Sergei Wiktorowitsch Skripal

Sergei Wiktorowitsch Skripal (russisch Сергей Викторович Скрипаль, * 23. Juni 1951) ist ein ehemaliger Oberst des russischen Militärnachrichtendienstes GRU, Überläufer und Agent des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6.

Am 4. März 2018 wurden er und seine Tochter in der englischen Stadt Salisbury bewusstlos aufgefunden und mit Anzeichen einer Vergiftung in eine Klinik eingeliefert. Am 7. März teilte der Chef der britischen Anti-Terror-Einheit mit, dass die beiden höchstwahrscheinlich Opfer eines gezielten Angriffes mit einem Nervengift wurden.[1]

Agententätigkeit

Skripal verriet ab den 1990er Jahren die Identitäten russischer Agenten in Europa dem Auslandsgeheimdienst des Vereinigten Königreichs (MI6). Von russischer Seite wurde behauptet, der MI6 habe ihm dafür 100.000 Dollar gezahlt. Nach seiner Enttarnung verurteilte ein Moskauer Militärgericht ihn 2006 wegen „Hochverrats in Form von Spionage“ zu 13 Jahren Gefängnis und entzog ihm sämtliche Titel und Auszeichnungen. Im Juli 2010 begnadigte ihn der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew, und er wurde zusammen mit drei weiteren westlichen Spionen (darunter der Atomphysiker Igor Sutjagin) gegen 10 vom FBI verhaftete russische Spione (darunter Anna Wassiljewna Chapman) ausgetauscht.[2][3][4] Seit diesem Zeitpunkt lebte Skripal in Großbritannien.

Die Familie Skripals bestritt alle Vorwürfe des Geheimnisverrats gegen Sergei Skripal und bezeichnete diese als „fabriziert“.[5]

Vergiftungsverdacht

Am 4. März 2018 wurde Sergei Skripal zusammen mit seiner 33-jährigen[6] Tochter Yulia Skripal, die aus Russland zu Besuch war, auf einer Parkbank nahe eines Einkaufszentrums in Salisbury bewusstlos aufgefunden.[7] Die medizinischen Umstände ließen den Verdacht einer gezielten Vergiftung mit einer bislang unbekannten Substanz aufkommen. Beide kamen auf die Intensivstation einer Klinik.[8]

Im Vereinigten Königreich kamen daraufhin Erinnerungen an den 1978 in London per Regenschirmattentat vergifteten Schriftsteller Georgi Markow sowie der Fall des 2006 von FSB-Agenten ebenfalls in London vergifteten Überläufers Alexander Litwinenko hoch.[9] Außenminister Boris Johnson warnte die russische Regierung, dass ein mögliches ähnliches Déjà-vu-Ereignis nicht ohne Konsequenzen für die beiderseitigen Beziehungen bleiben werde.[10] Ein Sprecher des Kreml betonte, Moskau sei bereit, die britischen Behörden bei der Aufklärung des Falls zu unterstützen.[11]

Bereits im Jahr 2012 starb Skripals Frau Liudmila in Salisbury an einem Krebsleiden (Endometriumkarzinom), im Jahr 2016 dann Skripals in Russland lebender Bruder. Im Jahr 2017 starb Skripals 43-jähriger Sohn bei einem Urlaub mit seiner Freundin in St. Petersburg. Als Todesursache wurde damals ein akutes Leberversagen angegeben; die Familie bezweifelte diese Diagnose.[5]

Am 7. März gaben die britischen Ermittler bekannt, dass bei dem Anschlag auf Skripal und seine Tochter offensichtlich ein Nervenkampfstoff angewandt wurde.[1][12] Die Ermittler konnten den genauen Kampfstoff identifizieren, wollten den Namen aber noch nicht veröffentlichen bis auf die Information, dass es sich um ein extrem seltenes Gift handelt.[13][14] Nervenkampfstoffe werden üblicherweise nur in staatlichen Militärlagern aufbewahrt, was als ein wichtiger Hinweis auf eine mögliche Beteiligung des russischen Staates angesehen wird.[15] Insgesamt mussten 21 Personen infolge der Vergiftung behandelt werden.[16] Unter den Opfern war auch der britische Polizeibeamte Nick Bailey, der als erster am Tatort war.[17] Das Counter Terrorism Command übernahm die Ermittlungen wegen der „ungewöhnlichen Umstände“ des Falls.[18]

Einzelnachweise

  1. a b FAZ.net: Russischer Ex-Doppelagent mit Nervengift angegriffen
  2. Sergei Skripal: Who is the former Russian colonel? In: BBC News. 5. März 2018, abgerufen am 6. März 2018.
  3. Großbritannien: Russischer Ex-Spion wegen Vergiftung im Krankenhaus. In: Die Zeit. 5. März 2018, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 6. März 2018]).
  4. Patrick Greenfield, Marc Bennetts: Who is Sergei Skripal, the ex-spy exposed to 'unknown substance'? In: theguardian.com. 5. März 2018, abgerufen am 6. März 2018 (englisch).
  5. a b Who is former Russian intelligence officer Sergei Skripal? In: BBC News. 6. März 2018, abgerufen am 6. März 2018 (englisch).
  6. Ex-Spion offenbar Opfer von Nervengift: Ermittlungen wegen versuchten Mordes orf.at, 7. März 2018, abgerufen 8. März 2018.
  7. Mysteriöse Vergiftung: Anschlag auf Ex-Spion? In: Frankfurter Rundschau. 6. März 2018, abgerufen am 9. März 2018.
  8. Russischer Ex-Spion in Großbritannien vergiftet? In: tagesschau.de. Abgerufen am 6. März 2018.
  9. Peter Hille: Gift und Agenten: Bei Seitenwechsel Mord. In: Deutsche Welle. 7. März 2018, abgerufen am 8. März 2018.
  10. Russian spy: Boris Johnson warns Kremlin over Salisbury incident. In: BBC News. 6. März 2018, abgerufen am 6. März 2018 (englisch).
  11. Shane Croucher: Is Sergei Skripal Another Alexander Litvinenko? Mysterious Russian Spy Poisoning Grips U.K. In: Newsweek. 6. März 2018, abgerufen am 6. März 2018 (englisch).
  12. Ermittler weisen Nervengift bei russischem Ex-Agenten nach. In: Die Zeit. 7. März 2018, abgerufen am 8. März 2018.
  13. Spy mystery: Rare poison may be traced to single lab. In: The Times, 9. März 2018.
  14. Complex and dangerous, nerve agents are rarely used for assassinations. In: Reuters, 8. März 2018.
  15. Russian spy poisoning inquiry widens after medics treat 21 people. In: The Guardian, 9. März 2018.
  16. UK police update total number of people treated as a result of former Russian spy’s poisoning to roughly 21. In: The Associated Press, 8. März 2018.
  17. Russian spy attack: police officer left ill named as DS Nick Bailey. In: The Guardian, 8. März 2018.
  18. Counter-terrorism police take over Sergei Skripal 'poison' case. In: The Guardian, 6. März 2018.