Liste von Opfern politischer Morde in der Weimarer Republik

Diese Liste enthält Opfer von politischen Morden in der Weimarer Republik. Sie ist unvollständig. Berücksichtigt sind vor allem Ermordungen führender Protagonisten des öffentlichen Lebens durch links- bzw. rechtsextremistische Gruppen oder Einzeltäter in der Zeit von 1919 bis 1923.

Begriff

Politische Morde in Friedenszeiten bedeuten die Tötung von Menschen mit dem Ziel, die staatliche Ordnung zu verändern, etwa durch die gezielte Beseitigung von politischen Repräsentanten, Rache- oder Geiselmorde. Die politischen Morde der Jahre zwischen 1919 und 1923 lassen sich nochmals differenzieren in spontane Tötungen während der Revolutions- und Rätezeit und geplante Anschläge auf Repräsentanten der Republik. Die Beseitigung von Mitwissern oder Verrätern von Waffenlagern oder anderer Geheimnisse meist rechtsgerichteter Organisationen wird als Fememord bezeichnet.[1]

Geschichte

Seit Gründung der Weimarer Republik am 9. November 1918 kam es zu Ausschreitungen von Links- und Rechtsradikalen, welche die neue demokratische Ordnung niederschlagen wollten, und der Reichswehr. Im Wesentlichen standen sich die 1918 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (Roter Terror) einerseits und das bürgerlich-konservative, preußisch-protestantische Milieu der alten Eliten des Kaiserreichs wie die Schwarze Reichswehr, die in der Geheimorganisation Organisation Consul vereinigten Rechtsextremisten (Weißer Terror) und die neu gegründete Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) andererseits gegenüber.[1][2]

Freikorpseinheiten und paramilitärische Verbände ermordeten gezielt linke Persönlichkeiten, darunter Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Kurt Eisner, Matthias Erzberger und Walther Rathenau, für die es Todeslisten gab. Dazu kam es zu zahlreichen Tötungen bei der Niederschlagung des Spartakusaufstands im Januar 1919, beim Kapp-Putsch im März 1920 sowie bei weiteren geplanten und willkürlichen Aktionen. Der Publizist Emil Julius Gumbel zählte in der Neuauflage seines Buchs Vier Jahre politischer Mord von 1922 insgesamt 354 politische Morde von rechts, dazu kamen weitere unklare Fälle.[3] Es gab auch 22 politische Morde von links in dieser Zeit, die aber wesentlich härter geahndet wurden.

Der Erlass der Verordnung zum Schutze der Republik vom 26. Juni 1922[4] und des Republikschutzgesetzes vom 21. Juli 1922[5] trugen mit Vereinigungs- und Versammlungsverboten, Strafschärfungen für Gewalttaten gegen die republikanische Staatsform und ihre Repräsentanten sowie der Errichtung des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik beim Reichsgericht in Leipzig[6] dazu bei, die Umsturzversuche von links und rechts abzuwehren und eine Phase relativer politischer und wirtschaftlicher Stabilität einzuleiten.[2][7]

Eskalierenden Gewalttaten nach der Reichstagswahl im Juli 1932 wie dem Mord von Potempa folgte mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 die Machtübergabe an die Nationalsozialisten.[8]

Politische Morde (1919–1922, Auswahl)

Nr. Datum Todesort Name der Getöteten Art der Tötung Name des Verantwortlichen Name der Ausführenden
1 11. Januar 1919 Garde-Dragoner-Kaserne, Berlin-Kreuzberg Werner Möller, Karl Grubusch, Wolfgang Fernbach, Walter Heise, Erich Kluge, Werner Möller, Arthur Schöttler und Paul Wackermann Erschießung Major Franz von Stephani Otto Weber, Erich Selzer
8 15. Januar 1919 Neuer See, Berlin-Tiergarten Karl Liebknecht Erschießung Heinz von Pflugk-Harttung Stiege, Liepmann, von Ritgen, Schulze, Friedrich
9 15. Januar 1919 vor dem Hotel Eden, Berlin-Tiergarten Rosa Luxemburg Erschlagen / Erschießen Oberleutnant Kurt Vogel Oberleutnant Vogel, Jäger Otto Runge
10 17. Januar 1919 Tegeler Forst, Berlin-Tegel von Lojewski, Hermann Merks, Richard Jordan und Milkert Erschießung Sasse 2 Trainsoldaten
16 21. Februar 1919 München Kurt Eisner Erschießung Anton Graf von Arco auf Valley
21 10. März 1919 Berlin Leo Jogiches, Heinrich Dorrenbach Erschießung Ernst Tamschick
30. April 1919 bis 3. Mai 1919 München 163 Zivilisten, darunter Gustav Landauer Erschlagen / Erschießen Ernst von Oven
253 6. Mai 1919 München 21 katholische Gesellen Erschießen Hauptmann von Sutterheim, Offizierstellvertreter Paul Priebe Jakob Müller, Makowski
256 21. März 1920 Berlin-Köpenick Alexander Futran, Albert Willi Dürre, Fritz Kegel, Karl Wienecke, Karl Gratzke

während Köpenicker Blutsonntag[9]

Erschießen Kapitän Bebbel Leutnant Kubich
261 13. März 1920 Breslau Bernhard Schottländer Verschwunden Oberleutnant Schmitz
296 24. März 1920 Sommeröda Kurt Neubert Erschießen
330 22. Mai 1920 Gut Waldfrieden (Zacisze, Krzyż Wielkopolski) Hans Paasche Erschießen Oberleutnant Koppe Schütze, Diekmann
350 30. März 1921 Polizeipräsidium Alexanderplatz, Berlin-Mitte Wilhelm Sült Erschießen Albert Jannicke
351 10. Juni 1921 München Karl Gareis Erschießen Leutnant Schweighart, Unteroffizier Schwebt
353 26. August 1921 Bad Griesbach im Schwarzwald Matthias Erzberger Erschießen Manfred von Killinger Heinrich Tillessen, Heinrich Schulz
354 24. Juni 1922 Berlin-Grunewald Walther Rathenau Erschießen Ernst Werner Techow, Erwin Kern, Hermann Fischer

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Ulrike Claudia Hofmann: Politische Morde (Weimarer Republik). Historisches Lexikon Bayerns, 11. Mai 2006.
  2. a b Ernst Piper: Umkämpfte Republik 1919–1923. bpb, 7. Mai 2021.
  3. Emil Julius Gumbel: Vier Jahre politischer Mord. Verlag der Neuen Gesellschaft, Berlin 1922 (mit detaillierten Beschreibungen).
  4. Verordnung zum Schutze der Republik. Vom 26. Juni 1922. documentArchiv, abgerufen am 20. Mai 2023.
  5. (Erstes) Gesetz zum Schutze der Republik. Vom 21. Juli 1922. documentArchiv, abgerufen am 20. Mai 2023.
  6. Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik, Leipzig. AG Orte der Demokratiegeschichte, abgerufen am 20. Mai 2023.
  7. Ernst Piper: Gefährdete Stabilität 1924–1929. 7. Mai 2021.
  8. Dirk Schumann: Politische Gewalt in der Weimarer Republik 1918-1933. Kampf um die Straße und Furcht vor dem Bürgerkrieg. Essen, 2001, S. 271 ff. 320 ff.
  9. Gerd Lüdersdorf: Der Köpenicker Blutsonntag vom 21. März 1920. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 3, 2000, ISSN 0944-5560 (luise-berlin.de).