Spanisches Ölsyndrom

Klassifikation nach ICD-10
T62 Toxische Wirkung sonstiger schädlicher Substanzen, die mit der Nahrung aufgenommen wurden
T65 Toxische Wirkung sonstiger und nicht näher bezeichneter Substanzen
T65.3 Nitro- und Aminoderivate von Benzol und dessen Homologen
- Anilin (Aminobenzol)
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Spanische Ölsyndrom (englisch Toxic Oil Syndrome (TOS), spanisch síndrome del aceite tóxico) entstand 1981 infolge einer Massenvergiftung durch verunreinigtes Speiseöl. Dabei erkrankten ca. 20.000 Personen, von denen Schätzungen zufolge etwa 700[1] in den folgenden Jahren starben.

Vorgeschichte

Mit Anilin vergälltes Rapsöl wurde als Speiseöl in den Handel gebracht und in Spanien von Straßenhändlern verkauft.

Symptome

Unter anderem traten folgende Symptome auf:

Toxikologie

Der genaue Mechanismus der Vergiftung und damit das toxische Agens ist noch immer unklar. Nachdem sich die Anilin-Hypothese nicht bestätigt hat, werden nun unter anderem ein Zusammenhang mit Fettsäure-Estern des 3-(N-Phenylamino)-1,2-propandiols (PAP) sowie Autoimmun-Mechanismen diskutiert.

Prozess

Ende der 1980er Jahre fand vor der Audiencia Nacional de España, dem Nationalen Gerichtshof von Spanien, ein Prozess statt. Am 20. Mai 1989 wurden 13 von 38 angeklagten Unternehmen verurteilt, wobei Haftstrafen zwischen sechs Monaten und 20 Jahren ausgesprochen wurden.[1] Aus Sicht der betroffenen Opfer fielen die Strafen viel zu mild aus, zumal sie selbst zunächst keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung hatten. Erst im Jahre 1997 erkannte der Oberste Gerichtshof den Opfern eine staatliche Abfindung zu, nachdem seitens des Gerichtes festgestellt wurde, dass Beamte aus Gesundheits- und Grenzbehörden eine Mitverantwortung trugen.[1]

„Man hat uns vor Gericht als zweitklassige Menschen behandelt. Wir seien vergiftet worden, weil wir dort eingekauft haben, wo wir es nicht hätten tun sollen. Sogar ein hoher Amtsträger hat die Verantwortung auf die Opfer geschoben: Wir hätten eben billiges Öl gekauft.“

Carmen Cortés (Vorsitzende der Opferorganisation Seguimos viviendo)[1]

Nachwirkung

Der Giftölskandal war Anlass für eine gesetzliche Regelung des Verbraucherschutzes in Spanien. Außerdem wurden danach die Lebensmittelkontrollen verstärkt. In Madrid wurde im Jahre 2019 eine Stele zum Gedenken an die Opfer errichtet, die an den größten Lebensmittelskandal in der Geschichte Spaniens erinnert.[1]

Alternative Theorien

Eine wissenschaftliche Minderheitenmeinung besagt, dass die Vergiftungsserie von mit Pestiziden kontaminierten Tomaten ausgelöst wurde.[2]

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • J. Falbe, M. Regitz (Hrsg.): Römpp Lexikon Chemie. 10. Auflage. Thieme, Stuttgart/ New York 1996–1999, S. 2999.
  • Emilio Gelpí, Manuel Posada de la Paz, Benedetto Terracini, Ignacio Abaitua, Agustín Gómez de la Cámara, Edwin M. Kilbourne, Carlos Lahoz, Bénoit Nemery, Rossanne M. Philen, Luis Soldevilla, Stanislaw Tarkowski (WHO/CISAT Scientific Committee for the Toxic Oil Syndrome): The Spanish toxic oil syndrome 20 years after its onset: a multidisciplinary review of scientific knowledge. In: Environmental Health Perspectives. Band 110, Nr. 5, Mai 2002, S. 457–464, PMID 12003748, PMC 1240833 (freier Volltext).
  • Ten years of progress. (PDF; 1,54 MB) umfangreiches Dokument der WHO zum TOS (englisch)
  • Benedetto Terracini: The limits of epidemiology and the Spanish Toxic Oil Syndrome. In: International Journal of Epidemiology, 2004, 33, S. 443–444.
  • Peter Gillatt: The Spanish Toxic Oil Syndrome. In: Chemistry and Industry, 4. September 1989, S. 556 f.

Einzelnachweise

  1. a b c d e Julia Macher: Urteile im Prozess um vergiftetes Olivenöl in Spanien. In: Kalenderblatt (Rundfunksendung auf DLF). 20. Mai 2019, abgerufen am 29. Mai 2019.
  2. Cover-Up. Bob Woffinden, The Guardian, 25. August 2001