Gerd Ganteför

Gerd Ganteför (* 3. November 1956[1] in Leipzig) ist ein schweizerisch-deutscher Experimentalphysiker und emeritierter Professor an der Universität Konstanz. Er veröffentlichte mehrere populärwissenschaftliche Bücher und betreibt seit 2019 einen YouTube-Kanal.

Leben

Ganteför studierte ab 1977 Physik an der Universität Münster und schloss das Studium 1984 mit einem Diplom in der Astrophysik ab. 1989 wurde er an der Universität Bielefeld promoviert, mit dem Thema Photoemission von Metall- und Van-der-Waals-Clustern. Als Post-Doktorand arbeitete er 1990/1991 beim Ölkonzern Exxon in New Jersey zum Thema Katalyse. Ab 1991 war er am Forschungszentrum Jülich, an dem er 1996 habilitiert wurde. Von 1997 bis 2022 war er Professor an der Universität Konstanz. Von 2008 bis 2011 hatte er eine Forschungsprofessur an der Johns Hopkins University an der Fakultät für Chemie inne. Von 2011 bis 2018 hatte er einen Lehrauftrag für Energie und Klima an der Pädagogischen Hochschule Thurgau.[2]

Sein Forschungsgebiet sind Cluster, das heißt Nanopartikel mit Größen bis hinunter zu einzelnen Atomen, und die Anwendung der Eigenschaften dieser Materie. Sein Forschungsgebiet hat er in dem populärwissenschaftlichen Buch Alles Nano oder was? dargestellt. Dafür erhielt er im Jahr 2014 den Literaturpreis des Fonds der Chemischen Industrie.

Ganteför lebt im schweizerischen Landschlacht und trat 2020 für die (Schweizer) FDP als Kandidat für den Grossen Rat des Kantons Thurgau an.[1]

Haltung zum Klimawandel

Insbesondere zu den Folgen der globalen Erwärmung nahm Ganteför Positionen ein, die von mehreren Fachleuten als klimaskeptisch eingeschätzt wurden.[3][4] In seinem 2010 veröffentlichten, populärwissenschaftlichen Buch Klima – Der Weltuntergang findet nicht statt diskutierte er v. a. den Einfluss des Bevölkerungswachstums auf den Klimawandel. Er forderte, dass der Wohlstand auch die Dritte Welt erreichen müsse, was dann zu einer Abschwächung des Bevölkerungswachstums führen würde. Dies gehe nicht ohne die Bereitstellung fossiler Energie, da diese günstiger als erneuerbare Energien sei. Er erkannte die anthropogenen Ursachen für die Erderwärmung an und erwartete durch den Klimawandel katastrophale Auswirkungen, sieht aber auch Chancen durch eine Erwärmung.[5]

Die Klimawissenschaftler Carl-Friedrich Schleussner und Anders Levermann kritisierten das Buch Mitte Februar 2011 im wissenschaftlichen Blogportal SciLogs. Die Kernthese „mehr Kohlekraftwerke bedeuten billige Energie, bedeutet Wirtschaftswachstum, bedeutet Rückgang der Geburtenrate“ trage der Komplexität gesellschaftlicher Transformationsprozesse nicht ansatzweise Rechnung.[6] Der Politikwissenschaftler Georg Simonis bezeichnete 2017 das Buch als „typisches Beispiel für klimaskeptische Positionen“.[3]

Der Jurist und Nachhaltigkeitsforscher Felix Ekardt zitierte 2021 einen 2010 erschienenen Artikel,[7] in dem Ganteför das Bevölkerungswachstum als dringenderes Problem gegenüber der globalen Erwärmung bezeichnete, als Beispiel für Klimaskeptiker, die den Grad der Unsicherheit in der Klimaforschung übertrieben und die prognostizierten Folgeschäden des Klimawandels untertrieben.[4]

2015 veröffentlichte Ganteför das Buch Wir drehen am Klima – na und?, in dem er die These aufstellte, dass eine Energiewende im Weltmaßstab nicht möglich sei. Als Ausweg empfahl er dort eine direkte Klimakontrolle, die auch unabhängig von der menschengemachten Klimaerwärmung nötig sei (vgl. Geoengineering).[8][9]

Im März 2023, im Vorfeld eines Vortrags in Neuburg, warfen Klimaschutzaktivisten Ganteför Verharmlosung des Klimawandels vor.[10] Der Forscher für erneuerbare Energien Volker Quaschning kritisierte im April 2023 Aussagen Ganteförs zu den Grenzen der Windenergie in Deutschland.[11][12] Ganteför wies diese Kritik zurück.[13]

Schriften (Auswahl)

Bücher

Beiträge

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b KANTON THURGAU / Wahl des Grossen Rates am 15. März 2020. In: wahlen.tg.ch. Abgerufen am 1. November 2020.
  2. Gerd Ganteför: Lebenslauf. In: ggantefoer.com. Abgerufen am 22. April 2023.
  3. a b Georg Simonis: Strukturmerkmale des neuen Politikfeldes. In: Ders. Handbuch globale Klimapolitik. Paderborn 2017, S. 176-210, hier S. 182.
  4. a b Felix Ekardt: Theorie der Nachhaltigkeit. Ethische, rechtliche, politische und transformative Zugänge − am Beispiel von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Welthandel. Nomos Baden-Baden 2021, S. 35.
  5. Wiley-VCH: Literaturfilm Interview – Gerd Ganteför über sein Buch „Klima“ auf YouTube, abgerufen am 22. April 2023.
  6. Carl-Friedrich Schleussner, Anders Levermann: Ganteförs Laienklimatologie. In: Spektrum.de. 15. Februar 2011, abgerufen am 24. April 2023.
  7. Gerd Ganteför: A Provocative Thesis: Crude oil, natural gas, coal and uranium: indispensable energy sources for the least developed countries. In: Analyse & Kritik. Band 1, 2010, S. 5–23.
  8. Wiley-VCH – Wir drehen am Klima – na und? In: wiley-vch.de. Abgerufen am 20. Juni 2023.
  9. Dagmar Röhrlich: „Wir drehen am Klima – na und?“: Forderung nach einem Plan B. In: deutschlandfunk.de. 6. Dezember 2015, abgerufen am 17. Juni 2023.
  10. Andreas Zidar: Verharmlosung des Klimawandels? Aktivisten kritisieren Vortrag in Neuburg. In: augsburger-allgemeine.de. 21. März 2023, abgerufen am 17. Juni 2023.
  11. Volker Quaschning: Hat Deutschland genug Wind für die Energiewende? Prof. Ganteförs Windkraft-Thesen im Faktencheck auf YouTube, 1. April 2023, abgerufen am 21. April 2023.
  12. Grenzen des Wissens: Ist WIND eine unerschöpfliche Energiequelle? #54 Energie und Klima auf YouTube, 3. März 2023, abgerufen am 21. April 2023.
  13. Bin ich ein KLIMASKEPTIKER? (Prof. Quaschning und Wikipedia) | #62 Energie und Klima. In: youtube.com. Abgerufen am 20. Juni 2023.