Rainer Rothfuß

Rainer Rothfuß (2019)

Rainer Rothfuß (* 19. April 1971 in Freudenstadt) ist ein deutscher Geograph und Politiker (AfD, zuvor CSU). Seit 2023 ist er Mitglied des Bundestages.

Leben

Rothfuß legte 1990 an der Max-Weber-Schule in Sinsheim das Abitur ab. Vom Wehrdienst war er befreit, da bereits zwei ältere Brüder gedient hatten. Er war von 1995 bis 1998 Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und studierte von 1991 bis 1998 Geographie der Entwicklungsländer (Diplom) mit den Nebenfächern Politikwissenschaft, Raumordnung und Entwicklungsplanung an der Universität Tübingen, der Universität Stuttgart und der Universidad de los Andes in Mérida. Von 2001 bis 2006 promovierte er bei Gerd Kohlhepp in Tübingen über „Transnationale Städtenetzwerke als Instrument der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit“. 2008 erhielt er einen Ruf auf die Juniorprofessur (W1) für Humangeographie mit den Fach- und Regionalschwerpunkten Politische Geographie, Bevölkerungsgeographie und Entwicklungsländer an der Universität Tübingen.[1] Von 2009 bis 2015 leitete er als Juniorprofessor und letzter Lehrstuhlinhaber der Universität im Fach Geographie eine Arbeitsgruppe mit den Forschungsschwerpunkten Politische Geographie, Geographische Konfliktforschung, nachhaltige Entwicklung und Elektromobilität.[2]

Von 1998 bis 2004 war er als Länderreferent Lateinamerika, Benelux und Naher Osten in der Exportabteilung der MEVA Schalungs-Systeme GmbH, in der Verwaltung des EU-Kooperationsprogramms „Cities for Mobility“ der Landeshauptstadt Stuttgart und in der Verwaltung eines EU-Kooperationsprogramms für das Alpenforschungsinstitut in Garmisch-Partenkirchen tätig. Seit 2004 ist er zudem als selbstständiger Berater für internationales Projektmanagement und Analyst tätig.

Rothfuß ist verheiratet und hat zwei Töchter.[3]

Politik

CSU

Rothfuß war 2004 bis 2017 Mitglied der Christlich-Sozialen Union in Bayern. Er kandidierte 2006 bei den Oberbürgermeisterwahlen in Esslingen am Neckar für die CDU und erhielt 39,9 Prozent der Stimmen, womit er gegen Amtsinhaber Jürgen Zieger (SPD) verlor.[3][4] 2011 wurde Rothfuß als Oberbürgermeisterkandidat für die CSU in Lindau (Bodensee) einstimmig nominiert.[5][6] Er zog seine Kandidatur rund zwei Monate vor der Wahl zurück, da der CSU-Ortsverband einen Bürgerentscheid zur Bahnhofsfrage Lindau 21 kippen wollte, den dieser kurz zuvor gemeinsam mit dem Kandidaten initiiert hatte. Im zweiten Wahlgang unterstützte er den Kandidaten der Piratenpartei.[7]

AfD

2018 trat Rothfuß in die AfD ein.[8][9] Im gleichen Jahr wurde er ins Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung berufen. Bei der Europawahl in Deutschland 2019 kandidierte er auf der Bundesliste der AfD, verfehlte aber den Einzug. Seit den Kommunalwahlen in Bayern 2020 ist er Mitglied des Stadtrats von Lindau und des Kreistags des Landkreises Lindau.[10] Seit Oktober 2021 ist Rothfuß 1. stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Bayern.

Bei der Bundestagswahl 2021 trat Rothfuß für die AfD auf Platz 13 der bayerischen Landesliste und im Bundestagswahlkreis Oberallgäu an, verfehlte jedoch zunächst den Einzug in den Bundestag. Am 2. März 2023 rückte er für die verstorbene Abgeordnete Corinna Miazga in den Bundestag nach.[10][11]

Sonstige politische Aktivitäten

Er gründete zudem den in Leipzig ansässigen Verein Druschba global.[8] Im Sommer 2016 führte dieser mit ca. 250 weiteren Teilnehmern eine sogenannte „Friedensfahrt“ von Berlin nach Moskau durch. Hierfür erhielt er 2018 den „Bautzner Friedenspreis“. Die Organisationen des Bautzner Friedenspreises gehören nach einem Bericht der taz der Verschwörungsszene an, der Verein „Bautzner Frieden“ selbst ist aus der Mahnwachenbewegung in Sachsen entstanden.[12][13]

Rothfuß wurde am 24. Januar 2015 vom Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Deutsche Sektion e.V. (IGFM) einstimmig für die Wahl zum geschäftsführenden Vorsitzenden nominiert und am 14. März 2015 von der Mitgliederversammlung einstimmig gewählt. Während seiner Amtszeit setzte er sich nach Forschungsreisen nach Katar und Bangkok für eine Nutzung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 zur Förderung der Menschenrechte in den arabischen Golfstaaten und für eine Reformierung der langwierigen Verfahren des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Anerkennung pakistanischer Blasphemie-Flüchtlinge in Thailand ein. Nach einem Interview am 27. April 2015 mit dem auf der Krim ansässigen russischen Propagandakanal[14] NewsFront über den Russisch-Ukrainischen Krieg berief der Vorstand der IGFM eine außerordentliche Mitgliederversammlung ein, in deren Folge Rothfuß am 17. Oktober 2015 – nach neun Monaten Amtszeit – wieder abgewählt wurde.[15][16]

Rothfuß’ wesentliche politischen Themen sind die Christenverfolgung im Nahen Osten, Islam und Islamismus sowie Migrationsfragen.[17][18][19][20]

Rothfuß lud Ende 2014 den umstrittenen Schweizer Publizisten Daniele Ganser zu einem Vortrag an der Universität Tübingen ein.[21][16]

Der NDR berichtete über Rothfuß´ Nähe zum russischen Bikerclub Nachtwölfe, der der westlichen Demokratie gegenüber ablehnend eingestellt ist, sein Hauptquartier auf der von Russland besetzten Krim hat und auf Seiten der Separatisten an Kämpfen in der Ostukraine beteiligt war. Der Nachtwölfe-Chef Alexander Sergejewitsch Saldostanow habe Rothfuß vor einem Konzert auf der Krim einen Auftritt vermittelt, wo dieser dann vor Musikfans eine politische Ansprache gehalten habe. Auf seiner Facebook-Seite habe Rothfuß zudem geschrieben, Saldostanow werde den „Druschba“-Aktivisten bei Visaproblemen helfen.[13]

Rothfuß ist häufig Interviewpartner auf Kanälen, die für die Verbreitung von Verschwörungsideologien bekannt sind, wie KenFM, NuoViso, Sputniknews.com oder KlagemauerTV.[13] Er trat auch bei Russia Today und bei dem der Gazprom Medienholding gehörenden Sender NTW auf, wo er nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Anfang 2022 äußerte, der Westen müsse „verstehen, dass Russlands geopolitische Interessen ignoriert wurden. Es ist klar, dass der Staat aufsteht, um seine Sicherheit, seine Interessen zu schützen“.[22]

Mitgliedschaften

Rothfuß war Mitglied der American Association of Geographers, des Arbeitskreises Deutscher Lateinamerikaforschung, der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur, des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie, der European Association of Geographers, von Eurosolar, der Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde zu Stuttgart, des Hochschullabors Mobilität der IBA Basel 2020, des International Religious Freedom Roundtable in Europe, des Academic Board des International Institute for Religious Freedom, von Mehr Demokratie e.V., des Netzwerks Bürgerbeteiligung der Stiftung Mitarbeit, des Netzwerks der IHK E-Bike-Region Neckar-Alb, des Beirats Pro RegioStadtBahn e.V. Tübingen, der Territorialists' Society, der Transport Training Initiative, des Universitätsbundes Tübingen, des Verbandes der Geographen an deutschen Hochschulen und der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 6 | Universität Tübingen. Abgerufen am 27. Februar 2023.
  2. @1@2Vorlage:Toter Link/www.tagblatt.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2024. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  3. a b Zwei Herausforderer wollen den „Sonnenkönig“ stürzen – STIMME.de. Abgerufen am 27. Februar 2023.
  4. Rothfuß tritt an. In: Nürtinger Zeitung. 29. Juli 2006, abgerufen am 27. Februar 2023.
  5. CSU nominiert Rainer Rothfuß offiziell zum Oberbürgermeister-Kandidaten. In: AllgäuHIT. 8. Oktober 2011, abgerufen am 27. Februar 2023.
  6. https://www.neckar-chronik.de/Nachrichten/Rainer-Rothfuss-moechte-Oberbuergermeister-von-Lindau-werden-174084.html
  7. dapd: Rainer Rothfuß: Vom CSU-Kandidaten zum Piraten-Unterstützer. In: t-online.de. 10. Februar 2012, archiviert vom Original am 14. März 2018; abgerufen am 13. März 2023.
  8. a b Lindauer Ex-OB-Kandidat wechselt von der CSU zur AfD. In: Schwaebische.de, Regional, Lindau. 29. Juni 2018, abgerufen am 27. Februar 2023.
  9. https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien/R/rothfuss_rainer-861124
  10. a b Ronja Straub: Lindauer Stadtrat Rainer Rothfuß wird Abgeordneter im Bundestag. In: Schwäbische. 27. Februar 2023, abgerufen am 28. Februar 2023.
  11. Ausgeschiedene Abgeordnete der 20. Wahlperiode. In: bundestag.de. Abgerufen am 3. März 2023.
  12. Pia Stendera: Initiative gegen „Bautzner Frieden“: Von goldenen Chemtrails. In: taz.de. 29. Januar 2020, abgerufen am 27. Februar 2023.
  13. a b c Dirk Augustin: Umstrittener Friedenspreis für Rainer Rothfuß www.schwaebische.de, 19. Februar 2018
  14. https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/russland-propaganda-newsfront-eu-usa-sanktionen-ukraine-100.html
  15. Sandra Aid & Silvio Duwe: Unkritische Berichte: Wenn Frieden für Propaganda missbraucht wird (Memento vom 2. November 2017 im Internet Archive), Zapp auf ndr.de, 1. November 2017
  16. a b Sebastian Lipp: Rainer Rothfuß’ Weg nach Rechtsaußen. In: Allgäu rechtsaußen. 31. Juli 2018, abgerufen am 3. März 2023.
  17. Katholischer Verband lädt AfD-Mitglied ein. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 27. Februar 2023.
  18. Forscher: Westen sieht Christenverfolgung nicht als «Tragödie». In: kath.ch. 14. September 2015, abgerufen am 13. März 2023.
  19. Anton Renner: AfD-Thesen bei den Katholiken: Nur eine widerspricht. In: Merkur.de. 11. August 2018, abgerufen am 27. Februar 2023.
  20. Rainer Rothfuß erzählt von verfolgten Christen in Südostasien. In: Schwäbische. 12. März 2018, abgerufen am 27. Februar 2023.
  21. Lars Wienand: Rainer Rothfuß rückt nach: Russland-Fraktion im Bundestag bekommt Verstärkung. In: t-online.de. 2. März 2023, abgerufen am 3. März 2023.
  22. Astrid Halder, Sammy Khamis: AfD in Bayern: Zum Teil auf Moskaus Linie www.br.de, 30. März 2022