Stickland-Reaktion

Eine Stickland-Reaktion ist die gekoppelte Gärung zweier Aminosäuren bei gleichzeitiger Desaminierung, wobei eine Aminosäure oxidiert und die andere Aminosäure reduziert wird.[1] Die Aminosäuren sind die Kohlenstoff-, Stickstoff- und Energiequelle.

Aminosäuregärung (Verwertung von Aminosäuren ohne Elektronenakzeptoren wie beispielsweise Sauerstoff) ist nicht ganz trivial, weswegen es dafür verschiedenste Stoffwechselwege gibt. Im Regelfall werden von spezialisierten anaeroben Bakterien jeweils nur einige wenige Aminosäuren verwertet.

Stickland (1934) erkannte als erster, dass es auch Bakterien gibt, die nur Kombinationen aus zwei Aminosäuren vergären, hingegen diese Aminosäuren einzeln nicht verwerten.[2] Er zeigte, dass Clostridium sporogenes (NCTC 533) sechs verschiedene Kombinationen in nennenswertem Umfang nutzt. Daher entstand für diese Art von Reaktionen der Überbegriff Stickland-Reaktion. Beispielsweise wird von C. sporogenes gleichzeitig D-Alanin oxidiert und Glycin reduziert.

Ox: Alanin + 2 H2O → Acetat + Ammonium + CO2 + 4[H]
Red: 2 Glycin + 4[H] → 2 Acetat + 2 Ammonium

Die Energie wird durch eine gekoppelte Redox-Reaktion gewonnen, wobei im oxidativen Schritt ein Adenosintriphosphat (ATP) gewonnen wird.

Alanin, Cystein, Glycin, Methionin, Leucin, Phenylalanin, Serin, Threonin, Tryptophan und Tyrosin können sowohl als Elektronenakzeptor, als auch als Elekronendonor dienen, ausschließlich als Elektronendonor fungieren Isoleucin und Valin sowie nur als Elektronenakzeptor Prolin.[3] Im oxidativen Schritt wird die Aminosäure zu einer Oxosäure desaminiert, und anschließend zur Fettsäure decarboxyliert. Dieser Schritt ist mit einer Phosphorylierung der Fettsäure verbunden, anschließend wird der Phosphatrest auf Adenosindiphosphat (ADP) unter Bildung von ATP übertragen. Durch die reduktive Desaminierung der zweiten Aminosäure werden die entstandenen Redoxäquivalente akzeptiert.
Beispiel: Wird Alanin oxidiert (obige Reaktionsgleichung), entsteht Acetat, bei einer Reduktion entsteht hingegen Propionat.
Ausnahmen: Im Falle von Glycin kann auch im reduktiven Ast via Acetylphosphat ATP gebildet werden.[4] Prolin wird nicht desaminiert, sondern durch eine Ringspaltung zu δ-Aminovalerat reduziert.[5]

Organismen, die durch Sticklandreaktionen Energie gewinnen, sind typischerweise Vertreter der Clostridien im weiteren Sinne – eine polyphyletische Gruppe anaerober Bakterien innerhalb der Firmicutes. Da jedoch bis heute nur ein winziger Bruchteil aller Bakterien und Archaeen durch Isolate beschrieben und klassifiziert ist, ist natürlich nicht klar, ob Sticklandreakionen nur auf wenige phylogenetische Gruppen beschränkt sind. Auch nichtproteinogene Aminosäuren können genutzt werden, so dass eine enorme Vielzahl von Sticklandreaktionen denkbar ist, genutzt durch die unterschiedlichsten Spezialisten.

Einzelnachweise

  1. Nisman B. The Stickland Reaction. Bacteriol Rev. 1954. March; 18(1): 16–42. PMID 13140081
  2. Stickland LH. Studies in the metabolism of the strict anaerobes (genus Clostridium): The chemical reactions by which Cl. sporogenes obtains its energy. Biochem J. 1934;28(5):1746–59. PMID 16745572
  3. Lengeler JW, Drews G und Schlegel HG. Diversity of metabolic pathways. In: Biology of the Prokaryotes. Thieme, Stuttgart, New York. 1999. ISBN 3-13-108411-1.
  4. Andreesen JR. Glycine metabolism in anaerobes. Antonie Van Leeuwenhoek. 1994;66(1–3):223–37. Review. PMID 7747933
  5. Stickland LH. Studies in the metabolism of the strict anaerobes (Genus Clostridium): The reduction of proline by Cl. sporogenes. Biochem J. 1935 Feb;29(2):288–90. PMID 16745669