Gemeine Nachtkerze

Gemeine Nachtkerze
Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Subclassis: Rosenähnliche (Rosidae)
Vorlage:Ordo: Myrtenartige (Myrtales)
Vorlage:Familia: Nachtkerzengewächse (Onagraceae)
Vorlage:Subfamilia: Oenotheroideae
Vorlage:Genus: Nachtkerzen (Oenothera)
Vorlage:Species: Gemeine Nachtkerze
Wissenschaftlicher Name
Oenothera biennis
L.

Die Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis), gelegentlich auch als Gewöhnliche Nachtkerze bezeichnet, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Nachtkerzengewächse (Onagraceae). Sie zählt in Mitteleuropa zu den Neophyten, da sie um 1620 als Zierpflanze von Nordamerika nach Europa eingeführt wurde. Mittlerweile ist sie in Europa so weiträumig verbreitet, dass sie von den meisten Menschen als einheimische Art wahrgenommen wird.

Bezeichnung

Die Nachtkerze wird im Volksmund auch als Nachtblume, Gelber Nachtschatten, Nachtschlüsselblume, Eierblume, Gelbe Rapunzel, Härekraut, Rapontika, Rübenwurzel, Schinkenkraut, Weinblume oder Weinkraut und Hustenblume genannt.

Der botanische Artname biennis weist auf die Zweijährigkeit der Pflanze hin. Der Gattungsname Oenothera leitet sich von dem griechischem Worten oinos (= Wein) und ther (= Tier) ab. Die antiken und mittelalterlichen Autoren waren der Meinung, dass die so bezeichnete Pflanze mit Wein genossen die Menschen heiter und wilde Tiere sanft macht. Plinius und Theophrast von Hohenheim haben damit vermutlich jedoch nicht die Nachtkerzen gemeint, sondern die ebenfalls zu den Nachtkerzengewächsen zählenden Weidenröschen. Der heute verwendete botanische Gattungsbegriff wurde 1753 von Carl von Linné festgeschrieben.

Botanik

In der Botanik werden meist 13 Kleinarten zur Artengruppe Oe. biennis agg. (Aggregat) zusammengefasst, da diese sehr eng verwandt und einander sehr ähnlich, und daher schwer zu unterscheiden sind. Bei ihnen handelt es sich um artgewordene Hybriden, die mittels eines speziellen cytogenetischen Mechanismus (Komplexheterozygotie) erblich konstant bleiben.

Die Artengruppe umfasst: Oe. biennis, Oe. suaveolens, Oe. deflexa, Oe. carinthiaca, Oe. erythrosepala, Oe. salicifolia, Oe. canovirens, Oe. pycnocarpa, Oe. heiniana, Oe. rubricaulis, Oe. wienii, Oe. fallax, Oe. hoelscheri.

Erscheinungsbild

Die Gemeine Nachtkerze bildet eine auf dem Boden aufliegende Rosette. Im zweiten Jahr erheben sich daraus ein blütenreicher, traubig verzweigter und drüsig behaarter Stängel, der etwa einen Meter hoch wird. Dieser Stängel trägt große, intensivgelbe Stieltellerblüten, die vierzählig sind und in der Achsel eines Tragblattes sitzen. Sie werden in der Botanik als unterständige Blüten bezeichnet, da den langen, röhrenfömrigen Blütenbechern oben Kelch-, Kron- und Staubblätter ansitzen. Tief unten im engen Blütenbecher befindet sich der vierfächerige, unterständige Fruchtknoten. Die vier Narben des mehrere Zentimeter langen Griffels sind am Blüteneingang den bestäubenden Insekten zugänglich.

Die Blütezeit der Gemeinen Nachtkerze beginnt Anfang Juni und kann bei guten Standort- und Wetterbedingungen bis Ende September anhalten. Die einzelnen Blüten sind dagegen sehr kurzlebig. Sie öffnen sich erst in der Abenddämmerung und sind meistens bis zum nächsten Mittag wieder verblüht. Der genaue Zeitpunkt, zu dem sich die Blüten öffnen, ist abhängig vom Sonnenstand, von der Tagestemperatur sowie von der Luftfeuchtigkeit.

Das Öffnen der Blüten erfolgt häufig innerhalb weniger Minuten in einer fließenden Bewegung. Die Plötzlichkeit und Schnelligkeit, mit der das Aufblühen erfolgt, ist bei keiner anderen in Mitteleuropa vorkommenden Pflanze zu beobachten. Sie ist deshalb in Botanischen Gärten und Schulgärten eine gelegentlich verwendete Demonstrationspflanze. Eine sich öffnende Blüte ist dabei in der Regel noch geruchslos. Erst nach ihrem vollständigen Öffnen der Blüten wird ihr Duft intensiv süsslich, so dass er von Menschen mitunter als aufdringlich und fast stinkend empfungen wird.

Ausbreitungsmechanismen

Die Bestäubung

Taubenschwänzchen im Schwirrflug - diese in Mitteleuropa nicht sehr häufigen Schwärmer sind gelegentlich auch an Blüten der Gemeinen Nachtkerze zu sehen - hier ist er jedoch vor einer anderen Blüte abgebildet

Beim Öffnen der Blüten stäuben zunächst die reifen Staubbeutel, weshalb die Blüte als vormännlich bezeichnet wird. Die Pollenkörner der Staubbeutel sind über Viscinfäden miteinander verfilzt und bleiben dadurch leicht im Haarkleid oder an den Fühlern von Insekten hängen. Erst wenn die Staubbeutel entleert wurden, reifen die Narben heran. Diese liegen unmittelbar nach Blütenöffnung noch eng aneinander und entfalten sich erst im Laufe der Öffnung der Blüte. Nektar für bestäubende Insekten wird am Grunde der Kelchröhre von einer glatten, gelben Honigdrüse ausgeschieden, die oberhalb des Fruchtknotens liegt. Der Blütensaft fließt aufgrund der waagrechten Stellung der Blüte dem Ausgang zu, wo er am aufliegenden Griffel haften bleibt.

Eine Besonderheit der Gemeinen Nachtkerze ist, dass die Bestäubung von Nachtkerzenblüten überwiegend von Nachtfaltern vorgenommen wird, welche im Sommer regelmäßig ca. 30 Minuten nach dem Öffnen der Blüten, wenn der Duft am intensivsten wird, eintreffen. Diese Beobachtung kann sogar in der Großstadt gemacht werden, wenn Nachtkerzen beispielsweise auf Dachgärten angepflanzt werden. Zu den Nachtfaltern, die an Blüten der Gemeinen Nachtkerze zu beobachtende sind, zählen vor allem die Familie der Schwärmer, darunter Taubenschwänzchen sowie die in Mitteleuropa häufigste Schwärmerart, der Mittlere Weinschwärmer. Ein in Mitteleuropa eher seltener Schwärmer wird wegen seiner Vorliebe für den Nektar dieser Pflanze sogar Nachtkerzenschwärmer genannt.

Die Nachtfalter kann man gelegentlich dabei beobachten, wie sie im Schwirrflug vor einer der Blüten stehen. Beim Einführen des Rüssels streifen sie die Staubbeutel der Blüte. Die Narben sind infolge einer Seitwärtsbewegung des Griffels zunächst aus der Zugangsrichtung zum Nektar weggerückt. Eine halbe Stunde nach Öffnung der Blüte streckt sich auch der Griffel. Seine Narbenäste spreizen sich dabei auseinander und können nun mit dem Pollen, den später eintreffender Insekten mit sich tragen, bestäubt werden.

Bei Tage stellen sich, angelockt durch die lebhaft gelbe Farbe der Kronblätter mit den für den Menschen unsichtbaren Strichsaftmalen auch langrüssselige, honigsuchende Bienen sowie Hummeln und Tagfalter ein. Gelegentlich findet man an den Blättern der Gemeinen Nachtkerze auch die bis zu acht Zentimeter lange Raupe des Mittleren Weinschwärmers mit den charakteristischen halbmondförmigen und weiß gerandeten Augenflecken auf dem ersten und zweiten Hinterleibsegment. Diese normalerweise auf Weidenröschen spezialisierte Raupe kann auch die Gemeine Nachtkerze als Fraßpflanze nutzen.

Die Ausbreitung der Samen

Stängel einer Nachtkerze mit Blüten

Da jeder Haupt- oder Seitentrieb bis zu 120 Blüten hervorbringen kann, ist diese Pflanze sehr ausbreitungsstark.

Die Samenkapsel in Form einer drei Zentimeter langen und stumpf vierkantigen Spaltkapsel entwickelt sich aus dem unterständigen Fruchtknoten. Bei Reife reißen die vier Fächer der Samenkapsel entlang der Rückennaht in Folge von Austrocknung von der Spitze bis zur Mitte auf. Jede Samenkapsel beherbergt bis zu 200 Samen, deren Färbung von einem Dunkelrot bis zu Schwarzbraun reicht. Die Samen sind etwa einen Millimeter lang, dreikantig und haben einen häutigen Flügelsaum. Als Ausbreitungsstrategie nutzt die Gemeine Nachtkerze die sogenannte Semachorie, die Ausstreuung durch Windbewegung oder die Bewegung der Pflanze durch Tiere. Die nur ein tausendstel Gramm schweren Samen werden durch Bewegung aus den senkrecht orientierten Kapseln ausgestreut. Anschließend werden sie mit Hilfe ihres Flügelsaums als Flieger durch den Wind verbreitet (sogenannte Meteorochorie).

Verbreitung

Die Gemeine Nachtkerze ist eine ursprünglich in Nordamerika beheimatete Pflanze. Sie wurde ähnlich wie andere Nachtkerzenarten im 17. Jahrhundert gezielt als Zierpflanze nach Europa eingeführt (sogenannte Ethelochorie). Bereits für das Jahr 1623 ist ihr Anbau in Gärten nahe Paris belegt. 1660 wurde sie in Altdorf und 1668 in Halle angepflanzt und damals als Lysimachia virginina major fl. amplo bezeichnet. Als reine Zierpflanze fand sie bereits weite Verbreitung. Man entdeckte jedoch sehr schnell, dass ihre Wurzeln und Blätter essbar waren. In der Folge baute man diese Art vielerorts in den Küchengärten als Gemüsepflanze an. Als Gartenflüchtling verwilderte diese Pflanze sehr schnell. Bereits 1766 beschrieb man sie für Brandenburg als ein weit verbreitetes Unkraut. Hybridisationen mit anderen Nachtkerzenarten haben zu einer großen Anzahl schwer unterscheidbarer Kleinarten geführt.

Als Standortbedingungen benötigt die Gemeine Nachtkerze einen trockenen, nicht zu nahrhaften aber möglichst kalkhaltigen Boden. Heute ist die Gemeine Nachtkerze in ganz Europa, in Vorderasien sowie Ostasien deshalb häufig an Bahndämmen, Kanalböschungen, Mauern, Wegrändern, an höher gelegenen Flußufern, in Steinbrüchen, Kies- und Sandgruben sowie auf Schotterbänken, Industrieanlagen und Ruderalplätzen zu finden. Aufgrund ihrer späten Einführung nach Europa zählt sie zu den hemerochoren Neophyten. Ihre heutige Ausbreitung verdankt sie meist einer ungewollten Verschleppung (sogenannte agochore Verbreitung), da ihre Samen häufig mit ins Frachtgut gelangen. Aufgrund ihrer Verbreitung entlang von Eisenbahnlinien wird sie gelegentlich auch als „Eisenbahnpflanze“ bezeichnet.

Verwendung

Verwendung als Nahrungsmittel

Eine einzelne Blüte der Gemeinen Nachtkerze

Im Volksmund wird die Nachtkerze auch „Schinkenwurz“ genannt, denn ihre Wurzel verfärbt sich beim Garen rötlich. Ihre weite Verbreitung in Europa ist vor allem auf ihren im 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert häufigen Anbau als Gemüsepflanze zurückzuführen. Alte Sprichwörter behaupteten, dass ein Pfund der Nachtkerzenwurzel so viel Kraft gäbe wie ein Zentner Ochsenfleisch. Die Gemeine Nachtkerze zählt deshalb bis heute zu den typischen Pflanzen des Bauerngartens, wenn sie heute auch nur noch als Zierpflanze angebaut wird.

Von der Gemeinen Nachtkerze sind neben der Wurzel auch die Blätter, die Blüten und die Samen essbar. Die Wurzel kochte man wie Schwarzwurzeln oder Pastinaken in Fleischbrühe. Die gekochten Wurzeln wurden gelegentlich auch in Scheiben geschnitten und mit Essig und Öl angemacht. Geerntet werden die rübenförmigen Wurzeln vom Herbst des ersten Jahres (Rosettenstadium) bis zum Frühjahr. Ähnlich wie andere alte Gemüsepflanzen ist auch die Gemeine Nachtkerze aus der Mode gekommen. In der modernen Küche werden die Blütenblätter jedoch gelegentlich als essbare Dekoration verwendet.

In einigen Regionen wie beispielsweise in Masuren verwendete man die Wurzeln und die Blätter der Gemeinen Nachtkerzen auch als Schweinefutter.

Verwendung als Heilpflanze

Bereits die nordamerikanischen Indianer verwendeten die Gemeine Nachtkerze als Heilpflanze.

In der Naturheilkunde hat heute vor allem das Nachtkerzenöl eine Bedeutung. Dieses aus den Samen der Nachtkerze gewonnene fette Öl wird zur Behandlung und zur symptomatischen Erleichterung von Neurodermitis innerlich eingesetzt. Es enthält große Mengen an Cis-Linolsäure, die im menschlichen Körper mit Hilfe des Enzyms Delta-6-Desaturase in Gamma-Linolensäure umgewandelt wird. Aus dieser entsteht in einem weiteren chemischen Prozess Dihomo-Gamma-Linolensäure. Aus ihr bildet der Körper Prostaglandin E 1, das an zahlreichen Funktionen der Zellen beteiligt ist. Bei Neurodermitikern soll ein Mangel an dieser für den menschlichen Stoffwechsel wichtigen Gamma-Linolensäure bestehen.

Zerstoßen können die Samen direkt auf die Haut bei Ausschlägen aufgebracht werden.

Literatur

  • Helmut Hintermeier; Die Nachtkerze: Schönheit aus Virginia in "die biene - Überregionale Fachzeitschrift für Imker", 134. Jahrgang, Dezember 1998
  • Heinz-Dieter Krausch: Kaiserkron und Päonien rot... - Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen. Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-93-554923-7
  • Elisabeth Lestrieux, Jelena de Belder; Der Geschmack von Blumen und Blüten, Dumont Verlag Köln, 2000, ISBN 3-7701-8621-4
  • Angelika Lüttig & Juliane Kasten: Hagebutte & Co - Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen. Fauna Verlag, Nottuln 2003, ISBN 3-93-598090-6

Weblinks

Wikilinks

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Externe Links

Die Heilwirkung der Nachtkerze aus den Berliner Heilpraktikernachrichten

Nachtkerzen-Samen