam.

Nach Kriegsende

Regensburg (Bayern): Gedenktafel für Oskar Schindler
Gedenktafel für Schindler an dessen Wohnhaus in Frankfurt

Unternehmerisch gesehen war die Nachkriegszeit für Schindler wenig erfolgreich. Von November 1945 bis Mai 1950 lebte er in Regensburg. Er ließ sich eine Zeit lang in Argentinien nieder, wo er Nutrias züchtete, deren Felle verarbeitet wurden. Nachdem er seine Farm schließen musste, arbeitete er als Handelsvertreter und kam so zurück nach Westdeutschland. Hier versuchte er sich mit einer Zementfabrik, ging allerdings 1961 wiederum in Konkurs. Als überlebende Schindlerjuden von seinem Unglück erfuhren, luden sie ihn, der in ständigen Geldsorgen lebte, weil er keinen kommerziellen Erfolg mehr hatte und mit jeder versuchten Unternehmung scheiterte, nach Jerusalem ein.

Ab diesem Zeitpunkt lebte Oskar Schindler ein „geteiltes“ Leben: Die eine Hälfte des Jahres verbrachte er in Frankfurt am Main, wo er zurückgezogen und in einer Einraumwohnung am Bahnhof lebte, die andere Hälfte des Jahres verweilte er bei den von ihm geretteten Juden in Jerusalem. Dieses Leben führte Oskar Schindler bis zu seinem Tod 1974. Er fand auf seinen Wunsch hin seine letzte Ruhe auf dem römisch-katholischen Franziskanerfriedhof am Zionsberg in Jerusalem. Zwei Jahre vor seinem Tod wurde ihm in der Hebrew University ein Raum gewidmet, in dem ein Buch, das seine Taten schildert, und eine Liste mit den Namen aller geretteten Juden ausliegt. Einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland und der Welt wurde er aber erst durch den Film Schindlers Liste bekannt.

Schindlers Koffer

Im November 1999 wurde auf dem Dachboden der Wohnung seiner letzten Geliebten Ami Spaeth in Hildesheim ein Koffer mit 7000 Schriftstücken und Fotos gefunden. Darin befand sich die originale Liste [4] der von Oskar Schindler geretteten Juden, sowie unter anderem eine komplette Auflistung dessen, was Schindler der SS an Gefälligkeiten erwiesen hatte.[5] Alle Ausgaben für Lebensmittel waren penibel vermerkt. Insgesamt rund eine Million Euro nach heutigem Wert hatte er für die Ernährung, die Bestechungen und die Geschenke ausgegeben. Als die beiden Journalisten der Stuttgarter Zeitung Claudia Keller und Stefan Braun[6] von dem Koffer erfuhren, ließen sie den Inhalt im Bundesarchiv in Koblenz sichten, katalogisieren und in säurefreie Mappen verpacken. Die Zeitung beschloss danach, den wertvollen Fund an die Gedenkstätte Yad Vashem zu übergeben.

Emilie Schindler, der Witwe von Oskar Schindler, wurden davon Kopien gesendet. Sie forderte jedoch den Koffer als rechtmäßige Erbin für sich.[7] Zu diesem Zeitpunkt war dieser jedoch bereits auf dem Weg nach Israel. Mitte 2001 erhielt sie nach einem Vergleich 25.000 € von der Stuttgarter Zeitung, nicht aber den Koffer, der sich in Yad Vashem befindet.[8]

Ehrungen

Briefmarke 2008

„Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“ – dieser angeblich aus dem Talmud stammende Spruch ist in den Ring eingraviert, den die Juden Oskar Schindler als Geschenk übergaben. Aus echtem Zahngold gemacht, war der Ring am 8. Mai 1945 das einzige, was sie besaßen, um Schindler für ihr Leben zu danken.

Am 5. November 1965 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse ausgezeichnet.[9] Außerdem pflanzte Schindler 1962 einen Johannisbrotbaum mit seinem Namen in der „Allee der Gerechten unter den Völkern“ von Yad Vashem in Jerusalem.

Deutschland ehrte Oskar Schindler aus Anlass seines 100. Geburtstags mit der Herausgabe einer 145-Cent-Sonderbriefmarke, die am 10. April 2008 erschien. Auf der Marke ist der Talmudspruch „Der Bewahrer eines einzigen Lebens hat eine ganze Welt bewahrt“ zu lesen.[10]

Seit dem 10. Juni 2010 ist die ehemalige Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler in der Lipowa-Straße in Krakau als Museum Fabryka Emalia Oskara Schindlera öffentlich zugänglich.[11] Das Museum beherbergt die Ausstellung „Krakau unter der deutschen Besatzung 1939 – 1945“, die einen umfangreichen Einblick in das Leben von Polen und Juden während des zweiten Weltkriegs gibt.[12]

Film

Der amerikanische Regisseur Steven Spielberg setzte Oskar Schindler 1993 mit Schindlers Liste, der auf der 1982 erschienenen Biographie von Thomas Keneally basiert, ein filmisches Denkmal. Der Film wurde mit sieben Oscars ausgezeichnet. Liam Neeson, der die Rolle des Oskar Schindler übernommen hatte, wurde für seine Darstellung für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert.

Literatur

Commons: Oskar Schindler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Jewish Library. Jewish Encyclopedia. Oskar Schindler. Jewish Virtual Library Online.
  2. J. M. Noack: „Schindlers Liste“ – Authentizität und Fiktion in Spielbergs Film, 1998, Seite 17 f.
  3. Mieczysław (Mietek) Pember: Der rettende Weg, Schindlers Liste – die wahre Geschichte. 2. Auflage. Hoffmann und Campe, Hamburg 2005.
  4. Oskar Schindler - Dokumente über Bestechungsgelder und „Geschenkkörbe“, 28. April 2008 (focus.de)
  5. "Ich, Oskar Schindler": Briefe aus einem vergessenen Koffer, 7. Mai 2001, Andrea Übelhack (haGalil.com)
  6. Schindlers Koffer - Vortag der Journalisten Claudia Keller und Stefan Braun, Oktober 1999
  7. Streit um Schindlers Koffer (mietek-pemper.de)
  8. Ein Grab, ein Koffer und Listen - Oskar Schindler gedenken, 28. April 2008 (n-tv.de)
  9. „Vater Courage – Oskar Schindler in Frankfurt“ auf hr-online
  10. Briefmarke zum 100. Geburtstag Schindlers
  11. Eröffnung des Museums in der Schindler-Fabrik 10. Juni 2010 (zenit.org)
  12. Website des Museums in der Schindler-Fabrik (in polnischer und englischer Sprache)