„Ludgeri-Kirche (Norden)“ – Versionsunterschied

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[[Datei:2009 07 Norden Ludgerikirche.JPG|miniatur|Die Ludgeri-Kirche Norden]]
[[Datei:2009 07 Norden Ludgerikirche.JPG|miniatur|300px|Die Ludgeri-Kirche Norden]]
Die [[Evangelisch-Lutherische Kirchen|Evangelisch-Lutherische]] '''Ludgeri-Kirche''' steht im Zentrum des 6,678 ha großen Marktplatzes der Stadt '''[[Norden (Ostfriesland)|Norden]]'''. Das [[Romanik|romanisch-]][[Gotik|gotische]] Bauwerk wurde in mehreren Bauabschnitten vom 13. Jahrhundert bis 1455 errichtet.
[[Datei:2009 07 Norden Ludgerikirche Arp-Schnitger-Orgel.JPG|miniatur|Prospekt der Arp-Schnitger-Orgel in der Ludgerikirche]]
Die [[Evangelisch-Lutherische Kirchen|Evangelisch-Lutherische]] und romanisch-gotische Kirche '''Ludgeri''', die im Zentrum des 6,6 ha großen Marktplatzes der Stadt [[Norden (Ostfriesland)|Norden]] steht und zusammen mit dem Kirchhof einen beträchtlichen Teil des Platzes einnimmt, wurde nach [[Liudger]], dem [[Apostel]] der [[Friesen]] und [[Schutzheiliger|Schutzheiligen]] des [[Norderland]]es benannt. Sie ist heute der größte und bedeutendste erhaltene [[Sakralbau]] in [[Ostfriesland]].


Die Ludgerikirche ist mit rund 80 m Länge der größte größte erhaltene mittelalterliche Sakralbau in [[Ostfriesland]]s. Der in der Außenansicht stark zergliederte Baukörper besteht aus drei Abschnitten, die auch in der Höhe variieren und ist vor allem durch den 1455 fertiggestellten gotischen Hochchor geprägt, der das ebenfalls gotische Querhaus sowie das romanische Langhaus deutlich überragt. Zudem ist der Umgangschor der einzige dreischiffige Sakralbau in Ostfriesland in der Art gotischer Kathedralenarchitektur. Der südlich neben der Kirche freistehende romanische Kirchturm ist heute durch eine Straße von der Kirche getrennt.
==Baubeschreibung==
Der in der Außenansicht stark zergliederte Baukörper der Ludgerikirche besteht aus drei Abschnitten: Das [[Romanik|romanische]] [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] wurde in den Jahren zwischen 1230 und 1250 erbaut, das [[Gotik|gotische]] [[Querschiff]] 1318 an das romanische Langhaus angefügt. Um 1445 wurde der [[Gotik|gotische]] [[Hochchor]] von einer umherwandernden [[Bauhütte]] errichtet, die zuvor den Chor der [[Martinikerk (Groningen)|Martinikerk in Groningen]] gebaut hatte. Zusammen mit dem freistehenden Glockenturm fügt sich die Ludgerikirche als Ganzes trotz ihrer stilistischen Uneinheitlichkeit sehr anmutig in die Anlage des mit zum Teil sehr hohen Bäumen bestandenen Platzes ein. Ein beliebtes und für [[Norden (Ostfriesland)|Norden]] typisches Fotomotiv, besonders im Frühjahr, ist die Ansicht des hochgotischen Chores samt Glockenturm von Osten her.


Die Ludgerikirche weist eine besonders reiche Ausstattung auf. Bedeutend sind vor allem der Schriftaltar, die barocke Kanzel, das Gestühl aus mehreren Jahrhunderten, das Taufbecken und das Epitaph des Unico Manninga. Historisch und musikalisch stellt vor allem die Orgel von Arp Schnitger ein Kunstwerk von internationalem Rang dar. Vorreformatorische Kunst des Mittelalters ist wegen des [[Reformatorischer Bildersturm|Bildersturms]] zur Zeit der [[Reformation]] nur in geringen Resten überliefert, die vor allem im Querhaus und im Hochchor zu sehen sind.
Auch der Innenraum der Ludgerikirche wirkt durch die Bauentwicklung in Abschnitten nicht gerade homogen. Das antike Kirchenstuhlensemble und die Orgel als Einbauten am Mittelschiff zertrennen den Kirchenraum, so dass der Hochchor wie ein abgesondertes Bauelement wirkt. Der Übergang zwischen dem Mittelschiff und dem Langhaus wird dominiert von der [[Barock]]kanzel von 1712.


== Geschichte ==
Geschichtlich beachtenswert ist das [[Epitaph (Grabinschrift)|Epitaph]] des [[ostfriesische Häuptlinge|ostfriesischen Häuptlings]] [[Unico Manninga]] von [[Lütetsburg]]. Im Umgang des Hochchors finden sich acht gotische [[Sandstein]]statuen aus der ehemals benachbarten Andreaskirche.
=== Bau von zwei Kirchen im historischen Norder Stadtgebiet ===
[[Datei:Norden1590.jpg|miniatur|Norden um 1590. In der Mitte die Türme der Andreaskirche sowie der Hochchor der Ludgerikirche]]
Fast zeitgleich wurden in Norden zwei Kirchen errichtet, deren Geschichte untrennbar miteinander verbunden ist. Dies ist vermutlich der ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte des Ortes geschuldet. Er wurde nicht zentral gegründet, sondern entstand als gemeinsames Zentrum der umliegenden [[Bauerschaft (Siedlungsform)|Bauerschaften]] Ekel, Lintel und Westgaste, die in der Folgezeit immer stärker miteinander verwuchsen und so den Kern der Stadt bildeten. Für das sich entwickelnde städtische Anwesen diente vermutlich die Andreaskirche als Gotteshaus, während die Ludgerikirche zunächst für das Umland zuständig war. Dies wird damit erklärt, dass die Andreaskirche dem [[Andreas (Apostel)|heiligen Andreas]] geweiht war. Er war der Schutzpatrons der Stadt und findet sich noch heute als Schildhalter des Norder Stadtwappens. Die Ludgerikirche wurde [[Liudger]], dem [[Apostel]] der [[Friesen]] und [[Schutzheiliger|Schutzheiligen]] des umliegenden [[Norderland]]es geweiht.


Das Areal, auf dem beide Gotteshäuser errichtet wurden, liegt auf einer Sandinsel in der [[Marsch]], die dem nordwestlichsten Ausläufer des ostfriesischen [[Geest]]rückens vorgelagert ist.<ref>Eberhard Rack: Kleine Landeskunde Ostfriesland, Isensee Verlag, Oldenburg 1998, S. 94</ref>
==Orgel==
Die berühmte [[Orgel der Ludgerikirche (Norden)|Barockorgel von Arp Schnitger]] – wegen der komplizierten Akustik des Kircheninneren am Übergang zwischen Mittelschiff und Hochchor angebracht – ist die größte [[Orgel]] Ostfrieslands. Sie wurde in den Jahren 1686–1692 geschaffen und gilt bei Kennern als eines der wertvollsten Instrumente der Welt.


== Siehe auch ==
==== Die Andreaskirche ====


Die erste Stadtkirche war die Andreaskirche. Sie wurde im 13. Jahrhundert nördlich der heutigen Ludgerikirche als erster steinerner Kirchenbau des Ortes errichtet und hatte vermutlich einen Vorgängerbau aus Holz.<ref Name="Stromann64">Johann Haddinga, Martin Stromann: ''Norden-Norddeich. Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor''. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 64.</ref>

Die Andreaskirche war eine 65&nbsp;m lange dreischiffige Basilika aus [[Tuffstein]] mit Querschiff, Chor und drei Türmen. Ihr Westturm diente Seefahrern über mehrere Jahrhunderte als Seezeichen.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden''. Norden 2000. S. 3</ref> Die beiden Osttürme wurden von zwei Schwestern aus dem Norder [[Ostfriesische Häuptlinge|Häuptling]]sgeschlecht Idzinga gestiftet.

Im Jahr 1531 verwüstete ein Heerhaufen des Häuptlings [[Balthasar von Esens]] die unbefestigte Stadt. Dabei wurden unter anderem der Vorgängerbau des heutigen Alten Rathauses und mehrere Klöster zerstört, die Andreaskirche stark beschädigt. Versuche, die Andreaskirche wieder aufzubauen, schlugen fehl. Das Gebäude blieb eine Ruine. Im 17. und 18. Jahrhundert stürzte es allmählich ein und diente Norder Bürgern als Steinbruch. Die letzten Reste der Andreaskirche wurden 1756 abgetragen. Besonders wertvolle Bildwerke scheinen in die Ludgerikirche verbracht worden zu sein, die in der Folgezeit die Funktion als Hauptkirche des Ortes übernahm. Heute finden sich von der Andreaskirche keine aufgehenden Gebäudeteile mehr. Das Areal, auf dem sie einst stand, wird heute vom alten Friedhof der Stadt eingenommen. 1996 wurde der Standort der Andreaskirche durch Bohruntersuchungen wiederentdeckt.<ref Name="Stromann64" />

==== Die Ludgerikirche ====

[[Datei:Nordencirksenawappenmsu.jpg|miniatur|[[Cirksena]]-Wappen im Schlussstein des östlichsten Hochchorgewölbe]]
Der älteste Teil der Ludgerikirche ist das Langhaus. Es wurde zwischen 1233 und 1250 als romanische Einraumkirche errichtet<ref>[http://www.norden.de/index.phtml?La=1&sNavID=549.74&ffsm=1&object=tx|1652.399.1&sub=0 www.norden.de: ''Ludgerikirche''], aufgerufen am 19. April 2010</ref>. Im Osten war dieser Bau mit einer halbrunden [[Apsis]] abgeschlossen. Er hatte je zwei Eingänge an der Nord- und Südseite, kleine Rundbogenfenster und eine flache Holzbalkendecke.<ref name="ruge">Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 2</ref> Die Kirche wurde [[Liudger]], dem [[Apostel]] der [[Friesen]] und [[Schutzheiliger|Schutzheiligen]] des [[Norderland]]es geweiht. Das Gotteshaus war die [[Send]]kirche des Norderlandes. In ihr wurde in kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten Recht gesprochen.<ref name="ruge" />

Im frühen 14. Jahrhundert wurde der, heute durch eine Straße vom Kirchengebäude getrennte, Glockenturm errichtet. Aufgrund des unsicheren Baugrundes ist er, wie bei den meisten mittelalterlichen Kirchen Ostfrieslands freistehend. Heute ist er durch eine Straße vom Hauptbaukörper getrennt. Etwa um die gleiche Zeit wurde die vorgebaute Westfassade errichtet mit einer für die Frühgotik charakteristischen Gestaltung des Giebeldreiecks errichtet.

Vermutlich um 1318 begann der Bau des Querschiffs mit drei quadratischen [[Gewölbe#Kreuzgewölbe|Kreuzgewölben]].<ref name="ruge" /> Diese verfielen bis ins 15. Jahrhundert und stürzten schließlich ein. Das Querhaus wurde 1445 mit verstärkten Mauern und Pfeilern in seiner heutigen, höheren Gestalt wieder errichtet.<ref name="ruge" />

Der das heutige Gebäude dominierende dreischiffige Hochchor wurde 1455 fertiggestellt. Am Wiederaufbau des Querschiffs und an der Errichtung des Hochchors war der Norder Häuptling und spätere erste Reichsgraf Ostfrieslands, [[Ulrich I. (Ostfriesland)|Ulrich Cirksena]] maßgeblich beteiligt, dessen Familienwappen sich in den Schlussteinen des [[Vierung]]sgewölbes und des östlichen Hochchorgewölbes befindet.<ref>Johann Haddinga, Martin Stromann: ''Norden-Norddeich. Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor''. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 58.</ref>

Im Jahre 1527 hielt die Reformation Einzug in Norden. Nach der Zerstörung der Andreaskirche übernahm die Ludgerikirche von dieser die Funktion als Stadtkirche. Zudem wurden vermutlich einige Teile des figürlichen Schmucks von der Ruine an die Fassaden der Ludgerikirche verbracht. Der Großteil davon ist heute im Chorumgang ausgestellt. Über dem Nordportal des Querhauses findet sich noch ein Relief, dass aus der Zeit um 1240 erhalten blieb. Es stellt die [[Anbetung der Könige]] dar, die auf der linken Seite zu sehen sind. Zentrales Element ist Maria mit dem Kind. Rechts neben ihr steht Josef und ganz rechts ein heiliger, der vermutlich der [[Andreas (Apostel)|Apostel Andreas ist]].<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 2</ref>

Nach mehrfachen Wechseln zwischen reformierten lutherischen und reformierten Pastoren wurde die Ludgerikirche 1579 endgültig lutherisch. Drei Jahre später wurde der Schriftaltar in der Kirche aufgestellt.

1746 erhielt Langschiff das Holztonnengewölbe. Im Jahre 1826 wurde der Westteil des Langschiffs für die ''Deutsche Schule'' abgetrennt. Daran Anschließend wurden die Fenster vergrößert.

Von 1956–68 fanden umfassende Sanierungsarbeiten in sieben Bauabschnitten statt. In den Jahren 1980–85 folgte eine umfassende Kirchenrenovierung, bei der Dächer und Außenmauerwerk ausgebessert und gesichert wurden. Im Zuge der Arbeiten wurden auch die Innenfarben in ihrer ursprünglichen Form freigelegt und der Altarbereich in der Vierung neu gestaltet. Parallel dazu ist in den Jahren 1981−85 die Orgel saniert worden.

==Beschreibung ==
=== Das Äußere ===
==== Kirchenschiff ====
[[Datei:Ludgerinordengrundriss.png|miniatur|Grundriss der Ludgerikirche.]]
Die Ludgerikirche ist mit rund 80&nbsp;m Länge der größte Sakralbau in Ostfriesland und war mit Fertigstellung des Chores länger als die bis dato größte Kirche Ostfrieslands, die [[St.-Marien-Kirche (Marienhafe)|St.-Marien-Kirche]], welche bis zu ihrem Teilabbruch 1829 eine Länge von 75&nbsp;m besaß. Der in der Außenansicht stark zergliederte Baukörper der Ludgerikirche besteht aus drei Abschnitten, die auch in der Höhe variieren.

Das [[Romanik|romanische]] [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] wurde in den Jahren zwischen 1230 und 1250 erbaut. Zum Marktplatz schließt es mit einem später errichteten Wohnhaus ab. Im Westen und im Westteil der Nordwand sind die originalen romanischen Rundbogenfenster vorhanden. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der Westteil des Langschiffs abgetrennt und für eine Schule genutzt. Dadurch fehlte der Lichteinfall des großen Westfensters und der Kirchenraum wurde, vor allem unter den Emporen, zu dunkel, so dass 1840 die großen Spitzbogenfenster an der Nord- und der Südwand eingebrochen wurden. Zwischen ihnen sind noch die Rundbogennischen der romanischen Fenster zu sehen.<ref>Gottfried Kiesow: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 9783867950213, S. 265.</ref>

Das [[Gotik|gotische]] [[Querschiff]] wurde 1318 an das romanische Langhaus angefügt. Im Nördlichen Querhausportal wurde ein Türsturz mit giebelförmigen Abschluss eingelassen, der vermutlich von der abgegangen Andreaskirche stammt.<ref name="kiesow266">Gottfried Kiesow: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 9783867950213, S. 266.</ref>

Um 1445 wurde der [[Gotik|gotische]] [[Hochchor]] von einer umherwandernden [[Bauhütte]] errichtet, die zuvor den Chor der [[Martinikerk (Groningen)|Martinikerk in Groningen]] gebaut hatte. Mit einer Länge von 33&nbsp;m, einer breite von 26&nbsp;m und 21&nbsp;m Scheitelhöhe überragt er den restlichen Baukörper, der mit Abschluss der Bauarbeiten zur Kreuzkirche wurde, deutlich. Der Umgangschor ist der einzige dreischiffige Sakralbau in Ostfriesland in der Art gotischer Kathedralenarchitektur.<ref>Karl-Ernst Behre, Hajo van Lengen: ''Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft''. Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Aurich 1995, ISBN 3-925365-85-0. S. 272</ref>

Der Anbau größerer Chorbauten an ältere Kirchen entsprach zur Zeit der Errichtung dem Zeitgeist, der sich auch an den der [[St. Sebald (Nürnberg)|Kirche St. Sebald]] in Nürnberg, dem [[Aachener Dom]] und dem [[Freiburger Münster]] ausdrückt.<ref name="kiesow266" />

Zusammen mit dem durch eine Straße vom Hauptbau getrennten Glockenturm ist die Kirche das zentrale Bauwerk auf dem 6,678 Hektar großen Marktplatz der Stadt.

==== Kirchturm ====
Südlich neben dem romanischen Langschiff und von der Kirche heute durch eine Straße getrennt steht der Glockenturm aus Backstein. Er wurde zur selben Zeit wie das Langhaus gebaut (1230–50). Unterhalb der Schallarkaden und in den Giebeln ist er mit weiß gekalkten Blendbögen gegliedert. Im Untergeschoss wurde früher von der Stadtwaage genutzt. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte für die Gefallenen der Weltkriege. An der Ostseite des Turmes wurde eine aus Terrakottateilen geformte Gestalt eines deutschen Soldaten als Ehrenmahl für die Gefallenen des ersten Weltkrieges angebracht.<ref>Gottfried Kiesow: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3.</ref>

=== Innenausstattung ===
==== Innenraum des Langhauses ====
[[Datei:Ludgerikirche Schiff msu091.jpg|thumb|Das Langhaus.]]
Die Ludgerikirche war ursprünglich eine einfache Saalkirche mit abseits stehendem, etwas später erbautem Glockenturm. Dieser Bau wurde im Osten mit einer halbrunden Apsis abgeschlossen, die 1967 bei einer Grabung innerhalb der heutigen Vierung festgestellt werden konnte.
Die Dimensionen dieser Kirche finden sich im Langhaus des heutigen Kirchenbaues nach Abtrennung der Apsis und des Gebäudes für die Schule innen etwas verkürzt wieder.<ref>Monika van Lengen: [http://www.ostfriesischelandschaft.de/ol/templates/204.jsp?id=1269&ort_id=10082 ''Ev.-luth. Ludgerikirche Norden''], veröffentlicht in: ''Inseln der Ruhe. Kirchen in Ost-Friesland''. Norden 1996, hier zitiert aus ostfriesichelandschaft.de, eingesehen am 20. April 2010.</ref> Es wird oben von einem 1746 eingezogenen, relativ niedrigen Holz[[tonnengewölbe]] abgeschlossen.

An der Südwand hängen drei große Altargemälde, die 1785 von dem [[Groningen|Groninger]] [[Historienmalerei|Historienmaler]] Friedr. Corn. de Hosson für den Hochaltar geschaffen wurden. Sie wurden 1983 hier aufgehängt und zeigen das [[Abendmahl]], die [[Jesus von Nazaret#Kreuzigung|Kreuzigung Christi]] und die [[Kreuzabnahme]].

Der Kronleuchter am Westende des Langschiffs wurde 1927 anlässlich des 400jährigen Reformationsjubiläums in Norden von Mitgliedern der Kirchengemeinde gestiftet.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 9</ref>

===== Das Gestühl =====
Das Gestühl und die [[Empore]]n wurden erst nach der Reformation eingebaut. Die Türchen des ebenerdigen Kastengestühls sind noch heute mit [[Wappen]], [[Hausmarke]]n, [[Namenszeichen|Monogrammen]] und Jahreszahlen versehen, die vom einstigen Privatbesitz zeugen. Die geschlossene, schlichte und nur an den Rückenlehnen mit Reihen von gedrecselten Holzstäben verzierte Bauweise sorgte in früherenen Zeiten dafür, die von einfachen Fußwärmern, in denen ein Stück Torf vor sich hin glühte, zu halten. Die Emporen wurden um 1690 fertiggestellt.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 7</ref>

===== Die Kanzel =====
[[Datei:Ludgerikirchenordenkanzel msu.jpg|miniatur|hochkant|Die Kanzel.]]
Die [[Barock|barocke]] [[Kanzel]] wurde 1712 geschaffen. Sie ist ein Werk des aus Norden stammenden und damals in Hamburg, später in den Niederlanden wirkenden Orgelbauers [[Rudolf Garrels]], der ein Schüler [[Arp Schnitger]]s war. Die Kanzel ist in Holztönen gehalten. Die sie umgebenden Figuren stellen die Heilsgeschichte dar und wurden von dem Niederländer Jan de Rijk geschnitzt. Der Kanzelkorb wird von [[Mose]] mit den zwei Gesetzestafeln (die 10 Gebote enthaltend) gestützt. Zentrale Figur des Kanzelkorbs ist Jesus, der Retter der Welt (I[ESUS] S[ALVATOR] MUNDI). Ihm zur Seite stehen [[Johannes der Täufer]], die vier [[Evangelist (Neues Testament)|Evangelisten]] auf der einen und die [[Apostel]] nebst Martin Luther auf der anderen Seite am Treppenaufgang.

Der übergroße, turmartig aufragende Kanzeldeckel geht deutlich auf Niederländische Vorbilder zurück. Er ist mit Darstellungen von Figuren mit den Marterwerkzeugen geschmückt. Die Reliefs an der Laterne zeigen die [[Auferstehung Jesu Christi]], die Engel darüber sollen die [[Leben_nach_dem_Tod#Christentum|Ewigkeit darstellen]]. Der bekrönende Engel ganz oben bläst eine Trompete und hält in der anderen Hand ein Buch, das mit den Worten ''Das ewige Evangelium beschrieben ist''.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 5</ref> Wie mit der Kirchengemeinde festgelegt, wurde an der Unterseite des Schalldeckels nicht wie damals sonst üblich eine [[Friedenstaube]], sondern eine [[Lutherrose]] angebracht.

Der Türrahmen zur Kanzeltreppe ist mit einen in gebückter Haltung dargestellten Mose versehen, der nach seinen Schuhen greift und damit eine Biblische Aufforderung aufgreift, diese auszuziehen.

==== Das Querschiff ====

[[Datei:Ludgerikirche Norden msu 113.jpg|miniatur|''Herrenboden'' und Teil des Martin-Luther-Fensters]]
[[Datei:Ludgerikirche_Norden_msu112.jpg|miniatur|hochkant|''Kirchenvorstandsstuhl'']]
[[Datei:Ludgerikirche Norden msu125.jpg|miniatur|hochkant|links|Altar, ''Fürstenstuhl'', ''Süderboden'']]
Der an der Vierung aufgestellte Altar wurde 1985 geschaffen. Hier wird der lutherische Hauptgottesdienst mit Abendmahl abgehalten, während der Altar im Hochchor für Trauungen, Taufen und Andachten genutzt wird.

Die beiden großen Fenster an der Nord- und Südseite des Querschiffs zeigen die Reformatoren Martin Luther und [[Philipp Melanchthon]]. Das nördliche wurde 1889 zur Erinnerung an die Feierlichkeiten zum 400. Geburtstag des Reformators 1883 eingebaut. Das Fensterbildnis des Melanchthon wurde 1898 eingefügt.

Das zweitälteste original in der Ludgerikirche (nach den Grafenstühlen des Hochchores) verbaute Gestühl ist der 1587 errichtete ''Herrenboden'', auf dem einst die Mitglieder des Norder [[Magistrat]]s Platz nahmen. 1595 wurde er mit Bibelsprüchen in mittelniederdeutscher Sprache verziert. Unterhalb des ''Herrenbodens'' finden sich einige [[Prieche]]n, die teilweise reich mit Malereien verziert sind.

Die brückenartige Empore zwischen Querhaus und Chor, der so genannte ''Fürstenstuhl'', wird auf das Jahr 1596 datiert. Sie wurde als Ersatz für die alten gotischen, zum Hochaltar ausgerichteten Grafenstühle errichtet und bietet eine gute Sicht sowohl auf den Hochaltar als auch auf die Kanzel, deren Bedeutung im Zuge der Reformation stark angestiegen war. Im Jahre 1601 wurde der Fürstenstuhl mit einem Giebel verziert. In [[Hebräisches Alphabet|hebräischen Schriftzeichen]] prangt der Name Gottes inmitten einer goldenen Sonne, darunter die Jahreszahl 1601 und die [[Cirksena#Wappen|Wappen der Cirksena]] und des [[Wasa (Dynastie)|schwedischen Königshauses Wasa]], dem die damalige Gräfin Katharina entstammte, die nach dem Tod ihres Mannes, Graf [[Edzard II. (Ostfriesland)|Edzard II.]] († 1. März 1599) ihren Wohnsitz zunächst in Norden, später dann in [[Burg Berum|Berum]] hatte.

Unmittelbar an den ''Fürstenstuhl'' schließt direkt unter dem Pedalturm der Orgel die Empore des ''Süderboden'' an, der im vorderen Bereich mit Schiebefenstern verschlossen ist. Er wurde 1711 von einem Oberstleutnant von Moltke in Auftrag gegeben. DerSüderboden ist an der Brüstung mit den Wappen des Oberstleutnants sowie seiner Frau versehen. Bei der Restaurierung 1980–85 konnte die ursprüngliche marmorierte Farbgebung wiederhergestellt werden.

Am gegenüberliegenden Pfeiler befindet sich der so genannte ''Kirchenvorstandsstuhl'', der ursprünglich einer Familie Steinböhmer gehörte. 1890 wurde er vom Kirchenvorstand erworben, als geplant war, diese Empore im Rahmen eines geplanten umfassenden Kirchenumbaus abzureißen. Wie bei den anderen hölzernen Ausstattungsgegenständen der Kirche wurde auch hier die älteste Farbgebung wiederhergestellt.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 5f</ref>

===== Epitaph des Unico Manninga =====
[[Datei:Unico_Grabmal_msu.jpg|miniatur|hochkant|Epitaph des Unico Manninga.]]
An der Rückseite des Pfeilers, an dem der ''Kirchenvorstandsstuhl'' angebracht ist, befindet sich das Grabdenkmal des Häuptlings Unico Manninga († 1588). Er war [[Drost]] von [[Lütetsburg]], Erbauer der heute noch vorhandenen [[Vorburg]] des [[Schloss Lütetsburg|dortigen Schlosses]] sowie Ahnherr der Grafen und Fürsten [[Innhausen|zu Inn- und Knyphausen]]. Das von ihm herausgegebene ''Hausbuch'' gilt als ältestes wissenschaftliches Trachtenbuch in Deutschland.<ref>R. Walther: ''Das Hausbuch des ostfriesischen Häuptlings Unico Manninga (1529-1588). Ältestes wissenschaftliches Trachtenbuch in Deutschland'' in: Zentralstelle für Personen- und Familiengeschichte (Hrsg.): ''Genealogisches Jahrbuch''. Band 12. 1972.</ref>

Das Grabmal wurde 1678, genau 90 Jahre nach seinem Tod hier angebracht oder neu errichtet. So scheinen die lebensgroße Marmorfigur des Toten und der ebenfalls marmorne Christuskopf von einem bereits 1588 errichteten Grabmal übernommen und in den barocken Architekturrahmen eingefügt worden zu sein.<ref>Gottfried Kiesow: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010. ISBN 9783867950213. S. 271</ref>

Der Verstorbene wird anbetend liegend dargestellt. Über ihm befindet sich eine Szenerie aus der Auferstehungsgeschichte, die von Familienwappen umrahmt ist. Die Außenseiten sind von vier allegorischen weiblichen Figuren flankiert, welche die vier [[Kardinaltugend]]en (Gerechtigkeit, Tapferkeit, Besonnenheit, Klugheit) zeigen. Der Giebel wird von einem Christuskopf durchbrochen, um den sich drei weitere weibliche Figuren gesellen, welche die drei [[Christliche Tugend|Christlichen Tugenden]] (Glaube, Liebe, Hoffnung) darstellen.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 8f</ref>

===== Die Orgel =====
{{Hauptartikel|Orgel der Ludgerikirche (Norden)}}
[[Datei:2009 07 Norden Ludgerikirche Arp-Schnitger-Orgel.JPG|miniatur|links|Schnittger-Orgel]]
Eine erste größere Orgel wurde 1567 vom Meister [[Andreas de Mare]] schwalbennestartig hängend an die Südwand direkt hinter dem Südöstlichen Vierungspfeiler angebracht. Dieses Instrument wurde 1618 von Meister [[Edo Evers]] ersetzt, der dabei Pfeifen aus der alten Orgel übernahm. Durch ihre Platzierung an gleicher Stelle traten akkustische Probleme auf. So war die Orgel im Bereich der Kanzel nicht gut zu hören.

Dieses Problem wurde von [[Arp Schnitger]] beim Bau der heutigen Orgel (erbaut: 1686-1692, erweitert 1691/92) gelöst, indem er eine Orgelempore baute, auf der die neue Orgel bis ans Querschiff heranreicht und schräg in das Hauptschiff hinein ihren Klang entfalten kann Das Instrument verfügt über 46 [[Register (Orgel)|Register]], von denen 8 von den Vorgängerbauten übernommen wurden. Insgesamtkommen die 46 Register auf 3110 Pfeifen, die auf fünf verschiedene Werke verteilt sind. Sie werden von drei [[Klaviatur|Manualen]] und dem [[Pedal_(Orgel)|Pedal]] aus gespielt.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 9</ref>

Das Instrument ist Schnittgers zweitgrößtes erhaltenes Werk in Deutschland und die größte Orgel in [[Ostfriesland]]. Historisch und musikalisch stellt sie ein Kunstwerk von internationalem Rang dar.

==== Mittelalterliche Ausmahlung von Querschiff, Hochchor und Chorumgang ====
[[Datei:Ludgerikirche_Norden_msu123.jpg|miniatur|Fresko Christus als Weltenrichter]]
In der Vierung des Querschiffs befindet sich ein Fresko, das Christus als Weltenrichter dargestellt, ein für das späte [[Mittelalter]] typisches Motiv. Als Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen thront er auf einem Regenbogen. Dem damailigen Wissensstand entsprechen ruhen seine Füße auf einer als Scheibe dargestellten Erde. Schwert und Lilie gehen als Zeichen für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit von seinem Haupt aus. Rechts und links knien Maria und Johannes der Täufer als Fürbitter für die Menschen. Zu seinen Füßen beginnt die Auferstehung der Toten.

Die übrige, ebenfalls mittelalterliche Ausmalung des Querschiffs und des Chores ist rein ornamental gehalten und unterstreicht die architektonischen Formen der späten Gotik. Nach der Reformation waren die Malereien Jahrhundertelang weiß übertüncht. Bei der letzten großen Kirchenrenovierung (1980–85) wurden sie wieder freigelegt.

Die hölzernen, mit Sternen bemalten Scheiben in den Gewölben folgen dem himmelstrebenden Ideal der Gotik. Daneben hatten sie eine praktische Bedeutung, verdecken sie doch die Löcher im Gewölbe, aus denen früher die Seile herabgelassen wurden, an denen ein [[Bootsmannstuhl]] hing. Mit diesem konnte der Maler seinen Arbeitsplatz an der Decke erreichen.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden'', Norden 2000, S. 13</ref>

==== Hochchor und Taufstein ====
[[Datei:Ludgerikirche Chor und Altarmsu94.jpg|miniatur|hochkant|links|Der Hochchor.]]
[[Datei:Ludgerikirche_Taufbeckenmsu.jpg|miniatur|hochkant|Das Taufbecken.]]
Die Ausstattung von Hochchor stammt im Gegensatz zu Langhaus und Querhaus überwiegend aus vorreformatorischen Zeiten und ist deutlich der Gotik zuzuordnen. Dem folgend ist dieser Gebäudeteil polygonal (vieleckig) abgeschlossen. Die Vielzahl großflächiger Fenster lassen diesen Gebäudeteil leicht und lichtdurchflutet erscheinen. Mit einer Scheitelhöhe von 21&nbsp;m hebt er sich deutlich von Querschiff und Langhaus ab.

Die Wände des [[Obergaden]]s werden durch Rundpfeiler gestützt und sind durch [[Spitzbogen]][[Arkade|arkaden]] verbunden. Sowohl in Querschiff als auch im Chor finden sich durchweg nur [[Gewölbe#Kreuzgew.C3.B6lbe|Kreuzgewölbe]]. Dies ist ungewöhnlich, da zu ihren Bauzeiten andernorts häufiger die reicheren Netz- und [[Gewölbe#Sterngew.C3.B6lbe|Sterngewölbe]] verwendet wurden.<ref>Gottfried Kiesow: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3. S. 271.</ref>

Dieser Teil der Kirche wird heute vorwiegend für kleinere Gottesdienstliche Feiern wie Taufen, Trauungen und Wochenschlussandachten, aber auch für Konzerte genutzt.

Der vermutlich aus dem frühen 14. Jahrhundert stammende Taufstein ist das älteste Ausstattungsstück der Ludgerikirche. Er wurde aus [[Bentheimer Sandstein]] geschaffen. Das runde Taufbecken ruht auf einem sechseckigen Schaft. Beide Teile sind mit [[Vierpass|Dreipassbögen]] verziert. Im Jahre 1957 erhielt das Taufbecken seinen heutigen Messingeinsatz. Seither hat er auch seinen heutigen Standort neben dem Hochaltar, nachdem er zuvor im Laufe der Jahrhunderte mehrfach seinen Standort wechselte.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 14.</ref>

===== Die Bestuhlung =====
[[Datei:Chorgestuehl_ludgeri_msu.jpg|miniatur|''Grafenstühle'' (hinten rechts) und Chorgestühl (rechts)]]
Zur gotischen Erstausstattung des Hochchors gehören die zweisitzigen ''Grafenstühle''. Es wird vermutet, dass sie gleich nach Fertigstellung des Chors von Graf Ulrich I. in Auftrag gegeben wurden. An den Seitenwänden der Pulte sind sie mit geschnitzten Wappen verziert. Das nördliche trägt den Jungfrauenadler der Cirksena, das südliche ein Wappen mit einem [[Einhorn]] im [[Wappenschild]], dem Symbol der Jungfräuligkeit. Auf der zu dem in der Mitte des Chores stehenden Dreisitz zugewandten Seite ist das Pult mit zwei biblischen Darstellungen versehen: einem Pelikan, der für die [[Pelikane#Mythologie_und_Volksglauben|sich aufopfernde Liebe und für Jesus Christus steht]] und [[Buch Jona|Jona im Maul eines Fisches]], dessen Geschichte im Christentum als Symbol für den Tod und die Auferstehung Jesu gilt.

Das Chorgestühl an den beiden Seiten des Hochchores entstand 1481 vermutlich für das [[Kloster Marienthal (Norden)|Benediktinerkloster Marienthal]], das 1531 von Balthasar von Esens zerstört wurde. Anschließend wurde es wohl in die Ludgerikirche verbracht, musste aber vor dem Einbau verkürzt werden. Die dabei übrig gebliebenen Sitze finden sich im Chorumgang. Die östlichen Seitenwangen sind an der nördlichen Stuhlreihe mit der Kreuzigung Jesu verziert; an der südlichen Stuhlreihe ist die [[Verkündigung des Herrn|Verkündigung des Engels Gabriel an Maria]] zu sehen. Die Handknäufe zwischen den Stuhlreihen zeigen Darstellungen pflanzlicher Motive sowie einen Menschenkopf.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 15f.</ref>

===== Der Hochaltar =====
[[Datei:Ludgerikirche_Altar_msu95.jpg|miniatur|hochkant|Der Hochaltar.]]
Von den fünf Altären, die vor der Reformation in der Ludgerikirche standen ist der Hochaltar (entstanden vor 1481) der einzige, der in Teilen erhalten blieb. Der spätgotische Schnitzaltar war wahrscheinlich ein [[Marienaltar]].

Von diesem stammt der spätgotische [[Baldachin]], der am Rand mit [[Kielbogen|Kielbögen]], [[Fiale]]n, [[Kreuzblume]]n und [[Krabbe (Kunstgeschichte)|gotischen Krabben]] verziert ist. Reste des ehemaligen [[Altarretabel|Retabel]] befinden sich hinter dem protestantischen Flügelaltar. Er wurde 1582 hier aufgestellt und ist vom [[Reformatorischer Bildersturm]] geprägt.<ref>Gottfried Kiesow: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3. S. 271</ref> In Norddeutschland treten daran anschließend im 16.und 17. Jahrhundert in den reformierten aber auch lutherischen Kirchen Schriftaltäre an die Stelle der mittelalterlichen Bildwerke. Der Norder Altar führt in [[Mittelniederdeutsche Sprache|Mittelniederdeutscher Sprache]] in Goldbuchstaben auf [[Azurblau|azurblauem]] Hintergrund den Einsetzungstext zum Abendmahl auf. Auf den beiden Flügeln finden sich weitere Abendmahlstexte. Die Rückseite der Flügel sind die zehn Gebote aufgeführt.

Der durch [[Ionische_Ordnung#S.C3.A4ule|Ionische Säulen]] in drei Felder gegliederte [[Abendmahlstisch]] ersetzte 1577 die ursprüngliche, steinerne [[Mensa (Altar)|Mensa]].

Die beiden Kniebänke rechts und links des Altars stammen wahrscheinlich aus dem Jahre 1785. In diesem Jahr wurden die inneren Schrifttafeln durch spätbarocke Gemälde des Groninger Historienmalers Friedr. Corn. de Hosson verdeckt und die Zehn Gebote auf der Rückseite einfarbig übermalt. 1983 wurden die Gemälde zur Restaurierung abgenommen und die Farbe auf der Rückseite wieder entfernt, so dass der Schriftaltar heute wieder in seiner ursprünglichen Form zu sehen ist. Die abgenommenen Gemälde hängen seither im Langhaus.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden''. Norden 2000. S. 17f.</ref>

===== Das Sakramentshaus =====
[[Datei:Ludgerikirche Schrein msu.jpg|miniatur|hochkant|links|Das Sakramentshaus.]]
Zwischen zwei der nördlichen Polygonpfeiler des Chores befindet sich links neben dem Altar das vor 1481 aus [[Baumberger Kalksandstein]] gearbeitete [[Sakramentshaus]]. Es stellt in verkleinerter Form die Vorstellung der idealen Architektur eines Turms der Gotik dar, wie sie in Wirklichkeit nicht zu realisieren war, da die zierlichen Formen aus dem weichen Stein im Außenbereich den klimatischen Bedingungen nicht standhalten können.<ref>Gottfried Kiesow: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3. S. 272</ref>

Die mehrstöckige Bekrönung wirkt wie ein spätgotischer Kirchturmhelm. An dessen Spitze fand ursprünglich ursprünglich wohl ein Pelikan Platz. 1886 wurde sie dann zur heutigen Form vereinfacht.

Der figürliche Schmuck ist jüngeren Datums. Vermutet wird, dass auch ursprünglich ein reichhaltiger Figurenschmuck vorhanden war. Das Sakramentshaus bildet mit dem anschließenden Türsturz, der die gleichen spätgotischen Zierelemente trägt, eine Einheit.

Im Inneren des Sakramentshauses sind vier Fresken erhalten, die aus der Zeit um 1500 stammen. Sie zeigen vier Engel, die in der einen Hand eine brennende Kerze halten und mit der anderen Hand ein [[Weihrauchfass]] schwingen und so die hier früher aufbewahrten [[Hostie]]n.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden''. Norden 2000. S. 15f.</ref>

==== Chorumgang ====
[[Datei:Sandsteinstauteun ludgeri msu.jpg|miniatur|Sandsteinstatuen im Chorumgang]]
Wie beim Hochchor stammt auch die Ausstattung des Chorumgangs überwiegend aus vorreformatorischen Zeiten. An den Pfeilern sind hier viele Epitaphe, meist als hölzerne Erinnerungstafeln zu sehen. Auf dem Boden befinden sich mehrere steinerne Grabplatten, die davon zeugen, dass der Raum unter dem Kirchenfußboden bis 1803 als Begräbnissstätte genutzt wurde.

Im Chorumgang wurden zum Schutz vor weiterer Verwitterung die Reste jener Skulpturen aus Baumberger Sandstein aufgestellt, die bis 1957 in den Fensterblenden der Querschiffgiebel ihren Platz hatten. Sie werden auf das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts datiert und lassen den Einfluss der französischen Kathedralplastik erkennen. Ursprünglich stammen sie wahrscheinlich von der abgegangenen Andreaskirche. Von größerere künstlerischer Bedeutung ist die Gruppe der Verkündigung. Die sehr gut erhaltene Statue der Maria steht hier einem Engel (heute ohne Kopf) gegenüber, der auf sie zuzugehen scheint, um ihr die Geburt Jesu anzukündigen. Links neben dieser Gruppe steht ein Engel mit einem Gewand oder einem Trockentuch der Taufe Jesu beiwohnt.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden''. Norden 2000. S. 18f.</ref> Zu den weiteren im Chorumgang ausgestellten Dingen zählen eine Sandsteinerne Schrift, die ursprünglich über dem Südportal angebracht war. Sie gilt als erstes eindeutiges schriftliches Zeugnis aus der Baugeschichte der Ludgerikirche. Sie wurde wohl in Gedenken an den Wiederaufbau des Querschiffs im Jahre 1445 angebracht. Durch ihre starke Verwitterung war eine Entzifferung schwierig. Im weiteren Verlauf des Chorumgangs findet sich noch die Figur eines bärtigen Heiligen Sie war früher über dem Südportal angebracht und wurde lange Zeit fälschlicherweise als Luidger anngesehen.

==== Glocken ====
Das Geläut der Kirche besteht aus drei Bronzeglocken. Sie hingen bis 1971 deutlich sichtbar in den großen Schallöffnungen des Turmes. Seither haben sie einen Glockenstuhl im Inneren des Gebäudes. Die große Glocke (d) und die kleine Glocke (f) wurden 1971 gegossen. Die mittlere (e), so genannte Lutherglocke, wurde 1911 gegossen. Dabei wurde Material einer Glocke aus dem Jahre 1489 (''Annenglocke'') wiederverwendet.

In der östlichen großen Schallöffnung des Turms wurde 1992 ein Glockenspiel. Viermal am Tag (jeweils um zwei Minuten vor 9, 12, 15 und 18 Uhr) ist hier Liedgut aus den jeweiligen Kirchenjahreszeiten zu hören.<ref>Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden''. Norden 2000. S. 21f.</ref>

== Siehe auch ==
* [[Liste der historischen Kirchen in Ostfriesland]]
* [[Liste der historischen Kirchen in Ostfriesland]]
* [[Liste der historischen Orgeln in Ostfriesland]]

== Literatur ==
* G. André: ''Die frühgotischen Skulpturen in Norden/Ostfriesland''. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte Band VII''. München, Berlin 1968.
* ''Festschrift zur Wiedereinweihung der restaurierten Ludgerikirche mit Arp-Schnitger-Orgel''. Norden 1985.
* Ufke Cremer: ''Aus der Geschichte der Ludgerikirche''. In: ''Festschrift anlässlich des 400jährigen Reformationsjubiliäums in Norden''. Norden 1926.
* Ufke Cremer: ''1445 - 1945. Fünfhundert Jahre aus der Geschichte der Ludgerikirche''. In: ''Erinnerungsblätter an die 500-Jahr-Feier der Ludgerikirche Norden''. Norden 1946.
* K. Lange: ''Die Ludgerikirche in Norden''. In: ''Große Baudenkmäler''. Heft 219. München, Berlin 1977.
* Gottfried Kiesow: ''Architekturführer Ostfriesland''. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3.
* Gottfried Kiesow: ''Ostfriesische Kunst. Ostfriesland im Schutze des Deiches Band IV''. Pewsum 1969.
* Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): ''Die Ludgerikirche zu Norden''. Norden 2000.
* Menno Smid: ''Ostfriesische Kirchengeschichte. Ostfriesland im Schutze des Deiches Band VI''. Pewsum 1974.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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* [http://norden-ludgeri.de Ludgeri-Kirchengemeinde]
* [http://norden-ludgeri.de Ludgeri-Kirchengemeinde]

== Einzelnachweise ==
<references />


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Version vom 21. April 2010, 16:08 Uhr

Die Ludgeri-Kirche Norden

Die Evangelisch-Lutherische Ludgeri-Kirche steht im Zentrum des 6,678 ha großen Marktplatzes der Stadt Norden. Das romanisch-gotische Bauwerk wurde in mehreren Bauabschnitten vom 13. Jahrhundert bis 1455 errichtet.

Die Ludgerikirche ist mit rund 80 m Länge der größte größte erhaltene mittelalterliche Sakralbau in Ostfrieslands. Der in der Außenansicht stark zergliederte Baukörper besteht aus drei Abschnitten, die auch in der Höhe variieren und ist vor allem durch den 1455 fertiggestellten gotischen Hochchor geprägt, der das ebenfalls gotische Querhaus sowie das romanische Langhaus deutlich überragt. Zudem ist der Umgangschor der einzige dreischiffige Sakralbau in Ostfriesland in der Art gotischer Kathedralenarchitektur. Der südlich neben der Kirche freistehende romanische Kirchturm ist heute durch eine Straße von der Kirche getrennt.

Die Ludgerikirche weist eine besonders reiche Ausstattung auf. Bedeutend sind vor allem der Schriftaltar, die barocke Kanzel, das Gestühl aus mehreren Jahrhunderten, das Taufbecken und das Epitaph des Unico Manninga. Historisch und musikalisch stellt vor allem die Orgel von Arp Schnitger ein Kunstwerk von internationalem Rang dar. Vorreformatorische Kunst des Mittelalters ist wegen des Bildersturms zur Zeit der Reformation nur in geringen Resten überliefert, die vor allem im Querhaus und im Hochchor zu sehen sind.

Geschichte

Bau von zwei Kirchen im historischen Norder Stadtgebiet

Norden um 1590. In der Mitte die Türme der Andreaskirche sowie der Hochchor der Ludgerikirche

Fast zeitgleich wurden in Norden zwei Kirchen errichtet, deren Geschichte untrennbar miteinander verbunden ist. Dies ist vermutlich der ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte des Ortes geschuldet. Er wurde nicht zentral gegründet, sondern entstand als gemeinsames Zentrum der umliegenden Bauerschaften Ekel, Lintel und Westgaste, die in der Folgezeit immer stärker miteinander verwuchsen und so den Kern der Stadt bildeten. Für das sich entwickelnde städtische Anwesen diente vermutlich die Andreaskirche als Gotteshaus, während die Ludgerikirche zunächst für das Umland zuständig war. Dies wird damit erklärt, dass die Andreaskirche dem heiligen Andreas geweiht war. Er war der Schutzpatrons der Stadt und findet sich noch heute als Schildhalter des Norder Stadtwappens. Die Ludgerikirche wurde Liudger, dem Apostel der Friesen und Schutzheiligen des umliegenden Norderlandes geweiht.

Das Areal, auf dem beide Gotteshäuser errichtet wurden, liegt auf einer Sandinsel in der Marsch, die dem nordwestlichsten Ausläufer des ostfriesischen Geestrückens vorgelagert ist.[1]

Die Andreaskirche

Die erste Stadtkirche war die Andreaskirche. Sie wurde im 13. Jahrhundert nördlich der heutigen Ludgerikirche als erster steinerner Kirchenbau des Ortes errichtet und hatte vermutlich einen Vorgängerbau aus Holz.[2]

Die Andreaskirche war eine 65 m lange dreischiffige Basilika aus Tuffstein mit Querschiff, Chor und drei Türmen. Ihr Westturm diente Seefahrern über mehrere Jahrhunderte als Seezeichen.[3] Die beiden Osttürme wurden von zwei Schwestern aus dem Norder Häuptlingsgeschlecht Idzinga gestiftet.

Im Jahr 1531 verwüstete ein Heerhaufen des Häuptlings Balthasar von Esens die unbefestigte Stadt. Dabei wurden unter anderem der Vorgängerbau des heutigen Alten Rathauses und mehrere Klöster zerstört, die Andreaskirche stark beschädigt. Versuche, die Andreaskirche wieder aufzubauen, schlugen fehl. Das Gebäude blieb eine Ruine. Im 17. und 18. Jahrhundert stürzte es allmählich ein und diente Norder Bürgern als Steinbruch. Die letzten Reste der Andreaskirche wurden 1756 abgetragen. Besonders wertvolle Bildwerke scheinen in die Ludgerikirche verbracht worden zu sein, die in der Folgezeit die Funktion als Hauptkirche des Ortes übernahm. Heute finden sich von der Andreaskirche keine aufgehenden Gebäudeteile mehr. Das Areal, auf dem sie einst stand, wird heute vom alten Friedhof der Stadt eingenommen. 1996 wurde der Standort der Andreaskirche durch Bohruntersuchungen wiederentdeckt.[2]

Die Ludgerikirche

Cirksena-Wappen im Schlussstein des östlichsten Hochchorgewölbe

Der älteste Teil der Ludgerikirche ist das Langhaus. Es wurde zwischen 1233 und 1250 als romanische Einraumkirche errichtet[4]. Im Osten war dieser Bau mit einer halbrunden Apsis abgeschlossen. Er hatte je zwei Eingänge an der Nord- und Südseite, kleine Rundbogenfenster und eine flache Holzbalkendecke.[5] Die Kirche wurde Liudger, dem Apostel der Friesen und Schutzheiligen des Norderlandes geweiht. Das Gotteshaus war die Sendkirche des Norderlandes. In ihr wurde in kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten Recht gesprochen.[5]

Im frühen 14. Jahrhundert wurde der, heute durch eine Straße vom Kirchengebäude getrennte, Glockenturm errichtet. Aufgrund des unsicheren Baugrundes ist er, wie bei den meisten mittelalterlichen Kirchen Ostfrieslands freistehend. Heute ist er durch eine Straße vom Hauptbaukörper getrennt. Etwa um die gleiche Zeit wurde die vorgebaute Westfassade errichtet mit einer für die Frühgotik charakteristischen Gestaltung des Giebeldreiecks errichtet.

Vermutlich um 1318 begann der Bau des Querschiffs mit drei quadratischen Kreuzgewölben.[5] Diese verfielen bis ins 15. Jahrhundert und stürzten schließlich ein. Das Querhaus wurde 1445 mit verstärkten Mauern und Pfeilern in seiner heutigen, höheren Gestalt wieder errichtet.[5]

Der das heutige Gebäude dominierende dreischiffige Hochchor wurde 1455 fertiggestellt. Am Wiederaufbau des Querschiffs und an der Errichtung des Hochchors war der Norder Häuptling und spätere erste Reichsgraf Ostfrieslands, Ulrich Cirksena maßgeblich beteiligt, dessen Familienwappen sich in den Schlussteinen des Vierungsgewölbes und des östlichen Hochchorgewölbes befindet.[6]

Im Jahre 1527 hielt die Reformation Einzug in Norden. Nach der Zerstörung der Andreaskirche übernahm die Ludgerikirche von dieser die Funktion als Stadtkirche. Zudem wurden vermutlich einige Teile des figürlichen Schmucks von der Ruine an die Fassaden der Ludgerikirche verbracht. Der Großteil davon ist heute im Chorumgang ausgestellt. Über dem Nordportal des Querhauses findet sich noch ein Relief, dass aus der Zeit um 1240 erhalten blieb. Es stellt die Anbetung der Könige dar, die auf der linken Seite zu sehen sind. Zentrales Element ist Maria mit dem Kind. Rechts neben ihr steht Josef und ganz rechts ein heiliger, der vermutlich der Apostel Andreas ist.[7]

Nach mehrfachen Wechseln zwischen reformierten lutherischen und reformierten Pastoren wurde die Ludgerikirche 1579 endgültig lutherisch. Drei Jahre später wurde der Schriftaltar in der Kirche aufgestellt.

1746 erhielt Langschiff das Holztonnengewölbe. Im Jahre 1826 wurde der Westteil des Langschiffs für die Deutsche Schule abgetrennt. Daran Anschließend wurden die Fenster vergrößert.

Von 1956–68 fanden umfassende Sanierungsarbeiten in sieben Bauabschnitten statt. In den Jahren 1980–85 folgte eine umfassende Kirchenrenovierung, bei der Dächer und Außenmauerwerk ausgebessert und gesichert wurden. Im Zuge der Arbeiten wurden auch die Innenfarben in ihrer ursprünglichen Form freigelegt und der Altarbereich in der Vierung neu gestaltet. Parallel dazu ist in den Jahren 1981−85 die Orgel saniert worden.

Beschreibung

Das Äußere

Kirchenschiff

Grundriss der Ludgerikirche.

Die Ludgerikirche ist mit rund 80 m Länge der größte Sakralbau in Ostfriesland und war mit Fertigstellung des Chores länger als die bis dato größte Kirche Ostfrieslands, die St.-Marien-Kirche, welche bis zu ihrem Teilabbruch 1829 eine Länge von 75 m besaß. Der in der Außenansicht stark zergliederte Baukörper der Ludgerikirche besteht aus drei Abschnitten, die auch in der Höhe variieren.

Das romanische Langhaus wurde in den Jahren zwischen 1230 und 1250 erbaut. Zum Marktplatz schließt es mit einem später errichteten Wohnhaus ab. Im Westen und im Westteil der Nordwand sind die originalen romanischen Rundbogenfenster vorhanden. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der Westteil des Langschiffs abgetrennt und für eine Schule genutzt. Dadurch fehlte der Lichteinfall des großen Westfensters und der Kirchenraum wurde, vor allem unter den Emporen, zu dunkel, so dass 1840 die großen Spitzbogenfenster an der Nord- und der Südwand eingebrochen wurden. Zwischen ihnen sind noch die Rundbogennischen der romanischen Fenster zu sehen.[8]

Das gotische Querschiff wurde 1318 an das romanische Langhaus angefügt. Im Nördlichen Querhausportal wurde ein Türsturz mit giebelförmigen Abschluss eingelassen, der vermutlich von der abgegangen Andreaskirche stammt.[9]

Um 1445 wurde der gotische Hochchor von einer umherwandernden Bauhütte errichtet, die zuvor den Chor der Martinikerk in Groningen gebaut hatte. Mit einer Länge von 33 m, einer breite von 26 m und 21 m Scheitelhöhe überragt er den restlichen Baukörper, der mit Abschluss der Bauarbeiten zur Kreuzkirche wurde, deutlich. Der Umgangschor ist der einzige dreischiffige Sakralbau in Ostfriesland in der Art gotischer Kathedralenarchitektur.[10]

Der Anbau größerer Chorbauten an ältere Kirchen entsprach zur Zeit der Errichtung dem Zeitgeist, der sich auch an den der Kirche St. Sebald in Nürnberg, dem Aachener Dom und dem Freiburger Münster ausdrückt.[9]

Zusammen mit dem durch eine Straße vom Hauptbau getrennten Glockenturm ist die Kirche das zentrale Bauwerk auf dem 6,678 Hektar großen Marktplatz der Stadt.

Kirchturm

Südlich neben dem romanischen Langschiff und von der Kirche heute durch eine Straße getrennt steht der Glockenturm aus Backstein. Er wurde zur selben Zeit wie das Langhaus gebaut (1230–50). Unterhalb der Schallarkaden und in den Giebeln ist er mit weiß gekalkten Blendbögen gegliedert. Im Untergeschoss wurde früher von der Stadtwaage genutzt. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte für die Gefallenen der Weltkriege. An der Ostseite des Turmes wurde eine aus Terrakottateilen geformte Gestalt eines deutschen Soldaten als Ehrenmahl für die Gefallenen des ersten Weltkrieges angebracht.[11]

Innenausstattung

Innenraum des Langhauses

Das Langhaus.

Die Ludgerikirche war ursprünglich eine einfache Saalkirche mit abseits stehendem, etwas später erbautem Glockenturm. Dieser Bau wurde im Osten mit einer halbrunden Apsis abgeschlossen, die 1967 bei einer Grabung innerhalb der heutigen Vierung festgestellt werden konnte. Die Dimensionen dieser Kirche finden sich im Langhaus des heutigen Kirchenbaues nach Abtrennung der Apsis und des Gebäudes für die Schule innen etwas verkürzt wieder.[12] Es wird oben von einem 1746 eingezogenen, relativ niedrigen Holztonnengewölbe abgeschlossen.

An der Südwand hängen drei große Altargemälde, die 1785 von dem Groninger Historienmaler Friedr. Corn. de Hosson für den Hochaltar geschaffen wurden. Sie wurden 1983 hier aufgehängt und zeigen das Abendmahl, die Kreuzigung Christi und die Kreuzabnahme.

Der Kronleuchter am Westende des Langschiffs wurde 1927 anlässlich des 400jährigen Reformationsjubiläums in Norden von Mitgliedern der Kirchengemeinde gestiftet.[13]

Das Gestühl

Das Gestühl und die Emporen wurden erst nach der Reformation eingebaut. Die Türchen des ebenerdigen Kastengestühls sind noch heute mit Wappen, Hausmarken, Monogrammen und Jahreszahlen versehen, die vom einstigen Privatbesitz zeugen. Die geschlossene, schlichte und nur an den Rückenlehnen mit Reihen von gedrecselten Holzstäben verzierte Bauweise sorgte in früherenen Zeiten dafür, die von einfachen Fußwärmern, in denen ein Stück Torf vor sich hin glühte, zu halten. Die Emporen wurden um 1690 fertiggestellt.[14]

Die Kanzel
Die Kanzel.

Die barocke Kanzel wurde 1712 geschaffen. Sie ist ein Werk des aus Norden stammenden und damals in Hamburg, später in den Niederlanden wirkenden Orgelbauers Rudolf Garrels, der ein Schüler Arp Schnitgers war. Die Kanzel ist in Holztönen gehalten. Die sie umgebenden Figuren stellen die Heilsgeschichte dar und wurden von dem Niederländer Jan de Rijk geschnitzt. Der Kanzelkorb wird von Mose mit den zwei Gesetzestafeln (die 10 Gebote enthaltend) gestützt. Zentrale Figur des Kanzelkorbs ist Jesus, der Retter der Welt (I[ESUS] S[ALVATOR] MUNDI). Ihm zur Seite stehen Johannes der Täufer, die vier Evangelisten auf der einen und die Apostel nebst Martin Luther auf der anderen Seite am Treppenaufgang.

Der übergroße, turmartig aufragende Kanzeldeckel geht deutlich auf Niederländische Vorbilder zurück. Er ist mit Darstellungen von Figuren mit den Marterwerkzeugen geschmückt. Die Reliefs an der Laterne zeigen die Auferstehung Jesu Christi, die Engel darüber sollen die Ewigkeit darstellen. Der bekrönende Engel ganz oben bläst eine Trompete und hält in der anderen Hand ein Buch, das mit den Worten Das ewige Evangelium beschrieben ist.[15] Wie mit der Kirchengemeinde festgelegt, wurde an der Unterseite des Schalldeckels nicht wie damals sonst üblich eine Friedenstaube, sondern eine Lutherrose angebracht.

Der Türrahmen zur Kanzeltreppe ist mit einen in gebückter Haltung dargestellten Mose versehen, der nach seinen Schuhen greift und damit eine Biblische Aufforderung aufgreift, diese auszuziehen.

Das Querschiff

Herrenboden und Teil des Martin-Luther-Fensters
Kirchenvorstandsstuhl
Altar, Fürstenstuhl, Süderboden

Der an der Vierung aufgestellte Altar wurde 1985 geschaffen. Hier wird der lutherische Hauptgottesdienst mit Abendmahl abgehalten, während der Altar im Hochchor für Trauungen, Taufen und Andachten genutzt wird.

Die beiden großen Fenster an der Nord- und Südseite des Querschiffs zeigen die Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon. Das nördliche wurde 1889 zur Erinnerung an die Feierlichkeiten zum 400. Geburtstag des Reformators 1883 eingebaut. Das Fensterbildnis des Melanchthon wurde 1898 eingefügt.

Das zweitälteste original in der Ludgerikirche (nach den Grafenstühlen des Hochchores) verbaute Gestühl ist der 1587 errichtete Herrenboden, auf dem einst die Mitglieder des Norder Magistrats Platz nahmen. 1595 wurde er mit Bibelsprüchen in mittelniederdeutscher Sprache verziert. Unterhalb des Herrenbodens finden sich einige Priechen, die teilweise reich mit Malereien verziert sind.

Die brückenartige Empore zwischen Querhaus und Chor, der so genannte Fürstenstuhl, wird auf das Jahr 1596 datiert. Sie wurde als Ersatz für die alten gotischen, zum Hochaltar ausgerichteten Grafenstühle errichtet und bietet eine gute Sicht sowohl auf den Hochaltar als auch auf die Kanzel, deren Bedeutung im Zuge der Reformation stark angestiegen war. Im Jahre 1601 wurde der Fürstenstuhl mit einem Giebel verziert. In hebräischen Schriftzeichen prangt der Name Gottes inmitten einer goldenen Sonne, darunter die Jahreszahl 1601 und die Wappen der Cirksena und des schwedischen Königshauses Wasa, dem die damalige Gräfin Katharina entstammte, die nach dem Tod ihres Mannes, Graf Edzard II. († 1. März 1599) ihren Wohnsitz zunächst in Norden, später dann in Berum hatte.

Unmittelbar an den Fürstenstuhl schließt direkt unter dem Pedalturm der Orgel die Empore des Süderboden an, der im vorderen Bereich mit Schiebefenstern verschlossen ist. Er wurde 1711 von einem Oberstleutnant von Moltke in Auftrag gegeben. DerSüderboden ist an der Brüstung mit den Wappen des Oberstleutnants sowie seiner Frau versehen. Bei der Restaurierung 1980–85 konnte die ursprüngliche marmorierte Farbgebung wiederhergestellt werden.

Am gegenüberliegenden Pfeiler befindet sich der so genannte Kirchenvorstandsstuhl, der ursprünglich einer Familie Steinböhmer gehörte. 1890 wurde er vom Kirchenvorstand erworben, als geplant war, diese Empore im Rahmen eines geplanten umfassenden Kirchenumbaus abzureißen. Wie bei den anderen hölzernen Ausstattungsgegenständen der Kirche wurde auch hier die älteste Farbgebung wiederhergestellt.[16]

Epitaph des Unico Manninga
Epitaph des Unico Manninga.

An der Rückseite des Pfeilers, an dem der Kirchenvorstandsstuhl angebracht ist, befindet sich das Grabdenkmal des Häuptlings Unico Manninga († 1588). Er war Drost von Lütetsburg, Erbauer der heute noch vorhandenen Vorburg des dortigen Schlosses sowie Ahnherr der Grafen und Fürsten zu Inn- und Knyphausen. Das von ihm herausgegebene Hausbuch gilt als ältestes wissenschaftliches Trachtenbuch in Deutschland.[17]

Das Grabmal wurde 1678, genau 90 Jahre nach seinem Tod hier angebracht oder neu errichtet. So scheinen die lebensgroße Marmorfigur des Toten und der ebenfalls marmorne Christuskopf von einem bereits 1588 errichteten Grabmal übernommen und in den barocken Architekturrahmen eingefügt worden zu sein.[18]

Der Verstorbene wird anbetend liegend dargestellt. Über ihm befindet sich eine Szenerie aus der Auferstehungsgeschichte, die von Familienwappen umrahmt ist. Die Außenseiten sind von vier allegorischen weiblichen Figuren flankiert, welche die vier Kardinaltugenden (Gerechtigkeit, Tapferkeit, Besonnenheit, Klugheit) zeigen. Der Giebel wird von einem Christuskopf durchbrochen, um den sich drei weitere weibliche Figuren gesellen, welche die drei Christlichen Tugenden (Glaube, Liebe, Hoffnung) darstellen.[19]

Die Orgel
Schnittger-Orgel

Eine erste größere Orgel wurde 1567 vom Meister Andreas de Mare schwalbennestartig hängend an die Südwand direkt hinter dem Südöstlichen Vierungspfeiler angebracht. Dieses Instrument wurde 1618 von Meister Edo Evers ersetzt, der dabei Pfeifen aus der alten Orgel übernahm. Durch ihre Platzierung an gleicher Stelle traten akkustische Probleme auf. So war die Orgel im Bereich der Kanzel nicht gut zu hören.

Dieses Problem wurde von Arp Schnitger beim Bau der heutigen Orgel (erbaut: 1686-1692, erweitert 1691/92) gelöst, indem er eine Orgelempore baute, auf der die neue Orgel bis ans Querschiff heranreicht und schräg in das Hauptschiff hinein ihren Klang entfalten kann Das Instrument verfügt über 46 Register, von denen 8 von den Vorgängerbauten übernommen wurden. Insgesamtkommen die 46 Register auf 3110 Pfeifen, die auf fünf verschiedene Werke verteilt sind. Sie werden von drei Manualen und dem Pedal aus gespielt.[20]

Das Instrument ist Schnittgers zweitgrößtes erhaltenes Werk in Deutschland und die größte Orgel in Ostfriesland. Historisch und musikalisch stellt sie ein Kunstwerk von internationalem Rang dar.

Mittelalterliche Ausmahlung von Querschiff, Hochchor und Chorumgang

Fresko Christus als Weltenrichter

In der Vierung des Querschiffs befindet sich ein Fresko, das Christus als Weltenrichter dargestellt, ein für das späte Mittelalter typisches Motiv. Als Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen thront er auf einem Regenbogen. Dem damailigen Wissensstand entsprechen ruhen seine Füße auf einer als Scheibe dargestellten Erde. Schwert und Lilie gehen als Zeichen für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit von seinem Haupt aus. Rechts und links knien Maria und Johannes der Täufer als Fürbitter für die Menschen. Zu seinen Füßen beginnt die Auferstehung der Toten.

Die übrige, ebenfalls mittelalterliche Ausmalung des Querschiffs und des Chores ist rein ornamental gehalten und unterstreicht die architektonischen Formen der späten Gotik. Nach der Reformation waren die Malereien Jahrhundertelang weiß übertüncht. Bei der letzten großen Kirchenrenovierung (1980–85) wurden sie wieder freigelegt.

Die hölzernen, mit Sternen bemalten Scheiben in den Gewölben folgen dem himmelstrebenden Ideal der Gotik. Daneben hatten sie eine praktische Bedeutung, verdecken sie doch die Löcher im Gewölbe, aus denen früher die Seile herabgelassen wurden, an denen ein Bootsmannstuhl hing. Mit diesem konnte der Maler seinen Arbeitsplatz an der Decke erreichen.[21]

Hochchor und Taufstein

Der Hochchor.
Das Taufbecken.

Die Ausstattung von Hochchor stammt im Gegensatz zu Langhaus und Querhaus überwiegend aus vorreformatorischen Zeiten und ist deutlich der Gotik zuzuordnen. Dem folgend ist dieser Gebäudeteil polygonal (vieleckig) abgeschlossen. Die Vielzahl großflächiger Fenster lassen diesen Gebäudeteil leicht und lichtdurchflutet erscheinen. Mit einer Scheitelhöhe von 21 m hebt er sich deutlich von Querschiff und Langhaus ab.

Die Wände des Obergadens werden durch Rundpfeiler gestützt und sind durch Spitzbogenarkaden verbunden. Sowohl in Querschiff als auch im Chor finden sich durchweg nur Kreuzgewölbe. Dies ist ungewöhnlich, da zu ihren Bauzeiten andernorts häufiger die reicheren Netz- und Sterngewölbe verwendet wurden.[22]

Dieser Teil der Kirche wird heute vorwiegend für kleinere Gottesdienstliche Feiern wie Taufen, Trauungen und Wochenschlussandachten, aber auch für Konzerte genutzt.

Der vermutlich aus dem frühen 14. Jahrhundert stammende Taufstein ist das älteste Ausstattungsstück der Ludgerikirche. Er wurde aus Bentheimer Sandstein geschaffen. Das runde Taufbecken ruht auf einem sechseckigen Schaft. Beide Teile sind mit Dreipassbögen verziert. Im Jahre 1957 erhielt das Taufbecken seinen heutigen Messingeinsatz. Seither hat er auch seinen heutigen Standort neben dem Hochaltar, nachdem er zuvor im Laufe der Jahrhunderte mehrfach seinen Standort wechselte.[23]

Die Bestuhlung
Grafenstühle (hinten rechts) und Chorgestühl (rechts)

Zur gotischen Erstausstattung des Hochchors gehören die zweisitzigen Grafenstühle. Es wird vermutet, dass sie gleich nach Fertigstellung des Chors von Graf Ulrich I. in Auftrag gegeben wurden. An den Seitenwänden der Pulte sind sie mit geschnitzten Wappen verziert. Das nördliche trägt den Jungfrauenadler der Cirksena, das südliche ein Wappen mit einem Einhorn im Wappenschild, dem Symbol der Jungfräuligkeit. Auf der zu dem in der Mitte des Chores stehenden Dreisitz zugewandten Seite ist das Pult mit zwei biblischen Darstellungen versehen: einem Pelikan, der für die sich aufopfernde Liebe und für Jesus Christus steht und Jona im Maul eines Fisches, dessen Geschichte im Christentum als Symbol für den Tod und die Auferstehung Jesu gilt.

Das Chorgestühl an den beiden Seiten des Hochchores entstand 1481 vermutlich für das Benediktinerkloster Marienthal, das 1531 von Balthasar von Esens zerstört wurde. Anschließend wurde es wohl in die Ludgerikirche verbracht, musste aber vor dem Einbau verkürzt werden. Die dabei übrig gebliebenen Sitze finden sich im Chorumgang. Die östlichen Seitenwangen sind an der nördlichen Stuhlreihe mit der Kreuzigung Jesu verziert; an der südlichen Stuhlreihe ist die Verkündigung des Engels Gabriel an Maria zu sehen. Die Handknäufe zwischen den Stuhlreihen zeigen Darstellungen pflanzlicher Motive sowie einen Menschenkopf.[24]

Der Hochaltar
Der Hochaltar.

Von den fünf Altären, die vor der Reformation in der Ludgerikirche standen ist der Hochaltar (entstanden vor 1481) der einzige, der in Teilen erhalten blieb. Der spätgotische Schnitzaltar war wahrscheinlich ein Marienaltar.

Von diesem stammt der spätgotische Baldachin, der am Rand mit Kielbögen, Fialen, Kreuzblumen und gotischen Krabben verziert ist. Reste des ehemaligen Retabel befinden sich hinter dem protestantischen Flügelaltar. Er wurde 1582 hier aufgestellt und ist vom Reformatorischer Bildersturm geprägt.[25] In Norddeutschland treten daran anschließend im 16.und 17. Jahrhundert in den reformierten aber auch lutherischen Kirchen Schriftaltäre an die Stelle der mittelalterlichen Bildwerke. Der Norder Altar führt in Mittelniederdeutscher Sprache in Goldbuchstaben auf azurblauem Hintergrund den Einsetzungstext zum Abendmahl auf. Auf den beiden Flügeln finden sich weitere Abendmahlstexte. Die Rückseite der Flügel sind die zehn Gebote aufgeführt.

Der durch Ionische Säulen in drei Felder gegliederte Abendmahlstisch ersetzte 1577 die ursprüngliche, steinerne Mensa.

Die beiden Kniebänke rechts und links des Altars stammen wahrscheinlich aus dem Jahre 1785. In diesem Jahr wurden die inneren Schrifttafeln durch spätbarocke Gemälde des Groninger Historienmalers Friedr. Corn. de Hosson verdeckt und die Zehn Gebote auf der Rückseite einfarbig übermalt. 1983 wurden die Gemälde zur Restaurierung abgenommen und die Farbe auf der Rückseite wieder entfernt, so dass der Schriftaltar heute wieder in seiner ursprünglichen Form zu sehen ist. Die abgenommenen Gemälde hängen seither im Langhaus.[26]

Das Sakramentshaus
Das Sakramentshaus.

Zwischen zwei der nördlichen Polygonpfeiler des Chores befindet sich links neben dem Altar das vor 1481 aus Baumberger Kalksandstein gearbeitete Sakramentshaus. Es stellt in verkleinerter Form die Vorstellung der idealen Architektur eines Turms der Gotik dar, wie sie in Wirklichkeit nicht zu realisieren war, da die zierlichen Formen aus dem weichen Stein im Außenbereich den klimatischen Bedingungen nicht standhalten können.[27]

Die mehrstöckige Bekrönung wirkt wie ein spätgotischer Kirchturmhelm. An dessen Spitze fand ursprünglich ursprünglich wohl ein Pelikan Platz. 1886 wurde sie dann zur heutigen Form vereinfacht.

Der figürliche Schmuck ist jüngeren Datums. Vermutet wird, dass auch ursprünglich ein reichhaltiger Figurenschmuck vorhanden war. Das Sakramentshaus bildet mit dem anschließenden Türsturz, der die gleichen spätgotischen Zierelemente trägt, eine Einheit.

Im Inneren des Sakramentshauses sind vier Fresken erhalten, die aus der Zeit um 1500 stammen. Sie zeigen vier Engel, die in der einen Hand eine brennende Kerze halten und mit der anderen Hand ein Weihrauchfass schwingen und so die hier früher aufbewahrten Hostien.[28]

Chorumgang

Sandsteinstatuen im Chorumgang

Wie beim Hochchor stammt auch die Ausstattung des Chorumgangs überwiegend aus vorreformatorischen Zeiten. An den Pfeilern sind hier viele Epitaphe, meist als hölzerne Erinnerungstafeln zu sehen. Auf dem Boden befinden sich mehrere steinerne Grabplatten, die davon zeugen, dass der Raum unter dem Kirchenfußboden bis 1803 als Begräbnissstätte genutzt wurde.

Im Chorumgang wurden zum Schutz vor weiterer Verwitterung die Reste jener Skulpturen aus Baumberger Sandstein aufgestellt, die bis 1957 in den Fensterblenden der Querschiffgiebel ihren Platz hatten. Sie werden auf das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts datiert und lassen den Einfluss der französischen Kathedralplastik erkennen. Ursprünglich stammen sie wahrscheinlich von der abgegangenen Andreaskirche. Von größerere künstlerischer Bedeutung ist die Gruppe der Verkündigung. Die sehr gut erhaltene Statue der Maria steht hier einem Engel (heute ohne Kopf) gegenüber, der auf sie zuzugehen scheint, um ihr die Geburt Jesu anzukündigen. Links neben dieser Gruppe steht ein Engel mit einem Gewand oder einem Trockentuch der Taufe Jesu beiwohnt.[29] Zu den weiteren im Chorumgang ausgestellten Dingen zählen eine Sandsteinerne Schrift, die ursprünglich über dem Südportal angebracht war. Sie gilt als erstes eindeutiges schriftliches Zeugnis aus der Baugeschichte der Ludgerikirche. Sie wurde wohl in Gedenken an den Wiederaufbau des Querschiffs im Jahre 1445 angebracht. Durch ihre starke Verwitterung war eine Entzifferung schwierig. Im weiteren Verlauf des Chorumgangs findet sich noch die Figur eines bärtigen Heiligen Sie war früher über dem Südportal angebracht und wurde lange Zeit fälschlicherweise als Luidger anngesehen.

Glocken

Das Geläut der Kirche besteht aus drei Bronzeglocken. Sie hingen bis 1971 deutlich sichtbar in den großen Schallöffnungen des Turmes. Seither haben sie einen Glockenstuhl im Inneren des Gebäudes. Die große Glocke (d) und die kleine Glocke (f) wurden 1971 gegossen. Die mittlere (e), so genannte Lutherglocke, wurde 1911 gegossen. Dabei wurde Material einer Glocke aus dem Jahre 1489 (Annenglocke) wiederverwendet.

In der östlichen großen Schallöffnung des Turms wurde 1992 ein Glockenspiel. Viermal am Tag (jeweils um zwei Minuten vor 9, 12, 15 und 18 Uhr) ist hier Liedgut aus den jeweiligen Kirchenjahreszeiten zu hören.[30]

Siehe auch

Literatur

  • G. André: Die frühgotischen Skulpturen in Norden/Ostfriesland. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte Band VII. München, Berlin 1968.
  • Festschrift zur Wiedereinweihung der restaurierten Ludgerikirche mit Arp-Schnitger-Orgel. Norden 1985.
  • Ufke Cremer: Aus der Geschichte der Ludgerikirche. In: Festschrift anlässlich des 400jährigen Reformationsjubiliäums in Norden. Norden 1926.
  • Ufke Cremer: 1445 - 1945. Fünfhundert Jahre aus der Geschichte der Ludgerikirche. In: Erinnerungsblätter an die 500-Jahr-Feier der Ludgerikirche Norden. Norden 1946.
  • K. Lange: Die Ludgerikirche in Norden. In: Große Baudenkmäler. Heft 219. München, Berlin 1977.
  • Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3.
  • Gottfried Kiesow: Ostfriesische Kunst. Ostfriesland im Schutze des Deiches Band IV. Pewsum 1969.
  • Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000.
  • Menno Smid: Ostfriesische Kirchengeschichte. Ostfriesland im Schutze des Deiches Band VI. Pewsum 1974.
Commons: Ludgerikirche Norden (Ostfriesland) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eberhard Rack: Kleine Landeskunde Ostfriesland, Isensee Verlag, Oldenburg 1998, S. 94
  2. a b Johann Haddinga, Martin Stromann: Norden-Norddeich. Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 64.
  3. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 3
  4. www.norden.de: Ludgerikirche, aufgerufen am 19. April 2010
  5. a b c d Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 2
  6. Johann Haddinga, Martin Stromann: Norden-Norddeich. Eine ostfriesische Küstenstadt stellt sich vor. Verlag SKN, Norden 2001, ISBN 3-928327-43-7, S. 58.
  7. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 2
  8. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 9783867950213, S. 265.
  9. a b Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 9783867950213, S. 266.
  10. Karl-Ernst Behre, Hajo van Lengen: Ostfriesland. Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft. Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Aurich 1995, ISBN 3-925365-85-0. S. 272
  11. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3.
  12. Monika van Lengen: Ev.-luth. Ludgerikirche Norden, veröffentlicht in: Inseln der Ruhe. Kirchen in Ost-Friesland. Norden 1996, hier zitiert aus ostfriesichelandschaft.de, eingesehen am 20. April 2010.
  13. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 9
  14. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 7
  15. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 5
  16. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 5f
  17. R. Walther: Das Hausbuch des ostfriesischen Häuptlings Unico Manninga (1529-1588). Ältestes wissenschaftliches Trachtenbuch in Deutschland in: Zentralstelle für Personen- und Familiengeschichte (Hrsg.): Genealogisches Jahrbuch. Band 12. 1972.
  18. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010. ISBN 9783867950213. S. 271
  19. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 8f
  20. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 9
  21. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden, Norden 2000, S. 13
  22. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3. S. 271.
  23. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 14.
  24. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 15f.
  25. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3. S. 271
  26. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 17f.
  27. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3. S. 272
  28. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 15f.
  29. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 18f.
  30. Reinhard Ruge (Text), Ev.-luth. Ludgerigemeinde Norden (Hrsg.): Die Ludgerikirche zu Norden. Norden 2000. S. 21f.

Koordinaten: 53° 35′ 43″ N, 7° 12′ 13″ O