Stickland-Reaktion

Eine Stickland-Reaktion ist die gekoppelte Gärung zweier Aminosäuren bei gleichzeitiger Desaminierung, wobei eine Aminosäure oxidiert und die andere Aminosäure reduziert wird.[1] Diese Vergärungsart dient manchen Organismen als Energiequelle. Die Stickland-Reaktion ist eine Besonderheit bei der Vergärung von Aminosäuren. Der Stoffwechselweg verdankt den Namen seinen Entdecker Leonard Hubert Stickland.

Vorkommen

Organismen, die durch Sticklandreaktionen Energie gewinnen, sind typischerweise Vertreter peptolytischer Clostridien im weiteren Sinne – eine polyphyletische Gruppe anaerober Bakterien innerhalb der Firmicutes. Typische Vertret sind beispielsweise C. skicklandii C. sporogenes oder C. botulinum. Da jedoch bis heute nur ein winziger Bruchteil aller Bakterien und Archaeen durch Isolate beschrieben und klassifiziert ist, ist natürlich nicht klar, ob Sticklandreakionen nur auf wenige phylogenetische Gruppen beschränkt sind.

Biochemie

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Beispiel einer Stickland-Reaktion, bei der ein Molekül Alanin und zwei Moleküle Glycin zu Acetat vergoren werden.

Stickland erkannte als erster, dass es auch Bakterien gibt, die nur Kombinationen aus zwei Aminosäuren vergären, hingegen diese Aminosäuren einzeln nicht verwerten.[2] Er zeigte, dass C. sporogenes (NCTC 533) sechs verschiedene Kombinationen in nennenswertem Umfang nutzt. Daher entstand für diese Art von Reaktionen der Überbegriff Stickland-Reaktion. In dieser gibt es zwei Zweige: Im oxidativen Ast wird die Aminosäure zu einer α-Ketosäure desaminiert. Diese wird anschließend unter Einbau von Coenzym A zur einer „aktivierten“ Fettsäure (Acyl-CoA) oxidativ decarboxyliert. Die energiereiche Thioesterbindung des Acyl-CoAs wird mittels anorganischen Phosphats zu Acylphosphat erhalten. Der Phosphatrest des Acylphosphats wird schließlich auf Adenosindiphosphat (ADP) unter Bildung von ATP übertragen. Durch diese Substratkettenphosphorylierung wird im oxidativen Ast Energie gewonnen.

Durch die reduktive Desaminierung der zweiten Aminosäure im reduktiven Ast werden die entstandenen Redoxäquivalente oxidiert und damit regeneriert.

Eine typische Stickland-Reaktion ist am Beispiel von C. sporogenes gezeigt, der gleichzeitig Alanin oxidiert und zwei Moleküle Glycin reduziert (vgl. Abbildung). Alanin wird zunächst durch eine NAD+-abhängige Alanindehydrogenase zu Pyruvat umgesetzt, wobei NAD+ reduziert wird. Eine Pyruvatdehydrogenase decarboxyliert Pyruvat unter Einbau von Coenzym A zu Acetyl-CoA. Bei diesem Schritt wird das zweite Molekül NADH erzeugt. Acetyl-CoA wird zu Acetylphosphat umgeestert, was eine Phosphotransacetylase katalysiert. Dieses wird im Zuge der Substratkettenphosphorylierung zu Acetat umgesetzt, bei diesem Schritt entsteht ATP.

Im reduktiven Zweig werden zwei Moleküle Glycin durch eine Selen- bzw. Selenocystein-enthaltende Glycinredukatase zu je zwei Molekülen Acetylphosphat umgesetzt. Aus diesen entsteht anschließend wie analog im oxidativen Zweig Acetat, wodurch zusätzlich Energie gewonnen werden kann.[3]

Substratvielfalt

Neben Alanin können im oxidativen Zweig auch Methionin, Leucin, Isoleucin, Valin, Serin, Threonin und Histidin als Elektronenakzeptor, als auch als Elekronendonor dienen. Im reduktiven Zweig fungieren als Elektronenakzeptor neben Glycin auch Arginin, Leucin, Tryptophan, Phenylalanin, Tyrosin, Hydroxyprolin und Prolin.[4][5]

Auch nichtproteinogene Aminosäuren, wie beispielsweise D-Prolin, können genutzt werden, so dass eine enorme Vielzahl von Sticklandreaktionen denkbar ist, genutzt durch die unterschiedlichsten Spezialisten. Jedoch nur im Falle von Glycin kann auch im reduktiven Ast via Acetylphosphat ATP gebildet werden.[3] Prolin wird nicht desaminiert, sondern durch eine Ringspaltung zu δ-Aminovalerat reduziert.[6]

Einzelnachweise

  1. Nisman, B. (1954): The Stickland Reaction. In: Bacteriol Rev 18(1): 16–42. PMID 13140081; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  2. Stickland, LH. (1934): Studies in the metabolism of the strict anaerobes (genus Clostridium): The chemical reactions by which Cl. sporogenes obtains its energy. In: Biochem J. 28(5); 1746–1759. PMID 16745572; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  3. a b Andreesen, JR. (1994): Glycine metabolism in anaerobes. In: Antonie Van Leeuwenhoek. 66(1–3); 223–237; PMID 7747933; doi:10.1007/BF00871641
  4. Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): Allgemeine Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart; 8. Auflage 2007; ISBN 3-13-444608-1; S. 374
  5. Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker und Thomas D. Brock: Mikrobiologie. Spektrum Akademischer Verlag; ISBN 3-8274-0566-1; S. 568
  6. Stickland, LH. (1935): Studies in the metabolism of the strict anaerobes (Genus Clostridium): The reduction of proline by Cl. sporogenes. In: Biochem J. 29(2):288–290; PMID 16745669; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)

Literatur

  • Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): Allgemeine Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart; 8. Auflage 2007; ISBN 3-13-444608-1; S. 374
  • Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart 2008; ISBN 987-3-13-144861-3; S. 385f.
  • Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker und Thomas D. Brock: Mikrobiologie. Spektrum Akademischer Verlag; ISBN 3-8274-0566-1; S. 567f.
  • Wolfgang Fritsche: Mikrobiologie. Spektrum Akademischer Verlag; 3. neubearb. Auflage 2002; ISBN 3-8274-1107-6; S 250f.

Siehe auch