Otto Fricke (Politiker, 1965)

Otto Fricke (2017)

Otto Fricke (* 21. November 1965 in Krefeld) ist ein deutscher Politiker (FDP). Er ist haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Er gehört dem Deutschen Bundestag seit 2017 wieder an und war zuvor bereits von 2002 bis 2013 Bundestagsabgeordneter. In der Zwischenzeit war er als Lobbyist tätig und unter anderem als leitender Koordinator für die Lobbykampagne des Fahrdienstkonzerns Uber in Deutschland verantwortlich.

Leben und Beruf

Nach dem Abitur 1985 am Gymnasium Fabritianum in Krefeld-Uerdingen leistete Fricke seinen Wehrdienst 1985 bis 1986 in der Luftwaffe ab. Von 1986 bis 1992 studierte er Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Nach dem Referendariat unter anderem bei der FDP-Fraktion NRW legte er 1995 sein zweites juristisches Staatsexamen in Düsseldorf ab. Seit 1995 ist er als Rechtsanwalt zugelassen. Von 1996 bis 2002 war er parlamentarischer Berater für Rechtspolitik und Parlamentsrecht der FDP-Bundestagsfraktion.

Anfang Februar 2014 wurde Fricke Partner im Berliner Büro der Unternehmensberatung „CNC – Communications & Network Consulting AG“,[1] wo er bis zum Beginn der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages tätig war.[2] Seine dortige Lobbying-Tätigkeit für das Unternehmen Uber wurde 2022 durch die Veröffentlichung der Uber Files bekannt.[3] Im Rahmen der zwischen 2013 und 2017 besonders aggressiv betriebenen weltweiten Expansionsstrategie von Uber koordinierte Fricke in unmittelbarer Absprache mit dem Uber-Cheflobbyisten für Europa die Kampagne des Unternehmens in Deutschland, die zeitweise von vier Agenturen parallel geführt wurde, um politische Widerstände und rechtliche Hürden zu überwinden, die der Ausbreitung des kalifornischen Anbieters entgegenstanden. Nach eigenen Angaben will Fricke allerdings nur von September 2014 bis März 2015 für den Konzern tätig gewesen sein. Sein Team soll unter anderem eine fragwürdige Studie in Auftrag gegeben und für einen Zeitungsartikel bezahlt haben.[4] Fricke persönlich bot an, zum Vorteil von Uber den damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zu kontaktieren, traf Parlamentarische Staatssekretäre verschiedener Ministerien, einen Abteilungsleiter im Bundesverkehrsministerium und sprach mit Jens Spahn.[3]

Partei

Seit 1989 ist Fricke Mitglied der FDP.[5] Von 1996 bis 1998 und erneut seit 2002 ist er stellvertretender Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Krefeld. Von 2012 bis 2013 war er Bundesschatzmeister seiner Partei. Im Mai 2015 wurde er Landesschatzmeister der FDP Nordrhein-Westfalen.[6] Dieses Amt gab er 2023 an Christoph Dammermann ab. Seit 2015 ist er Beisitzer im Bundesvorstand der Freien Demokraten.[7] Außerdem ist er Schatzmeister in der Vereinigung Liberaler Juristen. Während der Koalitionsverhandlungen zwischen der SPD, den Freien Demokraten und Bündnis 90/Die Grünen war Fricke Hauptverhandler seiner Partei für den Bereich der Kultur- und Medienpolitik, auch den Bereich der Haushalts- und Finanzpolitik hat er für die FDP mitverhandelt.[8]

Abgeordneter

Von 2002 bis 2013 war Fricke Mitglied des Deutschen Bundestages, in den er stets über die Landesliste Nordrhein-Westfalen einzog. Im Bundestag war er von 2005 bis 2009 Vorsitzender des Haushaltsausschusses und eines von zwölf Mitgliedern des Wahlausschusses, der damals die Hälfte der Richter des Bundesverfassungsgerichts noch direkt bestimmte.[9] Am 26. Oktober 2009 wurde Fricke von der Bundestagsfraktion der FDP zu einem von vier Parlamentarischen Geschäftsführern gewählt. Bedingt durch das Scheitern seiner Partei an der Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl 2013 verlor er sein Mandat im Bundestag.

Bei der Bundestagswahl 2017 kandidierte Fricke im Wahlkreis 110 (Krefeld I – Neuss II) und zog über die Landesliste NRW (Listenplatz 7)[10] wieder in den Bundestag ein. Im 19. Deutschen Bundestag war er ordentliches Mitglied im Bundesfinanzierungsgremium und im Haushaltsausschuss und zudem als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien und im Wahlausschuss vertreten.[11]

Im 20. Deutschen Bundestag ist Fricke ordentliches Mitglied im Haushaltsausschuss und im Bundesfinanzierungsgremium sowie im Rechtsausschuss. Zudem ist er Mitglied des Vertrauensgremiums zur Billigung der Haushaltspläne der Nachrichtendienste des Bundes.[12] Des Weiteren ist er stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien. Seit 2022 ist er auch Vorsitzender der deutsch-niederländischen Parlamentariergruppe.[2] Er ist haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion.[3] Nach Hermann Otto Solms’ Ausscheiden aus dem Bundestag zum Ende der 19. Legislaturperiode am 25. Juni 2021 ist Otto Fricke der dienstälteste Abgeordnete seiner Fraktion.

Politische Positionen

Ende Mai 2010 stellte Fricke in seiner Eigenschaft als haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion die von seiner Partei bis dahin befürwortete Steuersenkungspolitik in Frage.[13] Gleichzeitig sagte er, er sehe die kurz zuvor durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz eingeführte Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotels von 19 % auf 7 % auf dem Prüfstand[14] (sogenannte „Mövenpick-Steuer“ nach Parteispenden von Hoteliers aus Bayern an die FDP)[15][16].

Mit der Begründung, eine Senkung der Staatsverschuldung zu erzielen, sprach er sich im Vorfeld der Einführung der Schuldenbremse dafür aus, dass Ausgaben des Staates einschließlich der Sozialleistungen in Abhängigkeit von den Einnahmen automatisch gekürzt werden.[17]

Während der Eurokrise hielt Fricke ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone im Mai 2012 für undramatisch. „Das Gespenst einer ungeordneten Insolvenz hat deswegen seinen Schrecken verloren, weil die Euro-Staaten in den letzten Monaten nichts anderes gemacht haben, als für einen solchen Fall vorzusorgen“, sagte Fricke.[18]

Nachdem das Bundesverfassungsgericht das seit 2015 gesetzlich verankerte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe 2020 für verfassungswidrig erklärt hatte,[19] da es den Sterbewunsch Sterbewilliger zu sehr einschränke, legte Fricke Anfang 2021 gemeinsam mit seiner Fraktionskollegin Katrin Helling-Plahr sowie den Abgeordneten Karl Lauterbach (SPD), Swen Schulz (SPD) und Petra Sitte (Die Linke) einen Gesetzesentwurf zu einem Suizidhilfegesetz vor,[20] der eine ergebnisoffene Pflichtberatung Sterbewilliger durch eine staatlich anerkannte Stelle vorsah. Anschließend sollte es Ärzten erlaubt sein, Sterbewilligen ein Mittel zur Selbsttötung zu verschreiben. In der Bundestagsdebatte über eine Neuregelung der Sterbehilfe im Juni 2023 erhielt allerdings keiner der beiden vorgelegten Gesetzesentwürfe eine Mehrheit, sodass es trotz der rund dreijährigen Vorarbeiten der fraktionsübergreifenden Abgeordnetengruppen beim Status quo blieb. Zu diesem Ende der Debatte sagte Fricke: „Wir reden in Deutschland zu wenig über den Tod.“[21]

Kritik

Frickes Tätigkeit für Uber löste beim Bekanntwerden sehr deutliche Kritik aus. Timo Lange vom Verein Lobby Control hob hervor: „Otto Fricke ist ein Beispiel dafür, wie frühere Spitzenpolitiker eben nicht in ihren erlernten Beruf zurückkehren, sondern ihr politisches Netzwerk zahlungskräftigen Kunden zur Verfügung stellen.“ Der Wirtschaftswissenschaftler und Lobbyismusforscher Andreas Polk bewertet den mehrmaligen Seitenwechsel zwischen Politik und Lobbyismus als zwar nicht illegal, aber sicherlich nicht erwünscht. Abgeordnete wie Fricke wolle man „eigentlich eher nicht“ haben.[3]

Mitgliedschaften, Ehrungen

Fricke ist Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung sowie Mitglied im Stiftungsrat der Leo Baeck Foundation.[22] Seit Januar 2010 ist er Mitglied im Kuratorium von World Vision Deutschland.[23][24]

Für sein großes ehrenamtliches Engagement wurde ihm kurz vor Weihnachten 2020 das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland am Bande verliehen.[25] Außerdem ist er Großoffizier des Ordens von Oranien-Nassau.

Privates

Fricke ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er gehört der Evangelischen Kirche an.[26] Auf einer aufsteigenden Linie von ‚gläubig‘ bis ‚evangelikal‘ sieht sich Fricke „irgendwo am oberen Ende“.[27] Seit seinem Studium gehört er der nichtfarbentragenden und nichtschlagenden Akademischen Verbindung Albingia-Schwarzwald-Zaringia zu Freiburg im Breisgau an. Fricke spricht fließend Niederländisch.[28]

Weblinks

Commons: Otto Fricke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Otto Fricke wechselt vom Bundestag in die Wirtschaft. RP Online, abgerufen am 17. Oktober 2014.
  2. a b Deutscher Bundestag – Otto Fricke. Abgerufen am 20. April 2022.
  3. a b c d Petra Blum, Andreas Braun, Catharina Felke, Benedikt Strunz: Uber Files: Deutsche Lobbyisten im Dienste eines US-Konzerns. In: Tagesschau. 10. Juli 2022, abgerufen am 11. Juli 2022.
  4. Petra Blum, Andreas Braun, Catharina Felke, Benedikt Strunz: Uber Files: Gekaufte Wissenschaft im Sinne des US-Konzerns? In: Tagesschau. 11. Juli 2022, abgerufen am 11. Juli 2022.
  5. Thomas Broich: „Wir brauchen mehr Anreize, keine Verbote“. In: Top-Kurier. Hinweisblatt der Stadt Jüchen. 13. September 2021, abgerufen am 1. Februar 2024 (Gespräch mit Otto Fricke).
  6. Otto Fricke neuer FDP-Schatzmeister in NRW. NRW.jetzt, abgerufen am 19. Januar 2016.
  7. FDP Bundesvorstand. FDP, abgerufen am 19. Januar 2016.
  8. Ampel-Verhandlungsteams im Überblick: Diese Politiker und Politikerinnen verhandeln die Ampelkoalition. Abgerufen am 27. Juni 2023.
  9. Mitglieder des Wahlausschusses. bundestag.de, abgerufen am 26. Mai 2014.
  10. Krefeld: FDP setzt Fricke auf guten Platz für Bundestagswahl. In: Rheinische Post. 21. November 2016, abgerufen am 13. Juli 2022.
  11. Deutscher Bundestag - Webarchiv - Otto Fricke. Abgerufen am 20. April 2022.
  12. Plenarprotokoll 20/17. (PDF) In: Deutscher Bundestag. 17. Februar 2022, abgerufen am 20. März 2022.
  13. Fricke zweifelt an Niedrigsteuersätzen. In: Süddeutsche Zeitung. 31. Mai 2010, abgerufen am 12. Juli 2022.
  14. FDP-Politiker stellt Steuerermäßigung für Hotels infrage. In: Die Zeit, 31. Mai 2010, abgerufen am 12. Juli 2022.
  15. Désirée Linde: Die Gaga-Steuer. In: Handelsblatt, 29. Oktober 2013, abgerufen am 13. Juli 2022.
  16. Martin Greive, Volker Votsmeier: Die Mövenpick-Steuer wackelt. In: Handelsblatt, 22. Mai 2018, abgerufen am 13. Juli 2022.
  17. Ingo Kahle: @1@2Vorlage:Toter Link/www.podcast.deDie Macht der Haushälter (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juli 2022. Suche in Webarchiven). In: inforadio.de, 24. November 2010 (Interview mit Otto Fricke).
  18. Rückkehr zur Drachme? (Memento vom 14. März 2013 im Internet Archive) In: Europe Online Magazine, 10. Mai 2012.
  19. Bundestag startet Debatte: Wie soll die Sterbehilfe in Deutschland künftig geregelt werden? In: Der Tagesspiegel. 18. Mai 2023, abgerufen am 19. Juli 2023.
  20. 30.01.21: Zwei Gesetzentwürfe zur Debatte um Neuregelung der Suizidbeihilfe veröffentlicht. In: sterbehilfe-debatte.de. 29. Januar 2021, abgerufen am 19. Juli 2023.
  21. Fabian Busch: Weiter in der Grauzone: Vorerst keine Regeln für Sterbehilfe-Vereine. In: Web.de. 6. Juli 2023, abgerufen am 19. Juli 2023.
  22. Stiftungsrat | Leo Baeck Foundation. Abgerufen am 21. April 2022.
  23. Erdbeben in Haiti: World Vision setzt Kuratorium ein. Aktion Deutschland Hilft, 28. Januar 2010, abgerufen am 12. Juli 2022.
  24. Kuratoriumsmitglieder | World Vision. Abgerufen am 21. April 2022.
  25. Auszeichnung für Otto Fricke. In: Westdeutsche Zeitung. 12. Januar 2021, abgerufen am 12. Juli 2022.
  26. Lebenslauf Otto Fricke (Memento vom 5. Januar 2012 im Internet Archive), Stand 2010 (PDF).
  27. Mariam Lau: Evangelikale als eine Macht in der deutschen Politik. In: Die Welt. 11. August 2009, abgerufen am 12. Juli 2022.
  28. Chris Kijne: Der Bundescast Deel III. VPRO Bureau Buitenland, 2018, abgerufen am 21. Juli 2022 (niederländisch).