Nebennierenrindenkarzinom

Klassifikation nach ICD-10
C74Bösartige Neubildung der Nebenniere
C74.0Nebennierenrinde
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Nebennierenrindenkarzinom ist ein von der Nebennierenrinde ausgehender seltener Tumor. Es kann alle 3 Schichten der Nebennierenrinde betreffen.[1] Da es sich bei der Nebenniere um Drüsengewebe handelt, beschäftigt sich federführend das medizinische Fachgebiet der Endokrinologie mit dem Nebennierenrindenkarzinom.

Symptome

Ein Karzinom der Nebennierenrinde geht meistens mit einer erhöhten Hormonproduktion einher, weshalb Hyperaldosteronismus (durch eine vermehrte Bildung von Aldosteron), Cushing-Syndrom (durch die vermehrte Bildung von Cortisol) und Virilisierung (durch die vermehrte Bildung von Androgenen) typisch sind. Auch andere unspezifische Symptome wie z. B. Abdominalschmerzen, Gewichtsverlust und Müdigkeit können auftreten.[1]

Diagnose

Der Hormonspiegel von Östrogen, Aldosteron, Cortisol sowie die Erhöhung von Androgene werden untersucht. Mittels MRT oder CT werden Größe, Ausdehnung und Gewicht des Tumors beurteilt. Bei der Entdeckung ist der Tumor meist bereits größer als 8 cm im Durchmesser.[1]

Therapie

Die radikale Adrenalektomie ist die einzige kurative Therapie.[1] Voraussetzung ist Freiheit von Fernmetastasen. Infiltrierte Nachbargewebe werden mitentfernt.

Weiterhin wird eine radikale regionäre Lymphadenektomie mit Entfernung des retroperitonealen Fettgewebes zwischen Zwerchfell und Nierenstiel durchgeführt. Zwischen Aorta und Vena cava inferior gelegene Lymphknoten werden ebenfalls reseziert. Der Zugang erfolgt aus Gründen der Übersichtlichkeit thorakoabdominal.

Das nichtoperable Nebennierenrindenkarzinom kann mit Mitotan, einem Zytostatikum, das selektiv die Zellteilung in der Nebennierenrinde hemmt, behandelt werden.

Die Prognose ist insgesamt schlecht, das Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie unbefriedigend.[1]

Kinder mit Nebennierenrindenkarzinom

Allgemeine Informationen

Bei Kindern ist ein Nebennierenkarzinom äußerst selten (pro Jahr ca. 0,2 bis 0,3 Fälle auf 1 Mio.).[2] Die Prognose ist schlecht. Es gibt derzeit keine etablierten Standards zu Diagnostik und Therapie.[3] Daher wurde bei ENSAT die Studiengruppe "ENSAT kids" für Kinder mit Nebennierenrindenkarzinom eingerichtet. Während bei Erwachsenen nur ein Teil der Nebennierenridenkarzinome hormonaktiv ist, sind bei betroffenen Kindern fast alle diese Karzinome hormonaktiv. Dabei tritt meist das Cushing-Sydrom, eine vorzeitige Geschlechtsentwicklung Pubertas praecox oder Virilisierung auf. Wie bei der Therapie erwachsener Patienten wird der Tumor chirurgisch komplett entfernt. Liegt ein fortgeschrittenes Stadium vor, werden auch bei Kindern zusätzlich Lymphknoten entfernt und eine Chemo- und Mitotan-Therapie durchgeführt.

Stand der Forschung

Der aktuelle Stand der Forschung wird als unzureichend angesehen. Die wenigen verfügbare Vergleiche zwischen den Nebennierenrindenkarzinomen von Erwachsenen und Kindern weisen auf deutliche Unterschiede hin. Daher können Erkenntnisse, die bisher bei Erwachsenen gewonnen wurden, nicht ohne weiteres auf Kinder übertragen werden. Um diese Wissenslücken zu schließen und für Kinder geeignete Therapien festlegen zu können, ist ein besseres molekularbiologisches Verständnis von Prognose und Tumorbiologie der Nebennierentumore bei Kindern erforderlich. "Im Kindesalter ist die Prognose u.a. vom Lebensalter und von bestimmten Hormonkonstellationen beeinflusst. Verläufe unterscheiden sich deutlich von denen erwachsener Patienten, so dass das Wissen aus dem Bereich erwachsener Patienten und die Behandlung an die Gegebenheiten von Kindern angepasst werden muss. Welche Auswirkungen die Therapie, insbesondere Mitotan, auf die Pubertät und die neurokognitive Entwicklung, sowie das spätere Leben der betroffenen Patienten bedeutet, ist unklar."[4]

Was ist bisher bekannt?

Etwa 70% der Betroffenen sind weiblich. Davon sind ca. 90% hormonaktive Karzinome.

  • 50% Androgene
  • 30% gemischt
  • 10% Steroide
  • 10% hormoninkativ

Die mittlere Zeit vom Beginn der Symptome bis zur Diagnose beträgt sechs Monate. Etwa 70% der Tumore sind komplett operabel.

Forschungsfragen

Aktuell bestehen im Wesentlichen folgende Forschungsfragen:

  1. Klinisch: Statuserhebung von Diagnostik und Therapie international mit dem Ziel der Verbesserung des klinischen Verständnisses und der Behandlungsabläufe.
  2. Klinisch-translational (Translationale Medizin): Analyse der Wertigkeit von Profilen von Plasma und Urinsteroiden / Liquid Biopsy („Flüssigbiopsie“) mit dem Ziel geeignete Tumormarker aufzuspüren.
  3. Experimentell: Identifikation immunhistochemischer Charakteristika, DNA-Sequenzierung mit dem Ziel der Identifikation von drugable targets, also Zielen für die medikamentöse Bekämpfung von Tumorzellen. Dadurch sollen gesunde Zellen vom Medikament möglichst verschont bleiben.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c d e W. Siegenthaler: Klinische Pathophysiologie. Thieme Verlag, 2006, ISBN 3-13-449609-7, S. 343–344, books.google.de
  2. Pädiatrische Nebennierenkarzinome, https://www.ukw.de/kinderklinik/forschung/nebennierenkarzinome/ [abgerufen am 13. Juli 2024]
  3. Maria Riedmeier, Boris Decarolis, Imme Haubitz, Sophie Müller, Konstantin Uttinger, Kevin Börner, Joachim Reibetanz, Armin Wiegering, Christoph Härtel, Paul-Gerhardt Schlegel, Martin Fassnacht and Verena Wiegering: Adrenocortical Carcinoma in Childhood: A Systematic Review. In: MDPI Cancers 2021, 13(21), published: 20 October 2021. 5266. https://www.doi.org//10.3390/cancers13215266 [abgerufen am 15. Juli 2024]
  4. Prof. Dr. med. Verena Wiegering, Oberärztin an der Kinderklinik und Poliklinik (Schwerpunkt Kinder-Hämatologie und -Onkologie) der Universitätsklinik Würzburg; Antwort auf Fragestellung bzgl. der Besonderheiten von Kindern mit Nebennierenrindenkarzinom, [per E-Mail vom 15. Juli 2024, 07:25]