Sexualreform

Sexualreform bezeichnet politische und erzieherische Bemühungen zur Überwindung oder Veränderung einer überkommenen, als repressiv empfundenen Sexualmoral. Historisch standen diese Bewegung in engem Zusammenhang mit der intellektuellen Bewegung der Aufklärung seit dem 17. Jahrhundert – bis heute wird das Wort „Aufklärung“ umgangssprachlich für elementare Sexualerziehung benutzt.

Die Sexualreform wurde seit dem 19. Jahrhundert organisiert vertreten von bürgerlichen Organisationen wie dem Bund für Mutterschutz und Sexualreform, aber auch von der sozialistischen Arbeiterbewegung. Als Teil einer Reihe von Lebensreform-Bewegungen bekam auch die Sexualreform Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland neuen Schwung und war eng verbunden mit der ersten Welle der Frauenbewegung sowie der entstehenden Bewegung zur Entkriminalisierung von Homosexualität, wie sie etwa von Magnus Hirschfeld vertreten wurde.

Die Sexualreform[1] versuchte, ein wissenschaftliches Konzept von Sexualität zu verbreiten und richtete sich insbesondere gegen die repressive, oft gegen die weibliche Sexualität gerichtete Moral der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Innerhalb der Weimarer Republik entstand 1931 eine nennenswerte soziale Bewegung, die sich für legale Abtreibungen aussprach. Kommunisten prägten damals die Parole „Dein Körper gehört dir!“.[2]

Ihre Konzepte werden daher heute noch von beratenden[3] Institutionen zur Förderung von Familienplanung und Gesundheitsaufklärung fortgeführt. Die politischen Kontroversen, die sexualreformerische Konzepte seit dem 19. Jahrhundert auslösten, dauern etwa in der Debatte um Abtreibungsrecht aber auch zu Feminismus oder der Gleichstellung von Homosexuellen bis heute an.

Für besondere Verdienste um die Sexualreform wird jährlich die Magnus-Hirschfeld-Medaille verliehen.

Bekannte Sexualreformer (Auswahl)

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. "The Malthusian League [1877-1927] was the forerunner of many subsequent English pressure groups in the field of sexualreform." (Rosanna Ledbetter: A History of the Malthusian League 1877-1927. In: New Scientist, Ohio State University Press 1977). Die Malthusian League hatte 1919 an den Völkerbund wie folgt gefordert: „Jede Nation, die in den Völkerbund einzutreten wünscht, soll geloben, ihre Geburtenrate so einschränken, daß ihr Volk bequem in seinem eigenen Herrschaftsgebiet leben kann ohne das Bedürfnis territorialer Ausdehnung, und jede Nation soll anerkennen, daß ein Wachstum der Bevölkerung weder die Forderung nach Gebietsvergrößerung, noch die Ausübung des Zwanges auf andere Nationen, ihre Auswanderer aufzunehmen, rechtfertigt.“ (Ursula Ferdinand: Life and Work of the Economist Julius Wolf. In: Das Konstrukt „Bevölkerung“ vor, im und nach dem „Dritten Reich“ [Hg. Mackensen, Reulecke]. Wiesbaden 2005, S. 184).
  2. Eric D. Weitz: Weimar Germany. Promise and Tragedy. Princeton 2007, p. 304.
  3. Ulrich Linse: Sexualreform und Sexualberatung. In: Diethart Kerbs, Jürgen Reulecke (Hrsg.): Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880–1933. Wuppertal 1998, S. 211–226.