„Rote Hilfe (Verein)“ – Versionsunterschied

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Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Halina Wawzyniak, Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/132
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Die '''Rote Hilfe e. V.''' (abgekürzt ''RH'') ist eine Organisation zur Unterstützung [[Politische Linke|linker]] [[Aktivist]]en, die auf Grund ihrer politischen Aktivität mit deutschen [[Organ (Recht)|Rechtsorganen]] in Konflikt geraten sind. Ziel der Organisation ist es, gewaltbereite Linke in ihrem Kampf gegen die [[Freiheitliche demokratische Grundordnung|bestehende Ordnung]] zu unterstützen und zu stärken. Die Organisation hat bundesweit etwa 6100 Mitglieder in 40 Orts- und Regionalgruppen sowie eine Bundesgeschäftsstelle in [[Göttingen]].
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Durch die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern wird die Rote Hilfe als [[Linksextremismus|linksextremistische]] Organisation eingeordnet.
Durch die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern wird die Rote Hilfe als [[Linksextremismus|linksextremistische]] Organisation eingeordnet.
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Der Verfassungsschutz von [[Nordrhein-Westfalen]] ordnet die Rote Hilfe als linksextremistische Organisation ein, die [[Verfassungsfeindlichkeit|verfassungsfeindliche]] Bestrebungen verfolgt. Die Rote Hilfe sehe sich selbst verharmlosend als eine „parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“. Die Rote Hilfe unterstütze Personen und Organisationen aus dem „linken“ Spektrum, wenn und soweit sie im „gemeinschaftlichen Kampf“ gegen die [[freiheitliche demokratische Grundordnung]] mit dem Gesetz in Konflikt geraten seien. Dabei identifiziere sie sich nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern auch mit deren Durchsetzung mittels Ausübung von Gewalt auch gegen Personen. Im Rahmen ihrer „Antirepressionsarbeit“ nutze sie jede Gelegenheit, das deutsche Rechtssystem als Instrument der „politischen Unterdrückung“ und der „Gesinnungsjustiz“ zu diskreditieren. In dem Sinne stelle sie polizeiliches Handeln und gerichtliche Entscheidungen als willkürlich, grund- und menschenrechtswidrig oder als Aufhebung der Gewaltenteilung dar. Zugleich werte sie die gegen die bestehende Ordnung gerichteten strafbaren Handlungen als Ausdruck „demokratischen“ Widerstands. <ref>http://www.mik.nrw.de/verfassungsschutz/linksextremismus/organisationen-und-netzwerke/rote-hilfe.html</ref>
Der Verfassungsschutz von [[Nordrhein-Westfalen]] ordnet die Rote Hilfe als linksextremistische Organisation ein, die [[Verfassungsfeindlichkeit|verfassungsfeindliche]] Bestrebungen verfolgt. Die Rote Hilfe sehe sich selbst verharmlosend als eine „parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“. Die Rote Hilfe unterstütze Personen und Organisationen aus dem „linken“ Spektrum, wenn und soweit sie im „gemeinschaftlichen Kampf“ gegen die [[freiheitliche demokratische Grundordnung]] mit dem Gesetz in Konflikt geraten seien. Dabei identifiziere sie sich nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern auch mit deren Durchsetzung mittels Ausübung von Gewalt auch gegen Personen. Im Rahmen ihrer „Antirepressionsarbeit“ nutze sie jede Gelegenheit, das deutsche Rechtssystem als Instrument der „politischen Unterdrückung“ und der „Gesinnungsjustiz“ zu diskreditieren. In dem Sinne stelle sie polizeiliches Handeln und gerichtliche Entscheidungen als willkürlich, grund- und menschenrechtswidrig oder als Aufhebung der Gewaltenteilung dar. Zugleich werte sie die gegen die bestehende Ordnung gerichteten strafbaren Handlungen als Ausdruck „demokratischen“ Widerstands. <ref>http://www.mik.nrw.de/verfassungsschutz/linksextremismus/organisationen-und-netzwerke/rote-hilfe.html</ref>


=== Bundesregierung und Brandenburgische Landesregierung ===
=== Frühere Bundesregierung und Brandenburgische Landesregierung ===
Die Bundesregierung schrieb 2010 in ihrer Antwort auf eine [[Kleine Anfrage]] der [[Die Linke|Linken]] im Bundestag: ''„Die Gefangenenhilfsorganisation ‚Rote Hilfe e. V.‘ (RH) ist keine humanitäre, auf die Resozialisierung von Straftätern ausgerichtete Solidaritätsorganisation. Ihr Ziel ist es vielmehr, gewaltbereite ‚Linke‘ in ihrem Kampf gegen die bestehende Ordnung zu stützen und zu stärken. Dabei identifiziert sich die RH nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern auch mit deren Durchsetzung mittels Ausübung von Gewalt auch gegen Personen.“'' Die „Rote Hilfe“ bekenne sich „ohne jede Einschränkung zu ihrer kommunistischen Tradition“.<ref name="BR2010">Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Halina Wawzyniak, Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/1327 [http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/014/1701484.pdf (PDF; 117&nbsp;kB)].</ref>
Die Bundesregierung schrieb 2010 in ihrer Antwort auf eine [[Kleine Anfrage]] der [[Die Linke|Linken]] im Bundestag: ''„Die Gefangenenhilfsorganisation ‚Rote Hilfe e. V.‘ (RH) ist keine humanitäre, auf die Resozialisierung von Straftätern ausgerichtete Solidaritätsorganisation. Ihr Ziel ist es vielmehr, gewaltbereite ‚Linke‘ in ihrem Kampf gegen die bestehende Ordnung zu stützen und zu stärken. Dabei identifiziert sich die RH nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern auch mit deren Durchsetzung mittels Ausübung von Gewalt auch gegen Personen.“'' Die „Rote Hilfe“ bekenne sich „ohne jede Einschränkung zu ihrer kommunistischen Tradition“.<ref name="BR2010">Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Halina Wawzyniak, Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/1327 [http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/014/1701484.pdf (PDF; 117&nbsp;kB)].</ref>



Version vom 20. August 2015, 12:25 Uhr

Rote Hilfe e.V.
(RH)
Zweck: Solidaritätsorganisation zur Unterstützung linker Aktivisten
Gründungsdatum: 1975[1]
Mitgliederzahl: 6100
Sitz: Göttingen
Website: http://www.rote-hilfe.de/

Die Rote Hilfe e. V. (abgekürzt RH) ist eine Organisation zur Unterstützung linker Aktivisten, die auf Grund ihrer politischen Aktivität mit deutschen Rechtsorganen in Konflikt geraten sind. Die Organisation hat bundesweit etwa 6100 Mitglieder in 40 Orts- und Regionalgruppen sowie eine Bundesgeschäftsstelle in Göttingen.

Durch die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern wird die Rote Hilfe als linksextremistische Organisation eingeordnet.

Eigendarstellung

Die Rote Hilfe formuliert ihre Ziele so:[2]

  1. Wir bereiten zusammen mit den Angeklagten den Prozeß vor und machen besonders seinen politischen Hintergrund in der Öffentlichkeit bekannt.
  2. Wir sorgen durch Solidaritätsveranstaltungen, Spendensammlungen und Zuschüsse aus den Beitragsgeldern dafür, daß die finanziellen Belastungen von vielen gemeinsam getragen werden. Besonders Anwalts- und Gerichtskosten können teilweise oder ganz übernommen werden, aber auch Zahlungen zum Lebensunterhalt geleistet werden, wenn hohe Geldstrafen, Verlust des Arbeitsplatzes oder Gefangenschaft die Betroffenen oder ihre Familien in Schwierigkeiten gebracht haben.
  3. Zu politischen Gefangenen halten wir persönlichen Kontakt und treten dafür ein, daß die Haftbedingungen verbessert, insbesondere Isolationshaft aufgehoben wird; wir fordern ihre Freilassung.
  4. Die Rote Hilfe organisiert nach ihren Möglichkeiten die Solidarität für alle, unabhängig von Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist z.B. das Eintreten für die Ziele der ArbeiterInnenbewegung, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische oder gewerkschaftliche Kampf und der Kampf gegen die Kriegsgefahr.

Geschichte

Vorgeschichte

In der Weimarer Zeit gab es, bis zu ihrem Verbot, die Rote Hilfe Deutschlands. Ausgehend von den seit 1968 entstandenen Rechtshilfe- und Gefangenenhilfe-Gruppen der außerparlamentarischen Opposition (wie die Republikanische Hilfe in Frankfurt am Main) gründeten sich ab 1970 in verschiedenen westdeutschen Städten autonome Rote-Hilfe-Gruppen, die erste 1970 im Westteil Berlins, weitere in Frankfurt, Hamburg und München. Die zunächst durch die Rote Hilfe Westberlin herausgegebene Zeitung „Rote Hilfe. Nachrichten & Mitteilungen“ wurde ab dem Herbst 1972 mit der Nummer 14 überregional abwechselnd von den Roten Hilfen Frankfurt, Hamburg, München und Westberlin publiziert.

Neben einer Abspaltung der Schwarze-Hilfe-Gruppen, die als Schwerpunkt ihrer Arbeit nicht die Betreuung der politischen Gefangenen, sondern aller Gefangenen ansahen, wurde 1970 von der KPD/AO eine Rote Hilfe e. V. gegründet, die zentral organisiert und in Landesverbände gegliedert war (nicht zu verwechseln mit der heutigen RH e. V.). Diese Rote Hilfe e. V. löste sich 1979 auf.

Rote Hilfe e. V. seit 1975

Von ihrem eigentlichen Anliegen, Aktivisten der APO zu unterstützen, die mit Polizei und Justiz in Konflikt geraten waren, hatten sich die Roten Hilfen nach und nach entfernt. Zu den Schwerpunkten der Rote-Hilfe-Aktivitäten gehörten seit 1970 sowohl die Vorbereitung der Prozesse, als auch das Engagement für verbesserte Haftbedingungen der inhaftierten Mitglieder von Terrorgruppen, wie der RAF oder der Bewegung 2. Juni. Die unkritische Haltung der Roten Hilfen gegenüber Behauptungen, welche inhaftierte RAF-Mitglieder über ihre Haftbedingungen aufstellten, erregte die Aufmerksamkeit des Bundesverfassungsschutzes.[3]

Ab 1973 entstanden hauptsächlich auf Initiative der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) weitere RH-Gruppen, die dieser Partei nahestanden. Ostern 1974 kam es bei einem gemeinsamen Treffen aller Rote- und Schwarze-Hilfe-Gruppen in Bochum zu einem Bruch aus politischen Gründen, der am 26. Januar 1975 zur Gründung der KPD/ML-nahen Rote Hilfe Deutschlands (RHD) führte. Sie wurde, nachdem sie sich Anfang der 1980er Jahre politisch geöffnet hatte, 1986 in Rote Hilfe e. V. umbenannt.

Seit Mitte der 1980er Jahre ist die Rote Hilfe dezentral organisiert. 1986 beschloss die Bundesdelegiertenkonferenz die Umbenennung von Rote Hilfe Deutschlands (RHD) in Rote Hilfe e. V.[4]

1989 wurde das Thema Abschiebung vermehrt in den Vordergrund gerückt. Anfang der 1990er Jahre griff Rote Hilfe e. V. die Kampagne „Anna und Arthur halten’s Maul“ auf und führte sie im Jahr 2000 unter dem Slogan „Bitte sagen Sie jetzt nichts!“ weiter. Darin werden Beschuldigte in jeglichen Verfahren zur totalen Aussageverweigerung aufgefordert, solange die Folgen der Aussage nicht überschaubar sind.

Hans-Litten-Archiv

Um die Geschichte linker Solidaritätsarbeit zu dokumentieren, wurde im Jahr 2005 - benannt nach dem Anwalt Hans Litten - das Hans-Litten-Archiv gegründet.[5] Grundlage des Archivs ist das Göttinger Rote-Hilfe-Archiv, der Trägerverein Hans-Litten-Archiv e.V. ist als gemeinnütziger Verein eingetragen. Gesammelt werden Materialien der Roten Hilfe und anderer linker Gruppen sowie Dokumente zur Geschichte der politischen Justiz und der Verfolgung von 1918 bis zur Gegenwart.[6][7]

Heutiges Wirkungsfeld

Die Rote Hilfe unterstützt Beschuldigte, Angeklagte und Straftäter aus dem linken Spektrum.[8] Dies geschieht primär durch juristische Unterstützung derjenigen, die bei politischen Aktivitäten verhaftet wurden, die von Strafverfolgung betroffen sind oder gegen die Ermittlungsverfahren anhängig sind. Die Rote Hilfe leistet Unterstützung durch Medienarbeit, Beratung und gemeinsame Vorbereitung von Prozessen, Organisieren von Demonstrationen und bezuschusst vor allem Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten.[9] Die Rote Hilfe hat die Kampagne gegen die Wiedereinführung von Berufsverboten unterstützt, die maßgeblich einen ehemaligen Bundesvorstand betraf. Daneben setzt sich die Rote Hilfe auch gegen das Betätigungsverbot der als verfassungsfeindlich eingestuften kurdischen PKK ein, fordert die Streichung von der EU-Terrorliste und unterstützt deren Rechtshilfefonds Azadi finanziell.[10][11] Ferner unterstützt sie Asylbewerber, denen die Abschiebung droht.

Vor Großdemonstrationen linker Gruppierungen werden sogenannte „Ermittlungsgruppen“ gebildet und Vertreter in die Menschenmenge geschickt, um über Verhaftungen informiert zu sein. In Aktivistenkreisen werden „Notrufnummern“ verteilt, über die Festgenommene juristischen Beistand anfordern können.[12]

Der Verein publiziert die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Die Rote Hilfe, die seit 2010 auch am Kiosk erhältlich ist. Die massenhaft verbreitete Broschüre Was tun wenn’s brennt?, die Namenspate für den gleichnamigen deutschen Film stand (siehe: Was tun, wenn’s brennt?), enthält Empfehlungen für das Verhalten von Betroffenen bei der Festnahme auf Demonstrationen, bei Hausdurchsuchungen oder anderen polizeilichen Maßnahmen.[13]

Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. wurde Mitte Juni 2013 vom Innenausschuss des Thüringer Landtags gebeten, im Rahmen eines offiziellen Anhörungsverfahrens zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Polizeiaufgaben- und Ordnungsbehördengesetzes ein Gutachten anzufertigen.[14][15]

Einstufung als linksextremistisch

Verfassungsschutz

Die Rote Hilfe wurde bereits Anfang der 1970er Jahre in Verfassungsschutzberichten erwähnt. Grund war das Verhältnis zur RAF. Der Verfassungsschutzbericht von 1972 urteilte über die Arbeit der Roten Hilfe: „Die >Rote Hilfe< [...] sucht unter Anhängern der >Neuen Linken< eine stärkere Solidarität mit inhaftierten >Genossen<, insbesondere den Mitgliedern der RAF, zu wecken.“[16] Ab 1974 wurde sie in Verfassungsschutzberichten dem „Vorfeld des Terrorismus“[17] zugerechnet. Im Jahr 1977 wurde die Rote Hilfe zum „Rekrutierungsfeld terroristischer Organisationen“ erklärt[18].

Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Rote Hilfe e. V. weiterhin. Laut Verfassungsschutzbericht von 2012 werde sie „von Linksextremisten unterschiedlicher ideologisch-politischer Ausrichtung getragen“. Ihr Arbeitsschwerpunkt liege in der Unterstützung von Straf- und Gewalttätern aus dem linken Spektrum, die „wegen ihres politischen Engagements zum Ziel staatlicher Repression“ werden. Sie gewähre linken Straftätern finanzielle Beihilfen zu Anwalts- und Prozesskosten sowie Geldstrafen und Geldbußen. Die Rote Hilfe verstehe sich keineswegs als wohltätige Organisation zur Gefangenenunterstützung, sondern als ,Solidaritätsorganisation für die gesamte Linke‘, die ausdrücklich auch politische Hilfe leisten will.“[19] Im Verfassungsschutzbericht von 2010 wurde der Roten Hilfe eine „Affinität zum gewaltbereiten Linksextremismus der RAF-Zeit“ bescheinigt.[1]

Der Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen ordnet die Rote Hilfe als linksextremistische Organisation ein, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Die Rote Hilfe sehe sich selbst verharmlosend als eine „parteiunabhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“. Die Rote Hilfe unterstütze Personen und Organisationen aus dem „linken“ Spektrum, wenn und soweit sie im „gemeinschaftlichen Kampf“ gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mit dem Gesetz in Konflikt geraten seien. Dabei identifiziere sie sich nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern auch mit deren Durchsetzung mittels Ausübung von Gewalt auch gegen Personen. Im Rahmen ihrer „Antirepressionsarbeit“ nutze sie jede Gelegenheit, das deutsche Rechtssystem als Instrument der „politischen Unterdrückung“ und der „Gesinnungsjustiz“ zu diskreditieren. In dem Sinne stelle sie polizeiliches Handeln und gerichtliche Entscheidungen als willkürlich, grund- und menschenrechtswidrig oder als Aufhebung der Gewaltenteilung dar. Zugleich werte sie die gegen die bestehende Ordnung gerichteten strafbaren Handlungen als Ausdruck „demokratischen“ Widerstands. [20]

Frühere Bundesregierung und Brandenburgische Landesregierung

Die Bundesregierung schrieb 2010 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag: „Die Gefangenenhilfsorganisation ‚Rote Hilfe e. V.‘ (RH) ist keine humanitäre, auf die Resozialisierung von Straftätern ausgerichtete Solidaritätsorganisation. Ihr Ziel ist es vielmehr, gewaltbereite ‚Linke‘ in ihrem Kampf gegen die bestehende Ordnung zu stützen und zu stärken. Dabei identifiziert sich die RH nicht nur mit der ideologischen Zielsetzung der linksextremistischen Straftäter, sondern auch mit deren Durchsetzung mittels Ausübung von Gewalt auch gegen Personen.“ Die „Rote Hilfe“ bekenne sich „ohne jede Einschränkung zu ihrer kommunistischen Tradition“.[21]

Brandenburgs Innenminister Ralf Holzschuher erklärte für die Brandenburgische Landesregierung im November 2013: „Das Gefahrenpotenzial der ,Roten Hilfe e. V.’ besteht darin, dass die systematische Verachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auf fruchtbaren Boden fallen könnte“. Der Roten Hilfe komme „eine Scharnierfunktion“ zu, weil sie als einzige linksextreme Organisation auch bei vielen Linksalternativen akzeptiert werde. Die Organisation „pflegt massiv das Feindbild ,Staat’ und zielt mit ihrer Strategie darauf ab, den Staat und seine Institutionen als ,Repressionsapparat’ zu verunglimpfen. […] Sie erweckt bei ihren Mitgliedern ein Gefühl ständiger Überwachung und Repression.“[22]

Medien

Nach Darstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erwarte die Rote Hilfe von den unterstützten Häftlingen „absolute Linientreue“, nämlich dass sie sich nicht von den Taten distanzieren, sich zur politischen Motivation bekennen und keine anderen Personen verraten, auch wenn es sich um schwerste Straftaten handele.[12] Die Rote Hilfe lehne die Hilfe ab oder kürze sie, wenn sich der Inhaftierte von den Taten distanziere, sich bei Polizisten entschuldige oder Reue zeige (z. B. durch Täter-Opfer-Ausgleich).[23][12] So sei zum Beispiel einem linksextremen Gewalttäter, der sich bei einem Polizisten, seinem Opfer, entschuldigt habe, die Prozesskostenhilfe gekürzt worden. In ihrer Mitgliedszeitschrift schrieb der Verein dazu 2010, dass in Fällen, „bei denen es eine Distanzierung von der vorgeworfenen Tat oder eine Entschuldigung bei Polizist/-innen gab, […] in der Regel die Unterstützung abgelehnt oder gekürzt“ werde. Michael Dandl, Bundesvorstand des Vereins, bestätigte, dass dieser einen aktiven Gebrauch des Aussageverweigerungsrechts gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht einfordere.[12]

Von Vertretern des Vereins wurden Gerichte mehrmals als „Klassenjustiz“, als Instrument der „politischen Unterdrückung“ und der „Gesinnungsjustiz“ bezeichnet.[21] Auf der Musik-CD „Rote Hilfe Soli Sampler“, die vom Verein vertrieben wurde, fand sich auch die Liedzeile „Ich scheiß auf Gesetze und will Klassenkampf“.[24]

Wissenschaftliche Einschätzungen

Laut dem Politikwissenschaftler Gereon Flüman ist die Rote Hilfe in ihrem gesamten Duktus darum bemüht, „das gegenwärtige politische System Deutschlands zu delegitimieren, indem sie bei militanten Brandstiftern und Terroristen von ‚politischen Gefangenen‘ spricht und rechtsstaatliche Urteile gegen jene als ‚Repression‘ bezeichnet“.[25]. Nach der Soziologin Veronika Tacke wird durch die semantische Konstruktion einer Betroffenheit der linken Bewegung von „politischer Verfolgung“ durch einen „repressiven Staat“ die selbst eingenommene Distanz zur Gesellschaft zum Ausschluss stilisiert. Die Konstruktion der sozialen Exklusion werde wiederum zur Legitimation des Kampfes gegen die Gesellschaft herangezogen.[26]

Sonstiges

Bekannte Mitglieder und Unterstützer

Einige Abgeordnete der Linkspartei bekannten sich im Dezember 2007 öffentlich zu ihrer Unterstützung der Roten Hilfe. Die Erstunterzeichner des Aufrufs „Für Solidarität eintreten! Wider Repression und Duckmäusertum!“[27] sind die damalige stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei „Die Linke“ Katja Kipping (MdB), Michael Leutert (MdB), Sevim Dağdelen (MdB), Nele Hirsch (MdB), Julia Bonk (MdL Sachsen) und Freya-Maria Klinger (MdL Sachsen).

Die im November 2007 gewählte Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel gehörte der Roten Hilfe an. Aufgrund der Diskussion um diese Mitgliedschaft trat sie im Dezember 2007 aus dem Verein aus.[28] Ebenso wurde 2013 die Mitgliedschaft von Sina Doughan, Sprecherin der Grünen Jugend, bekannt. Auf die politischen Verstrickungen der Roten Hilfe angesprochen, äußerte Doughan, dass sie es „sehr, sehr kritisch“[12] sehe, wenn die Rote Hilfe tatsächlich politisch motivierte Gewalt gutheißen würde. Sie selbst „lehne Gewalt in jeder Form aus tiefer Überzeugung ab“[12].

Oliver Höfinghoff, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die Piratenpartei, geriet im Juni 2013 unter anderem wegen seiner Mitgliedschaft in der Roten Hilfe in die Kritik von SPD, CDU und regionalen Medien.[29]

Die Mitgliedschaft Norbert Müllers, des Vizevorsitzenden der Linken in Brandenburg und Mitglieds des Brandenburgischen Landtags, war Ursache für eine parlamentarische Anfrage der CDU-Opposition, die der Innenminister Ralf Holzschuher im November 2013 beantwortete.[22]

Literatur

Vorgeschichte

  • Nikolaus Brauns: Schafft Rote Hilfe! Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation für politische Gefangene (1919–1938). Zugleich Diss. Univ. München 2002, Pahl-Rugenstein, Berlin 2003, ISBN 3-89144-297-1[31]
  • Sabine Hering, Kurt Schilde (Hrsg.): Die Rote Hilfe. Die Geschichte der internationalen kommunistischen “Wohlfahrtsorganisation“ und ihrer sozialen Aktivitäten in Deutschland (1921 bis 1941). Mit einem Vorwort von Rudolph Bauer. Hrsg. von Sabine Hering und Kurt Schilde. Leske + Budrich, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3634-X.[31]

Selbstdarstellungen

  • Rote Hilfe e. V. (Hrsg.): Vorwärts und nicht vergessen! 70/20 Jahre Rote Hilfe. Die Geschichte der Roten Hilfe von der Weimarer Republik bis zur Wiedergründung in den Siebziger Jahren. Kiel 1996 (1998) Volltext online.
  • Markus Mohr: Genossenschutz. Die Rote Hilfe in Westberlin 1969-71, hrsg. von der Roten Hilfe e.V. und dem Hans-Litten-Archiv e.V., Göttingen 2011

Einzelnachweise

  1. a b Verfassungsschutzbericht 2010 des Bundes (PDF-Datei; 4,14 MB). S. 181f.
  2. Selbstdarstellung der Roten Hilfe
  3. Michael März: Linker Protest nach dem Deutschen Herbst: Eine Geschichte des linken Spektrums im Schatten des 'starken Staates', 1977-1979. transcript, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-8376-2014-6, S. 140. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  4. 70 / 20 Jahre Rote Hilfe, PDF-Broschüre, S. 50, Hans-Litten-Archiv, online
  5. Satzung des Hans-Litten-Archiv e. V., abgerufen am 19. August 2015
  6. Hans-Litten-Archiv, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Infobrief 102, 2009
  7. Sammeln, sortieren, ablegen: Unabhängige Archive und Bewegungsgeschichtsschreibung, Arranca! Nr. 44, August 2011
  8. Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen: Rote Hilfe e. V. (Memento vom 20. Februar 2006 im Internet Archive)
  9. Verfassungsschutzbericht 2004 (Memento vom 10. Februar 2006 im Internet Archive), Seite 167: Unter dem Motto „Gegen die Wiedereinführung der Berufsverbotspraxis! Alle Formen staatlicher Repression bekämpfen!“ rief die RH zu einer Großdemonstration am 23. Oktober in Heidelberg auf
  10. Landesamt für Verfassungsschutz: Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und ihrer Nachfolgeorganisation
  11. Verfassungsschutzbericht 2004 (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive), Seite 166: „Die regelmäßige finanzielle Unterstützung an die Gruppe der ‚Angehörigen und Freunde der politischen Gefangenen‘ sowie von ‚Azadi‘, dem separaten Rechtshilfefonds zu Gunsten von Kurden, die in Deutschland wegen Betätigung für die ‚Arbeiterpartei Kurdistans‘ (PKK) bzw. den ‚Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans‘ (KADEK) oder den „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA GEL) vermeintlich politisch verfolgt werden, wurde aufgestockt.“
  12. a b c d e f Justus Bender: Vorwürfe gegen Jungpolitikerin: Dasselbe in grün. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 13. April 2013, S. 4, abgerufen am 2. Mai 2014.
  13. Rote Hilfe e. V.: Was tun wenn’s brennt?, Göttingen 2011 (Download).
  14. CDU sieht rot bei Roter Hilfe. In: Neues Deutschland, 28. November 2013.
  15. Stellungnahme der Roten Hilfe e. V. zum Anhörungsverfahren zum Polizeigesetz Thüringen
  16. Verfassungsschutzbericht 1972, S. 61
  17. Verfassungsschutzbericht 1976, S. 126
  18. Verfassungsschutzbericht 1977, S. 122
  19. Verfassungsschutzbericht 2012. Bundesministerium des Innern, , S. 217 ff., abgerufen am 2. Mai 2014 (ISSN: 0177-0357).
  20. http://www.mik.nrw.de/verfassungsschutz/linksextremismus/organisationen-und-netzwerke/rote-hilfe.html
  21. a b Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Halina Wawzyniak, Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/1327 (PDF; 117 kB).
  22. a b Thorsten Metzner: Abgeordneter der Linken in „Roter Hilfe“
  23. Quartalszeitung Die Rote Hilfe; zum Beispiel Ausgabe 2/2012 S. 6 f. sowie Ausgabe 4/2011 S. 7 (Download).
  24. Jan Bielicki: Rote Hilfe – Bundeschefin der Grünen Jugend ist Mitglied in linksextremer Gruppe. In: Süddeutsche Zeitung. 16. April 2013, archiviert vom Original am 29. April 2013; abgerufen am 2. Mai 2014.
  25. Gereon Flümann: Streitbare Demokratie in Deutschland und den Vereinigten Staaten. Der staatliche Umgang mit nichtgewalttätigem politischem Extremismus im Vergleich, Diss. Univ. Bonn, Springer VS, Wiesbaden 2015, 978-3-658-08313-7, S. 83.
  26. Veronika Tacke: Funktionale Differenzierung als Schema der Beobachtung von Organisationen. Zum theoretischen Problem und empirischen Wert von Organisationstypologien, in: Dieselbe: Organisation und gesellschaftliche Differenzierung. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2001, S. 162 ff. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  27. Solidarität muss organisiert werden! vom 18. Dezember 2007.
  28. Linksextremismus-Vorwurf: Neue Juso-Chefin verlässt „Rote Hilfe“. In: Die Welt. 1. Dezember 2007, abgerufen am 2. Mai 2014.
  29. Karin Christmann und Tanja Buntrock: Pirat Christopher Lauer gibt Fraktionsvorsitz auf. In: Der Tagesspiegel. 10. Juni 2013, abgerufen am 2. Mai 2014.
  30. Rezension: Peter Nowak: Die Rote Hilfe in der BRD, SoZ August 2015.
  31. a b IWK 1/2004, Rezension von Albrecht Götz von Olenhusen und Jens David Runge, in: Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 1/2004