Anthropogen

Stadtlandschaft als extrem anthropogen veränderte Landschaft (Givʿatajim, Israel)
Kalkmagerrasen als „Natur aus Menschenhand“ (Wacholderheide in der Eifel)

Das Adjektiv anthropogen (von altgriechisch ἄνθρωπος ánthrōpos „Mensch“ mit dem Verbalstamm γεν- gen- „entstehen“, also „menschengemacht“) bezeichnet einen Fachbegriff für vom Menschen verursachte Einflüsse, die direkt oder indirekt zu Veränderungen der Umwelt geführt haben,[1] sowie für alles durch Menschen Beeinflusste, Entstandene, Hergestellte oder Verursachte. Da sie nur von Menschen hergestellt werden, sind z. B. sowohl Kunststoffe als auch die durch sie verursachte Verschmutzung der Meere anthropogen.

Bei der Beurteilung, ob das Risiko für den Fortbestand menschlichen Lebens auf dem Planeten eher aufgrund natürlicher Gefahren oder anthropogener Ursachen besteht, tendiert das 'Future of Humanity Institute' der Universität Oxford – basierend auf einer Auswertung der letzten Jahrhunderte – dazu, die heutigen und zukünftigen anthropogenen Gefahren als gravierender zu bewerten.[2]

Geschichte

Anthropogene Veränderungen sind mit dem menschlichen Dasein untrennbar verbunden. Dies wurde über Jahrzehntausende der Menschheitsgeschichte entweder ignoriert oder hingenommen (Entstehung von Kulturlandschaften). In der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Folgen der anthropogenen Veränderung die Menschen unmittelbar zu bedrohen und deren Gestaltung wurde in Europa und Nordamerika als politische Aufgabe wahrgenommen (z. B. Aufbau von Hygieneinfrastruktur in den Großstädten). In der Mitte des 20. Jahrhunderts trat der Aspekt der Naturnähe bei der Gestaltung zunehmend in den Vordergrund (Umweltschutz, Kreislaufwirtschaft). Am Anfang des 21. Jahrhunderts prägte besonders die Sorge um den Klimawandel die Bestrebungen, etwa durch Ersatz fossiler Energieträger.

Der Einfluss des Menschen seit dem Gebrauch des Feuers, insbesondere aber seit der Industrialisierung in den „Industrieländern“ hat neben der globalen Erwärmung zu weiteren weltweiten Veränderungen, einschließlich der Schädigungen von Ökosystemen sowie einem Rückgang der Artenvielfalt und damit der Biodiversität geführt. Aus diesem Grund wird diskutiert, diese Zeitspanne der menschlichen Einwirkungen Anthropozän (im Sinne von „durch menschliche Einflüsse geprägtes Zeitalter“) zu benennen.

Die Digitale Revolution hat, wie die Industrialisierung, anthropogenen Ursprung und bildet die Grundlage für die Erschaffung neuer Technologien (wie z. B. Quantencomputer), Interaktion zwischen Menschen und Computern und künstlicher Intelligenz. Die Erschaffung einer Superintelligenz könnte, nach Ansicht von Stephen Hawking, etwas Neues hervorbringen, das sich selbstlernend verbessert und eigenständig reproduziert.[3]

Ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen und Möglichkeit zur Kontrolle, rückt damit auch die Vernichtung der Menschheit durch solch eine künstliche Superintelligenz in den Bereich einer denkbaren Entwicklung.[4] Zu den Risiken in diesem Bereich zählen unter anderem autonome Waffensysteme, insbesondere, wenn diese sich menschlicher Kontrolle entziehen.[5]

anthropogen versus natürlich

Der Begriff Natur wird verbreitet für die nicht menschengemachte Welt verwendet. Dieses Verständnis ist als speziezistisch und anthropozentrisch zu kritisieren. Daher ist der verbreitete Gebrauch von natürlich im Sinne von nicht-anthropogen mit Vorsicht anzuwenden.

Viele Einflüsse auf die Umwelt können sowohl anthropogen als auch natürlich bedingt sein, wobei eine eindeutige Abgrenzung nicht immer möglich ist. So kann ein Waldbrand beispielsweise sowohl durch Menschen als auch durch eine natürliche Ursache (z. B. Blitzschlag) verursacht worden sein. Bereits im menschlichen Gebrauch des Feuers kann der Beginn des Anthropozäns gesehen werden. Nach einem anthropogenen Eingriff kann der 'natürliche' Zustand prinzipiell nicht wieder hergestellt werden, es kann allenfalls eine Naturnähe (Hemerobie) erreicht werden.

Grundsätzlich übt jede Form von Leben einen Einfluss auf seine Umwelt aus. Es müssen die Grundlagen für den Stoffwechsel entnommen und Endprodukte des Stoffwechsels in diese abgegeben werden. Alle Organismen beeinflussen dadurch das sie umgebende Milieu. Es kommen aber auch gezielte Vorgänge vor, etwa das Ausscheiden von Hemmstoffen, die Konkurrenten behindern. Soziale Tiere errichten Staaten und Bauten. Die menschlich verursachte Veränderung der Umwelt kann in diesem Sinne ebenfalls als natürlich angesehen werden und wird es vielfach auch, z. B. werden ländliche Kulturlandschaften häufig als erholsame Natur wahrgenommen. Originär anthropogen ist jedoch der Einsatz zusätzlicher Energieträger, die über den Grundumsatz hinausgehen.

Anthropogene Veränderungen der Umwelt

Plastikmüll am Strand von Safaga, Ägypten

Stoffliche anthropogene Belastungen werden auch Umweltverschmutzung genannt, ein Teil der stofflichen und physikalischen Belastungen fällt dagegen unter den Begriff Immissionsbelastung. Anthropogene Einflüsse, die zur Veränderung der Umwelt führen sind vielfältig, folgende zählen dazu:[1]

Die Voraussetzung für die genaue Erfassung des Umfangs anthropogener Einflüsse erfassen zu können, ist die Kenntnis des natürlichen Ausgangszustandes. Belastungen, die sich negativ auf die Umwelt auswirken, können auf unterschiedliche Weise entstanden sein, hierzu zählen:[1]

  • Wirtschaftlichkeit (auch im Hinblick auf Ziele wie Gewinnmaximierung)
  • Fehlen technischer Alternativen (betrifft Anlagen und Verfahrenstechnik)
  • Politische Vorgaben (einschließlich fehlender Vorgaben, z. B. hinsichtlich geplanter Obsolenz)
  • Individualverhalten im kulturellen Kontext (Wegwerfgesellschaft)

Mikroplastik als Beispiel eines anthropogenen Umweltproblems

Kunststoffe sind sehr resistent gegenüber Umwelteinflüssen und können nicht biologisch abgebaut werden. Insbesondere Mikroplastik konnte mittlerweile überall auf der Erde nachgewiesen werden; man fand es an der Meeresoberfläche, in Sedimenten der Tiefsee sowie in entlegenen Arktisregionen. Entsprechend einer Studie des Alfred-Wegener-Instituts, werden kleinste Mikroplastikteilchen sogar über die Luft transportiert und gelangen anschließend durch Schneefall oder Regen zurück auf die Erde, wie durch die Analyse von Schneeproben nachgewiesen werden konnte.[6]

Mittlerweile gilt Mikroplastik als hochaktuelles, anthropogenes Umweltproblem und ist Gegenstand aktueller Forschungsprojekte. Studien ergaben unter anderem, dass sechs bis zehn Prozent der weltweiten Kunststoffproduktion in den Weltmeeren landen, wo sich größere Plastikteile zersetzen und zu Mikroplastik werden.[7]

Auch die Auswirkungen von Mikroplastik auf landwirtschaftlich genutzten Flächen werden mittlerweile wissenschaftlich erforscht.[8]

Anthropogenen Umwelteinwirkungen ohne negative Folgen

Nicht alle anthropogenen Belastungen wirken sich negativ aus, bzw. führen zur Verringerung der Biotop- oder Artenvielfalt. Fehlt die eindeutig negative Auswirkung, so werden auch die Bezeichnungen Umweltbeanspruchung, Umweltinanspruchnahme oder Umwelteinwirkung verwendet.

In manchen Fällen entstehen durch extensive menschliche Nutzung zudem Kulturlandschaften, die Lebensräume in Form von unterschiedlichen Biotopen beherbergen. So ist etwa der Fortbestand der artenreichen Magerrasen, Almwiesen oder Heide auf die Nutzung durch den Menschen angewiesen. Darüber hinaus können menschliche Eingriffe, die sich negativ auf die Umwelt auswirken, zumindest teilweise durch Renaturierung (z. B. von Fließgewässern) abgemindert werden.[9]

Beispiele für die Verwendung des Begriffs

Die Bezeichnung anthropogen wird häufig in Verbindung mit menschlichen Eingriffen in die Umwelt sowie für vom Menschen verursachte Umweltprobleme gebraucht, beispielsweise:

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: anthropogen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c Lexikon der Geowissenschaften: anthropogene Einflüsse Spektrum, aufgerufen am 9. November 2021
  2. Existential Risk. Threats to humanity's future (englisch) University of Oxford, aufgerufen am 9. November 2021
  3. Transcending Complacency on Superintelligent Machines (englisch) Huffpost, aufgerufen am 9. November 2021
  4. History Warns of the Deadly Threat to Humanity from Artificial Intelligence 2020 by George J. Ziogas (englisch) Digital Diplomacy, aufgerufen am 9. November 2021
  5. Stopping Killer Robots. Country Positions on Banning Fully Autonomous Weapons and Retaining Human Control (englisch) Human Rights Watch am 10. August 2020, aufgerufen am 9. November 2021
  6. Mikroplastik und andere Kunststoffe – eine große Gefahr für unsere Umwelt BUND, aufgerufen am 9. November 2021
  7. Mikroplastik und andere Kunststoffe – eine große Gefahr für unsere Umwelt Umweltbundesamt, aufgerufen am 9. November 2021
  8. Einfluss von Mikroplastik auf Grünlandbestände Universität Rostock, aufgerufen am 9. November 2021
  9. Renaturierung von Fließgewässern Umweltbundesam, aufgerufen am 9. November 2021
  10. Gerhard Lange, Klaus Knödel: Handbuch zur Erkundung des Untergrundes von Deponien und Altlasten. Band 8: Erkundungspraxis. Springer, 2002, ISBN 3-540-43683-9, S. 45 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. S.-P. Ballstaedt, P. Reinhard, M. Rentschler, E. Rottländer: Veränderung von Böden durch anthropogene Einflüsse: Ein interdisziplinäres Studienbuch. Hrsg.: Deutsches Institut für Fernstudienforschung an der Universität Tübingen. Springer, 1997, ISBN 3-540-61556-3.
  12. DER SPIEGEL: Anthropozän: Künstlich hergestellte Produkte überwiegen erstmals die Masse aller Lebewesen weltweit - DER SPIEGEL - Wissenschaft. Abgerufen am 14. Dezember 2020.
  13. Emily Elhacham, Liad Ben-Uri, Jonathan Grozovski, Yinon M. Bar-On, Ron Milo: Global human-made mass exceeds all living biomass. In: Nature. 9. Dezember 2020, ISSN 1476-4687, S. 1–3, doi:10.1038/s41586-020-3010-5 (nature.com [abgerufen am 14. Dezember 2020]).
  14. Globaler Fußabdruck des Menschen - Mehr Beton als Bäume. Abgerufen am 14. Dezember 2020.
  15. Badische Zeitung: Von Menschen produzierte Masse übersteigt weltweite Biomasse - Brennpunkte - Badische Zeitung. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Dezember 2020; abgerufen am 14. Dezember 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.badische-zeitung.de
  16. Gunnar Möller: CO2-Emissionshandel in der Handelsperiode 2008–2012. Diplomica Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8366-6112-6, 2.1.1. anthropogener Treibhauseffekt und seine Auswirkungen, S. 5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).