Orgelbauanstalt Georg Stahlhuth

Namenszug in Dollendorf

Die Orgelbauanstalt Georg Stahlhuth & Co m.b.H ist eine Orgelbauwerkstatt in Aachen, die mit einigen Unterbrechungen seit 1864 besteht.

Geschichte

Der Orgelbauer Georg Stahlhuth (1830–1913) gründete die Orgelbauwerkstatt Stahlhuth 1853 in seinem Geburtsort Hildesheim.[1] Aufgrund persönlicher Beziehungen in das Rheinland und eine stagnierende Auftragslage in Hildesheim wurde 1864 der Sitz nach Aachen-Burtscheid verlegt.[2] Zu einem späteren Zeitpunkt gab er die Leitung an seinen Sohn Eduard Stahlhuth († 1916) ab. Nach dem Ersten Weltkrieg führte der Schwiegersohn Josef Fieth (* 1871) ab 1919 die Werkstatt zusammen mit Orgelbaumeister Georg Haupt (* 1881) weiter. Am 23. April 1924 wurde eine Filiale im luxemburgischen Lintgen gegründet, die ab 1932 durch Georg Haupt als selbstständiges Orgelbauunternehmen Manufacture d’orgues luxembourgoise weitergeführt wurde.[3] Am 11. April 1944 wurde die Aachener Werkstatt durch einen Bombentreffer vollständig zerstört. Bei diesem Vorfall kamen die gesamte Geschäftsleitung und einige Mitarbeiter ums Leben.[2] 1948 wurde das Geschäft unter Orgelbaumeister Ulrich Fengler wiederaufgenommen. Aufgrund der massiven Zerstörung der Stadt Aachen wurde übergangsweise eine alte Kirche in Vicht als Werkstatt angemietet, bevor sie 1952 wieder in Aachen angesiedelt wurde. Seit 2000 wird die Werkstatt unter der Leitung von Alex Matz und Hans-Jürgen Luge zusammen mit Heinz-Josef Silvestrant (* 1944; † 2018)[4] geführt. Matz & Luge führen darüber hinaus gleichzeitig einen eigenständigen Orgelbaubetrieb im badischen Rheinmünster.[2]

Entwicklung der Instrumente

Typischer Spieltisch der Werkstatt Stahlhuth aus der Nachkriegszeit

Eine der ältesten erhaltenen Stahlhuth-Orgeln befindet sich in Kirchherten und stammt aus dem Jahr 1876. Es handelt sich dabei noch um eine seitenspielige Schleifladenorgel mit mechanischer Traktur.[5] Spätestens in den 1880er Jahren wurde auf Kegelladen mit mechanischer Traktur umgestellt, wie sie an dem Instrument in Keyenberg von 1886 zu finden sind. Kurze Zeit später erfolgte die Einführung der pneumatischen Traktur. In dieser Zeit entstanden bereits einige große romantische Orgeln, von denen einige beispielsweise in Dudelange oder in der Abtei Maria Laach bis heute erhalten sind. Des Weiteren führte die Orgelbauwerkstatt Stahlhuth ab diesem Zeitpunkt eine unverwechselbare Spieltischform ein, die auch nach dem Ersten Weltkrieg noch regelmäßig gebaut wurde. Die Registerwippen sind in der Form einer Klaviatur mit weißen Unter- und schwarzen Obertasten ausgeführt und meist über dem obersten Manual angeordnet, so dass es für den ungeübten Beobachter so aussehen kann, als hätte die Orgel ein zusätzliches Manual.

Mit dem Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg wurden wie vielerorts zunächst Instrumente mit elektropneumatischen Kegelladen errichtet, bevor ab etwa 1960 wieder die Schleiflade mit mechanischer Spieltraktur eingeführt wurde. In dieser Zeit wurden charakteristische Registerwippen verwendet, die eine markante Innenecke aufweisen. Die Wippen sind in diesem Fall so abgeknickt, dass die untere Hälfte bereits horizontal verläuft. Da der untere Teil der Registerwippe dadurch ein wenig an eine Klaviaturtaste erinnert, wirkt diese Optik wie eine Reminiszenz an die alten Stahlhuth-Spieltische im Stil der Nachkriegszeit.[6]

Werkliste (Auswahl)

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1871Bad Neuenahr-AhrweilerUrsulinenklosterII/P16erhalten
1873Bedburg-KirchhertenSt. MartinusII/P21erhalten! (1494 Pfeifen)
1883DuisburgSt. Josef
1885Esch an der Alzette (Luxemburg)St. JosephII/P331932 ersetzt durch einen Neubau der Werkstatt Haupt aus Lintgen
1886Erkelenz-KeyenbergHeilig KreuzII/P19fast vollständig erhalten[7]
1887Düsseldorf-OberbilkSt. JosefII/P201952 ersetzt durch Neubau von Karl Kamp
1893Aachen-BurtscheidSt. MichaelII/P281960 ersetzt durch einen Neubau von Stahlhuth
1887HalleBasilika St. MartinII/P392019–2021 von Orgelbau Schumacher aus Eupen/Belgien restauriert und rekonstruiert. Große Teile des Pfeifenwerks, der Magazinbalg sowie die Windladen von Hauptwerk und Pedal sind noch original.
1897LebachHeilige Dreifaltigkeit und St. Marien
II/Pspielbar bis 1969, Prospekt erhalten
1898Wuppertal-BeyenburgKlosterkirche St. Maria Magdalena
neues Werk in historischem Prospekt, 1970 durch Neubau ersetzt
1898Erkelenz-VenrathSt. Valentin
II/PGehäuse der Stahlhuth-Orgel beim Neubau der Orgel 1991 wiederverwendet[8]
1899Arlon (Belgien)Sacre Coeur
II/P272006 restauriert durch Orgelbauwerkstatt Hugo Mayer
1899ViersenSt. Joseph1934 umgesetzt nach St. Notburga in Viersen; 1974 ersetzt und aufgegeben
1903Bad Neuenahr-AhrweilerSt. Laurentius
II/P29im barocken Gehäuse von Balthasar Koenig (1728); 1956 Umbau durch Klais; 1991 ersetzt durch Neubau unter Verwendung von alten Teilen durch Fischer & Krämer; Prospekt erhalten
1904UchtelfangenSt. Josef
II/P251983 ersetzt durch technischen Neubau von Mayer; Prospekt erhalten
1904LüdinghausenSt. Felizitas
II/P25Prospekt von der Vorgänger-Orgel[9]
1905AgathabergSt. Agatha
1906KirchenbollenbachSt. Johann NepomukII/P17erhalten
1909Essen-WerdenBasilika St. Ludgerus
1983 ersetzt durch Neubau von Klais; Prospekt erhalten
1910GleesAbteikirche Maria LaachIII/P662010 neues Gehäuse durch Orgelbauwerkstatt Klais
1910AachenKlosterkirche St. AlexiusII/P18
1912Düdelingen (Luxemburg)St. Martin
1962 erweitert; 2010 Restaurierung durch Orgelbauwerkstatt Jann, heute IV/82
1912OttmarsheimKlosterkirche
1913NiederwenigernSt. Mauritius
II/P33
1914LimpertsbergKlosterkirche der Dominikanerinnen
2010 neu aufgestellt in der Kirche St. Willibrord in Wilwerwiltz
1914St. WendelMissionshauskirche Maria Königin der Engel
II/P301965 ersetzt durch technischen Neubau von Mayer; Prospekt erhalten
1916KirspenichSt. Bartholomäus
1916ManternachSaint-BriceII/P12original erhalten
1921HoltzSt. Nicolas
II/P8original erhalten
1923LuxemburgSaint Alphonse
III/P50unter Verwendung des Gehäuses und einiger Register der Vorgängerorgel von Breidenfeld (1867); diverse spätere Umbauten
1923VaalsSt. Paulus
II/P32
1925VölklingenSt. Eligius
III/P53Die Orgel wurde erst 1928 in St. Eligius aufgestellt und war vermutlich zuvor auf einer Ausstellung aufgebaut. 1983 ging das Instrument in einem technischen Neubau durch die Werkstatt Klais auf. Das Prospekt ist vollständig und die Disposition weitestgehend erhalten.
1925KruftSt. DionysiusIII/P42unspielbar, aber vollständig erhalten[10]
1926Mainz-MombachSt. NikolausII/P18
1927EicksSt. Martin
II/P11original erhalten
1928RivenichSt. Briktius
II/P11original erhalten
1930SaarbrückenHerz-Jesu-KircheIII/P34[11]1950 Umdisponierung durch Späth; 1992 Neubau durch Mayer unter Verwendung einiger Pfeifen
1928Rodange (Luxemburg)St. Amalbergaerster Orgelneubau aus der Filiale in Lintgen
1930Clausen (Luxemburg)St. KunigundeII/P21von der Filiale Haupt aus Lintgen geliefert unter Verwendung von Teilen der Vorgängerorgel von Breidenfeld (1875); zurzeit unspielbar
1930Oberkorn (Luxemburg)St. Stephanus
II/P19von der Filiale Haupt aus Lintgen geliefert unter Verwendung von Teilen der Vorgängerorgel von Breidenfeld (1875); zurzeit unspielbar
1930Zolwer (Luxemburg)St. NicolasII/P14von der Filiale Haupt aus Lintgen unter Verwendung von Teilen der Vorgängerorgel von Voit (1900) errichtet; 1978 Umbau und Elektrifizierung durch Herbert Schmidt; 2005 Umsetzung nach Quiberon (Bretagne) in die Pfarrkirche Notre Dame de Locmaria
1931Schouweiler (Luxemburg)St. LambertusI4von der Filiale Haupt aus Lintgen geliefert; Die Orgel befand sich zunächst als Interimsinstrument in St. Joseph in Esch-sur-Alzette und wurde nach dem Bau der dortigen Hauptorgel 1932 nach Schouweiler versetzt.
1931Berburg (Luxemburg)St. LambertusII/P14von der Filiale Haupt aus Lintgen geliefert
1931SotzweilerSt. Mauritius
II/P16zunächst nur Teilbau mit II/6; von der Filiale Haupt aus Lintgen geliefert
1931Beckerich (Luxemburg)St. Peter und Paul
II/P16von der Filiale Haupt aus Lintgen geliefert
1931Altwies (Mondorf-lès-Bains)St. BenediktII/P7von der Filiale Haupt aus Lintgen geliefert
1934KelzSt. MichaelII/P20erhalten
1934OberkrüchtenSt. MartinII/P17
1937KückhovenSt. ServatiusII/P25im Zweiten Weltkrieg zerstört
1939Aachen-BurtscheidHerz-Jesu-Kirche
III/P34
1940AachenSt. Fronleichnam
III/P36
1941Düsseldorf-FriedrichstadtSt. AntoniusIII/P501943 schwer beschädigt und 1957 ersetzt durch Neubau von Krell
1952Rott (Roetgen)St. Antonius
II/P11
1954AachenBischöfliche AkademieII/P18
1955AachenAula der Pädagogischen Hochschule (heute Informatikzentrum RWTH)III/P31erhalten
1957AachenSt. MarienIII/P271983 wiederverwendet im Neubau durch Stahlhuth
1958AachenAnnakircheII/P19mechanische Schleifladen; 1994 ersetzt durch einen Neubau von Weimbs
1958Forst (Aachen)St. Katharina
II/P25
1959AachenSt. MichaelII/P22bis heute nur als Teilausbau errichtet, geplant waren III/30
1960Aachen-BurtscheidSt. MichaelIII/P291999 ersetzt durch einen Neubau von Weimbs
1963KornelimünsterSt. Kornelius
II/P30ursprünglich von Theodor Gilman (1763), Neubau im historischen Gehäuse (J. J. Couven) durch Stahlhuth
1964RösrathSt. Marien
II/P232015/2016 ersetzt durch einen technischen Neubau der Werkstatt Mayer
1964Duisburg-MittelmeiderichEvangelische Kirche
III/P43
1965AachenSt. JakobIII/P36
1966KaldenkirchenHofkircheII/P16
1967Köln-HolweideSt. Mariä Himmelfahrt, AltarorgelII/P18
1969KrinkeltSt. Johannes der Täufer
II/P16
1976KückhovenSt. ServatiusII/P18
1978BraunsrathSt. Klemens
II/P19
1978Hehler (Schwalmtal)St. Mariä HimmelfahrtII/P19
1980Aachen-BurtscheidBischöfliches Pius-Gymnasium AachenII/P21
1980Düsseldorf-HasselsVerkündigungskircheII/P152012 aufgrund der Kirchenschließung nach Białystok (Polen) verkauft und dort in der Kirche bł. Bolesławy Lament aufgestellt[12]
1983AachenSt. Marien
II/P252019 Reorganisation der Orgel durch die Werkstatt Stahlhuth
1986NeumagenSt. Mariä HimmelfahrtII/P26Bei diesem Neubau wurden die Orgelpfeifen des abgebrochenen Instruments in St. Benedikt in Düsseldorf-Heerdt wiederverwendet.
1987ScherbergSt. MarienII/P172018 aufgrund der Kirchenschließung nach Herzogenrath verkauft und dort in der Herz-Jesu-Kirche aufgestellt[13]
1987Aachen-BurtscheidImmanuelkircheII/P11
1989Aachen-HaarenChristuskircheII/P18
1990Köln-SürthAuferstehungskircheII/P15
1990Aachen-VaalserquartierSt. KonradII/P12
2005Mausbach (Stolberg)St. MarkusII/P26
?DorfenWallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt (Dorfen)
II/P10Ursprünglich Eigentum des Philosophieprofessors Friedrich Hoh. Seit 1996 in der Wallfahrtskirche als Nebenorgel.
Commons: Orgelbauanstalt Stahlhuth – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alex Christoffel: Die Orgelbauer Georg und Eduard Stahlhuth und ihr Stellenwert in der europäischen Orgelbaugeschichte In: Die Düdelinger Kirche und ihre Stahlhuth-Orgel 2002, S. 185–284.
  2. a b c Ausführliche Geschichte der Werkstatt auf der Website der Firma Stahlhuth
  3. Geschichtliche Informationen zur Filiale in Lintgen
  4. Die Gesellschaft der Orgelfreunde e. V. (GdO). In: gdo.de. Abgerufen am 4. September 2022.
  5. Infos zur Stahlhuth-Orgel in Kirchherten
  6. Beschreibung der Entwicklung Instrumente auf der Grundlage der in der Werkliste aufgeführten Orgeln
  7. Rainer Merkens, Hans-Josef Pisters: Pfarrkirche und Gemeinde. Heilig-Kreuz in Keyenberg von 714 bis 2014. (= Schriften des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V., Band 28.) Erkelenz 2014, S. 94 ff.
  8. Pfarrarchiv Venrath, Handakte Orgelbau
  9. Kirchenmusik in St. Felizitas (www.kirchenmusik-felizitas.de). Abgerufen am 29. April 2017.
  10. Stahlhuth-Orgel in Kruft
  11. Orgeln in Saarbrücken (Memento des Originals vom 24. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.organindex.de
  12. Stahlhuth-Orgel in Bialystok
  13. Stahlhuth-Orgel in Herzogenrath