Clara Zetkin

Clara Zetkin in den 1920er Jahren, während ihrer Zeit als Reichstagsabgeordnete in der Weimarer Republik
Unterschrift (1910)

Clara Josephine Zetkin, geborene Eißner (* am 5. Juli 1857 in Wiederau, Amtshauptmannschaft Rochlitz, Königreich Sachsen; † am 20. Juni 1933 in Archangelskoje, Oblast Moskau, Sowjetunion) war eine sozialistisch-kommunistische deutsche Politikerin, Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin. Sie war bis 1917 aktiv in der SPD und in dieser Partei eine markante Vertreterin der revolutionär-marxistischen Fraktion. 1917 schloss sie sich der SPD-Abspaltung USPD an. In der USPD gehörte sie zum linken Flügel bzw. zur Spartakusgruppe, die während der Novemberrevolution 1918 in Spartakusbund umbenannt wurde. Der Spartakusbund wiederum ging zusammen mit anderen linksrevolutionären Gruppierungen in der zum Jahreswechsel 1918/19 neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) auf. Als einflussreiches Mitglied der KPD war Zetkin von 1920 bis 1933 Reichstagsabgeordnete[1] und 1932 Alterspräsidentin des Parlaments.

Auf übernationaler Ebene gehörte Zetkin als Beteiligte am Internationalen Arbeiterkongress von 1889 in Paris zu den Gründern der Zweiten Internationale der sozialistischen Arbeiterbewegung. In der Arbeit für die Internationale gilt sie als prägende Initiatorin des Internationalen Frauentags. Als Angehörige der Zentrale bzw. des später als Zentralkomitee bezeichneten Vorstandsgremiums der KPD war sie von 1921 bis 1933 Mitglied im Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI), wo sie in ihren letzten Lebensjahren zur Minderheit der Kritiker der letztlich von Stalin vorgegebenen Sozialfaschismusthese gehörte.

Dies bedeutete jedoch keine grundsätzliche Kritik an der Kommunistischen Internationale und der sowjetrussischen Diktatur unter Stalin. Auch kritisierte Zetkin niemals öffentlich den Kurs der KPD unter Thälmann, der einer „Unterwerfung unter die stalinistischen Prinzipien“ gleichkam.[2] In einem Moskauer Schauprozess gegen sozialrevolutionäre Regimegegner hatte Zetkin 1922 außerdem als Anklägerin fungiert, die Todesstrafe[2] gefordert und publizierte dazu eine „Kampfschrift“ im Komintern-Verlag.[3] Als 1926 Felix Dserschinski starb, der als Leiter der Geheimpolizei Tscheka den „Roten Terror“ durchführte, lobte Zetkin in einem Brief an das ZK der KPdSU dessen Vorgehen als „beispielgebend“; Dserschinski habe „Entscheidendes und Unvergessliches“ geleistet, er „säuberte [...] den Weg für den sozialistischen Aufbau“.[4]

Leben

Herkunft und Bildungsweg

Clara wurde als älteste Tochter von Josephine Vitale und Gottfried Eißner (auch Eisner) geboren. Gottfried Eißner war der Sohn eines Tagelöhners und Dorfschullehrers in Wiederau. Der Vater von Josephine Vitale, Jean Dominique, war durch die Französische Revolution 1789 und seine Teilnahme an Napoleons Kriegen geprägt. Ihre Mutter stand mit Pionierinnen der damals entstandenen (bürgerlichen) Frauenbewegung in Kontakt, insbesondere Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt, las Bücher von George Sand und gründete in Wiederau einen Verein für Frauengymnastik.

Die Familie siedelte 1872 nach Leipzig über, um ihren Kindern eine bessere Ausbildung zu ermöglichen. Clara Zetkin ließ sich dort in Privatseminaren zur Volksschullehrerin ausbilden. 1879 war sie in Zschopau bei der Unternehmerfamilie Bodemer als Hauslehrerin tätig.[5]

Politisches Engagement in der frühen Sozialdemokratie

Clara Zetkin 1897
Zetkin (Dritte von links) im Gasthof zum Löwen in Bendlikon bei Zürich 1893 zusammen mit der Familie Bebel und einigen anderen prominenten Vertretern der sozialdemokratischen Bewegung
(von links nach rechts: Dr. Ferdinand Simon (1862–1912), Friederike Simon, geb. Bebel (1869–1948), Clara Zetkin, Friedrich Engels, Julie Bebel, August Bebel, Ernst Schattner,[6] Regina Bernstein, geb. Zadek, gesch. Schattner (1849/1852–1923) und Eduard Bernstein (teilweise abgeschnitten))
Clara Zetkin (links) mit Rosa Luxemburg im Jahr 1910

Ab 1874 hatte die in Leipziger Privatseminaren ausgebildete Volksschullehrerin Kontakte zur Frauen- und Arbeiterbewegung. Clara Eißner trat 1878 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands bei, die 1890 in SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) umbenannt wurde. Wegen des Sozialistengesetzes (1878–1890), das sozialdemokratische Aktivitäten außerhalb der Landtage und des Reichstags verbot, ging sie 1882 zuerst nach Zürich, dann nach Paris ins Exil. Dort nahm sie den Namen ihres Lebenspartners, des russischen Revolutionärs Ossip Zetkin an, mit dem sie zwei Söhne hatte, Maxim Zetkin (1883–1965) und Kostja Zetkin (1885–1980).

In ihrer Zeit in Paris hatte sie 1889 während des Internationalen Arbeiterkongresses einen bedeutenden Anteil an der Gründung der Sozialistischen Internationale.

Im Herbst 1890 kehrte die Familie nach Deutschland zurück und ließ sich in Sillenbuch bei Stuttgart nieder. Dort arbeitete Clara Zetkin als Übersetzerin für den Dietz-Verlag und seit 1892 als Herausgeberin der Frauenzeitschrift Die Gleichheit.

Nach dem Tode Ossip Zetkins heiratete sie 1899 42-jährig in Stuttgart den 24-jährigen Kunstmaler Friedrich Zundel aus Wiernsheim. Nach zunehmender Entfremdung wurde die Ehe 1927 geschieden und im selben Jahr heiratete Friedrich Zundel Paula Bosch, die Tochter seines Sillenbucher Nachbarn Robert Bosch.

1907 lernte Clara Zetkin anlässlich des Internationalen Sozialistenkongresses in Stuttgart den russischen Kommunisten Lenin kennen, mit dem sie eine lebenslange Freundschaft verband.

In der SPD gehörte sie zusammen mit ihrer engen Vertrauten, Freundin und Mitstreiterin Rosa Luxemburg wortführend zum revolutionären linken Flügel der Partei und wandte sich mit ihr um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert in der Revisionismusdebatte entschieden gegen die reformorientierten Thesen Eduard Bernsteins.

Die Frauenrechtlerin

Einer ihrer politischen Schwerpunkte war die Frauenpolitik. Hierzu hielt sie beim Gründungskongress der Zweiten Internationalen am 19. Juli 1889 ein berühmt gewordenes Referat, in dem sie die Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung nach Frauenwahlrecht, freier Berufswahl und besonderen Arbeitsschutzgesetzen für Frauen, wie sie um Helene Lange und Minna Cauer vertreten wurden, im Rahmen des herrschenden Systems kritisierte:

„Wir erwarten unsere volle Emanzipation weder von der Zulassung der Frau zu dem, was man freie Gewerbe nennt, und von einem dem männlichen gleichen Unterricht – obgleich die Forderung dieser beiden Rechte nur natürlich und gerecht ist – noch von der Gewährung politischer Rechte. Die Länder, in denen das angeblich allgemeine, freie und direkte Wahlrecht existiert, zeigen uns, wie gering der wirkliche Wert desselben ist. Das Stimmrecht ohne ökonomische Freiheit ist nicht mehr und nicht weniger als ein Wechsel, der keinen Kurs hat. Wenn die soziale Emanzipation von den politischen Rechten abhinge, würde in den Ländern mit allgemeinem Stimmrecht keine soziale Frage existieren. Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein. Nur in der sozialistischen Gesellschaft werden die Frauen wie die Arbeiter in den Vollbesitz ihrer Rechte gelangen.“[7]

Damit erklärte Zetkin die fehlende Gleichberechtigung der Geschlechter zu einem Nebenwiderspruch der herrschenden sozialen und ökonomischen Bedingungen, den sie dem Hauptwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit unterordnete. Ihre Verschiebung der formalpolitischen Emanzipation der Frau auf die Zeit nach der Revolution vertiefte die Konflikte der deutschen Frauenbewegung vor dem Ersten Weltkrieg und führte zu langwierigen Auseinandersetzungen mit anderen, gemäßigteren Protagonistinnen auch innerhalb der sozialdemokratischen Frauenbewegung, etwa mit Lily Braun oder Luise Zietz.

Zetkin war von 1891 bis 1917 Herausgeberin der SPD-Frauenzeitung Die Gleichheit (bzw. deren Vorläuferin Die Arbeiterin), in deren programmatischer Eröffnungsnummer sie sich erneut gegen die reformistische Vorstellung wandte, durch rechtliche Gleichstellung mit den Männern unter Beibehaltung des Kapitalismus einen Fortschritt für die Frauen erreichen zu wollen:

„‚Die Gleichheit‘ […] geht von der Überzeugung aus, dass der letzte Grund der jahrtausendealten niedrigen gesellschaftlichen Stellung des weiblichen Geschlechts nicht in der jeweils‚ von Männern gemachten‘ Gesetzgebung, sondern in den durch wirtschaftliche Zustände bedingten Eigentumsverhältnisse zu suchen ist. Mag man heute unsere gesamte Gesetzgebung dahin abändern, dass das weibliche Geschlecht rechtlich auf gleichen Fuß mit dem männlichen gestellt wird, so bleibt nichtsdestoweniger für die große Masse der Frauen […] die gesellschaftliche Versklavung in härtester Form weiterbestehen: ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von ihren Ausbeutern.“

Später revidierte sie diese rigide Haltung und trat nun ebenfalls für das Frauenwahlrecht ein, das bereits seit 1891 zentraler Bestandteil des Parteiprogramms der SPD war.

1907 wurde ihr die Leitung des neu gegründeten Frauensekretariats der SPD übertragen. Beim „Internationalen Sozialistenkongress“, der im August 1907 in Stuttgart stattfand, wurde die Gründung der Sozialistischen Fraueninternationale beschlossen – mit Clara Zetkin als Internationaler Sekretärin. Auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz am 27. August 1910 in Kopenhagen initiierte sie gegen den Willen ihrer männlichen Parteikollegen, gemeinsam mit Käte Duncker, den Internationalen Frauentag, der erstmals im folgenden Jahr am 19. März 1911 begangen werden sollte (ab 1921 am 8. März).

Während des Ersten Weltkriegs

Zusammen mit Franz Mehring, Rosa Luxemburg und weiteren prominenten SPD-Politikern gehörte Zetkin kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 zur Minderheit der Gegner einer Bewilligung der Kriegskredite in den Gremien der eigenen Partei. Sie blieb damit dem Grundsatz der II. Internationale treu, keinen Angriffskrieg zu unterstützen und stand fortan im Widerspruch zur Mehrheit der im Reichstag vertretenen SPD.[8] Entsprechend lehnte sie ab Beginn des Ersten Weltkriegs die Burgfriedenspolitik ihrer Partei ab. Im Reichstag selbst war Karl Liebknecht im Dezember 1914 der erste Abgeordnete, der mit der Fraktionsdisziplin brach und gegen die Bewilligung der Kriegskredite stimmte.

Neben anderen Aktivitäten gegen den Krieg organisierte Zetkin 1915 in Bern, der Hauptstadt der neutralen Schweiz, die Internationale Konferenz sozialistischer Frauen gegen den Krieg. In diesem Zusammenhang entstand das maßgeblich von ihr ausformulierte Antikriegs-Flugblatt „Frauen des arbeitenden Volkes!“, dessen Verbreitung außerhalb der Schweiz, insbesondere in den Mittelmächten Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich polizeilich verboten wurde.[9] Aufgrund ihrer Antikriegshaltung wurde Clara Zetkin während des Krieges mehrfach inhaftiert, ihre Post beschlagnahmt und ihre Söhne, beide Ärzte im Militärdienst, schikaniert.[10] ffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff

Von der SPD zur KPD

Zetkin (vordere Reihe ca. Bildmitte bzw. vierte von links) 1921 als KPD-Delegierte beim III. Weltkongress der Komintern; neben Zetkin rechts im Bild Alexandra Kollontai.

Sie war ab 1916 an der ursprünglich von Rosa Luxemburg gegründeten revolutionären innerparteilichen Oppositionsfraktion der SPD, der Gruppe Internationale bzw. Spartakusgruppe beteiligt, die am 11. November 1918 in Spartakusbund umbenannt wurde. 1917 schloss sich Clara Zetkin der USPD – unmittelbar nach deren Konstituierung – an. Diese neue linkssozialdemokratische Partei hatte sich aus Protest gegen die kriegsbilligende Haltung der SPD von der Mutterpartei abgespalten, nachdem die größer gewordene Gruppe der Kriegsgegner aus der SPD-Reichstagsfraktion und der Partei ausgeschlossen worden war. Nach der Novemberrevolution wurde – ausgehend vom Spartakusbund und anderen linksrevolutionären Gruppen – am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gegründet, der auch Zetkin beitrat.

Von 1919 bis 1920 war Zetkin Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung Württembergs und dort eine unter den ersten 13 weiblichen Abgeordneten. Sie beteiligte sich ab dem 25. Juli 1919 am Sonderausschuss für den Entwurf eines Jugendfürsorgegesetzes. Am 25. September 1919 stimmte Zetkin gegen die Annahme der Verfassung des freien Volksstaates Württemberg.

Von 1920 bis 1933 war sie für die KPD im Reichstag der Weimarer Republik als Abgeordnete vertreten. Ab 1919 gab Clara Zetkin die Zeitschrift Die Kommunistin heraus. Von 1921 bis zu ihrem Tode war sie Präsidentin der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH). In der KPD war Zetkin bis 1924 Angehörige der Zentrale, und von 1927 bis 1929 des Zentralkomitees der Partei. Des Weiteren war sie von 1921 bis 1933 Mitglied des Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI).

1925 wurde Zetkin außerdem zur Vorsitzenden der Roten Hilfe Deutschlands gewählt.

In der KPD saß Zetkin im Lauf ihrer politischen Tätigkeit, während der die dominierenden innerparteilichen Flügel mehrfach wechselten, oft zwischen den Stühlen, behielt jedoch zeitlebens einen bedeutenden Einfluss in der Partei. Im Allgemeinen wird sie von namhaften Historikern wie beispielsweise Heinrich August Winkler eher dem „rechten“ Flügel der KPD zugeordnet, vor allem, weil sie trotz ihrer Mitgliedschaft im EKKI den ideologischen Vorgaben der Komintern und aus der Sowjetunion teilweise kritisch gegenüberstand.

Clara Zetkin (links) 1930 auf dem Weg zur Wahl des Reichstagspräsidenten

So lehnte sie 1921 – nach der Vereinigung der KPD mit dem großen linken Flügel der USPD zur zeitweilig unter dem Alternativkürzel VKPD firmierenden Partei – zusammen mit dem damaligen von März 1919 bis Februar 1921 amtierenden innerparteilich umstrittenen KPD-Vorsitzenden Paul Levi (Parteiausschluss Mitte 1921) die vom Komintern-Chef Grigori Jewsejewitsch Sinowjew befürwortete „Offensivstrategie“ als „Putschismus“ ab. Bei der entsprechenden von der KPD mehrheitlich unterstützten Kampagne war eine revolutionär ausgerichtete Arbeiterrevolte, die Märzaktion in der Provinz Sachsen, blutig gescheitert, wobei über hundert Menschen ums Leben gekommen waren. Anders als die Parteivorsitzenden Levi und Ernst Däumig blieb sie jedoch in der KPD und schloss sich nicht der Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft (KAG) an.

Am 21. Januar 1923, kurz nach dem Beginn der Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen infolge der von Deutschland nicht erfolgten Reparationszahlungen laut den Bestimmungen des Versailler Vertrags von 1919, warf Zetkin unter der Überschrift Um das Vaterland der Großbourgeoisie vor, ihr „Verrat“ sei schuld an der krisenhaften Zuspitzung der Situation der Weimarer Republik infolge von Hyperinflation und Reparationen. Mit dem Flugblatt „Zur Befreiung des deutschen Vaterlandes“ rief sie zum Sturz der Regierung Cuno und zur Bildung einer Arbeiterregierung auf. Diese nationalistisch anmutenden Töne, die kurzzeitig dazu führten, dass Zetkin von einigen Parteigenossen der Versuch vorgeworfen wurde, die bürgerlichen Parteien mit nationalen Parolen rechts überholen zu wollen, wurden zwei Tage später von der Parteizentrale korrigiert. Mit der Parole „Schlagt Poincaré an der Ruhr und Cuno an der Spree“ rief die KPD zur Solidarität der Proletarier in Deutschland und in Frankreich auf und bekräftigte damit die internationalistische Ausrichtung der KPD.

Im Juni 1923 erregte Zetkin auf der Tagung des Exekutivkomitees der Komintern in Moskau mit ihren Thesen zum Klassencharakter des Faschismus, der im Jahr zuvor in Italien an die Macht gekommen war, Aufsehen. Der bei vielen Marxisten verbreiteten These, Mussolinis Diktatur sei als „bloßer bürgerlicher Terror“ und als Angstreaktion der Kapitalisten auf die Bedrohung durch die Oktoberrevolution zu verstehen, erteilte sie eine scharfe Absage. In Wahrheit habe der Faschismus …

„[…] eine andere Wurzel. Es ist das Stocken, der schleppende Gang der Weltrevolution infolge des Verrats der reformistischen Führer der Arbeiterbewegung. Ein großer Teil der proletarisierten und von der Proletarisierung bedrohten klein- und mittelbürgerlichen Schichten, der Beamten und bürgerlichen Intellektuellen hatte die Kriegspsychologie mit einer gewissen Sympathie für den reformistischen Sozialismus ersetzt. Sie erhofften vom reformistischen Sozialismus dank der ‚Demokratie‘ eine Weltwende. Diese Erwartungen sind bitter enttäuscht worden. […] So kam es, dass sie nicht bloß den Glauben an die reformistischen Führer verloren, sondern an den Sozialismus selbst.“

Den Nationalsozialismus bezeichnete sie als „Strafe“ für das Verhalten der deutschen Sozialdemokratie in der Novemberrevolution.

Im April 1925 polemisierte Zetkin auf einer weiteren EKKI-Tagung in Moskau gegen die zu der Zeit aktuelle KPD-Führung unter Ruth Fischer und Arkadi Maslow, denen sie „sektiererische Politik“ vorwarf. Damit half sie deren Absetzung vorzubereiten. Nachfolger wurde im Herbst 1925 Ernst Thälmann, den Stalin protegierte.

Clara Zetkin um 1930 im Alter von etwa 73 Jahren

Zetkin bezeichnete die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik als „Klassendiktatur der Bourgeoisie“ und lehnte sie strikt ab. Zugleich stand sie jedoch auch der stalinschen Sozialfaschismusthese kritisch gegenüber, die ein Bündnis mit der Sozialdemokratie gegen den Nationalsozialismus verhinderte. Als Alterspräsidentin des Deutschen Reichstages führte sie den Vorsitz auf der konstituierenden Sitzung des Reichstages am 30. August 1932 „in der Hoffnung trotz meiner jetzigen Invalidität das Glück zu erleben, als Alterspräsidentin den ersten Rätekongreß Sowjetdeutschlands zu eröffnen.“[11] Trotz des vorausgehenden Wahlerfolgs für die KPD erkannte sie gleichwohl die Gefahr, die von der inzwischen stärksten Fraktion des Reichstags, der NSDAP, ausging, und rief in derselben Rede zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten auf:

„Vor dieser zwingenden geschichtlichen Notwendigkeit müssen alle fesselnden und trennenden politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen zurücktreten.“

Rede als Alterspräsidentin zur Eröffnung des Reichstags im August 1932[12]

Erneutes Exil und Tod

Nach der Machtergreifung durch die NSDAP unter Adolf Hitler und dem Ausschluss der KPD aus dem Reichstag infolge des Reichstagsbrands 1933 ging Clara Zetkin noch einmal, das letzte Mal in ihrem Leben, ins Exil, diesmal in die Sowjetunion, wo sie bereits von 1924 bis 1929 ihren Hauptwohnsitz gehabt hatte. Nach Angaben von Maria Reese, einer KPD-Abgeordneten des Reichstags, die sie dort unter Schwierigkeiten besuchte, lebte sie bereits parteipolitisch isoliert. Sie starb wenig später am 20. Juni 1933 im Alter von fast 76 Jahren. Ihre Urne wurde in der Nekropole an der Kremlmauer in Moskau auf der rechten Seite im Grab Nummer 44 beigesetzt. Stalin selbst trug die Urne zur Beisetzung.

Ehrungen

Clara Zetkin wurde 1927 mit dem Rotbannerorden und 1932 mit dem Leninorden ausgezeichnet.

Zetkin wurde zu einer der historischen Leitfiguren der SED-Propaganda, in der besonders ihre Rolle als Frauenrechtlerin und Verbündete der Sowjetunion herausgestellt wurde. Der Demokratische Frauenbund Deutschland widmete Clara Zetkin zum XI Bundeskongreß eine Paradefahne mit Ehrenbanner.

Paradefahne Clara Zetkin mit Ehrenbanner des Bundesvorstandes Demokratischer Frauenbund Deutschlands
  • Die DDR richtete in dem Haus in Birkenwerder nördlich von Berlin, wo sie von 1929 bis 1932 gelebt hatte, ein Museum über ihr Leben ein, das noch heute existiert.[13]
  • Ab 1971 zeigten die 10-Mark-Scheine der DDR ihr Konterfei.
  • Eine bedeutende Kulturstätte der Stuttgarter Arbeiterbewegung, das Waldheim Sillenbuch, trägt den Namen Clara-Zetkin-Haus.
  • Nach ihr wurde der Fraktionssaal der Linksfraktion im Bundestag benannt.
  • Straßen und Schulen tragen ihren Namen. In Berlin hieß von 1951 bis 1995 die auf das Reichstagsgebäude zulaufende Parallelstraße zu Unter den Linden nach ihr und wurde dann wieder in Dorotheenstraße zurückbenannt.
  • Der Clara-Zetkin-Park in Leipzig trug ab 1955 ihren Namen. Seit 2011 heißen nur noch der ehemalige Albertpark und der Volkspark im Scheibenholz Clara-Zetkin-Park. Die übrigen Teile erhielten ihre alten Bezeichnungen Johannapark, Klingerhain, Palmengarten und Richard-Wagner-Hain zurück.
  • In Berlin wurde zum 750-jährigen Stadtjubiläum 1987 eine Wohngebiets-Grünanlage im Ortsteil Marzahn in Clara-Zetkin-Park benannt.
  • 1997 verlieh das Bezirksamt von Marzahn-Hellersdorf einem neu gestalteten Platz den Namen Clara-Zetkin-Platz.
  • In ihrem Geburtsort Wiederau, wo sie bis zum 15. Lebensjahr mit ihren Eltern wohnte, befindet sich in der ehemaligen Schule eine Gedenkstätte im Museum in der alten Dorfschule.
  • Die IG-Metall-Frauen in Heidenheim verleihen seit 2007 in zweijährigem Turnus, jeweils am 8. März, dem Internationalen Frauentag, einen Clara-Zetkin-Preis an eine Frau, die einen „nachhaltigen Beitrag für die Frauenarbeit geleistet“[14] hat (z. B. 2009 an Andrea Ypsilanti).
  • Seit 2011 vergibt die Partei Die Linke einen mit 3000 Euro dotierten Clara-Zetkin-Frauenpreis, „um herausragende Leistungen von Frauen in Gesellschaft und Politik zu würdigen“[15] (erste Preisträgerin: Florence Hervé).
  • Anlässlich des Internationalen Frauentags 2012 schlug Gregor Gysi dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert vor, den Bundestags-Neubau in der Wilhelmstraße 65 nach Clara Zetkin zu benennen[16], was jedoch nicht erfolgte.

Veröffentlichungen von Werken Zetkins (Auswahl)

  • Die Arbeiterinnen- und Frauenfrage der Gegenwart. Verlag der Berliner Volks-Tribüne, Berlin 1889, fes.de (PDF) Friedrich-Ebert-Stiftung.
  • Der Student und das Weib. Verlag der Sozialistischen Monatshefte, Berlin 1899 Der Student und das Weib. (DjVu, Commons).
  • Die Schulfrage. Referat, gehalten auf der dritten Frauenkonferenz in Bremen. Expedition der Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1904. Digitalisat HUB Berlin
  • Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1907 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv, Zur Frage des Frauenwahlrechts. (PDF) Friedrich-Ebert-Stiftung.
  • Das Frauenstimmrecht [Begründung zur Resolution: Das Frauenstimmrecht]. In: Internationaler Sozialisten-Kongreß zu Stuttgart 18. bis 24. August 1907. Berlin 1907, S. 40–48. (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
  • Karl Marx und sein Lebenswerk. Molkenbuhr, Elberfeld 1913.
  • Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Rote Fahne, Berlin 1919.
  • Wir klagen an! Ein Beitrag zum Prozess der Sozial-Revolutionäre. Verlag der Kommunistischen Internationale, Hamburg 1922.
  • Im befreiten Kaukasus. Verlag für Literatur und Politik, Wien/Berlin 1926.
  • Die Bedeutung der aufbauenden Sowjetunion für die deutsche Arbeiterklasse. Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten, Berlin 1926.MDZ Reader
  • Erinnerungen an Lenin. Verlag für Literatur und Politik, Wien/Berlin 1929.
  • Hungermai, Blutmai, roter Mai! Carl Hoym, Hamburg/ Berlin 1932.
  • Angeklagter Hitler. Protokolle, Augenzeugen- und Tatsachenberichte aus den faschistischen Folterhöllen Deutschlands Clara Zetkin ruft zur Internationale Hilfswoche der IRH (17.–25. Juni 1933). Mopr-Verlag, Zürich 1933.
Postum herausgegebene Gesammelte Werke:
  • Ausgewählte Reden und Schriften. Drei Bände. Dietz Verlag, Berlin 1957–1960.
  • Ich will dort kämpfen, wo das Leben ist. Eine Auswahl von Schriften und Reden. Dietz-Verlag, Berlin 1955.
  • Die Kriegsbriefe (1914–1918). Band 1 von Clara Zetkin. Die Briefe 1914–1933, herausgegeben von Marga Voigt. Karl Dietz Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-320-02323-2.
als Übersetzerin

Werke

  • Erinnerungen an Lenin. Gespräche zur Frauenfrage. Verlag Wiljo Heinen, Berlin und Böklund 2019, ISBN 978-3-95514-038-0.
  • Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung Deutschlands. 3. Auflage. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-88012-532-5.
  • Kunst und Proletariat. 2. Auflage. Dietz-Verlag, Berlin 1979.
  • Für die Sowjetmacht: Artikel, Reden und Briefe; 1917–1933. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-88012-494-9.
  • Revolutionäre Bildungspolitik und marxistische Pädagogik. Ausgewählte Reden und Schriften. Verlag Volk und Wissen, Berlin 1983.
  • Erinnerungen an Lenin. Mit einem Anhang. Aus dem Briefwechsel Clara Zetkins mit W. I. Lenin und N. K. Krupskaja. Dietz Verlag, Berlin 1957.

Literatur

Biographien

  • Tânia Puschnerat: Clara Zetkin. Bürgerlichkeit und Marxismus. Eine Biographie. Klartext-Verlagsgesellschaft, Essen 2003, ISBN 3-89861-200-7 (Biografie).
  • Florence Hervé (Hrsg.): Clara Zetkin oder: Dort kämpfen, wo das Leben ist. Karl Dietz Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-320-02096-5.
  • Gilbert Badia: Clara Zetkin. Eine neue Biographie. Dietz Verlag, Berlin 1994.
  • Clara Zetkin. Ein Sammelband zum Gedächtnis der großen Kämpferin. Moskau/ Leningrad 1934.
  • Luise Dornemann: Clara Zetkin. Leben und Wirken, 9., überarb. Aufl., Dietz Verlag, Berlin 1989 (zuerst 1957).
  • Zetkin, Clara. In: Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarb. und stark erw. Auflage. Karl Dietz Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02130-6.
Aufsätze, Artikel und Quellen
  • Ulla Plener (Hrsg.): Clara Zetkin in ihrer Zeit – neue Fakten, Erkenntnisse, Wertungen. (= Manuskripte. Band 76). Karl Dietz Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02160-3, rosalux.de (PDF)
  • Gisela Notz: Clara Zetkin und die internationale sozialistische Frauenbewegung. In: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft III/2007.
  • Marta Globig, H. Karl: Zetkin, Clara Josephine geb. Eißner. In: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Biographisches Lexikon. Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 497–501.
  • Ina Hochreuther: Frauen im Parlament. Südwestdeutsche Abgeordnete seit 1919. Im Auftrag des Landtags herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung. Theiss-Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 3-8062-1012-8.
  • Jens Becker: Zetkin, Clara Josephine geb. Eißner. In: Manfred Asendorf, Rolf von Bokel (Hrsg.): Demokratische Wege. Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten. J. B. Metzler, Stuttgart/ Weimar 1997, ISBN 3-476-01244-1, S. 706–708.
  • Martin Grass: Briefe Clara Zetkins in Archiv und Bibliothek der Arbeiterbewegung in Stockholm. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft III/2011.
  • Setsu Ito: Clara Zetkin in ihrer Zeit – für eine historisch zutreffende Einschätzung ihrer Frauenemanzipationstheorie. In: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft III/2007.

Fernsehdokumentation

Commons: Clara Zetkin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Clara Zetkin – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Clara Zetkin in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
  2. a b Hoppe, Bert: In Stalins Gefolgschaft. Moskau und die KPD 1928-1933. München 2007, S. 58.
  3. Müller, Reinhard: "Freunde der Sowjetunion". Freiwillige Blindheit und organisierte Verblendung. In: Haarmann,Hermann/Hartmann, Anne (Hrsg.): "Auf nach Moskau!" Reiseberichte aus dem Exil. Baden-Baden 2018, S. 189–217, hier S. 194 f.
  4. Haferkorn, Katja: Clara Zetkin. Für die Sowjetmacht. Artikel, Reden und Briefe 1917-1933. Dietz, Frankfurt a. M. 1977, S. 386 f.
  5. Webseite der Stadtverwaltung Zschopau - Zeittafel, abgerufen am 19. November 2017.
  6. Ernst Schattner (1879–1944) ist der Stiefsohn von Eduard Bernstein. Siehe Marx-Engels-Jahrbuch 2004, S. 194.
  7. Zusammenfassung des Zetkin-Beitrags auf dem Internationalen Sozialistenkongress 1889 (Protokoll des Internationalen Arbeiter-Congresses zu Paris. Abgehalten vom 14. bis 20. Juli 1889, Nürnberg 1890, S. 80–85. Clara Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Band I, Berlin 1957, S. 3–11.) Auf marxists.org.
  8. Die Kriegsbriefe von Clara Zetkin, Sybille Fuchs, 30. September 2016, In: World Socialist Web Site, https://www.wsws.org/de/articles/2016/12/30/zet1-d30.html
  9. Hannes Obermair, Carla Giacomozzi: Clara Zetkin gesucht! In: Stadtarchiv Bozen (Hrsg.): Das Exponat des Monats des Stadtarchivs Bozen. Nr. 43, Juli 2015 (gemeinde.bozen.it (PDF) [abgerufen am 15. November 2015]).
  10. Die Kriegsbriefe von Clara Zetkin, Sybille Fuchs, 30. September 2016. In: World Socialist Web Site, https://www.wsws.org/de/articles/2016/12/30/zet1-d30.html
  11. Text der Rede. auf marxists.org
  12. Anette Schneider: Für Frieden und Sozialismus gekämpft. In: Kalenderblatt (Rundfunksendung auf DLF). 26. März 2015, abgerufen am 26. März 2015.
  13. kunst-und-kultur.de
  14. Clara-Zetkin-Preis. Abgerufen am 13. Dezember 2018.
  15. LINKE vergibt erstmalig den Clara-Zetkin-Frauenpreis. die-linke.de, 12. März 2011, abgerufen am 21. März 2011.
  16. Brief Gregor Gysis an Dr. Norbert Lammert (Memento vom 2. Dezember 2013 im Internet Archive) (PDF), abgerufen am 8. Mai 2018.

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