Orrin Keepnews

Orrin Keepnews (* 2. März 1923 in New York City) ist ein US-amerikanischer Musikproduzent und Gründer der Jazz-Labels Riverside, Milestone und Landmark.

Bekannt wurde Keepnews vor allem durch seine Arbeiten mit dem Pianisten und Mitbegründer des Bebop Thelonious Monk. Seit den 1990er Jahren ist Keepnews als Produzent für eine Reihe von Wiederveröffentlichungen (Reissues) historischer Jazzaufnahmen, die teilweise auch ursprünglich von ihm produziert wurden, verantwortlich. Zudem ist Keepnews auch ein gefragter und mehrfach ausgezeichneter Autor für sogenannte Liner Notes (insbesondere im Jazz sehr verbreitete Begleitartikel auf Schallplattencovern) und veröffentlichte zwei Bücher zur Jazzgeschichte. 2004 erhielt er den „Trustees Award“, die höchste Auszeichnung der Recording Academy für nichtaufführende Künstler.

Leben und Werk

Der im New Yorker Stadtteil Bronx als Sohn einer Lehrerin und eines Angestellten der New Yorker Sozialbehörde geborene Keepnews macht mit 16 seinen Abschluss an der Lincoln School. Zu dieser Zeit entwickelte sich – inspiriert durch die Musik von Coleman Hawkins und Pee Wee Russell – sein Interesse für Jazz. Bereits im Alter von 15 Jahren besuchte Keepnews regelmäßig die Bars in der 52ten Straße oder im „Village“, Keepnews dazu:

If you were big enough to walk into a bar and put down 75 cents or dollar for a drink, nobody asked if you were old enough.[1]

Am Columbia College belegte Keepnews Englisch als Hauptfach und begann in seiner Freizeit für die College-Zeitung Spectator über Konzerte im Village Vanguard zu berichten. 1943 erhielt Keepnews seine Einberufung zum Militärdienst, durfte aber vor Dienstantritt noch sein Studium beenden.

Ein Bomber des Typs Boeing B-29 war von 1943 bis 1946 der Arbeitsplatz von Orrin Keepnews

Anschließend war Keepnews drei Jahre lang als Radaroffizier an Bord eines B-29-Bombers – dem Flugzeugtyp aus dem 1945 die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden – tätig und flog während der letzten Monate des zweiten Weltkriegs auch bei Einsätzen gegen Japan mit. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst 1946 schrieb sich Keepnews zunächst wieder an der Columbia ein. Keepnews beschrieb die Situation wie folgt:

I enrolled in graduate school for the express purpose of making myself feel literate again, I wasn’t looking for a master’s degree. I figured I’d go to Columbia for however long it took me to feel, 'Hey, I’m now capable of going back into the world I wanted to be in.' and then I’d look for a job, which was pretty much what happened.[1]

Während dieser Zeit lernte Keepnews den begeisterten Jazzfan und Plattensammler Bill Grauer kennen. Später arbeitete er als Redakteur und Herausgeber für verschiedene Verlage, unter anderem für Simon & Schuster, wo Keepnews seine spätere Frau Lucy kennenlernte. Zudem war er als Editor für Grauers The Records Changer tätig. Ab 1952 arbeiteten Keepnews und Grauer zusammen für RCA Victor an einer Serie von Reissues von Jazzaufnahmen aus den 1920er Jahren, woraus sich bald die Idee zu einem eigenen Label entwickelte.

Riverside (1953 – 1964)

1953 gründete Keepnews zusammen mit seinem RCA-Kollegen und Freund Grauer das Label Riverside. Grauer übernahm die wirtschaftliche Leitung, während sich Keepnews um die künstlerischen Belange kümmerte. Die Idee hinter Riverside war es, ein Label zu schaffen, auf dem historische Jazz- und Bluesaufnahmen aus den 1920er Jahren (Joe King Oliver, Jelly Roll Morton, Ma Rainey, Blind Lemon Jefferson und andere) neu veröffentlicht werden konnten, doch bereits 1954 wichen Keepnews und Grauer von ihrer ursprünglichen Philosophie ab und produzierten das erste Album des Pianisten Randy Weston. Seine neue Position als Produzent beschrieb Keepnews scherzhaft:

We were fans who became record companies. If you had your own company and said you were a producer, who was going to say you weren’t?[1]

Datei:Thelonious Monk 1967.jpg
Thelonious Monk

1955 gelang es Riverside den Pianisten und Komponisten Thelonious Monk unter Vertrag zu nehmen, der gegen Zahlung von 108,24 Dollar seinen Vertrag mit Bob Weinstocks Prestige-Label aufgelöst hatte. Monk und Keepnews lernten sich bereits 1948 kennen, als Keepnews Monk im Apartment von Blue-Note-Gründer Alfred Lion in Greenwich Village für den Record Changer interviewte. Das Inteview (und damit Keepnews) war dem damals noch relativ unbekannten Monk in Erinnerung geblieben, da es sein ertes Interview für eine überregionale Zeitschrift war.

Noch im selben Jahr wurde das erste gemeinsame Album Thelonious Monk Plays Duke Ellington veröffentlicht, auf dem Monk (begleitet von Bassist Oscar Pettiford und Schlagzeuger Kenny Clarke) ausnahmslos Kompositionen von Duke Ellington interpretiert, die Aufnahmen entstanden im Studio von Rudy Van Gelder, das Cover ziert ein Gemälde von Henri Rousseau (Die Mahlzeit des Löwen). Für weitere Aufnahmen, darunter auch Monks Klassiker Brilliant Corners und Monk’s Music, brachte Keepnews Monk mit Musikern wie John Coltrane, Art Blakey, Sonny Rollins und Coleman Hawkins zusammen. Keepnews über Monk:

Monk was not about to show any mercy. He had his standards. I probably learned as much about living from him as I did about music.[1]

Neben Monk konnte Riverside noch eine Reihe weiterer hochkarätiger Musiker gewinnen, darunter Cannonball Adderley (zuvor Mitglied des Miles Davis Quintett/Sextett), Wes Montgomery und Bill Evans (ebenfalls zuvor side man bei Davis). Trotz dieser Besetzung war die finanzielle Situation von Riverside jedoch eher angespannt, Keepnews:

Our goal wasn’t to sell a lot of records and get rich. Our goal was to sell enough records to make the next one.[1]

Am 15. Dezember 1963 erlag Grauer einem Herzinfarkt, Keepnews führte fortan alleine die Geschäfte bis zum Bankrott der Firma 1964. Die Rechte an den Aufnahmen gingen 1972 in den Besitz von Fantasy Records über.

Milestone (1966 – 1972)

McCoy Tyner

Zusammen mit dem in Hannover geborenen Pianisten Dick Katz gründete Keepnews 1966 Milestone Records. Zu den Künstelern von Milestone gehörten McCoy Tyner, Sonny Rollins, Joe Henderson und Lee Konitz.

Mit Rollins hatte Keepnews bereits bei den Riverside-Aufnahmen von Monk zusammengearbeitet, hier erhielt Rollins jedoch die Möglichkeit Aufnahmen unter eigenem Namen zu veröffentlichen. Die Verbindung von Rollins zu Milestone (später als Sublabel von Fantasy und ab 2004 von Concord Music) hielt bis in die 2000er Jahre an.

Mit McCoy Tyner konnte Keepnews einen der gefragtesten Pianisten jener Zeit gewinnen. Tyner hatte bereits eingene Aufnahmen unter Bob Thiele bei Impulse! und bei Alfred Lions Blue Note veröffentlicht und war als side man auf Coltranes legendären Album A Love Supreme von 1964 zu hören. Für Milestone veröffentlichte Tyner Alben wie Sahara (1972), Enlightenment (1973), Fly With the Wind (1976) und Supertrios (1977). Bei letzterem Album hatte Keepnews die Idee Tyner in zwei unterschiedlichen Trios mit Ron Carter/Tony Williams und Eddie Gomez/Jack DeJohnette spielen zu lassen.

Lee Koonitz war einer der gefragtesten weißen Jazzmusiker der 1950er Jahre. Der Saxophonist war unter anderem als 21-jähriger auf Miles Davis Birth of the Cool von 1949 zu hören.

Die Milestone Jazzstars waren eine Formation aus den Musikern McCoy Tyner, Ron Carter, Sonny Rollins und Al Foster.

1972 wurden die Rechte an den Aufnahmen von Milestone and Fanstasy verkauft. Zusammen mit den Rechten an den Aufnahmen (und den Markennamen) von Riverside und Milestone konnte Fantasy Keepnews als Head of Artists and Repertoire (A&R) für seine Jazzabteilung und Vizepräsident nach San Francisco holen. 1980 verlies Keepnews Fantasy und arbeitete fortan als freischaffender Produzent.

Wegen dem Vize muss ich noch mal gucken, habs nur einmal gefunden und die Quelle find ich jetzt nicht wieder.

Landmark (1985 − 1993)

Nach einigen Jahren als freischaffender Produzent gründete Keepnews erneut ein eigene Label, Landmark Records. Während Vibraphonist Bobby Hutcherson zuvor bereits auf Blue Note veröffentlicht hat, waren Pianist Mulgrew Miller und das Kronos Quartet echte Neuentdeckungen.

Miller war zuvor insbesondere als sideman bei Mercer Ellington (den Sohn der Jazzlegenden Duke Ellington) und Betty Carter bekannt geworden. Keepnews gab ihm die Möglichkeit 1985 sein ersten Album Keys To The City zu veröffentlichen.

Das Kronos Quartet – ein bereits 1973 gegründetes Streichquartet – führte vor allem zeitgenössische Musik live auf. 1985 konnten sie unter Keepnews ihr erster Album Kronos Quartet Plays Music of Thelonious Monk auf dem sie Kompositionen des 1982 verstorbenen Monk für Streichinstrumente umsetzten. 1986 folgte dann mit Music of Bill Evans ein weiteres Album Kompositionen eines weiteren Keepnews Künstlers aus der Riverside-Zeit.

1988 veröffentlichte Keepnews das teilweise autobiographische Buch The View from Within: Jazz Writings, 1948-1987. Es war sein zweites Buch nach dem 1956 zusammen mit Grauer veröffentlichten A Pictorial History of Jazz: People and Places from New Orleans to Modern Jazz, welches bereits 1982 neu aufgelegt wurde.

1993 – Keepnews war mittlerweile 70 Jahre alt – verkaufte er Landmark an Muse Records. Bereits vor dem Verkauf von Landmark trat Keepnews vermehrt als Produzent von Reissues historischer Jazzaufnahmen verschiedener Künstler und Labels in Erscheinung. Darunter auch seine eigenen Aufnahmen mit Monk, Adderley und Montgomery auf den 1950er und 60er Jahren, die später dann auch als CD-Reissues unter der Bezeichnung Original Jazz Classics vertrieben wurden. Seine Retrospektiven zu Monk, Evans und Ellington bzw. die dazu verfassten Liner Notes brachten ihm ingesamt vier Grammys ein.

Bei den Grammy Awards 2004 wurde Keepnews mit dem „Trustees Award“ der Recodring Academy ausgezeichnet, einem Preis für das Lebenswerk nichtauführender Musikschaffender. Der Preis entspricht dem „Lifetime Achievement Award“ bei den aufführenden Künstlern entspricht, der im gleichen Jahr unter anderem an Keepnews’ langjähriger Weggefährte Sonny Rollins ging. Trotz vieler wirtschaftlicher Rückschläge gehört Keepnews zu den künstlerisch erfolgreichsten Produzenten der Jazzgeschichte, der sich selbst immer als eine jemanden sah, der seinen Künstlern die Möglichkeit schuf, ihre Musik zu machen:

I’ve always thought of myself as more of a catalyst than anything else, I never played an instrument, and I finally figured out that is one of my strengths as a producer. I’ve never felt that I was competing with the musicians or that I could play that solo better. My job became to provide the best possible environment in which the musicians could express themselves. It’s not easy, and it’s never dull.[1]

Aufnahmen (Auswahl)

Muss ich noch ran und repräsentativer gestalten
Originalaufnahmen
  • 1955: Thelonious Monk Plays Duke Ellington (Thelonious Monk, Riverside)
  • 1957: Monk’s Music und Brilliant Corners (Thelonious Monk, Riverside)
  • 1959: Chet (Chet Baker, Riverside)
  • 1961: African Waltz (Cannonball Adderley, Riverside)
  • 1967: New And Groovy (Johnny Lytle, Tuba)
  • 1976: Everybody Come On Out (Stanley Turrentine, Fantasy)
  • 1985: Kronos Quartet Plays Music of Thelonious Monk (Kronos Quartet, Landmark)
Reissues
  • 1996: Straight, No Chaser (Thelonious Monk, Columbia)[2]
  • 2002: Monk’s Dream (Thelonious Monk, Columbia)[3]

Bücher

  • Orrin Keepnews & Bill Grauer: A Pictorial History of Jazz: People and Places from New Orleans to Modern Jazz. Hale Publishing, 1956. ISBN 0517000091
  • Orrin Keepnews: The View from Within: Jazz Writings, 1948-1987. Oxford University Press 1988. ISBN 0195052846

Auszeichnungen

National Academy of Recording Arts and Sciences[4]:

  • Grammy Awards 1983: „Bester Album-Begleittext“ mit The Interplay Sessions (Bill Evans)
  • Grammy Awards 1988: „Bester Album-Begleittext“ und „Bestes historisches Album“ mit Thelonious Monk – The Complete Riverside Recordings
  • Grammy Awards 2000: „Bestes historisches Album“ mit The Duke Ellington Centennial Edition – The Complete RCA Victor Recordings (1927–1973)
  • Grammy Awards 2004: „Trustees Award“ für seine Lebenswerk
  • Produktionen, die in die „Academy Hall of Fame“ aufgenommen wurden:
1998: Waltz for Debby (Bill Evans)
1999: Brillian Corners (Thelonious Monk), The Incredible Jazz Guitar of Wes Montgomery (Wes Montgomery), Live in San Franzico (Cannonball Adderley)
2001: Monk’s Music (Thelonious Monk)
2007: Portrait in Jazz (Bill Evans)

Fußnoten

  1. a b c d e f Jesse Hamlin: A Life in Jazz. In: Columbia.edu. November 2004, abgerufen am 30. Juni 2007.
  2. Keepnews schrieb sowohl zum Orignalrelease von 1976 als auch zur Reissue die Liner Notes
  3. Keepnews Sohn Peter – Jazzkritiker für die New York Times – schrieb die Liner Notes zur Reissue
  4. The Recording Academy – Awards. In: Grammy.com. Abgerufen am 30. Juni 2007.


zu nichts Nutze aber cool: