Wahl des Präsidiums des 16. Deutschen Bundestages

Das Präsidium des 16. Deutschen Bundestages wurde in dessen konstituierender Sitzung am 18. Oktober 2005 und in der 33. Sitzung am 7. April 2006 gewählt. Während die Kandidaten von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit Zweidrittelmehrheiten und darüber hinaus gewählt wurden, verpasste der Kandidat der Linkspartei.PDS, Lothar Bisky, in vier Wahlgängen, darunter einem in der zweiten Sitzung am 8. November 2005, den Einzug ins Präsidium. Am 7. April 2006 wurde schließlich mit der Abgeordneten Petra Pau doch noch eine Vizepräsidentin für die Linksfraktion gewählt.

Wahl des Präsidenten des Bundestages

Zum 12. Präsidenten des Deutschen Bundestages und Nachfolger von Wolfgang Thierse wurde der CDU-Politiker Norbert Lammert gewählt. Von 606 gültigen abgegebenen Stimmen erhielt er 564 Stimmen, 25 Mitglieder des Bundestages stimmen gegen ihn, 17 enthielten sich. Bezogen auf die Gesamtmitgliederzahl von 614 Abgeordneten erhielt Lammert damit 91,9 %. Dies war eines der bisher besten Ergebnisse für einen Bundestagspräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik.

Festlegung der Zahl der Vizepräsidenten

Nach der Übernahme der Geschäftsordnung, die in ihrem § 2 vorsieht, dass jede „Fraktion des Deutschen Bundestages [...] durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten“ ist, beschloss der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von FDP, Linkspartei und Grünen, insgesamt sechs Stellvertreter zu wählen, von denen zwei aus der zweitstärksten Fraktion, in diesem Fall der SPD, kommen sollten.

Wahl der CDU/CSU-, SPD-, FDP- und Grünen-Kandidaten

Die CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt wurde vom Bundestag mit 510 Ja-Stimmen (83,1 %) bei 47 Nein-Stimmen und 47 Enthaltungen zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt. Anschließend wurde der bisherige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) mit nur 417 Stimmen (67,9 %) bei 136 Nein-Stimmen und 52 Enthaltungen zum Stellvertreter Norbert Lammerts gewählt. Die sozialdemokratische Fraktion machte für den relativ hohen Nein-Stimmen-Anteil die Union verantwortlich; einige Fraktionsmitglieder drohten damit, Angela Merkel bei der Wahl zur Bundeskanzlerin mit entsprechend weniger Stimmen zu wählen.

Die Wahl von Susanne Kastner (SPD, 80,8 %), Hermann Otto Solms (FDP, 79,2 %) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne, 78,0 %) verlief unproblematisch.

Eklat um die Wahl von Lothar Bisky

Zu einem Zwischenfall kam es jedoch bei der Wahl des Linkspartei-Chefs Lothar Bisky. Der bisherige Vizepräsident des brandenburgischen Landtags erhielt im ersten Wahlgang nur 225 Stimmen (36,6 %) bei 312 Gegenstimmen und 55 Enthaltungen. Auch im zweiten Wahlgang erhielt er mit 282 Stimmen (45,9 %) nicht die notwendige absolute Mehrheit von 308 Stimmen.

Der Präsident des Bundestages, Norbert Lammert, gab danach bekannt, dass ein solcher Fall in der Geschäftsordnung des Bundestages nicht geregelt sei. Er schlug jedoch vor, dass im dritten Wahlgang die relative Mehrheit genügen sollte, dass Bisky also dann gewählt wäre, wenn er mehr Ja- als Nein-Stimmen erhielte. Gegen vereinzelten Widerspruch einiger Abgeordneter beschloss der Bundestag jedoch diese Lösung.

Während Bisky jedoch im zweiten Wahlgang diese relative Mehrheit erreicht gehabt hätte (282:235), erreichte er sie im dritten Wahlgang nicht, weil nur 248 Abgeordnete für, 258 jedoch gegen ihn stimmten. Der Bundestagspräsident schloss daraufhin die Sitzung, machte jedoch deutlich, dass nach der Geschäftsordnung jede Fraktion Anspruch auf einen Sitz im Präsidium hätte.[1]

Nachgang zur Sitzung

Unmittelbar nach der Sitzung kündigte Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi an, man wolle an Bisky als Vizepräsidentenkandidat festhalten. Aus anderen Fraktionen kamen Stimmen, man habe Bisky unter anderem deswegen nicht gewählt, weil ihm als Parteichef das unparteiische Amt des Bundestagsvizepräsidenten nicht zugetraut werde.

Zweite Sitzung des 16. Deutschen Bundestages

Die Fraktionen vereinbarten im Ältestenrat, dass bei der zweiten Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 8. November 2005 ein vierter Wahlgang über Herrn Bisky stattfinden sollte, bei dem – ähnlich wie beim dritten Wahlgang am 18. Oktober – eine einfache Mehrheit ausgereicht hätte. Er erhielt 249 Stimmen, während 310 Abgeordnete gegen ihn votierten.[2]

Dreiunddreißigste Sitzung des 16. Deutschen Bundestages

Der Bundestag stimmte in seiner 33. Sitzung am 7. April 2006 erneut über einen Vorschlag der Linksfraktion ab. Dabei wählte er die zuvor einstimmig von ihrer Fraktion vorgeschlagene Abgeordnete Petra Pau mit 385 Ja- zu 138 Nein-Stimmen bei 58 Enthaltungen. Damit ist das Präsidium des 16. Deutschen Bundestages komplett.[3]

Überblick

Wahl des Präsidiums des 16. Deutschen Bundestages am 18. Oktober 2005
Amt Name (Lebensdaten) Fraktion Wahlgang Ja Nein Enthaltung Prozentsatz gewählt?
Präsident Norbert Lammert (* 1948) CDU/CSU 1 564 25 17 91,9 % ja
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (* 1950) CDU/CSU 1 510 47 47 83,1 % ja
Vizepräsident Wolfgang Thierse (* 1943) SPD 1 417 136 52 67,9 % ja
Vizepräsidentin Susanne Kastner (* 1946) SPD 1 496 61 42 80,8 % ja
Vizepräsident Hermann Otto Solms (* 1940) FDP 1 486 85 31 79,2 % ja
Vizepräsident Lothar Bisky (19412013) Die Linke. 1 225 312 55 36,6 % nein
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (* 1966) Grüne 1 479 69 39 78,0 % ja
Vizepräsident Lothar Bisky Die Linke. 2 282 235 46 45,9 % nein
Vizepräsident Lothar Bisky Die Linke. 3 248 258 31 40,4 % nein
Wahlgang in Bezug auf Lothar Bisky am 8. November 2005
Vizepräsident Lothar Bisky Die Linke. 4 249 310 36 40,6 % nein
Wahlgang in Bezug auf Petra Pau am 7. April 2006
Vizepräsidentin Petra Pau (* 1963) Die Linke. 1/51 385 138 58 62,7 % ja

1: Erster Wahlgang in Bezug auf Petra Pau, fünfter Wahlgang in Bezug auf einen Kandidaten der Linksfraktion

Weiterer Nachgang

Nach den Ereignissen befasste sich der Ausschuss für Wahlprüfung Immunität und Geschäftsordnung mit den Geschehnissen und brachte mit Bundestags-Drucksache 16/2200 eine Beschlussempfehlung zur Änderung der Geschäftsordnung ein, welche klarstellte, dass in einem dritten Wahlgang mit nur einem Bewerber dieser gewählt ist, wenn er die relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen, also mehr Ja- als Nein-Stimmen unter Nichtberücksichtigung von Enthaltungen, erhält. Sollte ein weiterer Wahlgang mit demselben Kandidaten erfolgen, so ist dies nur nach vorheriger Vereinbarung im Ältestenrat möglich. Ferner wird festgeschrieben, dass in das Verfahren neu einzusteigen ist, wenn ein neuer Kandidat nach drei oder mehr erfolglosen Wahlgängen vorgeschlagen wird, sodass auch dieser sich zuerst an der Hürde der absoluten Mehrheit zu messen hat. Im Wesentlichen ist dies das Verfahren, welches bei Lothar Bisky praktiziert wurde.[4] Der Bundestag beschloss in seiner 51. Sitzung am 21. September 2006 einstimmig, der Beschlussempfehlung zu folgen und die Geschäftsordnung entsprechend zu ändern.[5]

Quellen

  1. Deutscher Bundestag: Stenografischer Dienst: Stenografischer Bericht 1 Sitzung. (PDF; 1,1 MB) Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, S. 14, 19, abgerufen am 23. Oktober 2012 (deutsch).
  2. Deutscher Bundestag: Stenografischer Dienst: Stenografischer Bericht 2 Sitzung. (PDF; 486 kB) Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, S. 3–4, abgerufen am 23. Oktober 2012 (deutsch).
  3. Deutscher Bundestag: Stenografischer Dienst: Stenografischer Bericht 33 Sitzung. (PDF; 1,3 MB) Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, abgerufen am 23. Oktober 2012 (deutsch).
  4. Deutscher Bundestag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Drucksache 16/2200. (PDF; 85 kB) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: § 2 – Wahl des Präsidenten und der Stellvertreter. Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, abgerufen am 23. Oktober 2012 (deutsch).
  5. Deutscher Bundestag: Stenografischer Dienst: Stenografischer Bericht 51 Sitzung. (PDF; 2,1 MB) Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, S. 55, abgerufen am 23. Oktober 2012 (deutsch).