Robert Pferdmenges

Robert Pferdmenges als Alterspräsident des Bundestages (1961)

Robert Paul Pferdmenges (* 27. März 1880 in Gladbach, Rheinprovinz; † 28. September 1962 in Köln) war ein deutscher Bankier und Politiker (CDU). Er war von 1919 bis 1929 Vorstandsvorsitzender des A. Schaaffhausen’schen Bankvereins in Köln, von 1931 bis 1953 Teilhaber und Geschäftsführer des Bankhauses Sal. Oppenheim, das in der Zeit des Nationalsozialismus und unmittelbaren Nachkriegszeit von 1938 bis 1947 als Bankhaus Pferdmenges & Co. firmierte.

Von 1950 bis zu seinem Tod war Pferdmenges Mitglied des Deutschen Bundestages. Er war ein enger Freund und Berater des Bundeskanzlers Konrad Adenauer.

Familie

Robert Pferdmenges war das zweite von neun Kindern des Textilindustriellen Wilhelm Albert Pferdmenges (1844–1898) und dessen Ehefrau Helene, geb. Croon, (1851–1930). 1909 heiratete er Dora geb. Bresges (1887–1970); aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Heinrich „Heinz“ Pferdmenges (1910–2010) und Ilse Bscher (1919–1992). Der Rennfahrer und Automobilmanager Thomas Bscher ist sein Enkel.

Seine Tante Emma Engels geb. Croon (1834–1916) war verheiratet mit dem Fabrikanten Hermann Engels, dem Bruder des Ökonomen und sozialistischen Gesellschaftstheoretikers Friedrich Engels.[1]

Leben und Beruf

Pferdmenges absolvierte nach dem Schulbesuch und dem Militärdienst beim Leib-Dragoner-Regiment in Darmstadt eine Banklehre bei der Bergisch-Märkischen Bank. Ab 1901 arbeitete er in der Londoner Filiale der Disconto-Gesellschaft, nach einigen Jahren wurde er dort Filialleiter. 1913 wechselte er beim selben Bankinstitut in die Filiale Antwerpen. Kurz darauf wurde er zum Reserveregiment der Darmstädter Leib-Dragoner verpflichtet, wiederum nach Antwerpen abkommandiert zur Zivilverwaltung und kehrte 1919 als Rittmeister nach Köln zurück.[1]

Von 1919 bis 1929 war er Vorstand der A. Schaaffhausen'scher Bankverein Actiengesellschaft in Köln; als Vorstandsvorsitzender war er maßgeblich an der Fusion der Disconto-Gesellschaft mit der Deutschen Bank AG beteiligt und wurde Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank. 1931 wurde Pferdmenges auf Betreiben Reichskanzler Heinrich Brünings stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Dresdner Bank AG und ein Jahr später zudem Mitglied in einer Sachverständigenkommission zur Einrichtung einer staatlichen Bankenaufsicht. 1932 wurde er Mitglied des Generalrats und des Zentralausschusses der Reichsbank, schied jedoch ein Jahr später aus dem Gremium wieder aus.[2] Bereits seit 1921 war er Vorsitzender der Vereinigung der Banken und Bankiers in Rheinland und Westfalen; mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 gab er das Amt auf.[1] Zudem war er Mitglied des Deutschen Herrenklubs, einer einflussreichen Vereinigung hochgestellter konservativer Persönlichkeiten in der Weimarer Republik.

1931 wechselte er zum Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie., dessen Teilhaber und persönlich haftender Gesellschafter er bis 1953 war. 1938 stellte die NS-Propaganda die Bank mit einer Zeitungskampagne vor die Wahl, den Namen Oppenheim aufzugeben oder enteignet zu werden. Anfang 1938 wurde der politische und geschäftliche Druck während der Arisierung so stark, dass man sich entschloss, am 20. Mai 1938 eine Firmenänderung in „Bankhaus Pferdmenges & Co.“ durchzuführen.[3] Die Bank teilte im Mai 1938 ihren Kunden mit, dass „wir unsere seit 1789 bestehende Firma fortan unverändert unter dem Namen Bankhaus Pferdmenges & Co führen werden“.[4] Robert Pferdmenges steuerte die Bank durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges. Waldemar und Friedrich Carl von Oppenheim blieben Haupteigentümer und formal Mitgeschäftsführer. Sie traten aber nicht mehr nach außen hin in Erscheinung.[5] Zwischen 1938 und 1947 diente Pferdmenges als Platzhalter für die Eigentümer jüdischer Herkunft, die Bank firmierte als Robert Pferdmenges & Co. und konnte so treuhänderisch die Geschäfte des Bankhauses für die Eigentümerfamilie über die nationalsozialistische Zeit fortführen und 1947 unter der eigentlichen Firmierung wieder platzieren.

1954 schied Pferdmenges aus dem aktiven Geschäftsleben bei Sal. Oppenheim aus.[2] Bei Pferdmenges Ausscheiden als Kommanditist bei dem Bankhaus Oppenheim lagen alle Kommanditistenanteile bei 10 Gesellschaftern um Gräfin Emmy Arco-Valley (geb. Freiin von Oppenheim), Victoria von Frankenberg-Ludwigsdorf (geb. Freiin von Oppenheim - verstarb im selben Jahr - ihre Tochter Alix-May Gräfin von Faber-Castell beerbte sie), Dr. Stanislaus Graf Strachwitz, Karin Baronin von Ullmann (geb. Freiin von Oppenheim), Ingrid Freiin von Oppenheim, Friedrich Carl Freiherr von Oppenheim, Wolf Graf von Bredow, Clemens Carl Freiherr von Wrede, sowie bei den Nachkommen von Robert Pferdmenges, Heinz Pferdmenges und Ilse Bscher.[6] Georg Baron von Ullmann, der 1953 Karin Freiin von Oppenheim geheiratet hatte, wurde nach 1954 neuer Teilhaber und blieb dies bis zu seinem Tod im Jahr 1972.[7]

Pferdmenges gehörte in der Zeit des Nationalsozialismus einer Vielzahl von Aufsichtsräten anderer Unternehmen an, teilweise als Aufsichtsratsvorsitzender. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er im Rahmen der Aktion Gitter von der Gestapo in den Berliner Gefängnissen an der Lehrter und Prinz-Albrecht-Straße vorübergehend inhaftiert. Freunde erwirkten über Ernst Kaltenbrunner, den Chef des RSHA, seine Freilassung. Er erhielt jedoch Berufsverbot und wurde auf seinem Gut Lindenberg unter Hausarrest und unter Aufsicht einer SS-Abteilung gestellt.[1]

1946 wurde Pferdmenges von den amerikanischen Besatzungsbehörden zum Präsidenten der Industrie- und Handelskammer in Köln gewählt, bald darauf aber von der britischen Besatzungsmacht, die ihm vorübergehend jede Tätigkeit in öffentlichen Ämtern untersagte, abgesetzt. 1947 wurde er vollständig rehabilitiert.[1] Von 1948 bis 1951 leitete er gemeinsam mit Hermann Josef Abs für Friedrich Flick treuhänderisch den Flick-Konzern. Von 1951 bis 1960 war er Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken.

Robert Pferdmenges war zeitlebens engagierter evangelischer Christ. Er stand der Bekennenden Kirche nahe.[2] Seit 1928 war er Kirchmeister im Presbyterium der evangelischen Gemeinde Köln-Bayenthal und später Mitglied der Provinzialsynode des Rheinlandes.[1] Zudem war er Mitglied des Kronberger Kreises, eines Zirkels evangelischer Führungspersönlichkeiten sowie Vorsitzender des Aufsichtsrates im evangelischen Krankenhaus Köln-Lindenthal, Vorstandsmitglied des Gesamtverbandes der evangelischen Kirchengemeinden Kölns, Mitglied des Finanzausschusses der evangelischen Kirche im Rheinland, Mitglied des Zentralausschusses für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche und Vorstandsmitglied in der Direktion der Diakonieanstalten.[1]

Pferdmenges war Aufsichtsratsmitglied oder Aufsichtsratsvorsitzender in folgenden Firmen (Stand ab 1954[1]):

  • Aachener und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft, Aachen
  • Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft Berlin
  • Colonia Kölnische Versicherungs AG, Köln
  • Concordia Lebensversicherungs-AG, Köln
  • Demag AG, Duisburg
  • Deutsche Centralbodenkredit AG, Köln
  • Felten & Guilleaume Carlswerk AG, Köln-Mülheim
  • Gladbacher Feuerversicherungs AG, M.-Gladbach
  • Gladbacher Wollindustrie AG, vorm. L. Josten, Mönchengladbach
  • Harpener Bergbau AG, Dortmund
  • Kabelwerk Rheydt AG, Rheydt
  • Klöckner-Werke AG, Köln
  • Kölnische Glas-Versicherungs-AH, Köln
  • Kölnische Rückversicherungs-Gesellschaft, Köln
  • "National" Allgemeine Versicherungs AG, Lübeck
  • Nordstern Allgemeine Versicherungs AG, Köln
  • August-Thyssen-Hütte AG
  • Rheinisch-Westfälische Boden-Credit-Bank, Köln
  • Schoeller'sche Kammgarnspinnerei Eitorf AG, Eitorf (Sieg)
  • Rückversicherungs AG Colonia, Köln
  • Nordstern Rückversicherungs-Aktiengesellschaft
  • Vereinigte Stahlwerke AG, Düsseldorf
  • H. Bahlsens Keksfabrik KG, Hannover
  • Pfeifer & Langen, Zuckerfabrik, Köln-Elsdorf
  • Vereinigte Seidenwebereien GmbH, Krefeld
  • Evangelisches Krankenhaus, Köln-Lindenthal
  • Direktion der Diakonie-Anstalten, Bad Kreuznach

Er war früher Aufsichtsratsmitglied oder Aufsichtsratsvorsitzender in folgenden Firmen (Stand bis 1954[1]):

  • Bergbau AG Ewald – König – Ludwig
  • Deutsche Kabelwerke AG, Rheydt
  • Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Wohnungsbau, Köln
  • Mitteldeutsche Stahlwerke, Berlin
  • Rheinische AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrik, Köln
  • Rheinische Kunstseide AG, Krefeld
  • Köln-Bonner Eisenbahnen AG, Köln
  • AG für Bergbau, Blei- und Zinnfabrikation zu Stolberg und in Westfalen, Aachen
  • Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetriebe, Düsseldorf
  • Gelsenkirchener Bergwerks AG, Essen
  • Rheinische Stahlwerke, Essen
  • Maschinenbau-Unternehmungen AG, Duisburg
  • Vereinigte Westdeutsche Waggonfabriken AG, Köln
  • Stellawerk AG, Homberg am Niederrhein
  • Vigognespinnerei Pferdmenges & Herren AG, Mönchengladbach
  • Vereinigte Spinnereien AG, Rheydt
  • Carl Schmöller & Co. AG, Baumwollspinnerei und -zwirnerei, Rheydt
  • Spinnerei und Weberei AG, Grevenbroich
  • Viersener AG für Spinnerei und Weberei, Viersen
  • Seiden AG, vorm. Gebr. Liebmann und Oehme und M. Borchardt Nachfl., Köln
  • Rheinischer Aktienverein für Zuckerfabrikation, Köln

Partei

Nach Kriegsende 1945 gehörte Pferdmenges, zusammen mit dem befreundeten Konrad Adenauer, zu den Mitbegründern der CDU im Rheinland. Im Oktober 1946 übernahm er gemeinsam mit Johannes Albers die Führung des Programmausschusses des Landesverbandes Rheinland der CDU. Er war Mitgestalter des Ahlener Programms.[2]

1954 beteiligte er sich an der Gründung der Staatsbürgerlichen Vereinigung Köln e.V., deren Ziel es war, Parteispenden für die CDU zu sammeln.

Abgeordneter

Pferdmenges mit Adenauer im Bundestag (1960)

Pferdmenges wurde 1947 Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen und vertrat 1947 bis 1949 die CDU im Frankfurter Wirtschaftsrat der Bizone. Dort war er ab 13. Mai 1948 Vorsitzender des Ausschusses für das Amerika-Geschäft und Mitglied des Vorbereitenden Ausschusses für die Länderunions-Bank, die zu den Beratungen zur Währungsreform beigezogen wurde.[1]

Am 12. Januar 1950 rückte Pferdmenges für den verstorbenen Günther Sewald in den Deutschen Bundestag nach. Er gehörte dann als jeweils über die Landesliste Nordrhein-Westfalen gewählter Abgeordneter dem Parlament bis zu seinem Tod im Jahr 1962 an. Nachdem Pferdmenges bereits nach der Bundestagswahl 1957 nach Konrad Adenauer (CDU) und Marie Elisabeth Lüders (FDP) der drittälteste Abgeordnete des Deutschen Bundestages gewesen war, wurde er nach der Bundestagswahl 1961 Alterspräsident des 4. Bundestages, da Konrad Adenauer wegen seiner Stellung als Bundeskanzler auf diese Würde und die damit verbundene Eröffnung der konstituierenden Sitzung des Parlaments verzichtete. Von 1961 bis zu seinem Tode war er Vorsitzender des Wahlmännerausschusses gemäß § 6 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht.

Zusammen mit Karl Atzenroth (FDP) und Willi Richter (SPD) war Pferdmenges maßgeblich an der Erarbeitung der Mitbestimmungsgesetze (1951: Montanmitbestimmungsgesetz, 1952: Betriebsverfassungsgesetz, 1953: Personalvertretungsgesetz) beteiligt.

Robert Pferdmenges galt als einflussreichster Finanzberater von Konrad Adenauer und blieb bis zu seinem Tod der einzige Duzfreund des Kanzlers, den er seit 1919 kannte und mit dem er seit den 1930er Jahren befreundet war.[2]

Ehrungen und Auszeichnungen

In Mönchengladbach und in Köln wurden Straßen nach ihm benannt.

Schriften

  • Die Aufgaben der Banken bei der gegenwärtigen industriellen Lage. Kölner Verlagsanstalt, Köln 1926.
  • Die deutsche Wirtschaft. Wie sie ist und wie sie sein sollte. DuMont Schauberg, Köln 1931.

Dokumentationen

Literatur

  • Peter Fuchs: Nur wenige Kölner haben Pferdmenges je gesehen. In: Kölner Themen. Greven, Köln 1996, ISBN 3-7743-0292-8.
  • Nikolaus Jakobsen: Robert Pferdmenges. Olzog, München 1957.
  • Christoph Silber-Bonz: Pferdmenges und Adenauer. Bouvier, Bonn 1997, ISBN 978-3-416-02714-4.
  • Gabriele Teichmann: Pferdmenges, Robert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 331 f. (Digitalisat).
  • Wilhelm Treue: Das Schicksal des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie und seine Inhaber im Dritten Reich. Steiner, Wiesbaden 1983.
  • Wilhelm Treue: Robert Pferdmenges (1880–1962). In: Kölner Unternehmer im 19. und 20. Jahrhundert. (Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 13.) Aschendorff, Münster 1986, S. 203–222.
  • Volker Woschnik, Jan Wucherpfenning: Robert Pferdmenges, Bankier in turbulenten Zeiten. In: Zeugen städtischer Vergangenheit. Band 24. Mönchengladbach 2006, ISBN 3-936824-24-X.

Weblinks

Commons: Robert Pferdmenges – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j Pferdmenges: Geld aus dem Fenster, Der Spiegel 5/1954 vom 27. Januar 1954, abgerufen am 26. Dezember 2019
  2. a b c d e Teichmann, Gabriele, "Pferdmenges, Robert" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 331–332, Deutsche Biographie, abgerufen am 26. Dezember 2019
  3. Historisches Seminar der Universität zu Köln: Geschichte in Köln, Band 10, 1984, S. 171.
  4. Jutta Bohnke-Kollwitz: Köln und das rheinische Judentum: Festschrift Germania Judaica, 1959–1984. 1984, S. 155
  5. Manfred Pohl, Sabine Freitag (Hrsg.): Handbook On The History Of European Banks, 1994, S. 454 (books.google.de).
  6. magazin.spiegel.de
  7. Hans Pohl, Thorsten Beckers: Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts. 2008, S. 297.