„Martin Luther und die Juden“ – Versionsunterschied

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Das Thema '''„[[Martin Luther]] und die [[Juden]]“''' bezeichnet das theologische und praktische Verhältnis des [[Reformator]]s (1483–1546) zum [[Judentum]] und dessen Wirkungsgeschichte. Es wird besonders seit dem [[Holocaust]] in der [[Antisemitismusforschung]], der Forschung zur [[Reformation]] und der [[Christliche Theologie|christlichen Theologie]] behandelt.
Das Thema '''„[[Martin Luther]] und die [[Juden]]“''' bezeichnet das theologische und praktische Verhältnis des [[Reformator]]s (1483–1546) zum [[Judentum]] und dessen Wirkungsgeschichte. Dieses Thema wird in der Lutherforschung seit 1911 diskutiert, seit dem [[Holocaust]] auch in der [[Geschichtswissenschaft]], [[Antisemitismusforschung]] und [[Christliche Theologie|christlichen Theologie]]. Konsens besteht heute weitgehend darin, dass Luthers Aussagen zu Juden nicht [[Rassismus|rassistisch]], aber konstant [[Antijudaismus|antijudaistisch]] waren, während sich seine praktischen Forderungen zum Umgang mit Juden seit 1523 stark wandelten. Dies wird seit etwa 1980 nicht mehr nur aus Zeitumständen und enttäuschten Missionserwartungen, sondern als Grundzug und Folge seiner Theologie erklärt. Die [[Evangelische Kirche|evangelischen Kirchen]] haben sich seit 1950 allmählich von Luthers judenfeindlichen Aussagen und deren historischen Wirkungen im [[Protestantismus]] distanziert. Ob und wieweit auch seine Theologie zu revidieren ist, wird diskutiert.


== Ausgangssituation ==
== Ausgangssituation ==

=== Der überlieferte Antijudaismus ===
=== Der überlieferte Antijudaismus ===
{{Hauptartikel|Antijudaismus}}
{{Hauptartikel|Antijudaismus}}
Zur Zeit Luthers prägte der christliche Antijudaismus die [[Geschichte Europas]] seit gut 1300 Jahren. Zu den überlieferten antijudaistischen [[Stereotyp]]en gehörten um 1500 die Deutung des Tempelverlusts, der Zerstreuung und Verfolgung der Juden als fortwährende Strafe Gottes, ihre angebliche allgemeine Christenfeindlichkeit, Verstocktheit, Blindheit, Verfluchtheit, Gottlosigkeit und [[Teufel]]sabkunft, ihre Identität mit dem [[Antichrist]] der Endzeit, der [[Gottesmord]]-Vorwurf, Legenden von [[Ritualmordlegende|Ritualmorden]], [[Hostienfrevel]], [[Brunnenvergiftung]] und heimlichem [[Weltjudentum|Weltherrschaftsstreben]] der Juden, etwa durch Verrat an feindliche Mächte, das [[Judensau]]-Motiv, auch in Verbindung mit physiognomischen Zuschreibungen (Kleinwuchs, Tierklauen, Hakennasen, Gestank usw.).
Zur Zeit Luthers prägte der christliche Antijudaismus die [[Geschichte Europas]] seit gut 1300 Jahren. Zu den überlieferten antijudaistischen [[Stereotyp]]en gehörten um 1500: Die Zerstörung des [[Jerusalemer Tempel]]s (70), die Zerstreuung (135) und Verfolgung der Juden sei eine fortwährende Strafe Gottes für die [[Kreuzigung]] [[Jesus Christus|Jesu Christi]]; ferner ihre angebliche allgemeine Christenfeindlichkeit, Verstocktheit, Blindheit, Verfluchtheit, Gottlosigkeit und [[Teufel]]sabkunft, ihre Identität mit dem [[Antichrist]] der Endzeit, der [[Gottesmord]]-Vorwurf, Legenden von [[Ritualmordlegende|Ritualmorden]], [[Hostienfrevel]], [[Brunnenvergiftung]] und heimlichem [[Weltjudentum|Weltherrschaftsstreben]] der Juden, etwa durch Verrat an feindliche Mächte, das [[Judensau]]-Motiv, auch in Verbindung mit körperlichen Zuschreibungen (Kleinwuchs, Tierklauen, Hakennasen, Gestank usw.).


Seit etwa 1200 wurden kirchliche Kampagnen gegen den [[Talmud]] üblich, der als christenfeindliche Fälschung und allgemein kriminelle Propaganda dargestellt, öfter konfisziert und [[Bücherverbrennung|verbrannt]] wurde. Der altbekannte christliche Vorwurf des [[Wucher]]s wurde seit ihrer Abdrängung ins Geldgeschäft auf Juden konzentriert, verbunden mit Stereotypen wie Arbeitsscheu und Ausbeutung von Christen. Seit der Erfindung der [[Druckerpresse]] (um 1440) und volkssprachlicher [[Bibelübersetzung]]en wurden solche Stereotypen in Büchern, Flugschriften, Szenen und Bildern massenhaft gedruckt und in ganz Europa verbreitet. Darunter waren Neuauflagen von lateinischen ''Adversus-Judaeos''-Texten der [[Kirchenväter]] ebenso wie neue, volksprachliche Hetzschriften von christlichen Theologen und jüdischen [[Konvertit]]en.<ref>Ben-Zion Degani: ''Die Formulierung und Propagierung des jüdischen Stereotyps in der Zeit vor der Reformation und sein Einfluß auf den jungen Luther.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 3–37</ref> Predigtkampagnen der [[Bettelorden]] und Judenverfolgung durch die [[Inquisition]] gingen Hand in Hand.<ref>Wolfgang Huschner, Frank Rexroth (Hrsg.): ''Gestiftete Zukunft im mittelalterlichen Europa.'' ISBN 978-3-05-004475-0, [http://books.google.de/books?id=P2A6MSQIOhAC&pg=PA90 S. 90]</ref> Zu den vorgegebenen antijudaistischen Mustern gehörte die Abwertung des Judentums als [[Häresie]] und die gesellschaftspolitische Option der Vertreibung.<ref>Hans-Martin Kirn: ''Israel als Gegenüber der Reformatoren.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA292 S. 292]</ref>
Seit etwa 1200 stellten Kirchenvertreter den [[Talmud]] als christenfeindliche Fälschung und allgemein kriminelle Propaganda dar, ließen ihn öfter konfiszieren und [[Bücherverbrennung|verbrennen]]. Seit Juden in das Geldgeschäft abgedrängt wurden, wurde der bekannte christliche Vorwurf des [[Wucher]]s auf sie konzentriert, Damit verbunden wurde ihnen Arbeitsscheu und Ausbeutung von Christen nachgesagt. Seit Erfindung der [[Druckerpresse]] (um 1440) und volkssprachlicher [[Bibelübersetzung]]en wurden solche Stereotypen in Druckwerken massenhaft in Europa verbreitet. Darunter waren lateinische ''Adversus-Judaeos''-Texte der [[Kirchenväter]] ebenso wie neue, volksprachliche Hetzschriften von christlichen Theologen und jüdischen [[Konvertit]]en.<ref>Ben-Zion Degani: ''Die Formulierung und Propagierung des jüdischen Stereotyps in der Zeit vor der Reformation und sein Einfluß auf den jungen Luther.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 3–37.</ref> Predigtkampagnen der [[Bettelorden]] und Judenverfolgung durch die [[Inquisition]] gingen Hand in Hand.<ref>Wolfgang Huschner, Frank Rexroth (Hrsg.): ''Gestiftete Zukunft im mittelalterlichen Europa.'' ISBN 978-3-05-004475-0, [http://books.google.de/books?id=P2A6MSQIOhAC&pg=PA90 S. 90.]</ref>


Nach den [[Kreuzzüge]]n (12./13. Jahrhundert) waren die Juden, die damalige [[Judenpogrom|Pogromwellen]] und Vertreibungen überlebt hatten, vermehrt nach Ostmitteleuropa ausgewandert. Städtische [[Gilden]] und [[Zünfte]] verdrängten die, die blieben, aus ihren bisherigen Berufszweigen in von Christen verachtete Berufszweige, vor allem das Geld-, Pfandleihe- und Trödelgeschäft. Durch kirchliche und territoriale Vorschriften wurden sie [[Ghetto|ghettoisiert]] und mit einer vorgeschriebenen [[Judentracht]] kenntlich gemacht. In aufstrebenden [[Reichsstadt|Reichsstädten]] lebten sie zusammengedrängt und abgeschottet in besonderen Vierteln oder Straßenzügen; auch auf dem Land waren sie von der übrigen Bevölkerung isoliert. In Fürstentümern waren sie rechtlich der [[Kammerknechtschaft]] unterworfen und von sozialem Aufstieg ausgeschlossen. Nach den Judenpogromen von 1349 während der damaligen [[Schwarzer Tod|Pestpandemie]] wurden die überlebenden Juden aus vielen Regionen Europas vertrieben, darunter von 1388 bis 1519 aus fast 90 deutschen Städten.<ref>Heiko A. Oberman: ''Die Juden in Luthers Sicht.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 138 und Fn. 6</ref>
Nach den [[Judenpogrom]]en während der [[Kreuzzüge]] (12./13. Jahrhundert) waren überlebende Juden vermehrt nach Ostmitteleuropa ausgewandert. Städtische [[Gilden]] und [[Zünfte]] verdrängten die, die blieben, aus ihren bisherigen Berufszweigen in von Christen verachtete Berufszweige, vor allem das Geld-, Pfandleihe- und Trödelgeschäft. Durch kirchliche und territoriale Vorschriften wurden sie [[Ghetto|ghettoisiert]] und mit einer [[Judentracht]] kenntlich gemacht. In aufstrebenden [[Reichsstadt|Reichsstädten]] lebten sie in abgeschotteten Vierteln oder Straßenzügen; auch auf dem Land waren sie von der übrigen Bevölkerung isoliert. In Fürstentümern waren sie rechtlich der [[Kammerknechtschaft]] unterworfen und von sozialem Aufstieg ausgeschlossen. Nach den Judenpogromen von 1349 während der damaligen [[Schwarzer Tod|Pestpandemie]] wurden die überlebenden Juden aus vielen Regionen Europas vertrieben, darunter von 1388 bis 1519 aus fast 90 deutschen Städten.<ref>Heiko A. Oberman: ''Die Juden in Luthers Sicht.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 138 und Fn. 6</ref> Neben der Abwertung des Judentums als [[Häresie]] blieb die Vertreibung jüdischer Minderheiten eine ständige gesellschaftspolitische Option.<ref>Hans-Martin Kirn: ''Israel als Gegenüber der Reformatoren.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA292 S. 292.]</ref>


=== Juden in Luthers Heimat im 16. Jahrhundert ===
=== Juden in Luthers Heimat im 16. Jahrhundert ===
Um 1500 gab es im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] nördlich der Alpen nur noch weniger als 40.000 Juden (0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung), die in einigen größeren Stadtgemeinden oder verstreut auf dem Land lebten. Sie verstanden sich weiterhin als Träger der [[Messias]]erwartung und als Fremde, denen Gott die [[Jüdische Diaspora|Galut]], aber nicht die Abhängigkeit von den Christen auferlegt habe. Das Christentum beurteilten sie von [[Tora]] und Talmud aus als [[Idolatrie]] (Bilder- und Götzendienst). Gleichwohl ordneten sie sich gemäß dem talmudischen Grundsatz „Das Recht des Königs ist Recht“ der jeweiligen christlichen Obrigkeit unter.<ref>Friedrich Battenberg: ''Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' Oldenbourg, München 2001, ISBN 3486557777, [http://books.google.de/books?id=_W4jGKW_jhcC&pg=PA1 S. 1] und 10 (Zahlen)</ref>
Um 1500 gab es im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] nördlich der Alpen nur noch weniger als 40.000 Juden (0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung), die in einigen größeren Stadtgemeinden oder verstreut auf dem Land lebten. Sie verstanden sich weiterhin als Träger der [[Messias]]erwartung und als Fremde, denen Gott die [[Jüdische Diaspora|Galut]], aber nicht die Abhängigkeit von den Christen auferlegt habe. Das Christentum beurteilten sie von [[Tora]] und Talmud aus als [[Idolatrie]] (Bilder- und Götzendienst). Gleichwohl ordneten sie sich gemäß dem talmudischen Grundsatz „Das Recht des Königs ist Recht“ der jeweiligen christlichen Obrigkeit unter.<ref>Friedrich Battenberg: ''Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-55777-7, [http://books.google.de/books?id=_W4jGKW_jhcC&pg=PA1 S. 1.] und 10 (Zahlen)</ref>


Im [[Kurfürstentum Sachsen]] lebten anteilig weit weniger Juden als in Berlin, Süd- und Mitteldeutschland. Seit 1536 bestand dort zudem ein Aufenthalts-, Erwerbs- und Durchzugsverbot für sie, das 1543 auf Luthers Betreiben erneuert wurde.<ref>Friedrich Battenberg: ''Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' München 2001, [http://books.google.de/books?id=_W4jGKW_jhcC&pg=PA10 S. 10f.]</ref> In [[Thüringen]] gab es um 1540 nur noch etwa 25 kleine jüdische Ansiedlungen und einzelne jüdische Familien in randständigen und ländlichen Ortschaften. Sie hatten keine eigene Organisation und keine [[Synagoge]]n.<ref>Stefan Litt: ''Juden in Thüringen in der Frühen Neuzeit (1520–1650).'' Böhlau, Wien 2004, ISBN 3412085030, S. 35–40; 213f.; Siedlungskarte S. 226</ref>
Im [[Kurfürstentum Sachsen]] lebten anteilig weit weniger Juden als in Berlin, Süd- und Mitteldeutschland. Seit 1536 bestand dort zudem ein Aufenthalts-, Erwerbs- und Durchzugsverbot für sie, das 1543 auf Luthers Betreiben erneuert wurde.<ref>Friedrich Battenberg: ''Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' München 2001, [http://books.google.de/books?id=_W4jGKW_jhcC&pg=PA10 S. 10f.]</ref> In [[Thüringen]] gab es um 1540 nur noch etwa 25 kleine jüdische Ansiedlungen und einzelne jüdische Familien in randständigen und ländlichen Ortschaften. Sie hatten keine eigene Organisation und keine [[Synagoge]]n.<ref>Stefan Litt: ''Juden in Thüringen in der Frühen Neuzeit (1520–1650).'' Böhlau, Wien 2004, ISBN 3-412-08503-0, S. 35–40; 213f.; Siedlungskarte S. 226.</ref>


In Luthers Wohnorten lebten damals nur in [[Eisleben]] Juden (bis 1547). Er hatte nur wenige persönliche Kontakte mit Juden, die meist von letzteren ausgingen. Nach einer von ihm 1525 bezeugten Begegnung mit zwei oder drei [[Rabbiner]]n verschärfte er ab 1526 seine negativen Urteile über die Juden. Eine 1575 erstmals überlieferte Episode, wonach er beim [[Reichstag zu Worms (1521)]] mit drei Juden über {{B|Jes|7|14|LUT}} diskutiert und sie aus seinem Raum geworfen habe, gilt als Legende.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA156 S. 156]</ref> In einem Brief von 1525 an [[Nikolaus von Amsdorf]] behauptete Luther, ein jüdischer Mediziner aus Polen habe einen bezahlten Auftragsmord mit Gift an ihm geplant. Verhöre ergaben nichts, so dass er den Mann freiließ.<ref>Samuel Krauss: ''Luther und die Juden'' (1917). In: Kurt Wilhelm (Hrsg.): ''Wissenschaft des Judentums im deutschen Sprachbereich I/II.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 1967, ISBN 3168211524, [http://books.google.de/books?id=WXUgDbCsDbcC&pg=PA309 S. 309f.]</ref> Luther und seine Frau [[Katharina von Bora]] verdächtigten Juden jedoch weiterhin, ihm nach dem Leben zu trachten.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA158 S. 158]</ref>
In Luthers Wohnorten lebten damals nur in [[Eisleben]] Juden (bis 1547). Er hatte nur wenige persönliche Kontakte mit Juden, die meist von letzteren ausgingen. Nach einer von ihm 1525 bezeugten Begegnung mit zwei oder drei [[Rabbiner]]n verschärfte er ab 1526 seine negativen Urteile über die Juden. Eine 1575 erstmals überlieferte Episode, wonach er beim [[Reichstag zu Worms (1521)]] mit drei Juden über {{B|Jes|7|14|LUT}} diskutiert und sie aus seinem Raum geworfen habe, gilt als Legende.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA156 S. 156.]</ref> In einem Brief von 1525 an [[Nikolaus von Amsdorf]] behauptete Luther, ein jüdischer Mediziner aus Polen habe einen bezahlten Auftragsmord mit Gift an ihm geplant. Verhöre ergaben nichts, so dass er den Mann freiließ.<ref>Samuel Krauss: ''Luther und die Juden'' (1917). In: Kurt Wilhelm (Hrsg.): ''Wissenschaft des Judentums im deutschen Sprachbereich I/II.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 1967, ISBN 3-16-821152-4, [http://books.google.de/books?id=WXUgDbCsDbcC&pg=PA309 S. 309f.]</ref> Luther und seine Frau [[Katharina von Bora]] verdächtigten Juden jedoch weiterhin, ihm nach dem Leben zu trachten.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA158 S. 158.]</ref>


=== Luthers Kenntnisse vom Judentum ===
=== Luthers Kenntnisse vom Judentum ===
Luthers theologische Ausbildung als Augustinermönch war entscheidend vom Studium des damals verfügbaren [[Masoretischer Text|masoretischen Textes]] des [[Tanach]]s bestimmt. Diesen lernte er durch Ausgaben christlicher [[Humanismus|Humanisten]] kennen, die die [[Hebräische Sprache|hebräische Sprache]] bei jüdischen Gelehrten studiert hatten und dann die [[Hebraistik]] an den Universitäten Europas vorantrieben. Obwohl das Hebräischstudium von Papst [[Clemens VI.]] 1311 erlaubt und 1434 auf dem [[Konzil von Basel]] erneut als Universitätsfach verlangt worden war, griff die katholische [[Scholastik]] die Humanisten noch lange als „Judenfreunde“ und subversive Häretiker an. Darauf reagierten diese ihrerseits oft mit judenfeindlichen Traktaten, die ihr Hauptziel bekräftigten: der bislang weitgehend erfolglosen [[Judenmission]] durch Entkräftung der jüdischen [[Bibelexegese]] zum Erfolg zu verhelfen.<ref>Stefan Schreiner: ''Was Luther vom Judentum wissen konnte.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 70f.</ref>
Luthers theologische Ausbildung als Augustinermönch war entscheidend vom Studium des damals verfügbaren [[Masoretischer Text|masoretischen Textes]] des [[Tanach]]s bestimmt. Diesen lernte er durch Ausgaben christlicher [[Humanismus|Humanisten]] kennen, die die [[hebräische Sprache]] bei jüdischen Gelehrten studiert hatten und dann die [[Hebraistik]] an den Universitäten Europas vorantrieben. Obwohl das Hebräischstudium von Papst [[Clemens VI.]] 1311 erlaubt und 1434 auf dem [[Konzil von Basel]] erneut als Universitätsfach verlangt worden war, griff die katholische [[Scholastik]] die Humanisten noch lange als „Judenfreunde“ und subversive Häretiker an. Darauf reagierten diese ihrerseits oft mit judenfeindlichen Traktaten, die ihr Hauptziel bekräftigten: der bislang weitgehend erfolglosen [[Judenmission]] durch Entkräftung der jüdischen [[Bibelexegese]] zum Erfolg zu verhelfen.<ref>Stefan Schreiner: ''Was Luther vom Judentum wissen konnte.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 70f.</ref>


1506 erwarb Luther die damals erschienene Grammatik des Hebräischen von [[Johannes Reuchlin]] sowie 1512 dessen kommentierte lateinische Übersetzung der sieben Bußpsalmen. 1516 begann er den [[Buch der Psalmen|Psalter]] anhand der hebräischen Textausgabe von [[Konrad Pelikan]] und der Grammatik von [[Wolfgang Capito]] zu übersetzen. 1518 und 1520 veranlasste er die [[Universität Wittenberg]], eine vollständige Hebräische Bibel zu erwerben. Es handelte sich vermutlich um die in Luthers Privatbibliothek gefundene Ausgabe von [[Soncino (Buchdrucker)|Gershom ben Moshe Soncino]] (Brescia 1494). Er studierte wahrscheinlich auch die damals neuen Lehrbücher hebräischer Grammatik von [[Johann Böschenstein]] (Wittenberg 1518) und [[Matthäus Aurogallus]] (Wittenberg 1523).<ref>Stefan Schreiner: ''Was Luther vom Judentum wissen konnte.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 63f.</ref> Er verschaffte dem jüdischen Konvertiten ''Jakob Gipher'' eine Stelle als Hebräischdozent in Wittenberg, aber keine Pastorenstelle. Er misstraute jüdischen Konvertiten, sobald sie wie Böschenstein auch jüdische Schriften auslegten oder wie [[Matthäus Adriani]] seine Bibelübersetzung in Frage stellten. Durch den Konvertiten Werner Eichhorn, der ihn in mehreren Ketzerprozessen denunzierte, erhielt sein Misstrauen Nahrung.<ref>Heinz Schilling: ''Martin Luther: Rebell in einer Zeit des Umbruchs.'' C.H. Beck, Tübingen 2012, ISBN 3-406-63742-6, [http://books.google.de/books?id=B0oo7pLApUEC&pg=PT466 S. 466f.]</ref>
1506 erwarb Luther die damals erschienene Grammatik des Hebräischen von [[Johannes Reuchlin]] sowie 1512 dessen kommentierte lateinische Übersetzung der sieben Bußpsalmen. 1516 begann er den [[Buch der Psalmen|Psalter]] anhand der hebräischen Textausgabe von [[Konrad Pelikan]] und der Grammatik von [[Wolfgang Capito]] zu übersetzen. 1518 und 1520 veranlasste er die [[Universität Wittenberg]], eine vollständige Hebräische Bibel zu erwerben. Es handelte sich vermutlich um die in Luthers Privatbibliothek gefundene Ausgabe von [[Soncino (Buchdrucker)|Gershom ben Moshe Soncino]] (Brescia 1494). Er studierte wahrscheinlich auch die damals neuen Lehrbücher hebräischer Grammatik von [[Johann Böschenstein]] (Wittenberg 1518) und [[Matthäus Aurogallus]] (Wittenberg 1523).<ref>Stefan Schreiner: ''Was Luther vom Judentum wissen konnte.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 63f.</ref> Er verschaffte dem jüdischen Konvertiten ''Jakob Gipher'' eine Stelle als Hebräischdozent in Wittenberg, aber keine Pastorenstelle. Er misstraute jüdischen Konvertiten, sobald sie wie Böschenstein auch jüdische Schriften auslegten oder wie [[Matthäus Adriani]] seine Bibelübersetzung in Frage stellten. Durch den Konvertiten Werner Eichhorn, der ihn in mehreren Ketzerprozessen denunzierte, erhielt sein Misstrauen Nahrung.<ref>Heinz Schilling: ''Martin Luther: Rebell in einer Zeit des Umbruchs.'' C.H. Beck, Tübingen 2012, ISBN 978-3-406-63742-1, [http://books.google.de/books?id=B0oo7pLApUEC&pg=PT466 S. 466f.]</ref>


Nachdem 1534 Luthers vollständige Übersetzung des [[Altes Testament|Alten Testaments]] (AT) erschien, musste er sich öfter mit Einwänden von Rabbinern dazu auseinandersetzen. Er nutzte diese Chance nicht, um sich fortzubilden, sondern griff wegen seiner begrenzten Hebräischkenntnisse auf Argumentationshilfen christlicher Hebraisten und jüdischer Konvertiten zurück. Durch [[Nikolaus von Lyra]] lernte er rabbinische Bibelkommentare wie den des berühmten [[Raschi]] kennen.<ref>Johannes Schwanke: ''Creatio ex nihilo: Luthers Lehre von der Schopfung aus dem Nichts in der großen Genesisvorlesung (1535–1545).'' Walter de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3110179687, [http://books.google.de/books?id=Yujm3WXTloIC&pg=PA10 S. 10 und Fn. 21–22]</ref> Er betonte, grammatische Regeln seien formal unentbehrlich, dürften aber nicht den Blick für die allgemeinverständliche Selbstauslegung der ganzen Schrift verstellen. Grammatik allein dringe nicht zum eigentlichen Textsinn vor: nämlich dem, „was Christum treibet“. Deshalb kritisierte er die lateinische Bibelübersetzung von [[Sebastian Münster]] (1534/35), die sich an rabbinische Bibelexegese anlehnte, als zwar gelehrt, aber „judaisierend“ und darum potentiell gefährlich für den christlichen Glauben. Damit übernahm er ein Stereotyp, das seine katholischen Gegner gegen alle Humanisten, Hebraisten und Luther selbst gerichtet hatten.<ref>Stefan Schreiner: ''Was Luther vom Judentum wissen konnte.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 64–68</ref>
Nachdem 1534 Luthers vollständige Übersetzung des [[Altes Testament|Alten Testaments]] (AT) erschien, musste er sich öfter mit Einwänden von Rabbinern dazu auseinandersetzen. Er nutzte diese Chance nicht, um sich fortzubilden, sondern griff wegen seiner begrenzten Hebräischkenntnisse auf Argumentationshilfen christlicher Hebraisten und jüdischer Konvertiten zurück. Durch [[Nikolaus von Lyra]] lernte er rabbinische Bibelkommentare wie den des berühmten [[Raschi]] kennen.<ref>Johannes Schwanke: ''Creatio ex nihilo: Luthers Lehre von der Schopfung aus dem Nichts in der großen Genesisvorlesung (1535–1545).'' Walter de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-017968-7, [http://books.google.de/books?id=Yujm3WXTloIC&pg=PA10 S. 10 und Fn. 21–22]</ref> Er betonte, grammatische Regeln seien formal unentbehrlich, dürften aber nicht den Blick für die allgemeinverständliche Selbstauslegung der ganzen Schrift verstellen. Grammatik allein dringe nicht zum eigentlichen Textsinn vor: nämlich dem, „was Christum treibet“. Deshalb kritisierte er die lateinische Bibelübersetzung von [[Sebastian Münster]] (1534/35), die sich an rabbinische Bibelexegese anlehnte, als zwar gelehrt, aber „judaisierend“ und darum potentiell gefährlich für den christlichen Glauben. Damit übernahm er ein Stereotyp, das seine katholischen Gegner gegen alle Humanisten, Hebraisten und Luther selbst gerichtet hatten.<ref>Stefan Schreiner: ''Was Luther vom Judentum wissen konnte.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 64–68.</ref>


=== Luthers reformatorische Grundposition ===
=== Luthers reformatorische Grundposition ===
Luther ließ die Bibel als einzigen Maßstab christlicher Erkenntnis und Handlungen gelten ([[sola scriptura]]). Ihr Zentrum war für ihn der unbedingte Zuspruch ([[Evangelium (Glaube)|Evangelium]]) der [[Gnade]] Gottes ([[sola gratia]]), die sich exklusiv in der stellvertretenden Schuldübernahme des für uns [[Kreuzigung|gekreuzigten]] [[Sohn Gottes|Sohnes Gottes]] ereignet habe ([[solus Christus]]) und allein durch das unbedingte Vertrauen auf ihn wirksam werde ([[sola fide]]). Indem Gott sich im Leiden und Sterben [[Jesus Christus|Jesu Christi]] offenbare ([[Theologia crucis|Kreuzestheologie]]), richte er alle, die sich durch Eigenleistung („Werke“) vor Gott rechtfertigen, als „Feinde des Kreuzes Christi“.<ref>Michael Korthaus: ''Kreuzestheologie. Geschichte und Gehalt eines Programmbegriffs in der evangelischen Theologie.'' 2007, ISBN 978-3-16-149337-9, [http://books.google.de/books?id=SV8IYfPWIi0C&pg=PA350 S. 350]; Eduard Ellwein (Hrsg.): ''Luthers Epistel-Auslegung Band 3: Die Briefe an die Epheser, Philipper und Kolosser.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1972, [http://books.google.de/books?id=8NCyh9kBlGkC&pg=PA218 S. 218]</ref> Weil Gott die menschliche [[Sünde]] allein vergeben wolle, führe die „[[Werkgerechtigkeit]]“ trotz und gegen Gottes Gnade in die [[Verdammnis]].<ref>Jin H. Kwon: ''Christus pro nobis.'' Lit Verlag, 2008, ISBN 3825813657, [http://books.google.de/books?id=yid49NovFjcC&pg=PA46 S. 46]</ref>
Luther ließ die Bibel als einzigen Maßstab christlicher Erkenntnis und Handlungen gelten ([[sola scriptura]]). Ihr Zentrum war für ihn der unbedingte Zuspruch ([[Evangelium (Glaube)|Evangelium]]) der [[Gnade]] Gottes ([[sola gratia]]), die sich exklusiv in der stellvertretenden Schuldübernahme des für uns [[Kreuzigung|gekreuzigten]] [[Sohn Gottes|Sohnes Gottes]] ereignet habe ([[solus Christus]]) und allein durch das unbedingte Vertrauen auf ihn wirksam werde ([[sola fide]]). Indem Gott sich im Leiden und Sterben Jesu Christi offenbare ([[Theologia crucis|Kreuzestheologie]]), richte er alle, die sich durch Eigenleistung („Werke“) vor Gott rechtfertigen, als „Feinde des Kreuzes Christi“.<ref>Michael Korthaus: ''Kreuzestheologie. Geschichte und Gehalt eines Programmbegriffs in der evangelischen Theologie.'' 2007, ISBN 978-3-16-149337-9, [http://books.google.de/books?id=SV8IYfPWIi0C&pg=PA350 S. 350.]; Eduard Ellwein (Hrsg.): ''Luthers Epistel-Auslegung Band 3: Die Briefe an die Epheser, Philipper und Kolosser.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1972, [http://books.google.de/books?id=8NCyh9kBlGkC&pg=PA218 S. 218.]</ref> Weil Gott die menschliche [[Sünde]] allein vergeben wolle, führe die „[[Werkgerechtigkeit]]“ trotz und gegen Gottes Gnade in die [[Verdammung|Verdammnis]].<ref>Jin H. Kwon: ''Christus pro nobis.'' Lit Verlag, 2008, ISBN 978-3-8258-1365-9, [http://books.google.de/books?id=yid49NovFjcC&pg=PA46 S. 46.]</ref>


Als Hauptvertreter dieser Werkgerechtigkeit zählte Luther in frühen exegetischen Werken oft [[Papsttum]], Judentum und [[Islam]] miteinander auf.<ref>Volker Stolle: ''Israel als Gegenüber Martin Luthers – im Horizont seiner biblischen Hermeneutik.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA343 S. 343, Fn. 118]</ref> Diese Gruppen wie auch die „[[Radikale Reformation|Schwärmer]]“ missbrauchten für ihn Gottes Gesetz zur Selbstrechtfertigung, spiegelten damit die Gefährdung aller Gläubigen und bedrohten deren endzeitliche Heilsgemeinschaft.<ref>Hans-Martin Kirn: ''Israel als Gegenüber der Reformatoren.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA293 S. 293]</ref> Seine Kritik an der Selbstrechtfertigung zielte zuerst auf die Christen selbst, nicht nur auf die Andersgläubigen.<ref>Ekkehard Wohlleben: ''Die Kirchen und die Religionen. Perspektiven einer ökumenischen Religionstheologie.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3525565518, [http://books.google.de/books?id=objuV1eetKEC&pg=PA153 S. 153]</ref>
Als Hauptvertreter dieser Werkgerechtigkeit zählte Luther in frühen exegetischen Werken oft [[Papsttum]], Judentum und [[Islam]] miteinander auf.<ref>Volker Stolle: ''Israel als Gegenüber Martin Luthers – im Horizont seiner biblischen Hermeneutik.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA343 S. 343, Fn. 118]</ref> Diese Gruppen wie auch die „[[Radikale Reformation|Schwärmer]]“ missbrauchten für ihn Gottes Gesetz zur Selbstrechtfertigung, spiegelten damit die Gefährdung aller Gläubigen und bedrohten deren endzeitliche Heilsgemeinschaft.<ref>Hans-Martin Kirn: ''Israel als Gegenüber der Reformatoren.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA293 S. 293.]</ref> Seine Kritik an der Selbstrechtfertigung zielte zuerst auf die Christen selbst, nicht nur auf die Andersgläubigen.<ref>Ekkehard Wohlleben: ''Die Kirchen und die Religionen. Perspektiven einer ökumenischen Religionstheologie.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-56551-8, [http://books.google.de/books?id=objuV1eetKEC&pg=PA153 S. 153.]</ref>


Luther ordnete das Judentum theologisch konstant als den wahren Glauben gefährdende „Gesetzesreligion“ ein.<ref>Udo Kern: ''Das Verständnis des Gesetzes bei Juden, Christen und im Islam.'' Lit Verlag, 2000, ISBN 3825848639, [http://books.google.de/books?id=qKTkm_M472gC&pg=PA77 S. 77]</ref> Dagegen widersprachen seine späteren Ratschläge zum politischen Umgang mit den Juden direkt seinen früheren. Ob dieser Wandel von seiner [[Rechtfertigungslehre]] aus zu erklären oder zu kritisieren ist, ist das entscheidende Deutungsproblem.<ref>Volker Stolle: ''Israel als Gegenüber Martin Luthers – im Horizont seiner biblischen Hermeneutik.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA325 S. 325 und Fn. 17]</ref>
Luther ordnete das Judentum theologisch konstant als den wahren Glauben gefährdende „Gesetzesreligion“ ein.<ref>Udo Kern: ''Das Verständnis des Gesetzes bei Juden, Christen und im Islam.'' Lit Verlag, 2000, ISBN 3-8258-4863-9, [http://books.google.de/books?id=qKTkm_M472gC&pg=PA77 S. 77.]</ref> Dagegen widersprachen seine späteren Ratschläge zum politischen Umgang mit den Juden direkt seinen früheren. Ob dieser Wandel von seiner [[Rechtfertigungslehre]] aus zu erklären oder zu kritisieren ist, ist das entscheidende Deutungsproblem.<ref>Volker Stolle: ''Israel als Gegenüber Martin Luthers – im Horizont seiner biblischen Hermeneutik.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA325 S. 325 und Fn. 17]</ref>


== Luthers Aussagen über Juden ==
== Luthers Aussagen über Juden ==
=== Übersicht ===
=== Übersicht ===
Luther befasste sich in seiner ganzen Wirkungszeit als Theologe mit dem Judentum: in exegetischen Kommentaren, Predigten, Briefen, Tischreden und besonderen thematischen Aufsätzen. Letztere wurden schon 1555 als „Schriften wider Juden“ eingeordnet.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA11 S. 11 und Fn. 17]</ref> 1920 veröffentlichten [[Ferdinand Cohrs]] und [[Oskar Brenner]] Luthers Schriften von 1543 in der [[Weimarer Ausgabe]] unter dem Titel „Judenschriften“ und prägten damit ihr Verständnis.<ref>Christopher J. Probst: ''Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany.'' 2012, [http://books.google.de/books?id=FCMgy6a7sFMC&pg=PA184 S. 184]</ref> Oft werden alle Schriften Luthers seit 1523 so bezeichnet, die sich mit Juden befassen und Ratschläge zum Umgang mit ihnen enthalten.
Luther befasste sich in seiner ganzen Wirkungszeit als Theologe mit dem Judentum: in exegetischen Kommentaren, Predigten, Briefen, Tischreden und besonderen thematischen Aufsätzen. Letztere wurden schon 1555 als „Schriften wider Juden“ eingeordnet.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA11 S. 11 und Fn. 17]</ref> 1920 veröffentlichten [[Ferdinand Cohrs]] und [[Oskar Brenner]] Luthers Schriften von 1543 in der [[Weimarer Ausgabe (Luther)|Weimarer Ausgabe]] unter dem Titel „Judenschriften“ und prägten damit ihr Verständnis.<ref>Christopher J. Probst: ''Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany.'' 2012, [http://books.google.de/books?id=FCMgy6a7sFMC&pg=PA184 S. 184.]</ref> Oft werden alle Schriften Luthers seit 1523 so bezeichnet, die sich mit Juden befassen und Ratschläge zum Umgang mit ihnen enthalten.


Alle diese Texte sind an Christen, nicht an Juden gerichtet. Luther befürwortete die Judenmission, leitete seine Leser aber nicht praktisch dazu an, sondern wollte sie durch theologische Argumente befähigen, die Wahrheit des Evangeliums zu erkennen und aus seiner Sicht falsche Bibelexegese zurückzuweisen. Ein bis 1537 geplantes missionarisches Büchlein an Juden verfasste er nicht.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA10 S. 10] und [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA83 83]</ref>
Alle diese Texte sind an Christen, nicht an Juden gerichtet. Luther befürwortete die Judenmission, leitete seine Leser aber nicht praktisch dazu an, sondern wollte sie durch theologische Argumente befähigen, die Wahrheit des Evangeliums zu erkennen und aus seiner Sicht falsche Bibelexegese zurückzuweisen. Ein bis 1537 geplantes missionarisches Büchlein an Juden verfasste er nicht.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA10 S. 10.] und [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA83 83]</ref>


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! Jahr !! Titel !! Weimarer Ausgabe (WA)
! Jahr !! Titel !! Weimarer Ausgabe (WA)
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| 1514 || Brief an Spalatin zu Johannes Reuchlin || WA Briefe 1, Nr. 7, S. 23–30
| 1514 || Brief an Spalatin zu Johannes Reuchlin || WA Briefe 1, Nr. 7, S. 23–30.
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| 1513–1515 || Erste Psalmenvorlesung || WA 3, S. 11–4, S. 462
| 1513–1515 || Erste Psalmenvorlesung || WA 3, S. 11–4, S. 462.
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| 1516 || Römerbriefvorlesung || WA 56
| 1516 || Römerbriefvorlesung || WA 56
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| 1519 || Sermon zur Betrachtung des heiligen Leidens Christi || WA 2, S. 136–142
| 1519 || Sermon zur Betrachtung des heiligen Leidens Christi || WA 2, S. 136–142.
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| 1521 || Lobgesang der heiligen Jungfrau Maria, genannt das Magnificat || WA 7, S. 601ff.
| 1521 || Lobgesang der heiligen Jungfrau Maria, genannt das Magnificat || WA 7, S. 601ff.
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| 1523 || Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei || WA 11, S. 314–336
| 1523 || Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei || WA 11, S. 314–336.
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| 1523 || Ein Sermon an dem Jahrestag von der Beschneidung der Juden || WA 12, S. 400–407
| 1523 || Ein Sermon an dem Jahrestag von der Beschneidung der Juden || WA 12, S. 400–407.
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| 1525 || Ein Sermon von des jüdischen Reichs und der Welt Ende || WA 15, S. 741–758
| 1525 || Ein Sermon von des jüdischen Reichs und der Welt Ende || WA 15, S. 741–758.
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| 1526 || Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn || WA 19, S. 542—615
| 1526 || Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn || WA 19, S. 542–615.
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| 1530 || Brief zur liturgischen Gestaltung von Judentaufen || WA Briefe 5, S. 452,1–28
| 1530 || Brief zur liturgischen Gestaltung von Judentaufen || WA Briefe 5, S. 452,1–28.
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| 1537 || An den Juden Josel || WA Briefe 8, Nr. 3157, S. 89–91
| 1537 || An den Juden Josel || WA Briefe 8, Nr. 3157, S. 89–91.
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| 1538 || Wider die Sabbather an einen guten Freund || WA 50, S. 312–337
| 1538 || Wider die Sabbather an einen guten Freund || WA 50, S. 312–337.
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| Januar 1543 || Von den Juden und ihren Lügen || WA 53, S. 417–552
| Januar 1543 || Von den Juden und ihren Lügen || WA 53, S. 417–552.
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| März 1543 || Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi || WA 53, S. 579–648
| März 1543 || Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi || WA 53, S. 579–648.
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| Juli 1543 || Von den letzten Worten Davids || WA 54, S. 28–100
| Juli 1543 || Von den letzten Worten Davids || WA 54, S. 28–100.
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| 1546 || Eine Vermahnung wider die Juden || WA 51, S. 195f.
| 1546 || Eine Vermahnung wider die Juden || WA 51, S. 195f.
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=== Brief an Spalatin zu Johannes Reuchlin (1514) ===
=== Brief an Spalatin zu Johannes Reuchlin (1514) ===
Der Humanist [[Johannes Reuchlin]] hatte in seinem Werk „Augenspiegel“ 1510 die Verbrennung des Talmud abgelehnt und diesem eine positive Rolle zum Verstehen des christlichen Glaubens zugewiesen. Die Kölner [[Dominikaner]] unter Inquisitor [[Jakob van Hoogstraten]] und dem jüdischen Konvertiten [[Johannes Pfefferkorn]] wollten das Werk in einem Inquisitionsverfahren verbieten. In einem Gutachten dazu sprach Luther Reuchlin vom Verdacht der Häresie frei und kritisierte den Verfolgungseifer seiner Gegner. Jedoch beurteilte er den Talmud wie Pfefferkorn als gotteslästerlich. Strafen und Verbote aber würden die Juden nur zu noch schlimmeren [[Gotteslästerung]]en reizen. Dies hätten alle biblischen Propheten vorhergesagt. Weil Gott die Juden an ihren „verkehrten Sinn dahingegeben“ habe, seien sie „unverbesserlich“. Gott allein werde ihre Ablehnung Jesu Christi überwinden.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31).'' Stuttgart 2002, S. 75</ref> Dieses Verstockungsmotiv entnahm Luther der Bibel, nicht empirischer Religionsausübung, und vertrat es zeitlebens, weil er davon ausging, dass Gott nicht lügen könne.
Der Humanist [[Johannes Reuchlin]] hatte in seinem Werk „Augenspiegel“ 1510 die Verbrennung des Talmud abgelehnt und diesem eine positive Rolle zum Verstehen des christlichen Glaubens zugewiesen. Die Kölner [[Dominikaner]] unter Inquisitor [[Jakob van Hoogstraten]] und dem jüdischen Konvertiten [[Johannes Pfefferkorn]] wollten das Werk in einem Inquisitionsverfahren verbieten. In einem Gutachten dazu sprach Luther Reuchlin vom Verdacht der Häresie frei und kritisierte den Verfolgungseifer seiner Gegner. Jedoch beurteilte er den Talmud wie Pfefferkorn als gotteslästerlich. Strafen und Verbote aber würden die Juden nur zu noch schlimmeren [[Gotteslästerung]]en reizen. Dies hätten alle biblischen Propheten vorhergesagt. Weil Gott die Juden an ihren „verkehrten Sinn dahingegeben“ habe, seien sie „unverbesserlich“. Gott allein werde ihre Ablehnung Jesu Christi überwinden.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31).'' Stuttgart 2002, S. 75.</ref> Dieses Verstockungsmotiv entnahm Luther der Bibel, nicht empirischer Religionsausübung, und vertrat es zeitlebens, weil er davon ausging, dass Gott nicht lügen könne.


=== Frühe Vorlesungen (1513–1516) ===
=== Frühe Vorlesungen (1513–1516) ===
In seiner ersten Psalmenvorlesung (1513–1515) übernahm Luther die altkirchliche [[Substitutionstheologie]]: Gott habe sein Volk wegen dessen fortgesetzter Überheblichkeit „ausgespien“. Als Strafe für Jesu Kreuzigung hätten die Juden ihren Tempel verloren und seien zerstreut worden. Ihre Messiashoffnung sei vergeblich, so dass sie weder leiblich (politisch) noch geistlich (religiös) bestehen könnten. Dieses Gericht habe sie aber nicht gebessert, sondern verstockt: Sie beharrten auf ihrem Ungehorsam und wollten als Feinde der Christenheit andere dazu verführen. Ihre talmudische Bibelauslegung lehre lauter Lügen, um die Wahrheit Christi aufzulösen und die Völker mit Hochmut gegen Gott zu erfüllen (u.a. WA 3/82, 25f). Sie in diesem [[Äon (Theologie)|Äon]] zu bekehren, sei Illusion. Nach {{B|Jes|10|21|LUT}} könne allenfalls ein Rest von ihnen gerettet werden (u.a. WA 4/468, 35ff). Luther sah die Lehren der Rabbiner also wie die katholische [[Scholastik]] als selbstgerechte Verfälschung des Wortes Gottes, die ständig die Verwerfung Jesu Christi wiederhole.
In seiner ersten Psalmenvorlesung (1513–1515) übernahm Luther die altkirchliche [[Substitutionstheologie]]: Gott habe sein Volk wegen dessen fortgesetzter Überheblichkeit „ausgespien“. Als Strafe für Jesu Kreuzigung hätten die Juden ihren Tempel verloren und seien zerstreut worden. Ihre Messiashoffnung sei vergeblich, so dass sie weder leiblich (politisch) noch geistlich (religiös) bestehen könnten. Dieses Gericht habe sie aber nicht gebessert, sondern verstockt: Sie beharrten auf ihrem Ungehorsam und wollten als Feinde der Christenheit andere dazu verführen. Ihre talmudische Bibelauslegung lehre lauter Lügen, um die Wahrheit Christi aufzulösen und die Völker mit Hochmut gegen Gott zu erfüllen (u.a. WA 3/82, 25f). Sie in diesem [[Äon (Theologie)|Äon]] zu bekehren, sei Illusion. Nach {{B|Jes|10|21|LUT}} könne allenfalls ein Rest von ihnen gerettet werden (u.a. WA 4/468, 35ff). Luther sah die Lehren der Rabbiner also wie die katholische [[Scholastik]] als selbstgerechte Verfälschung des Wortes Gottes, die ständig die Verwerfung Jesu Christi wiederhole.


In seiner Vorlesung zum [[Römerbrief]] (1515/16) behandelte Luther alle Aussagen darin, die Gottes Treue zu ganz [[Israeliten|Israel]] trotz dessen Ablehnung Jesu Christi betonen ({{B|Röm|3|1–14|LUT}}; {{B|Röm|9|3–5|LUT}}; {{B|9|26|LUT}}; {{B|Röm|11|1.28|LUT}} und öfter) durchgehend von seinem Vorurteil aus: Israel habe seine Heilsprivilegien wegen der Ablehnung Jesu Christi verloren. [[Paulus von Tarsus]] erinnere nur an vergangene, nicht an bleibend gültige Zusagen Gottes, um die Selbstgerechtigkeit des Judentums zu zerstören. Gottes exklusive Gnade im Gekreuzigten sei das Ende der Tora. Die jüdische Ablehnung Jesu Christi sei daher identisch mit Feindschaft gegen den gnädigen Gott. So konnte das Judentum für ihn nur noch eine überholte Gesetzesreligion sein, deren Toragehorsam den gnädigen Gott fortgesetzt lästere.<ref>Klaus Wengst: ''„Freut euch, ihr Völker, mit Gottes Volk!“ Israel und die Völker als Thema des Paulus – ein Gang durch den Römerbrief.'' Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 3170197045, [http://books.google.de/books?id=oS_YlQeqpPEC&pg=PA27 S. 27–30]</ref>
In seiner Vorlesung zum [[Römerbrief]] (1515/16) behandelte Luther alle Aussagen darin, die Gottes Treue zu ganz [[Israeliten|Israel]] trotz dessen Ablehnung Jesu Christi betonen ({{B|Röm|3|1–14|LUT}}; {{BB|Röm|9|3–5|LUT}}; {{BB|Röm|9|26|LUT}}; {{BB|Röm|11|1.28|LUT}} und öfter) durchgehend von seinem Vorurteil aus: Israel habe seine Heilsprivilegien wegen der Ablehnung Jesu Christi verloren. [[Paulus von Tarsus]] erinnere nur an vergangene, nicht an bleibend gültige Zusagen Gottes, um die Selbstgerechtigkeit des Judentums zu zerstören. Gottes exklusive Gnade im Gekreuzigten sei das Ende der Tora. Die jüdische Ablehnung Jesu Christi sei daher identisch mit Feindschaft gegen den gnädigen Gott. So konnte das Judentum für ihn nur noch eine überholte Gesetzesreligion sein, deren Toragehorsam den gnädigen Gott fortgesetzt lästere.<ref>Klaus Wengst: ''„Freut euch, ihr Völker, mit Gottes Volk!“ Israel und die Völker als Thema des Paulus – ein Gang durch den Römerbrief.'' Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-019704-6, [http://books.google.de/books?id=oS_YlQeqpPEC&pg=PA27 S. 27–30.]</ref>


Das sollte die Christen jedoch zu Selbstkritik und Demut anleiten. So kommentierte Luther {{B|Röm|11|22|LUT}}: Gott behandle die Juden so streng, „damit wir am Beispiel fremden Unglücks lernen, Gott zu fürchten und in keiner Weise vermessen zu sein.“ Dem widerspreche das überhebliche Verhalten der Christen gegenüber den Juden. Statt „lästerliche Schimpfreden“ zu halten und „sich frech gleichsam als die Gesegneten und jene als die Verfluchten“ darzustellen, müssten sie „Mitleid haben“ und „ähnliche Dinge für sich befürchten“. Weil Gott Juden wie Heiden nur aus „reiner Barmherzigkeit“ angenommen habe, hätten „beide Grund, Gott zu loben, aber nicht, miteinander zu streiten.“<ref>WA 56/436, S. 13ff.; zitiert bei Karl Heinrich Rengstorf, Siegfried von Kortzfleisch (Hrsg.): ''Kirche und Synagoge: Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen, Band 1.'' 1968, S. 383.</ref>
Das sollte die Christen jedoch zu Selbstkritik und Demut anleiten. So kommentierte Luther {{B|Röm|11|22|LUT}}: Gott behandle die Juden so streng, „damit wir am Beispiel fremden Unglücks lernen, Gott zu fürchten und in keiner Weise vermessen zu sein.“ Dem widerspreche das überhebliche Verhalten der Christen gegenüber den Juden. Statt „lästerliche Schimpfreden“ zu halten und „sich frech gleichsam als die Gesegneten und jene als die Verfluchten“ darzustellen, müssten sie „Mitleid haben“ und „ähnliche Dinge für sich befürchten“. Weil Gott Juden wie Heiden nur aus „reiner Barmherzigkeit“ angenommen habe, hätten „beide Grund, Gott zu loben, aber nicht, miteinander zu streiten.“<ref>WA 56/436, S. 13ff.; zitiert bei Karl Heinrich Rengstorf, Siegfried von Kortzfleisch (Hrsg.): ''Kirche und Synagoge: Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen, Band 1.'' 1968, S. 383.</ref>


{{B|Röm|11|25f.}} („Verstockung liegt auf einem Teil Israels, bis die Heiden in voller Zahl das Heil erlangt haben; dann wird ganz Israel gerettet werden...“) fand Luther „so dunkel“, dass diese Zusage niemand von der endgültigen Bekehrung aller Juden zu Jesus Christus überzeugen könne. Er blieb zeitlebens skeptisch gegen diese Verheißung, weil er Gottes Treue zur Erwählung ganz Israels nicht mit seinem Verständnis der Rechtfertigung des Gottlosen in Einklang bringen konnte.<ref>Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 105</ref>
{{B|Röm|11|25f.}} („Verstockung liegt auf einem Teil Israels, bis die Heiden in voller Zahl das Heil erlangt haben; dann wird ganz Israel gerettet werden...“) fand Luther „so dunkel“, dass diese Zusage niemand von der endgültigen Bekehrung aller Juden zu Jesus Christus überzeugen könne. Er blieb zeitlebens skeptisch gegen diese Verheißung, weil er Gottes Treue zur Erwählung ganz Israels nicht mit seinem Verständnis der Rechtfertigung des Gottlosen in Einklang bringen konnte.<ref>Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 105.</ref>


=== Sermon zur Betrachtung des heiligen Leidens Christi (1519) ===
=== Sermon zur Betrachtung des heiligen Leidens Christi (1519) ===
In dieser Passionspredigt kritisierte Luther, dass die Kirche aus dem Betrachten des Gekreuzigten ein Bedenken der Bosheit der Juden gemacht habe. Der Gekreuzigte sei Spiegel der eigenen todeswürdigen Sünde, über die der Einzelne („Du“) beim Betrachten seines Leidens tödlich erschrecken müsse. Juden und Heiden hätten seinen Tod gleichermaßen und gemeinsam verursacht. Sie seien Werkzeuge der darin verwirklichten Gnade Gottes geworden. Daher trat der Vorwurf des Gottesmords bei Luther zurück.<ref>Johann Anselm Steiger, Ulrich Heinen (Hrsg.): ''Golgatha in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit.'' Walter de Gruyter , Berlin 2010, ISBN 3-11-022558-1, [http://books.google.de/books?id=gqAyhvbR4doC&pg=PA101 S. 101f.]</ref>
In dieser Passionspredigt kritisierte Luther, dass die Kirche aus dem Betrachten des Gekreuzigten ein Bedenken der Bosheit der Juden gemacht habe. Der Gekreuzigte sei Spiegel der eigenen todeswürdigen Sünde, über die der Einzelne („Du“) beim Betrachten seines Leidens tödlich erschrecken müsse. Juden und Heiden hätten seinen Tod gleichermaßen und gemeinsam verursacht. Sie seien Werkzeuge der darin verwirklichten Gnade Gottes geworden. Daher trat der Vorwurf des Gottesmords bei Luther zurück.<ref>Johann Anselm Steiger, Ulrich Heinen (Hrsg.): ''Golgatha in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit.'' Walter de Gruyter , Berlin 2010, ISBN 978-3-11-022558-7, [http://books.google.de/books?id=gqAyhvbR4doC&pg=PA101 S. 101f.]</ref>


1520 verwarf Luther auch die zur Passionszeit üblichen antijüdischen Hetzpredigten von Volkspredigern gegen die Juden und verlangte eine Abkehr davon (WA V, S. 427ff.). Dazu formulierte er eine neue Passionshymne:
1520 verwarf Luther auch die zur Passionszeit üblichen antijüdischen Hetzpredigten von Volkspredigern gegen die Juden und verlangte eine Abkehr davon (WA V, S. 427ff.). Dazu formulierte er eine neue Passionshymne:
{{Zitat|Unsre große Sünde und schwere Missetat Jesum, den wahren Gottessohn, ans Kreuz geschlagen hat. Drum wir dich, armer Juda, dazu der Juden Schar, nicht feindlich dürfen schelten. Die Schuld ist unser zwar. Kyrieleison.}} Diese sollte die judenfeindlichen [[Improperien]] der katholischen Karfreitagsliturgie ersetzen und wurde noch 1544, nach seinen judenfeindlichen Schriften, in Wittenberg eingeführt.<ref>Hans-Martin Barth: ''Die Theologie Martin Luthers: eine kritische Würdigung.'' Gütersloher Verlagshaus, 2009, ISBN 3579080458, S.&nbsp;419.</ref>
{{Zitat|Unsre große Sünde und schwere Missetat Jesum, den wahren Gottessohn, ans Kreuz geschlagen hat. Drum wir dich, armer Juda, dazu der Juden Schar, nicht feindlich dürfen schelten. Die Schuld ist unser zwar. Kyrieleison.}} Diese sollte die judenfeindlichen [[Improperien]] der katholischen Karfreitagsliturgie ersetzen und wurde noch 1544, nach seinen judenfeindlichen Schriften, in Wittenberg eingeführt.<ref>Hans-Martin Barth: ''Die Theologie Martin Luthers: eine kritische Würdigung.'' Gütersloher Verlagshaus, 2009, ISBN 978-3-579-08045-1, S.&nbsp;419.</ref>


=== Magnificat (1521) ===
=== Magnificat (1521) ===
1521 kommentierte Luther das [[Magnificat]] ({{B|Lk|1|46-55|LUT}}). Zum Schlussvers führte er aus: Mit Jesu Geburt als Sohn einer jüdischen Mutter, aber ohne Zutun eines Mannes, habe Gott die Verheißung {{B|Gen|12|1-3|LUT}} erfüllt: Christus sei der verheißene „Same“ (Nachkomme) [[Abraham]]s. Diese Verheißung sei also die Basis des Heils auch für Christen und gelte bis zum Jüngsten Tag. Das hätten bereits alle biblischen [[Erzväter]] und [[Prophetie im Tanach|Propheten]] Israels gewusst und gelehrt. Die Tora sei nur als Anreiz gegeben worden, den künftigen Erlöser noch stärker zu erhoffen. Doch die Juden hätten dieses Heilsangebot missverstanden und glaubten, sich durch Gesetzeserfüllung selbst erlösen zu können. Die große Masse von ihnen sei diesbezüglich „verstockt“.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA34 S. 34–36]</ref>
1521 kommentierte Luther das [[Magnificat]] ({{B|Lk|1|46-55|LUT}}). Zum Schlussvers führte er aus: Mit Jesu Geburt als Sohn einer jüdischen Mutter, aber ohne Zutun eines Mannes, habe Gott die Verheißung {{B|Gen|12|1-3|LUT}} erfüllt: Christus sei der verheißene „Same“ (Nachkomme) [[Abraham]]s. Diese Verheißung sei also die Basis des Heils auch für Christen und gelte bis zum Jüngsten Tag. Das hätten bereits alle biblischen [[Erzväter]] und [[Prophetie im Tanach|Propheten]] Israels gewusst und gelehrt. Die Tora sei nur als Anreiz gegeben worden, den künftigen Erlöser noch stärker zu erhoffen. Doch die Juden hätten dieses Heilsangebot missverstanden und glaubten, sich durch Gesetzeserfüllung selbst erlösen zu können. Die große Masse von ihnen sei diesbezüglich „verstockt“.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA34 S. 34–36.]</ref>


Gleichwohl müssten die Christen sie freundlich behandeln und dürften sie nicht verachten, da gemäß der gültigen Abrahamsverheißung täglich einige Juden Christus erkennen könnten: „Wer wollte Christ werden, wenn er Christen so unchristlich mit Menschen umgehen sieht. So nicht, liebe Christen. Man sage ihnen gütlich die Wahrheit. Wollen sie nicht, so lasst sie fahren. Wieviele sind Christen, die Christus nicht achten, auch seine Worte nicht hören, ärger als Heiden und Juden.“ Damit befürwortete er den Gewaltverzicht der Judenmission. Dieses Anliegen führte seine folgende Schrift aus, die er eventuell schon 1521 plante.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA37 S. 37, Fn. 118]</ref>
Gleichwohl müssten die Christen sie freundlich behandeln und dürften sie nicht verachten, da gemäß der gültigen Abrahamsverheißung täglich einige Juden Christus erkennen könnten: „Wer wollte Christ werden, wenn er Christen so unchristlich mit Menschen umgehen sieht. So nicht, liebe Christen. Man sage ihnen gütlich die Wahrheit. Wollen sie nicht, so lasst sie fahren. Wieviele sind Christen, die Christus nicht achten, auch seine Worte nicht hören, ärger als Heiden und Juden.“ Damit befürwortete er den Gewaltverzicht der Judenmission. Dieses Anliegen führte seine folgende Schrift aus, die er eventuell schon 1521 plante.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA37 S. 37, Fn. 118]</ref>


=== Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei (1523) ===
=== Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei (1523) ===
Mit dieser Schrift reagierte Luther auf den katholischen Vorwurf, er habe die göttliche Zeugung und somit indirekt die [[Jungfrauengeburt]] und Gottessohnschaft Jesu geleugnet. Er hielt diesen Vorwurf für absurd und wollte ihn daher nicht bloß entkräften (Teil 1), sondern auch „um anderer willen“ „etwas Nützliches“ schreiben (Teil 2):
Mit dieser Schrift reagierte Luther auf den katholischen Vorwurf, er habe die göttliche Zeugung und somit indirekt die [[Jungfrauengeburt]] und Gottessohnschaft Jesu geleugnet. Er hielt diesen Vorwurf für absurd und wollte ihn daher nicht bloß entkräften (Teil 1), sondern auch „um anderer willen“ „etwas Nützliches“ schreiben (Teil 2):
{{Zitat|Ich will aus der Schrift erzählen die Ursachen, die mich bewegen, zu glauben, dass Christus ein Jude sei von einer Jungfrau geboren, damit ich vielleicht auch etliche Juden zum Christenglauben reizen möge.}}
{{Zitat|Ich will aus der Schrift erzählen die Ursachen, die mich bewegen, zu glauben, dass Christus ein Jude sei von einer Jungfrau geboren, damit ich vielleicht auch etliche Juden zum Christenglauben reizen möge.}}
Luther hoffte also, neben seinen christlichen Gegnern auch einige Juden aus ihrer eigenen Bibel heraus exegetisch von Jesu Messianität und Gottessohnschaft zu überzeugen. Darin hatte ihn der ehemalige Rabbiner Jakob Gipher bestärkt, der sich 1519 wohl wegen Luthers Predigten hatte taufen lassen und dann in Wittenberg Hebräisch lehrte. Ihm schrieb er 1523: Die Roheit der Päpste und Kleriker habe den Starrsinn der Juden verschlimmert; kirchliche Lehren und Sitten hätten ihnen keinerlei „Funken von Licht oder Wärme“ erwiesen. Da nun aber „das goldene Licht des Evangeliums“ aufleuchte, bestehe Hoffnung, dass viele Juden so wie Gipher „von Herzen zu Christus hingerissen“ würden.<ref>Ernst L. Ehrlich: ''Luther und die Juden.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 93 und Fn. 10</ref> Er widmete ihm die lateinische Übersetzung seiner Schrift und wollte damit auch der üblichen Diskriminierung getaufter Juden entgegentreten und sie im christlichen Glauben unterweisen. Er wollte die Juden gesellschaftlich weitgehend integrieren, um sie überzeugender missionieren zu können.<ref>Hans-Martin Kirn: ''Luther und die Juden.'' In: Albrecht Beutel (Hrsg.): ''Handbuch Luther.'' Tübingen 2010, S. 219</ref> Eine erfolgreichere Judenmission sollte wiederum die Wahrheit der Reformation belegen und für ihre Fortsetzung werben.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA4 S. 4, Fn. 11] und [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA38 S. 38]</ref>
Luther hoffte also, neben seinen christlichen Gegnern auch einige Juden aus ihrer eigenen Bibel heraus exegetisch von Jesu Messianität und Gottessohnschaft zu überzeugen. Darin hatte ihn der ehemalige Rabbiner Jakob Gipher bestärkt, der sich 1519 wohl wegen Luthers Predigten hatte taufen lassen und dann in Wittenberg Hebräisch lehrte. Ihm schrieb er 1523: Die Rohheit der Päpste und Kleriker habe den Starrsinn der Juden verschlimmert; kirchliche Lehren und Sitten hätten ihnen keinerlei „Funken von Licht oder Wärme“ erwiesen. Da nun aber „das goldene Licht des Evangeliums“ aufleuchte, bestehe Hoffnung, dass viele Juden so wie Gipher „von Herzen zu Christus hingerissen“ würden.<ref>Ernst L. Ehrlich: ''Luther und die Juden.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 93 und Fn. 10</ref> Er widmete ihm die lateinische Übersetzung seiner Schrift und wollte damit auch der üblichen Diskriminierung getaufter Juden entgegentreten und sie im christlichen Glauben unterweisen. Er wollte die Juden gesellschaftlich weitgehend integrieren, um sie überzeugender missionieren zu können.<ref>Hans-Martin Kirn: ''Luther und die Juden.'' In: Albrecht Beutel (Hrsg.): ''Handbuch Luther.'' Tübingen 2010, S. 219.</ref> Eine erfolgreichere Judenmission sollte wiederum die Wahrheit der [[Reformation]] belegen und für ihre Fortsetzung werben.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA4 S. 4, Fn. 11] und [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA38 S. 38.]</ref>


Folglich lehnte Luther die gesamte bisherige Gewaltmission und Unterdrückung der Juden ab. Päpste, Bischöfe, „Sophisten“ (Scholastiker) und Mönche, die „groben Eselsköpfe“, seien bisher mit ihnen so umgegangen, dass ein guter Christ Jude geworden wäre. Wäre er, Luther, Jude gewesen und hätte solche „Tölpel“ den Christenglauben regierend und lehrend erlebt, dann wäre er eher „eine Sau“ geworden als ein Christ. Wären die jüdischen [[Apostel]] so mit den Heiden umgegangen wie diese mit den Juden, dann wäre nie jemand Christ geworden. Die Heiden seien stets keinem Volk feindseliger begegnet als den Juden. Man habe sie bloß gewaltsam dem Papsttum unterworfen, „wie Hunde“ statt als Menschen behandelt, beschimpft und beraubt. Dabei seien sie doch Jesu Blutsverwandte, die Gott vor allen Völkern ausgezeichnet und mit der Bibel betraut habe. Wenn man ihnen verbiete, unter Christen zu arbeiten und Gemeinschaft mit ihnen zu haben, treibe man sie zum Wuchern: „Wie sollte sie das bessern?“ Solange man sie mit Gewalt bedränge, verleumde und anklage, dass sie Christenblut bräuchten, um nicht zu stinken und anderes „Narrenwerk“ mehr, könne man nichts Gutes an ihnen bewirken. Wolle man ihnen helfen, dann solle man „nicht das Gesetz des Papstes, sondern christlicher Liebe“ an ihnen üben, sie „freundlich annehmen“, arbeiten und mit Christen zusammenwohnen lassen, damit sie die Chance erhielten, „unsere christliche Lehre und unser Leben zu hören und zu sehen“. „Ob etliche halsstarrig sind, was liegt daran? Sind wir doch auch nicht alle gute Christen!“<ref>Hochdeutsch zitiert nach: Luther-Gesellschaft (Hrsg.): ''Luther, Bände 57–58.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, S. 50–54</ref>
Folglich lehnte Luther die gesamte bisherige Gewaltmission und Unterdrückung der Juden ab. Päpste, Bischöfe, „Sophisten“ (Scholastiker) und Mönche, die „groben Eselsköpfe“, seien bisher mit ihnen so umgegangen, dass ein guter Christ Jude geworden wäre. Wäre er, Luther, Jude gewesen und hätte solche „Tölpel“ den Christenglauben regierend und lehrend erlebt, dann wäre er eher „eine Sau“ geworden als ein Christ. Wären die jüdischen [[Apostel]] so mit den Heiden umgegangen wie diese mit den Juden, dann wäre nie jemand Christ geworden. Die Heiden seien stets keinem Volk feindseliger begegnet als den Juden. Man habe sie bloß gewaltsam dem Papsttum unterworfen, „wie Hunde“ statt als Menschen behandelt, beschimpft und beraubt. Dabei seien sie doch Jesu Blutsverwandte, die Gott vor allen Völkern ausgezeichnet und mit der Bibel betraut habe. Wenn man ihnen verbiete, unter Christen zu arbeiten und Gemeinschaft mit ihnen zu haben, treibe man sie zum Wuchern: „Wie sollte sie das bessern?“ Solange man sie mit Gewalt bedränge, verleumde und anklage, dass sie Christenblut bräuchten, um nicht zu stinken und anderes „Narrenwerk“ mehr, könne man nichts Gutes an ihnen bewirken. Wolle man ihnen helfen, dann solle man „nicht das Gesetz des Papstes, sondern christlicher Liebe“ an ihnen üben, sie „freundlich annehmen“, arbeiten und mit Christen zusammenwohnen lassen, damit sie die Chance erhielten, „unsere christliche Lehre und unser Leben zu hören und zu sehen“. „Ob etliche halsstarrig sind, was liegt daran? Sind wir doch auch nicht alle gute Christen!“<ref>Hochdeutsch zitiert nach: Luther-Gesellschaft (Hrsg.): ''Luther, Bände 57–58.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, S. 50–54.</ref>


Luthers Kritik, Juden würden wie „Hunde“ behandelt, bezog sich auf eine alte Tradition: In der Spätantike und im Frühmittelalter hatten kirchliche Theologen und Päpste die heimatlosen Juden öfter als „streunende“ oder „tollwütige Hunde“ bezeichnet und damit ihren unterdrückten Status gerechtfertigt.<ref>Wolfgang Bunte: ''Judentum in der mittelniederländischen Literatur (1100–1600).'' Peter Lang, 1989, ISBN 3631408234, S. 313, Fn. 114</ref> [[Georg von der Pfalz]] hatte 1519 angeordnet, alle Juden seiner Diözese völlig zu isolieren, weil sie „keine Menschen, sondern Hunde“ seien.<ref>Heiko A. Oberman: ''Die Juden in Luthers Sicht.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 138, Fn. 8</ref> In manchen katholischen Gegenden wurden Juden, die religiöser oder sonstiger Vergehen bezichtigt wurden, damals an den Füßen zwischen zwei lebenden Hunden aufgehängt, um sie besonders quälend und entehrend hinzurichten und vor ihrem Tod noch zur Konversion zu zwingen.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA159 S. 159]</ref>
Luthers Kritik, Juden würden wie „Hunde“ behandelt, bezog sich auf eine alte Tradition: In der Spätantike und im Frühmittelalter hatten kirchliche Theologen und Päpste die heimatlosen Juden öfter als „streunende“ oder „tollwütige Hunde“ bezeichnet und damit ihren unterdrückten Status gerechtfertigt.<ref>Wolfgang Bunte: ''Judentum in der mittelniederländischen Literatur (1100–1600).'' Peter Lang, 1989, ISBN 3-631-40823-4, S. 313, Fn. 114</ref> [[Georg von der Pfalz]] hatte 1519 angeordnet, alle Juden seiner Diözese völlig zu isolieren, weil sie „keine Menschen, sondern Hunde“ seien.<ref>Heiko A. Oberman: ''Die Juden in Luthers Sicht.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 138, Fn. 8</ref> In manchen katholischen Gegenden wurden Juden, die religiöser oder sonstiger Vergehen bezichtigt wurden, damals an den Füßen zwischen zwei lebenden Hunden aufgehängt, um sie besonders quälend und entehrend hinzurichten und vor ihrem Tod noch zur Konversion zu zwingen.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA159 S. 159.]</ref>


Luthers theologische Argumentation deckte sich jedoch mit seinen früheren und späteren Aussagen: Er ging wie selbstverständlich davon aus, dass das „Erzählen“ der gesamtbiblischen [[Heilsgeschichte]], also der Eigensinn des AT, ''Jesus'' und niemand sonst als den Christus erweise. Diesen hätten schon die biblischen Erzväter und Propheten verkündet; daher kehrten Juden, die ihn als ihren Messias annehmen, nur zu deren Glauben zurück. Die meisten Juden hätten diesen Glauben verloren, auch weil die Päpste das Evangelium im AT zum versklavenden Gesetz verdreht hätten. Jetzt erst könne das befreiende Evangelium klar und überall gehört werden: In Christus nehme Gott alle Sünder, Juden wie Heiden, bedingungslos an. Damit begründete Luther eine Solidarität der Christen mit den Juden im gemeinsamen Hören auf die Bibel, bestritt aber zugleich strikt jede andere Auslegung als die, die das [[Neues Testament|Neue Testament]] (NT) voraussetzt: Alle Zusagen des AT redeten für ihn von Jesus Christus, ja in ihnen rede dieser selbst. Er war also überzeugt, die Reformation habe den wahren Sinn der Bibel aufgedeckt und Jesus Christus lasse sich am Wortlaut der Bibel als Erfüllung der biblischen Verheißungen nachweisen, so dass nichts mehr die Juden hindere, sich zum Christentum zu bekehren. Dabei projizierte er jedoch bereits sein Verständnis des Glaubens als Überwindung der Werkgerechtigkeit auf die Bibel, so dass jüdisches Selbstverständnis nicht in seinen Blick kommen konnte.<ref>Dietrich Korsch: ''Martin Luther: Eine Einführung.'' UTB, 2007, ISBN 3825229564, [http://books.google.de/books?id=YQUY4yh5IM8C&pg=PA144 S. 144]</ref>
Luthers theologische Argumentation deckte sich jedoch mit seinen früheren und späteren Aussagen: Er ging wie selbstverständlich davon aus, dass das „Erzählen“ der gesamtbiblischen [[Heilsgeschichte]], also der Eigensinn des AT, ''Jesus'' und niemand sonst als den Christus erweise. Diesen hätten schon die biblischen Erzväter und Propheten verkündet; daher kehrten Juden, die ihn als ihren Messias annehmen, nur zu deren Glauben zurück. Die meisten Juden hätten diesen Glauben verloren, auch weil die Päpste das Evangelium im AT zum versklavenden Gesetz verdreht hätten. Jetzt erst könne das befreiende Evangelium klar und überall gehört werden: In Christus nehme Gott alle Sünder, Juden wie Heiden, bedingungslos an. Damit begründete Luther eine Solidarität der Christen mit den Juden im gemeinsamen Hören auf die Bibel, bestritt aber zugleich strikt jede andere Auslegung als die, die das [[Neues Testament|Neue Testament]] (NT) voraussetzt: Alle Zusagen des AT redeten für ihn von Jesus Christus, ja in ihnen rede dieser selbst. Er war also überzeugt, die Reformation habe den wahren Sinn der Bibel aufgedeckt und Jesu Christi Erfüllung der biblischen Verheißungen lasse sich am Wortlaut der Bibel nachweisen, so dass nichts mehr die Juden hindere, Christen zu werden. Dabei projizierte er jedoch bereits sein Verständnis des Glaubens als Überwindung der Werkgerechtigkeit auf die ganze Bibel, so dass jüdisches Selbstverständnis nicht in seinen Blick kam.<ref>Dietrich Korsch: ''Martin Luther: Eine Einführung.'' UTB, 2007, ISBN 978-3-8252-2956-6, [http://books.google.de/books?id=YQUY4yh5IM8C&pg=PA144 S. 144.]</ref>


Darum deutete er {{B|Gen|3|15|LUT}}; {{B|Gen|22|18|LUT}}; {{B|2 Sam|7|12|LUT}} und {{B|Jes|7|14|LUT}} als Weissagung des Gottessohns und der Jungfrauengeburt, dann {{B|Gen|49|10-12|LUT}} und {{B|Dan|9|24-28|LUT}} als Belege, dass der Messias in Jesus Christus schon gekommen, die jüdische Messiaserwartung also überholt sei.<ref>Katharina Bracht, David S. du Toit: ''Die Geschichte der Daniel-Auslegung in Judentum, Christentum und Islam.'' Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 3110193019, [http://books.google.de/books?id=o2qJ5xljCJ8C&pg=PA224 S. 224]</ref> Dazu zog er auch {{B|2 Sam|23|2f|LUT}}; {{B|Jer|33|17-26|LUT}} und {{B|Hag|2|6-9|LUT}} heran.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA105 S. 105, Fn. 93]</ref> Diese Stellen hatte schon die [[Patristik]] gegenüber Juden immer wieder sinngemäß verwendet.<ref>Martin Friedrich: ''Zwischen Abwehr und Bekehrung.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 1988, ISBN 3161453182, [http://books.google.de/books?id=kRujKxq-qOcC&pg=PA32 S. 32]</ref> Er empfahl aber ein pädagogisch abgestuftes Verkünden des Evangeliums: Man solle die Juden erst den Menschen Jesus als den wahren Messias erkennen lassen; später solle man sie lehren, dass Jesus auch wahrhaftiger Gott sei, also ihr Vorurteil überwinden, dass Gott nicht Mensch sein könne. Damit wolle er es für diesmal bewenden lassen und das Eigenwirken des Evangeliums abwarten. Er schloss: „Gott gebe uns allen seine Gnade, Amen.“<ref>Martin Stöhr: ''Martin Luther und die Juden.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 92-98</ref>
Darum deutete er {{B|Gen|3|15|LUT}}; {{B|Gen|22|18|LUT}}; {{B|2 Sam|7|12|LUT}} und {{B|Jes|7|14|LUT}} als Weissagung des Gottessohns und der Jungfrauengeburt, dann {{B|Gen|49|10-12|LUT}} und {{B|Dan|9|24-28|LUT}} als Belege, dass der Messias in Jesus Christus schon gekommen, die jüdische Messiaserwartung also überholt sei.<ref>Katharina Bracht, David S. du Toit: ''Die Geschichte der Daniel-Auslegung in Judentum, Christentum und Islam.'' Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019301-5, [http://books.google.de/books?id=o2qJ5xljCJ8C&pg=PA224 S. 224.]</ref> Dazu zog er auch {{B|2 Sam|23|2f|LUT}}; {{B|Jer|33|17-26|LUT}} und {{B|Hag|2|6-9|LUT}} heran.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA105 S. 105, Fn. 93]</ref> Diese Stellen hatte schon die [[Patristik]] gegenüber Juden immer wieder sinngemäß verwendet.<ref>Martin Friedrich: ''Zwischen Abwehr und Bekehrung.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 1988, ISBN 3-16-145318-2, [http://books.google.de/books?id=kRujKxq-qOcC&pg=PA32 S. 32.]</ref> Er empfahl aber ein pädagogisch abgestuftes Verkünden des Evangeliums: Man solle die Juden erst den Menschen Jesus als den wahren Messias erkennen lassen; später solle man sie lehren, dass Jesus auch wahrhaftiger Gott sei, also ihr Vorurteil überwinden, dass Gott nicht Mensch sein könne. Damit wolle er es für diesmal bewenden lassen und das Eigenwirken des Evangeliums abwarten. Er schloss: „Gott gebe uns allen seine Gnade, Amen.“<ref>Martin Stöhr: ''Martin Luther und die Juden.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 92–98.</ref>


Luther sprach hier auch das traditionelle Misstrauen gegen getaufte Juden ([[Marranen]]) an und führte die Haltung derer, die lebenslang „Juden unter der Christen Deckmantel“ blieben, auf päpstliche Irrlehre und fehlende Evangeliumspredigt zurück. 1530 wies er einen evangelischen Pastor brieflich an, bei der Taufe eines jüdischen Mädchens streng zu beachten, dass es den christlichen Glauben nicht vortäusche, da dies bei Juden zu erwarten sei. In einer späteren Tischrede an [[Justus Menius]] wollte Luther einen „frommen“, seine Religion ernstnehmenden Juden, der sich die Taufe mit Schmeichelei zu verschaffen suche, lieber mit einem Stein um den Hals von einer Brücke in die Elbe stoßen. Dieses Lutherwort wurde seit dem 17. Jahrhundert als Hass auf taufwillige Juden, also Ablehnung der Judenmission fehlgedeutet. So sehr Luther nur die christliche Taufe als geistliche, später auch weltliche Rettung der Juden gelten ließ, so sehr hielt er daran fest, dass sich einzelne Juden ernsthaft zu Jesus Christus bekehren können.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA144 S. 144-146, Fn. 160]</ref>
Luther sprach hier auch das traditionelle Misstrauen gegen getaufte Juden ([[Marranen]]) an und führte die Haltung derer, die lebenslang „Juden unter der Christen Deckmantel“ blieben, auf päpstliche Irrlehre und fehlende Evangeliumspredigt zurück. 1530 wies er einen evangelischen Pastor brieflich an, bei der Taufe eines jüdischen Mädchens streng zu beachten, dass es den christlichen Glauben nicht vortäusche, da dies bei Juden zu erwarten sei. In einer späteren Tischrede an [[Justus Menius]] wollte Luther einen „frommen“, seine Religion ernstnehmenden Juden, der sich die Taufe mit Schmeichelei zu verschaffen suche, lieber mit einem Stein um den Hals von einer Brücke in die Elbe stoßen. Dieses Lutherwort wurde seit dem 17. Jahrhundert als Hass auf taufwillige Juden, also Ablehnung der Judenmission fehlgedeutet. So sehr Luther nur die christliche Taufe als geistliche, später auch weltliche Rettung der Juden gelten ließ, so sehr hielt er daran fest, dass sich einzelne Juden ernsthaft zu Jesus Christus bekehren können.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA144 S. 144–146, Fn. 160]</ref>


=== Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn (1526) ===
=== Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn (1526) ===
1525 führte Luther in Wittenberg sein einziges direktes [[Religionsgespräch|Streitgespräch]] mit drei Juden, die ihn um einen Empfehlungsbrief gebeten hatten. Dabei versuchte er, sie von seiner christologischen Auslegung des AT zu überzeugen. Nach ihrer Abreise erfuhr er nach eigener Aussage, sie hätten seinen Empfehlungsbrief zerrissen, weil darin der „Gehängte“ (der gemäß Dtn 21,23 als Gotteslästerer gekreuzigte Jesus) vorkam.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008.'' Lit Verlag, 2008, ISBN 3825815064, [http://books.google.de/books?id=ytYqEfD9fZEC&pg=PA269 S. 269, Fn. 48]</ref>
1525 führte Luther in Wittenberg sein einziges direktes [[Religionsgespräch|Streitgespräch]] mit drei Juden, die ihn um einen Empfehlungsbrief gebeten hatten. Dabei versuchte er, sie von seiner christologischen Auslegung des AT zu überzeugen. Nach ihrer Abreise erfuhr er nach eigener Aussage, sie hätten seinen Empfehlungsbrief zerrissen, weil darin der „Gehängte“ (der gemäß Dtn 21,23 als Gotteslästerer gekreuzigte Jesus) vorkam.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008.'' Lit Verlag, 2008, ISBN 978-3-8258-1506-6, [http://books.google.de/books?id=ytYqEfD9fZEC&pg=PA269 S. 269, Fn. 48]</ref>


Luther legte daraufhin den [[Fluchpsalmen|Fluchpsalm]] 109 so als „Trost“ aus, dass er den Beter auf Christus, seinen verfluchten Gegner auf [[Judas Ischariot]] bezog und dessen Scheitern mit der nachchristlichen Geschichte des ganzen Judentums identifizierte. Obwohl es auch nach der Tempelzerstörung weiter existierte, sei es nicht mehr Gottes Volk. Das lasse sich an seinem Verlust des eigenen Landes und der unsteten Existenz seither ablesen. So ergehe es den Feinden Jesu Christi seit 1500 Jahren, so dass die Vernunft ihr Verfluchtsein wohl einsehen müsste. Doch der [[Satan]] lasse es die Juden nicht verstehen. Diese Verblendung diene den Christen zum Trost:
Luther legte daraufhin den [[Fluchpsalmen|Fluchpsalm]] 109 so als „Trost“ aus, dass er den Beter auf Christus, seinen verfluchten Gegner auf [[Judas Ischariot]] bezog und dessen Scheitern mit der nachchristlichen Geschichte des ganzen Judentums identifizierte. Obwohl es auch nach der Tempelzerstörung weiter existierte, sei es nicht mehr Gottes Volk. Das lasse sich an seinem Verlust des eigenen Landes und der unsteten Existenz seither ablesen. So ergehe es den Feinden Jesu Christi seit 1500 Jahren, so dass die Vernunft ihr Verfluchtsein wohl einsehen müsste. Doch der [[Satan]] lasse es die Juden nicht verstehen. Diese Verblendung diene den Christen zum Trost:
{{Zitat|Hilf Gott, wie oft und in viel Landen haben sie ein Spiel wider Christum angericht, darüber sie verbrannt, erwürgt und verjagt sind… Aber Christus und die Seinen bleiben fröhlich in Gott, als sie dadurch bestätigt werden in ihrem Glauben… Also sie den Fluch im Geist anziehen als ein täglich Kleid, so lass sie auch ein öffentlich Schandkleid äußerlich tragen, damit sie vor aller Welt als meine Feinde erkannt und veracht werden…|ref=<ref>Zitiert nach Arndt Meinhold: ''Psalm 109 in Luthers „Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn“.'' In: Christoph Bultmann, Walter Dietrich, Christoph Levin (Hrsg.): ''Vergegenwärtigung des Alten Testaments.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3525536216, [http://books.google.de/books?id=R3VsEt3259QC&pg=PA239 S. 239f.]</ref>}}
{{Zitat|Hilf Gott, wie oft und in viel Landen haben sie ein Spiel wider Christum angericht, darüber sie verbrannt, erwürgt und verjagt sind… Aber Christus und die Seinen bleiben fröhlich in Gott, als sie dadurch bestätigt werden in ihrem Glauben… Also sie den Fluch im Geist anziehen als ein täglich Kleid, so lass sie auch ein öffentlich Schandkleid äußerlich tragen, damit sie vor aller Welt als meine Feinde erkannt und veracht werden…|ref=<ref>Zitiert nach Arndt Meinhold: ''Psalm 109 in Luthers „Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn“.'' In: Christoph Bultmann, Walter Dietrich, Christoph Levin (Hrsg.): ''Vergegenwärtigung des Alten Testaments.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-53621-6, [http://books.google.de/books?id=R3VsEt3259QC&pg=PA239 S. 239f.]</ref>}}
Das Leiden der Juden unter den Christen soll ihr Verfluchtsein durch Gott beweisen: Mit dieser gängigen altkirchlichen Fluchtheorie rechtfertigte Luther hier die beim [[Viertes Laterankonzil|4. Laterankonzil]] 1215 verordnete [[Judentracht]] und ganze bisherige Judenverfolgung der Christen, die er 1523 abgelehnt hatte, aus der Bibel.
Das Leiden der Juden unter den Christen soll ihr Verfluchtsein durch Gott beweisen: Mit dieser gängigen altkirchlichen Fluchtheorie rechtfertigte Luther hier die beim [[Viertes Laterankonzil|4. Laterankonzil]] 1215 verordnete [[Judentracht]] und ganze bisherige Judenverfolgung der Christen, die er 1523 abgelehnt hatte, aus der Bibel.


=== Brief an Josel von Rosheim (1537) ===
=== Brief an Josel von Rosheim (1537) ===
1536 verbot Kurfürst [[Johann Friedrich I. (Sachsen)|Johann Friedrich I.]] den Juden im Kurfürstentum Sachsen Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und Durchreise. Daraufhin reiste [[Josel von Rosheim]], der damalige Anwalt der Juden im Reich, an die sächsische Grenze und bat Luther brieflich um ein Treffen und darum, sich beim Kurfürsten für die Aufhebung dieses Verbots einzusetzen. Er sah in ihm noch einen möglichen Fürsprecher der Juden. Luther lehnte am 11. Juni 1537 ab: Seine Schrift von 1523 habe allen Juden „gar viel gedient“. Aber weil sie seinen Dienst für unerträgliche Dinge „schändlich missbraucht“ hätten, sehe er sich jetzt außerstande, noch bei den Fürsten für sie einzutreten. Obwohl Jesus auch Jude sei und den Juden „kein Leid getan“ habe, lästerten und verfluchten sie ihn ständig. Darum vermute er: Könnten sie tun, was sie wollten, so würden sie alle Christen um Leben und Besitz bringen. - Das belegt Luthers Enttäuschung, dass die Reformation kaum Juden zur Konversion veranlasst hatte, und seine veränderte Sicht der jüdischen Religionsausübung: Diese sah er nun als latente Bedrohung des Christentums an. Daher bejahte er erstmals die Nichtduldung von Juden in einem evangelischen Gebiet.<ref>Max J. Suda: ''Die Ethik Martin Luthers.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 352556337X, [http://books.google.de/books?id=pESukUG5OaQC&pg=PA111 S. 111f.]</ref> Dies sehen manche Kirchenhistoriker als entscheidenden Wendepunkt in Luthers Haltung zu Juden.<ref>Heiko Augustinus Oberman: ''Luther: Mensch zwischen Gott und Teufel.'' 2. Auflage, Siedler, 1991, ISBN 388680044X, S. 293</ref>
1536 verbot Kurfürst [[Johann Friedrich I. (Sachsen)|Johann Friedrich I.]] den Juden im Kurfürstentum Sachsen Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und Durchreise. Daraufhin reiste [[Josel von Rosheim]], der damalige Anwalt der Juden im Reich, an die sächsische Grenze und bat Luther brieflich um ein Treffen und darum, sich beim Kurfürsten für die Aufhebung dieses Verbots einzusetzen. Er sah in ihm noch einen möglichen Fürsprecher der Juden. Luther lehnte am 11. Juni 1537 ab: Seine Schrift von 1523 habe allen Juden „gar viel gedient“. Aber weil sie seinen Dienst für unerträgliche Dinge „schändlich missbraucht“ hätten, sehe er sich jetzt außerstande, noch bei den Fürsten für sie einzutreten. Obwohl Jesus auch Jude sei und den Juden „kein Leid getan“ habe, lästerten und verfluchten sie ihn ständig. Darum vermute er: Könnten sie tun, was sie wollten, so würden sie alle Christen um Leben und Besitz bringen. Das belegt Luthers Enttäuschung, dass die Reformation kaum Juden zur Konversion veranlasst hatte, und seine veränderte Sicht der jüdischen Religionsausübung: Diese sah er nun als latente Bedrohung des Christentums an. Daher bejahte er erstmals die Nichtduldung von Juden in einem evangelischen Gebiet.<ref>Max J. Suda: ''Die Ethik Martin Luthers.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-56337-X, [http://books.google.de/books?id=pESukUG5OaQC&pg=PA111 S. 111f.]</ref> Dies sehen manche Kirchenhistoriker als entscheidenden Wendepunkt in Luthers Haltung zu Juden.<ref>Heiko A. Oberman: ''Luther: Mensch zwischen Gott und Teufel.'' 2. Auflage. Siedler, 1991, ISBN 3-88680-044-X, S. 293.</ref>


Dahinter stand Luthers 1532 gewonnene Kenntnis der christlichen [[Sabbater]] in [[Mähren]], die den [[Sabbat]] anstelle des [[Sonntag]]s einhielten. Er führte dies auf jüdischen Einfluss zurück und sah darin den Beweis für jüdische „[[Proselyten]]-Macherei“ unter Christen. Diese enttäuschte ihn maßlos, auch weil sie Katholiken zu bestätigen schien, die ihm vorgeworfen hatten, die evangelische Duldung der Juden würde deren Feindschaft gegen das Christentum nur steigern.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA83 S. 83]</ref> Kaiserliche und fürstliche Judenordnungen verboten Juden die Missionierung von Christen zwar streng und drohten andernfalls mit Entzug des Rechtsschutzes. Aber die Reformation hatte im Judentum [[Messianismus|messianische Hoffnungen]] auf eine baldige Erlösung und Rückkehr ins [[Gelobtes Land|gelobte Land Israel]] gestärkt ([[David Reuveni]]). Seine Toraobservanz strahlte auch auf manche Gruppen der [[Täuferbewegung]] aus. Luthers Furcht vor einer Abwendung von Teilen der evangelischen Gebiete von seiner Glaubensauffassung war daher nicht unbegründet. Die [[Confessio Augustana]] von 1530 wehrte auch deshalb „jüdisch Lehren“ (CA 17) und eine befürchtete, aber weitgehend fiktive jüdische Gegenmission ab.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA122 S. 122 und Fn. 22, 23]</ref>
Dahinter stand Luthers 1532 gewonnene Kenntnis der christlichen [[Sabbater]] in [[Mähren]], die den [[Sabbat]] anstelle des [[Sonntag]]s einhielten. Er führte dies auf jüdischen Einfluss zurück und sah darin den Beweis für jüdische „[[Proselyten]]-Macherei“ unter Christen. Diese enttäuschte ihn maßlos, auch weil sie Katholiken zu bestätigen schien, die ihm vorgeworfen hatten, die evangelische Duldung der Juden würde deren Feindschaft gegen das Christentum nur steigern.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA83 S. 83.]</ref> Kaiserliche und fürstliche Judenordnungen verboten Juden die Missionierung von Christen zwar streng und drohten andernfalls mit Entzug des Rechtsschutzes. Aber die Reformation hatte im Judentum [[Messianismus|messianische Hoffnungen]] auf eine baldige Erlösung und Rückkehr ins [[Gelobtes Land|gelobte Land Israel]] gestärkt ([[David Reuveni]]). Seine Toraobservanz strahlte auch auf manche Gruppen der [[Täuferbewegung]] aus. Luthers Furcht vor einer Abwendung evangelischer Gebiete von seiner Glaubensauffassung war daher nicht unbegründet. Die [[Confessio Augustana]] von 1530 wehrte auch deshalb „jüdisch Lehren“ (CA 17) und eine befürchtete, aber weitgehend fiktive jüdische Gegenmission ab.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA122 S. 122 und Fn. 22, 23]</ref>


=== Wider die Sabbather (1538) ===
=== Wider die Sabbather (1538) ===
Luther gab diese Schrift als Privatbrief „an einen guten Freund“ aus, um die Herkunft seiner Angaben zu verbergen und Repliken darauf zu erschweren. Er behauptete, in Mähren hätten die Juden schon viele Christen beschnitten und zu dem Glauben verführt, dass der Messias noch nicht gekommen sei. Diese zum Judentum übergetretenen Christen hätten sich verpflichtet, die ganze Tora einzuhalten. Dies sei jedoch wegen der [[Jüdischer Krieg#Verlauf|Tempelzerstörung 70 n. Chr.]] unmöglich. Um die Tora halten zu können, müssten die Juden erst den [[Jerusalemer Tempel]] wiederaufbauen, das Land Israel zurückerobern und die Tora dort zum allgemeinen Staatsgesetz machen. Dann müssten auch alle Proselyen dorthin umsiedeln. Man solle abwarten, ob das geschehe; falls nicht, sei die Lächerlichkeit ihrer Versuche erwiesen, Christen zum Einhalten der Tora zu bringen, die seit 1500 Jahren „verfault“ sei.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA123 S. 123, Fn. 23]</ref>
Luther gab diese Schrift als Privatbrief „an einen guten Freund“ aus, um die Herkunft seiner Angaben zu verbergen und Repliken darauf zu erschweren. Er behauptete, in Mähren hätten die Juden schon viele Christen beschnitten und zu dem Glauben verführt, dass der Messias noch nicht gekommen sei. Diese zum Judentum übergetretenen Christen hätten sich verpflichtet, die ganze Tora einzuhalten. Dies sei jedoch wegen der [[Jüdischer Krieg#Verlauf|Tempelzerstörung 70 n. Chr.]] unmöglich. Um die Tora halten zu können, müssten die Juden erst den [[Jerusalemer Tempel]] wiederaufbauen, das Land Israel zurückerobern und die Tora dort zum allgemeinen Staatsgesetz machen. Dann müssten auch alle Proselyen dorthin umsiedeln. Man solle abwarten, ob das geschehe; falls nicht, sei die Lächerlichkeit ihrer Versuche erwiesen, Christen zum Einhalten der Tora zu bringen, die seit 1500 Jahren „verfault“ sei.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA123 S. 123, Fn. 23]</ref>


Da Luther die „Sabbather“ seit 1532 kannte und wahrscheinlich wusste, dass sie keinen Kontakt zu Juden hatten, wird angenommen, dass er sie als Vorwand benutzte, um die Vertreibung der Juden aus Mähren zu fordern.
Da Luther die „Sabbather“ seit 1532 kannte und wahrscheinlich wusste, dass sie keinen Kontakt zu Juden hatten, wird angenommen, dass er sie als Vorwand benutzte, um die Vertreibung der Juden aus Mähren zu fordern.


=== Von den Juden und ihren Lügen (Januar 1543) ===
=== Von den Juden und ihren Lügen (Januar 1543) ===
Mit dieser Schrift begann Luthers Serie judenfeindlicher Schriften von 1543, die denselben Zweck verfolgten: das Judentum theologisch vollständig zu entkräften und zu verteufeln, um die Vertreibung der Juden aus allen evangelischen Gebieten zu erreichen. Laut einer Tischrede von 1542 wandte er sich hier auch gegen das „Judaisieren“ christlicher Hebraisten. In der Erstausgabe gab er an, ein (ungenannter) Rabbiner habe seine Sabbaterschrift zu widerlegen versucht und ihn dabei auf ein Buch hingewiesen, das ein Gespräch eines Juden mit einem Christen beinhalte, in dem der Christ „abwesend“ sei. Damit kann er Sebastian Münsters Schrift ''Messias Christianorum et Judaeorum Hebriace & Latine'' von 1539 gemeint haben: Diese gab dem jüdischen Gesprächspartner Raum zur Entfaltung seiner rabbinischen Messiasvorstellungen, talmudischen und kabbalistischen Exegese. Der Christ stellt dem nur christlich gedeutete AT-Stellen gegenüber, ohne den Juden zu überzeugen.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA96 S. 96f.]</ref>
Mit dieser Schrift begann Luthers Serie judenfeindlicher Schriften von 1543, die denselben Zweck verfolgten: das Judentum theologisch vollständig zu entkräften und zu verteufeln, um die Vertreibung der Juden aus allen evangelischen Gebieten zu erreichen. Laut einer Tischrede von 1542 wandte er sich hier auch gegen das „Judaisieren“ christlicher Hebraisten. In der Erstausgabe gab er an, ein (ungenannter) Rabbiner habe seine Sabbaterschrift zu widerlegen versucht und ihn dabei auf ein Buch hingewiesen, das ein Gespräch eines Juden mit einem Christen beinhalte, in dem der Christ „abwesend“ sei. Damit kann er Sebastian Münsters Schrift ''Messias Christianorum et Judaeorum Hebriace & Latine'' von 1539 gemeint haben: Diese gab dem jüdischen Gesprächspartner Raum zur Entfaltung seiner rabbinischen Messiasvorstellungen, talmudischen und kabbalistischen Exegese. Der Christ stellt dem nur christlich gedeutete AT-Stellen gegenüber, ohne den Juden zu überzeugen.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA96 S. 96f.]</ref>


Luther erklärte zu Beginn, er wolle die Juden nicht mehr bekehren, weil dies sowenig möglich sei wie beim Teufel. Er lehnte Disputationen mit Juden und Lernen von ihrer Bibelexegese ab, weil dies sie erfahrungsgemäß nur in ihrem Glauben bestärke und ermutige, Christen „an sich zu locken“. Er wolle nur noch „unseren Glauben stärken und die schwachen Christen vor den Juden warnen“, also nur ihnen selber die „unsinnige Narrheit“ des jüdischen Messiasglaubens beweisen. Dazu genüge das Neue Testament, so dass man das „verdammte [[Glosse|Glossieren]]“ (fälschende Auslegen) der Juden von vornherein zurückweisen solle. Eine rein philologische Bibelexegese verfehle die eigentliche Aufgabe, das Christuszeugnis des AT herauszustellen. Diese christologische AT-Exegese führte Luther im ersten Teil im Kontrast zu Münsters Dialogschrift vor.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA104 S. 104-106]</ref>
Luther erklärte zu Beginn, er wolle die Juden nicht mehr bekehren, weil dies sowenig möglich sei wie beim Teufel. Er lehnte Disputationen mit Juden und Lernen von ihrer Bibelexegese ab, weil dies sie erfahrungsgemäß nur in ihrem Glauben bestärke und ermutige, Christen „an sich zu locken“. Er wolle nur noch „unseren Glauben stärken und die schwachen Christen vor den Juden warnen“, also nur ihnen selber die „unsinnige Narrheit“ des jüdischen Messiasglaubens beweisen. Dazu genüge das Neue Testament, so dass man das „verdammte [[Glosse|Glossieren]]“ (fälschende Auslegen) der Juden von vornherein zurückweisen solle. Eine rein philologische Bibelexegese verfehle die eigentliche Aufgabe, das Christuszeugnis des AT herauszustellen. Diese christologische AT-Exegese führte Luther im ersten Teil im Kontrast zu Münsters Dialogschrift vor.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA104 S. 104–106.]</ref>


Er beschrieb zunächst den „Hochmut“ der gegenwärtigen Juden, ihren Erwählungsanspruch: Sie hielten sich aufgrund Abstammung, [[Zirkumzision|Beschneidung]], Tora, Land- und Tempelbesitz für Gottes Volk, obwohl sie doch wie alle Menschen als Sünder unter Gottes Zorn stünden. Anhand von fünf AT-Stellen versuchte er dann, die Messianität Jesu Christi zu beweisen. Im dritten Teil beschrieb er jüdische Polemik gegen ihn und die Christen. Im letzten Teil zog er praktische Folgerungen daraus. Schon in die theologischen Anfangsteile ließ er laufend viele damalige Stereotypen einfließen:
Er beschrieb zunächst den „Hochmut“ der gegenwärtigen Juden, ihren Erwählungsanspruch: Sie hielten sich aufgrund Abstammung, [[Zirkumzision|Beschneidung]], Tora, Land- und Tempelbesitz für Gottes Volk, obwohl sie doch wie alle Menschen als Sünder unter Gottes Zorn stünden. Anhand von fünf AT-Stellen versuchte er dann, die Messianität Jesu Christi zu beweisen. Im dritten Teil beschrieb er jüdische Polemik gegen ihn und die Christen. Im letzten Teil zog er praktische Folgerungen daraus. Schon in die theologischen Anfangsteile ließ er laufend viele damalige Stereotypen einfließen:


Juden seien blutdürstig, rachsüchtig, das geldgierigste Volk, leibhaftige Teufel, verstockt. Ihre „verdammten Rabbiner“ verführten die christliche Jugend wider besseres Wissen, sich vom wahren Glauben abzuwenden. Man beschuldige sie, Brunnen zu vergiften, Kinder wie [[Simon von Trient]] zu rauben und zu ermorden; falls dies nicht zutreffe, seien sie aber bereit dazu.<ref>Enno Bünz, Helmut G. Walther, Stefan Tebruck: ''Religiöse Bewegungen im Mittelalter.'' Böhlau, Wien 2007, ISBN 3412200603, [http://books.google.de/books?id=JtNRwjjwSjYC&pg=PA737 S. 737]</ref> Denn wenn sie etwas Gutes täten, dann nicht aus Liebe, sondern aus Eigennutz, weil sie bei den Christen wohnen müssten. Sie hielten nicht einmal die [[Zehn Gebote]], machten sich zu Herren der Christen, beuteten sie aus und verhöhnten sie, obwohl es ihnen jetzt besser gehe als im [[Königreich Israel]]:<ref>Zitiert nach Wanda Kampmann: ''Deutsche und Juden. Die Geschichte der Juden in Deutschland vom Mittelalter bis zum Beginn des ersten Weltkrieges.'' Fischer TB, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3596234298, S. 46</ref>
Juden seien blutdürstig, rachsüchtig, das geldgierigste Volk, leibhaftige Teufel, verstockt. Ihre „verdammten Rabbiner“ verführten die christliche Jugend wider besseres Wissen, sich vom wahren Glauben abzuwenden. Man beschuldige sie, Brunnen zu vergiften, Kinder wie [[Simon von Trient]] zu rauben und zu ermorden; falls dies nicht zutreffe, seien sie aber bereit dazu.<ref>Enno Bünz, Helmut G. Walther, Stefan Tebruck: ''Religiöse Bewegungen im Mittelalter.'' Böhlau, Wien 2007, ISBN 978-3-412-20060-2, [http://books.google.de/books?id=JtNRwjjwSjYC&pg=PA737 S. 737.]</ref> Denn wenn sie etwas Gutes täten, dann nicht aus Liebe, sondern aus Eigennutz, weil sie bei den Christen wohnen müssten. Sie hielten nicht einmal die [[Zehn Gebote]], machten sich zu Herren der Christen, beuteten sie aus und verhöhnten sie, obwohl es ihnen jetzt besser gehe als im [[Königreich Israel]]:<ref>Zitiert nach Wanda Kampmann: ''Deutsche und Juden. Die Geschichte der Juden in Deutschland vom Mittelalter bis zum Beginn des ersten Weltkrieges.'' Fischer TB, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-596-23429-8, S. 46.</ref>
{{Zitat|Jawohl, sie halten uns in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, das wir arbeiten und sie faule Juncker lassen sein […] sind also unsere Herren, wir ihre Knechte.}}
{{Zitat|Jawohl, sie halten uns in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, das wir arbeiten und sie faule Juncker lassen sein […] sind also unsere Herren, wir ihre Knechte.}}
Dann fragte er: „Was sollen wir Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“ Er schlug sieben Schritte als „scharfe Barmherzigkeit“ vor. Man solle:
Dann fragte er: „Was sollen wir Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“ Er schlug sieben Schritte als „scharfe Barmherzigkeit“ vor. Man solle:
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* ihnen das „Wuchern“ (Geldgeschäft) verbieten, all ihr Bargeld und ihren Schmuck einziehen und verwahren,
* ihnen das „Wuchern“ (Geldgeschäft) verbieten, all ihr Bargeld und ihren Schmuck einziehen und verwahren,
* den jungen kräftigen Juden Werkzeuge für körperliche Arbeit geben und sie ihr Brot verdienen lassen.
* den jungen kräftigen Juden Werkzeuge für körperliche Arbeit geben und sie ihr Brot verdienen lassen.
Aber wiewohl er Juden gern eigenhändig erwürgen würde, sei es Christen verboten, sie zu verfluchen und persönlich anzugreifen. Die Obrigkeit, die Gott zur Abwehr des Bösen eingesetzt habe, müsse die Christen vor den „teuflischen“ Juden schützen. Falls die Fürsten seine Ratschläge ablehnten, müssten sie den Juden wenigstens ihre religiösen Stätten, Gottesdienste, Bücher und ihre Gotteslästerung verbieten. Falls sich auch dieses nicht durchführen lasse, so bleibe nur, die Juden aus den evangelischen Ländern „wie die tollen Hunde“ zu verjagen.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI.'' In: Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe Band I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA147 S. 147f.]</ref> Dabei war Luther bewusst, dass die Juden nur wegen ihrer Schutzgeldzahlungen geduldet wurden; diese Politik zu beenden, war sein eigentliches Ziel.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-149017-7, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA131 S. 131, Fn. 69]</ref>
Aber wiewohl er Juden gern eigenhändig erwürgen würde, sei es Christen verboten, sie zu verfluchen und persönlich anzugreifen. Die Obrigkeit, die Gott zur Abwehr des Bösen eingesetzt habe, müsse die Christen vor den „teuflischen“ Juden schützen. Falls die Fürsten seine Ratschläge ablehnten, müssten sie den Juden wenigstens ihre religiösen Stätten, Gottesdienste, Bücher und ihre Gotteslästerung verbieten. Falls sich auch dieses nicht durchführen lasse, so bleibe nur, die Juden aus den evangelischen Ländern „wie die tollen Hunde“ zu verjagen.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI.'' In: Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe Band I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA147 S. 147f.]</ref> Die evangelischen Pfarrherrn und Prediger wies er an, seine Ratschläge unabhängig vom Verhalten der Obrigkeit im Alltag zu befolgen und ihre Gemeinden vor jedem Kontakt mit Juden und jeder Nachbarschaftshilfe für sie zu warnen. Zudem sollten sie ihre Regierungen ständig an ihre „Gott geschuldete“ Aufgabe erinnern, die Juden zur Arbeit zu zwingen, ihnen das Zinsnehmen zu verbieten und sie an aller Christentumskritik zu hindern. Damit rechtfertigte Luther selbst die Weiterverbreitung und ständige Aktualisierung seiner antijüdischen Schriften.<ref>Winfried Frey: ''Pluralität im Zeitalter der Glaubensspaltung?'' In: Christoph Auffarth, Günter Kehrer, Michael Zank (Hrsg.): ''Religiöser Pluralismus im Mittelalter? Besichtigung einer Epoche der Europäischen Religionsgeschichte.'' Lit Verlag, 2007, ISBN 978-3-8258-8631-8, [http://books.google.de/books?id=8CqfR5-pKsgC&pg=PA151 S. 151.]</ref>


Mit diesem brutalen Gewaltaufruf sprach Luther den Juden die [[Menschenwürde]] ab, die er ihnen 1523 zugestanden hatte.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA15 S. 15]; Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008.'' 2008, [http://books.google.de/books?id=ytYqEfD9fZEC&pg=PA280 S. 280]</ref> Er kehrte die reale Lage der damaligen „Kammerknechte“ demagogisch in ein Zerrbild um, das an den [[Sozialneid]] der Bevölkerung appellierte. Erstmals taucht hier der frühneuzeitliche Vergleich von Juden mit „Zigeunern“ auf. Die [[Roma]] waren 1498 im ganzen Heiligen Römischen Reich für [[Vogelfreiheit|vogelfrei]] erklärt worden, weil sie wie die Juden als Spione der „Türken“ (der [[Muslim]]e im expandierenden [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]]) verdächtigt wurden. Luther, der diesen Reichstagsbeschluss kannte, forderte also, die Juden der gleichen Rechtlosigkeit auszuliefern.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Auserwählte Opfer? Shoah und Porrajmos im Vergleich. Eine Kontroverse.'' Frank & Timme, 2012, ISBN 3865960030, [http://books.google.de/books?id=3Wr_ygeNqS4C&pg=PA14 S. 14]</ref> Schon der katholische Jurist [[Ulrich Zasius]] hatte 1506 gefordert, Juden zu vertreiben oder zu „eliminieren“, weil sie Christen täglich verfluchten, sie mit Wucher ausnutzten, sich weigerten, ihnen zu dienen, den christlichen Glauben lächerlich machten und gegen Christus lästerten. Am grausamsten sei der tägliche und nächtliche „Blutdurst“ dieser „Blutsauger“. Er folgerte: „Warum soll es also vor allem den Fürsten nicht gestattet sein, so ausgesprochene Feinde, so grimmige Bestien auszustoßen, warum sie nicht aus den Gebieten der Christen austreiben? Man muß jenen ekelhaftesten Auswurf in kümmerliche Finsternis versinken lassen. Auch wenn man diesen unendlichen Pöbel von Beschnittenen unter den Christen nicht mehr duldet, wird es immer noch viele von diesen Scheusalen geben, die sich unter den Heiden herumtreiben können.“<ref>Zitiert nach Guido Kisch: ''Zäsius und Reuchlin: eine rechtsgeschichtlich-vergleichende Studie zum Toleranzproblem im 16. Jahrhundert.'' Jan Thorbecke Verlag, Pforzheim 1961, S. 12f.; lateinischer Originaltext bei R. Po-Chia Hsia: ''The Myth of Ritual Murder: Jews and Magic in Reformation Germany.'' Yale University Press, 1990, ISBN 0300047460, [http://books.google.de/books?id=ZZMp62rCJKkC&pg=PA116 S. 116]</ref>
Mit diesem brutalen Gewaltaufruf sprach Luther den Juden die [[Menschenwürde]] ab, die er ihnen 1523 zugestanden hatte.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA15 S. 15.]; Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008.'' 2008, [http://books.google.de/books?id=ytYqEfD9fZEC&pg=PA280 S. 280.]</ref> Er kehrte die reale Lage der damaligen „Kammerknechte“ demagogisch in ein Zerrbild um, das an den [[Sozialneid]] der Bevölkerung appellierte. Dabei war ihm bewusst, dass die Juden nur wegen ihrer Schutzgeldzahlungen geduldet wurden; diese Politik zu beenden, war sein eigentliches Ziel.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA131 S. 131, Fn. 69]</ref> Erstmals taucht hier der frühneuzeitliche Vergleich von Juden mit „Zigeunern“ auf. Die [[Roma]] waren 1498 im ganzen Heiligen Römischen Reich für [[Vogelfreiheit|vogelfrei]] erklärt worden, weil sie wie die Juden als Spione der „Türken“ (der [[Muslim]]e im expandierenden [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]]) verdächtigt wurden. Luther, der diesen Reichstagsbeschluss kannte, forderte also, die Juden der gleichen Rechtlosigkeit auszuliefern.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Auserwählte Opfer? Shoah und Porrajmos im Vergleich. Eine Kontroverse.'' Frank & Timme, 2012, ISBN 978-3-86596-003-0, [http://books.google.de/books?id=3Wr_ygeNqS4C&pg=PA14 S. 14.]</ref>


Schon der katholische Jurist [[Ulrich Zasius]] hatte 1506 gefordert, Juden zu vertreiben oder zu „eliminieren“, weil sie Christen täglich verfluchten, sie mit Wucher ausnutzten, sich weigerten, ihnen zu dienen, den christlichen Glauben lächerlich machten und gegen Christus lästerten. Am grausamsten sei der tägliche und nächtliche „Blutdurst“ dieser „Blutsauger“. Er folgerte: „Warum soll es also vor allem den Fürsten nicht gestattet sein, so ausgesprochene Feinde, so grimmige Bestien auszustoßen, warum sie nicht aus den Gebieten der Christen austreiben? Man muß jenen ekelhaftesten Auswurf in kümmerliche Finsternis versinken lassen. Auch wenn man diesen unendlichen Pöbel von Beschnittenen unter den Christen nicht mehr duldet, wird es immer noch viele von diesen Scheusalen geben, die sich unter den Heiden herumtreiben können.“<ref>Zitiert nach Guido Kisch: ''Zäsius und Reuchlin: eine rechtsgeschichtlich-vergleichende Studie zum Toleranzproblem im 16. Jahrhundert.'' Jan Thorbecke Verlag, Pforzheim 1961, S. 12f.; lateinischer Originaltext bei R. Po-Chia Hsia: ''The Myth of Ritual Murder: Jews and Magic in Reformation Germany.'' Yale University Press, 1990, ISBN 0-300-04746-0, [http://books.google.de/books?id=ZZMp62rCJKkC&pg=PA116 S. 116.]</ref>
Luther behauptete hier auch, er habe bisher nicht gewusst, das die Juden in ihren Schulen und Synagogen „Christum und uns belügen, lästern, fluchen, anspeien und schänden.“ Damit bezog er sich auf den „Gebetsfrevel“, den der jüdische Konvertit [[Antonius Margaritha]] 1530 als angebliches Hauptmerkmal jüdischer Religionsausübung dargestellt hatte. Seine einflussreiche Schrift „Der gantz jüdisch Glaub“ gab sich als Kompendium des Judentums, um die Christen vor angeblichen christenfeindlichen Praktiken der Juden zu warnen und zu überzeugen, dass jegliche Schutzrechte für sie eine gefährliche Illusion seien. Jede Duldung stärke nur ihr anmaßendes Erwählungsbewusstsein und führe zur Knechtung der Christen und ihrer Regenten. Nur [[Zwangsarbeit]] könne die Juden zur Erkenntnis des auf ihnen liegenden Zornes Gottes und Jesu Christi bringen. Dies geschehe aus „[[Barmherzigkeit]]“, damit am Elend der Juden ihre göttliche Verwerfung auch für die Christen aller Völker bis zum Ende der Welt anschaulich bleibe. Luther übernahm diese Argumentation bis in die Wortwahl hinein.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, S. 123-127; 133</ref>


Luther behauptete hier auch, er habe bisher nicht gewusst, das die Juden in ihren Schulen und Synagogen „Christum und uns belügen, lästern, fluchen, anspeien und schänden.“ Damit bezog er sich auf den „Gebetsfrevel“, den der jüdische Konvertit [[Antonius Margaritha]] 1530 als angebliches Hauptmerkmal jüdischer Religionsausübung dargestellt hatte. Seine einflussreiche Schrift „Der gantz jüdisch Glaub“ gab sich als Kompendium des Judentums, um die Christen vor angeblichen christenfeindlichen Praktiken der Juden zu warnen und zu überzeugen, dass jegliche Schutzrechte für sie eine gefährliche Illusion seien. Jede Duldung stärke nur ihr anmaßendes Erwählungsbewusstsein und führe zur Knechtung der Christen und ihrer Regenten. Nur [[Zwangsarbeit]] könne die Juden zur Erkenntnis des auf ihnen liegenden Zornes Gottes und Jesu Christi bringen. Dies geschehe aus „[[Barmherzigkeit]]“, damit am Elend der Juden ihre göttliche Verwerfung auch für die Christen aller Völker bis zum Ende der Welt anschaulich bleibe. Luther übernahm diese Argumentation bis in die Wortwahl hinein.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, S. 123–127; 133</ref>
Luthers exzessive Übernahme vorgeformter Ressentiments erklärt der Kirchenhistoriker [[Thomas Kaufmann (Kirchenhistoriker)|Thomas Kaufmann]] mit dem Misserfolg seiner bisherigen, eher exegetischen Argumentation und einem „[[Migration]]sdruck“: Kurfürst Friedrich hatte das Durchreiseverbot für Juden 1539 vorübergehend aufgehoben, und 1541 waren die Juden aus [[Böhmen]] in die Nachbarregionen vertrieben worden. Daraufhin habe Luther allen evangelische Fürsten mit allen rhetorischen Mitteln zur Vertreibung der Juden bewegen wollen. Weil Margarithas und Münsters Schriften ihn bestärkten, die Juden als aktive Feinde des Christentums zu betrachten, fühlte er sich verpflichtet, die ökonomischen und religiösen Grundlagen ihrer Existenz zu zerstören, um sie so zur Konversion zu zwingen. Dies verstand Luther als Gottesdienst, der Gott zeigen sollte, dass die Christen die angeblichen Lügen und Gotteslästerungen der Juden, von denen er überzeugt war, nicht wissentlich geduldet hätten und somit daran nicht mitschuldig seien. Er wollte eine befürchtete Strafe Gottes abwenden und seine Reformation retten, die er damals von allen Seiten bedroht sah.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA116 S. 116-124] und Fn. 148</ref> [[Dietrich Korsch]] hebt Luthers damals verschärften [[Endzeit]]-Glauben hervor: Er habe seine Gegenwart als letzten Ansturm des Teufels gesehen, der die Juden benutze, um das Christentum zu zerstören. Er habe ihnen das Verbreiten ihrer Lehren unmöglich machen wollen, damit sie die Christen nicht mit ins Verderben zögen.<ref>Dietrich Korsch: ''Martin Luther: Eine Einführung.'' 2007, [http://books.google.de/books?id=YQUY4yh5IM8C&pg=PA146 S. 146]</ref>

Luthers exzessive Übernahme vorgeformter Ressentiments erklärt der Kirchenhistoriker [[Thomas Kaufmann (Kirchenhistoriker)|Thomas Kaufmann]] mit dem Misserfolg seiner bisherigen, eher exegetischen Argumentation und einem „[[Migration]]sdruck“: Kurfürst Friedrich hatte das Durchreiseverbot für Juden 1539 vorübergehend aufgehoben, und 1541 waren die Juden aus [[Böhmen]] in die Nachbarregionen vertrieben worden. Daraufhin habe Luther allen evangelische Fürsten mit allen rhetorischen Mitteln zur Vertreibung der Juden bewegen wollen. Weil Margarithas und Münsters Schriften ihn bestärkten, die Juden als aktive Feinde des Christentums zu betrachten, fühlte er sich verpflichtet, die ökonomischen und religiösen Grundlagen ihrer Existenz zu zerstören, um sie so zur Konversion zu zwingen. Dies verstand Luther als Gottesdienst, der Gott zeigen sollte, dass die Christen die angeblichen Lügen und Gotteslästerungen der Juden, von denen er überzeugt war, nicht wissentlich geduldet hätten und somit daran nicht mitschuldig seien. Er wollte eine befürchtete Strafe Gottes abwenden und seine Reformation retten, die er damals von allen Seiten bedroht sah.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA116 S. 116–124.] und Fn. 148</ref> [[Dietrich Korsch]] hebt Luthers damals verschärften [[Endzeit]]-Glauben hervor: Er habe seine Gegenwart als letzten Ansturm des Teufels gesehen, der die Juden benutze, um das Christentum zu zerstören. Er habe ihnen das Verbreiten ihrer Lehren unmöglich machen wollen, damit sie die Christen nicht mit ins Verderben zögen.<ref>Dietrich Korsch: ''Martin Luther: Eine Einführung.'' 2007, [http://books.google.de/books?id=YQUY4yh5IM8C&pg=PA146 S. 146.]</ref>


=== Vom Schem Hamphoras (März 1543) ===
=== Vom Schem Hamphoras (März 1543) ===
Mit dieser Schrift veröffentlichte Luther die von ihm ins Deutsche übersetzten [[Toledot Jeschu]] nach einer bereits antijudaistisch redigierten lateinischen Fassung. Diese aus Talmudstellen kompilierte jüdische Legende stellte Jesus als [[Zauberei|Zauberer]] und unehelich gezeugten [[Wechselbalg]] dar, der den Gottesnamen [[JHWH]] (umschrieben als [[Ha-Schem Ha-Mephorasch]]: „der allerheiligste, ausgeführte Name“) als [[Magie|magische]] Formel missbraucht habe und deshalb gescheitert sei.<ref>Brigitta Callsen, Thomas Ebendorfer (Hrsg.): ''Das jüdische Leben Jesu - Toldot Jeschu: Die älteste lateinische Übersetzung in den Falsitates Judeorum von Thomas Ebendorfer.'' Böhlau, Wien 2003, ISBN 3702904751, [http://books.google.de/books?id=hQxk_f0g698C&pg=PA16 S. 16]</ref> Luther hatte diesen Text durch Antonius Margaritha kennengelernt und machte ihn im deutschsprachigen Raum bekannt, um die angeblich gotteslästerliche Christusfeindschaft aller Juden zu belegen, die er gerade in ihrer Heiligung des Gottesnamens sah. Dabei verhöhnte er diese jüdische Tradition und die jüdische Bibelexegese dazu aufs Äußerste: Er beschrieb sie als aus [[Exkremente]]n des [[Judas Ischariot]] gewonnen, griff dabei die Wittenberger [[Judensau]]-Skulptur auf, nannte Juden „diese Teufel“ und setzte so Juden, Judas, Exkremente, Schweine und [[Teufel]] bildhaft gleich. Seine vulgäre [[Fäkalsprache]] erreichte auch im damals üblichen groben Schimpf- und Beleidigungsstil eine maximale Schärfe.
Mit dieser Schrift veröffentlichte Luther die von ihm ins Deutsche übersetzten [[Toledot Jeschu]] nach einer bereits antijudaistisch redigierten lateinischen Fassung. Diese aus Talmudstellen kompilierte jüdische Legende stellte Jesus als [[Zauberei|Zauberer]] und unehelich gezeugten [[Wechselbalg]] dar, der den Gottesnamen [[JHWH]] (umschrieben als [[Ha-Schem Ha-Mephorasch]]: „der allerheiligste, ausgeführte Name“) als [[Magie|magische]] Formel missbraucht habe und deshalb gescheitert sei.<ref>Brigitta Callsen, Thomas Ebendorfer (Hrsg.): ''Das jüdische Leben Jesu - Toldot Jeschu: Die älteste lateinische Übersetzung in den Falsitates Judeorum von Thomas Ebendorfer.'' Böhlau, Wien 2003, ISBN 3-7029-0475-1, [http://books.google.de/books?id=hQxk_f0g698C&pg=PA16 S. 16.]</ref> Luther hatte diesen Text durch Antonius Margaritha kennengelernt und machte ihn im deutschsprachigen Raum bekannt, um die angeblich gotteslästerliche Christusfeindschaft aller Juden zu belegen, die er gerade in ihrer Heiligung des Gottesnamens sah. Dabei verhöhnte er diese jüdische Tradition und die jüdische Bibelexegese dazu aufs Äußerste: Er beschrieb sie als aus [[Exkremente]]n des [[Judas Ischariot]] gewonnen, griff dabei die Wittenberger [[Judensau]]-Skulptur auf, nannte Juden „diese Teufel“ und setzte so Juden, Judas, Exkremente, Schweine und [[Teufel]] bildhaft gleich. Seine vulgäre [[Fäkalsprache]] erreichte auch im damals üblichen groben Schimpf- und Beleidigungsstil eine maximale Schärfe.


Luther äußerte hier auch eine frühneuzeitliche, langfristig wirksame [[Verschwörungstheorie]]: Juden seien eine „Grundsuppe aller losen, bösen Buben, aus aller Welt zusammengeflossen“ und hätten sich „wie die Tattern und Zigeuner“ ([[Tataren]] und Roma bzw. Nichtsesshafte) zusammengerottet, um die christlichen Länder auszukundschaften und zu verraten, Wasser zu vergiften, Kinder zu stehlen und hinterhältig allerlei Schaden anzurichten. Sie begingen wie die [[Assassinen]] Meuchelmorde an christlichen Regenten, um dann deren Gebiete einzunehmen.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Rassenwahn und Teufelsglaube.'' Frank & Timme, 2013, ISBN 3865960073, [http.//books.google.de/books?id=-M6HgMLRI60C&pg=PA72 S. 72 und Fn. 224]</ref>
Luther äußerte hier auch eine frühneuzeitliche, langfristig wirksame [[Verschwörungstheorie]]: Juden seien eine „Grundsuppe aller losen, bösen Buben, aus aller Welt zusammengeflossen“ und hätten sich „wie die Tattern und Zigeuner“ ([[Tataren]] und Roma bzw. Nichtsesshafte) zusammengerottet, um die christlichen Länder auszukundschaften und zu verraten, Wasser zu vergiften, Kinder zu stehlen und hinterhältig allerlei Schaden anzurichten. Sie begingen wie die [[Assassinen]] Meuchelmorde an christlichen Regenten, um dann deren Gebiete einzunehmen.<ref>Wolfgang Wippermann: ''Rassenwahn und Teufelsglaube.'' Frank & Timme, 2013, ISBN 978-3-86596-007-8, [http.//books.google.de/books?id=-M6HgMLRI60C&pg=PA72, S. 72 und Fn. 224]</ref>


=== Vermahnung wider die Juden (15. Februar 1546) ===
=== Vermahnung wider die Juden (15. Februar 1546) ===
Im Januar 1546 reiste Luther zu Graf [[Albrecht VII. von Mansfeld]], um mit Predigten die Vertreibung der Juden aus seinem Gebiet durchzusetzen. Sie waren nach ihrer Vertreibung aus Magdeburg (1493) in Eisleben aufgenommen worden; die Mansfelder Grafen stritten über den Umgang mit ihnen. Am 15. Februar, nach seiner letzten Predigt drei Tage vor seinem Tod, verlas Luther seine „Vermahnung“, die seine Haltung zu Juden vermächtnisartig zusammenfasste:
Im Januar 1546 reiste Luther zu Graf [[Albrecht VII. von Mansfeld]], um mit Predigten die Vertreibung der Juden aus seinem Gebiet durchzusetzen. Sie waren nach ihrer Vertreibung aus Magdeburg (1493) in Eisleben aufgenommen worden; die Mansfelder Grafen stritten über den Umgang mit ihnen. Am 15. Februar, nach seiner letzten Predigt drei Tage vor seinem Tod, verlas Luther seine „Vermahnung“, die seine Haltung zu Juden vermächtnisartig zusammenfasste:
*Er wolle die Juden christlich behandeln und biete ihnen an, Jesus von Nazaret als ihren Messias anzunehmen, der doch ihr Blutsverwandter und rechtmäßiger Nachkomme Abrahams sei. Dieses Angebot zur Taufe sollten die Christen machen, „damit man sehe, dass es ihnen ernst sei.“
* Er wolle die Juden christlich behandeln und biete ihnen an, Jesus von Nazaret als ihren Messias anzunehmen, der doch ihr Blutsverwandter und rechtmäßiger Nachkomme Abrahams sei. Dieses Angebot zur Taufe sollten die Christen machen, „damit man sehe, dass es ihnen ernst sei.“
*Die Juden würden das Angebot ausschlagen und „unseren Herrn Jesum Christum täglich lästern und schänden“, den Christen nach „Leib, Leben, Ehre und Gut“ trachten, sie mit Wucherzinsen schädigen, sie alle gern töten, wenn sie könnten, und täten dies auch, „sonderlich, die sich für Ärzte ausgeben“. Auch wenn sie die Krankheit scheinbar zunächst heilten, würden sie nur kunstfertig „versiegeln“, so dass man später daran sterbe.<ref>Zitiert nach Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden.'' In: J. C. de Vos, Folker Siegert (Hrsg.): ''Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008.'' 2008, [http://books.google.de/books?id=ytYqEfD9fZEC&pg=PA263 S. 263f.]</ref>
* Die Juden würden das Angebot ausschlagen und „unseren Herrn Jesum Christum täglich lästern und schänden“, den Christen nach „Leib, Leben, Ehre und Gut“ trachten, sie mit Wucherzinsen schädigen, sie alle gern töten, wenn sie könnten, und täten dies auch, „sonderlich, die sich für Ärzte ausgeben“. Auch wenn sie die Krankheit scheinbar zunächst heilten, würden sie nur kunstfertig „versiegeln“, so dass man später daran sterbe.<ref>Zitiert nach Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden.'' In: J. C. de Vos, Folker Siegert (Hrsg.): ''Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008.'' 2008, [http://books.google.de/books?id=ytYqEfD9fZEC&pg=PA263 S. 263f.]</ref>
*Würden die Christen die Juden wissentlich weiter dulden, würden sie sich mitschuldig an ihren Verbrechen machen: Darum „sollt ihr Herren sie nicht leiden, sondern wegtreiben.“
* Würden die Christen die Juden wissentlich weiter dulden, würden sie sich mitschuldig an ihren Verbrechen machen: Darum „sollt ihr Herren sie nicht leiden, sondern wegtreiben.“
*„Wo sie sich aber bekehren, ihren Wucher sein lassen und Christum annehmen, so wollen wir sie gerne als unsre Brüder halten. Anders wird nichts draus… Sie sind unsere öffentlichen Feinde.“
* „Wo sie sich aber bekehren, ihren Wucher sein lassen und Christum annehmen, so wollen wir sie gerne als unsre Brüder halten. Anders wird nichts draus… Sie sind unsere öffentlichen Feinde.“
Luther ließ den Juden also nur die Wahl zwischen Taufe oder Vertreibung. Da er ihre Taufbereitschaft nicht erwarten konnte, entzog er ihnen jedes Existenzrecht in evangelischen Gebieten. Diese Entrechtung begründete er mit kollektiver Mordabsicht, die er ihnen erstmals 1537 unterstellt hatte und für real hielt.<ref>Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 112; dort auch die übrigen Zitate</ref>
Luther ließ den Juden also nur die Wahl zwischen Taufe oder Vertreibung. Da er ihre Taufbereitschaft nicht erwarten konnte, entzog er ihnen jedes Existenzrecht in evangelischen Gebieten. Diese Entrechtung begründete er mit kollektiver Mordabsicht, die er ihnen erstmals 1537 unterstellt hatte und für real hielt.<ref>Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 112; dort auch die übrigen Zitate</ref>


== Wirkungsgeschichte ==
== Wirkungsgeschichte ==
=== Protestantismus im 16. Jahrhundert ===
=== Protestantismus im 16. Jahrhundert ===
Luthers „Judenschriften“ bildeten zwar nur einen geringen Bruchteil seines Werks, gehörten aber wegen seiner Popularität zu den meistgelesenen Texten zum Thema Juden im 16. Jahrhundert. Ab 1523 prägten sie das Judenbild des [[Luthertum]]s. ''Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei'' wurde damals mit zehn deutschen und drei lateinischen Ausgaben, ''Vom Shem Hamphoras'' in sieben, die übrigen Schriften über Juden in jeweils zwei deutschen und einer lateinischen Ausgabe gedruckt.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA156 S. 156f.]</ref> Buchdruck und Druckgrafiken verbreiteten Luthers Aussagen weit, so dass sie Judenhass in der Bevölkerung fördern und literarisch weiterwirken konnten.<ref>Martin Gubser: ''Literarischer Antisemitismus. Untersuchungen zu Gustav Freytag und anderen bürgerlichen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts.'' Wallstein, 1998, ISBN 3-89244-259-2, [http://books.google.de/books?id=LKFiqGdYtG0C&pg=PA77 S. 77f.]</ref>
Luthers „Judenschriften“ bildeten zwar nur einen geringen Bruchteil seines Werks, gehörten aber wegen seiner Popularität zu den meistgelesenen Texten zum Thema Juden im 16. Jahrhundert. Ab 1523 prägten sie das Judenbild des [[Luthertum]]s. ''Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei'' wurde damals mit zehn deutschen und drei lateinischen Ausgaben, ''Vom Shem Hamphoras'' in sieben, die übrigen Schriften über Juden in jeweils zwei deutschen und einer lateinischen Ausgabe gedruckt.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA156 S. 156f.]</ref> Buchdruck und Druckgrafiken verbreiteten Luthers Aussagen weit, so dass sie Judenhass in der Bevölkerung fördern und literarisch weiterwirken konnten.<ref>Martin Gubser: ''Literarischer Antisemitismus. Untersuchungen zu Gustav Freytag und anderen bürgerlichen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts.'' Wallstein, 1998, ISBN 3-89244-259-2, [http://books.google.de/books?id=LKFiqGdYtG0C&pg=PA77 S. 77f.]</ref>


Zunächst folgten begrenzte Versuche einer Judenmission. Luthers Freund und Übersetzer [[Justus Jonas]] vertrat 1538: Die Päpste hätten das Studium der hebräischen Bibel vernachlässigt und damit die Juden verachtet. Die Reformation habe mit ihrer Bibel auch den Wert des Volkes Israel wiederentdeckt. Die Juden könnten Jesus Christus aus dem Eigensinn des AT erkennen. Darum müsse sich die Kirche unablässig für ihre Rettung einsetzen.<ref>Ernst Ludwig Ehrlich: ''Luther und die Juden.'' In: Walter Homolka, Tobias Barniske, Ernst Ludwig Ehrlich (Hrsg.): ''Von Hiob zu Horkheimer: Gesammelte Schriften zum Judentum und seiner Umwelt.'' Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 3110202573, [http://books.google.de/books?id=Y9JB1e7FEvsC&pg=PA145 S. 145f.]</ref>
Zunächst folgten begrenzte Versuche einer Judenmission. Luthers Freund und Übersetzer [[Justus Jonas der Ältere|Justus Jonas]] vertrat 1538: Die Päpste hätten das Studium der hebräischen Bibel vernachlässigt und damit die Juden verachtet. Die Reformation habe mit ihrer Bibel auch den Wert des Volkes Israel wiederentdeckt. Die Juden könnten Jesus Christus aus dem Eigensinn des AT erkennen. Darum müsse sich die Kirche unablässig für ihre Rettung einsetzen.<ref>Ernst Ludwig Ehrlich: ''Luther und die Juden.'' In: Walter Homolka, Tobias Barniske, Ernst Ludwig Ehrlich (Hrsg.): ''Von Hiob zu Horkheimer: Gesammelte Schriften zum Judentum und seiner Umwelt.'' Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-020257-1, [http://books.google.de/books?id=Y9JB1e7FEvsC&pg=PA145 S. 145f.]</ref>


Ab 1543 gab man meist dem „Schutz“ der Christen vor angeblicher Gefährdung durch Juden Vorrang. Die meisten evangelischen Fürsten wollten sie jedoch als Wirtschaftsfaktor und Einnahmequelle behalten und ignorierten darum Luthers Forderungen. Das Kurfürstentum Sachsen erneuerte und verschärfte 1543 das Durchreise- und Aufenthaltsverbot für Juden von 1536. Einige Monate nach Luthers Tod wurden die Juden aus [[Braunschweig]] und weiteren Städten vertrieben. Sein Klischee jüdischer Ärzte führte zur Verbannung von jüdischen Medizinern von einigen evangelischen Universitäten.<ref>Jehuda L. Stein, Erhard R. Wiehn: ''Jüdische Ärzte und das jüdische Gesundheitswesen in Krakau: vom 15. Jahrhundert bis zur Schoáh.'' Hartung-Gorre, 2006, ISBN 3866280467, S. 20</ref> 1547 vertrieb der Graf von Mansfeld die Eislebener Juden wie verlangt aus der Stadt. [[Philipp I. (Hessen)]] ordnete eine Talmudverbrennung an, verbot Juden das Zinsnehmen und setzte einen Inquisitor ein; die Vorschriften wurden dennoch nicht umgesetzt.<ref>Michael Demel: ''Gebrochene Normalität: Die staatskirchenrechtliche Stellung der jüdischen Gemeinden in Deutschland.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 3-16-150885-8, [http://books.google.de/books?id=Q5tnbpnlAO8C&pg=PA58 S. 58]</ref> Das Stereotyp des jüdischen „Gebetsfrevels“ statt des Hostienfrevels gab im evangelischen Raum oft den Ausschlag, Juden zu vertreiben.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA112 S. 112-114]</ref>
Ab 1543 gab man meist dem „Schutz“ der Christen vor angeblicher Gefährdung durch Juden Vorrang. Die meisten evangelischen Fürsten wollten sie jedoch als Wirtschaftsfaktor und Einnahmequelle behalten und ignorierten darum Luthers Forderungen. Das Kurfürstentum Sachsen erneuerte und verschärfte 1543 das Durchreise- und Aufenthaltsverbot für Juden von 1536. Einige Monate nach Luthers Tod wurden die Juden aus [[Braunschweig]] und weiteren Städten vertrieben. Sein Klischee jüdischer Ärzte führte zur Verbannung von jüdischen Medizinern von einigen evangelischen Universitäten.<ref>Jehuda L. Stein, Erhard R. Wiehn: ''Jüdische Ärzte und das jüdische Gesundheitswesen in Krakau: vom 15. Jahrhundert bis zur Schoáh.'' Hartung-Gorre, 2006, ISBN 3-86628-046-7, S. 20.</ref> 1547 vertrieb der Graf von Mansfeld die Eislebener Juden wie verlangt aus der Stadt. [[Philipp I. (Hessen)]] ordnete eine Talmudverbrennung an, verbot Juden das Zinsnehmen und setzte einen Inquisitor ein; die Vorschriften wurden dennoch nicht umgesetzt.<ref>Michael Demel: ''Gebrochene Normalität: Die staatskirchenrechtliche Stellung der jüdischen Gemeinden in Deutschland.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 978-3-16-150885-1, [http://books.google.de/books?id=Q5tnbpnlAO8C&pg=PA58 S. 58.]</ref> Das Stereotyp des jüdischen „Gebetsfrevels“ statt des Hostienfrevels gab im evangelischen Raum oft den Ausschlag, Juden zu vertreiben.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA112 S. 112–114.]</ref>


Auch die meisten Reformatoren folgten Luthers Forderungen nicht, obwohl sie das Judentum theologisch wie er als überholte, feindliche Gesetzesreligion einordneten. [[Philipp Melanchthon]] verbreitete Luthers Schriften von 1543 als „nützliche Lehre“.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA180 S. 180]</ref> Wolfgang Capito unterstützte Josel von Rosheims Vorstoß zur Aufhebung des Durchzugsverbots in Sachsen.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA137 S. 137, Fn. 110]</ref> [[Heinrich Bullinger]] nannte Luthers Schriften von 1543 „sehr schmutzig geschrieben“. Sie enthielten zwar manches „zur Verteidigung des Christentums nicht unnütze, aber er hat diesen schönen und dankbaren Stoff entstellt und geschändet durch seine schmutzigen Ausfälle und durch die Scurrilität, die Niemanden, am wenigsten einem bejahrten Theologen, ansteht.“ Das „schweinische, kotige Schemhamphoras“ hätte auch dann, wenn es ein Schweinehirt und kein berühmter Seelenhirt verfasst hätte, „wenig Entschuldigung“.<ref>Johannes Brosseder: ''Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum.'' München 1972, S. 80</ref> Er lehnte auch Luthers Vorwurfs des „Judaisierens“ darin ab und befürwortete eine wortgetreue Exegese des AT, da sonst auch das NT unglaubwürdig werde. [[Antonius Corvinus]] und [[Caspar Güttel]] hielten die Solidarität der gemeinsamen Schuld von Juden und Christen vor Gott fest. [[Urbanus Rhegius]] bemühte sich in seiner Region um eine gewaltlose Judenmission. [[Martin Bucer]] und [[Ambrosius Blarer]] forderten strenge Knechtschaft, nicht aber Vertreibung der Juden. [[Huldrich Zwingli]] sah sie als direkte Urheber katholischer Riten und Kriege und lastete ihnen wie Luther absichtliche Schriftverderbnis an. Das blieb politisch folgenlos, da in seiner Region kaum Juden lebten.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI'', in: Theologische Realenzyklopädie I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA149 S. 149]</ref>
Auch die meisten Reformatoren folgten Luthers Forderungen nicht, obwohl sie das Judentum theologisch wie er als überholte, feindliche Gesetzesreligion einordneten. [[Philipp Melanchthon]] verbreitete Luthers Schriften von 1543 als „nützliche Lehre“.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA180 S. 180.]</ref> Wolfgang Capito unterstützte Josel von Rosheims Vorstoß zur Aufhebung des Durchzugsverbots in Sachsen.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA137 S. 137, Fn. 110]</ref> [[Heinrich Bullinger]] nannte Luthers Schriften von 1543 „sehr schmutzig geschrieben“. Sie enthielten zwar manches „zur Verteidigung des Christentums nicht unnütze, aber er hat diesen schönen und dankbaren Stoff entstellt und geschändet durch seine schmutzigen Ausfälle und durch die Scurrilität, die Niemanden, am wenigsten einem bejahrten Theologen, ansteht.“ Das „schweinische, kotige Schemhamphoras“ hätte auch dann, wenn es ein Schweinehirt und kein berühmter Seelenhirt verfasst hätte, „wenig Entschuldigung“.<ref>Johannes Brosseder: ''Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum.'' München 1972, S. 80.</ref> Er lehnte auch Luthers Vorwurfs des „Judaisierens“ darin ab und befürwortete eine wortgetreue Exegese des AT, da sonst auch das NT unglaubwürdig werde. [[Antonius Corvinus]] und [[Caspar Güttel]] hielten die Solidarität der gemeinsamen Schuld von Juden und Christen vor Gott fest. [[Urbanus Rhegius]] bemühte sich in seiner Region um eine gewaltlose Judenmission. [[Martin Bucer]] und [[Ambrosius Blarer]] forderten strenge Knechtschaft, nicht aber Vertreibung der Juden. [[Huldrich Zwingli]] sah sie als direkte Urheber katholischer Riten und Kriege und lastete ihnen wie Luther absichtliche Schriftverderbnis an. Das blieb politisch folgenlos, da in seiner Region kaum Juden lebten.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI.'' In: Theologische Realenzyklopädie I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA149 S. 149.]</ref>


[[Andreas Osiander]] hatte den Ritualmordvorwurf 1529 in einer anonymen Schrift anhand der Toragebote, die den Blutgenuss verbieten, widerlegt, mit Hinweis auf die tägliche Toralesung und vorbildliche Torabefolgung der Juden für unglaubwürdig erklärt<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA121 S. 121, Fn. 22]</ref> und die finanzielle Verschuldung von Christen als Ursache vieler Judenpogrome benannt.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI'', in: Theologische Realenzyklopädie I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA148 S. 148]</ref> Er blieb damit im evangelischen Raum ein Außenseiter. Weil Luther jüdische Ritualmorde 1543 anders als 1523 wieder für möglich oder wahrscheinlich erklärt hatte, blieben solche Vorwürfe zumindest als historische Erinnerung im Protestantismus lange präsent.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, und [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA135 S. 135f.]</ref>
[[Andreas Osiander]] hatte den Ritualmordvorwurf 1529 in einer anonymen Schrift anhand der Toragebote, die den Blutgenuss verbieten, widerlegt, mit Hinweis auf die tägliche Toralesung und vorbildliche Torabefolgung der Juden für unglaubwürdig erklärt<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA121 S. 121, Fn. 22]</ref> und die finanzielle Verschuldung von Christen als Ursache vieler Judenpogrome benannt.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI.'' In: Theologische Realenzyklopädie I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA148 S. 148.]</ref> Er blieb damit im evangelischen Raum ein Außenseiter. Weil Luther jüdische Ritualmorde 1543 anders als 1523 wieder für möglich oder wahrscheinlich erklärt hatte, erinnerte man sich im Protestantismus noch lange an derartige Vorwürfe.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, und [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA135 S. 135f.]</ref>


Mit der Hetzschrift „Judenfeind“ (1570) knüpfte der Gießener Pastor [[Georg Nigrinus]] an Luthers aggressive Polemik von 1543 an. Zudem erhob er den Vorwurf des Hostienfrevels, auf den nach der Peinlichen Halsgerichtsordnung von 1532 die Todesstrafe stand. Landgraf [[Wilhelm IV. (Hessen-Kassel)]] empfahl seinem Bruder [[Ludwig IV. (Hessen-Marburg)]] brieflich, das „schlechte Werk“, das nur von anderen abgeschrieben sei, einzuziehen.<ref>Werner Marzi: ''Judentoleranz im Territorialstaat der frühen Neuzeit: Judenschutz und Judenordnung in der Grafschaft Nassau-Wiesbaden-Idstein und im Fürstentum Nassau-Usingen.'' Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, 1999, ISBN 3-921434-20-3, S. 322f.</ref> 1577 gab der Leipziger Superintendent [[Nikolaus Selnecker]], Mitautor der [[Konkordienformel]], Luthers „Judenschriften“ von 1538 und 1543, seinen Brief an Josel von Rosheim und eine anonym verfasste Liste „schrecklicher Gotteslästerungen“ der Juden als Buch für evangelische Hausväter heraus. Er kommentierte: Weil das Wirtschaftsverhalten von getauften wie ungetauften Juden derart verdorben sei, seien sie ebensowenig wie „der Teufel und seine Mutter selbst“ zu dulden. Sie seien besonders gefährliche Feinde der Lutheraner, da sie überall gesellschaftlich aufgestiegen seien, während die wahre Lehre „greulichen Schiffbruch gelitten“ habe.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA141 S. 141-144]</ref> 1578 verfasste der Braunschweiger Pastor [[Martin Chemnitz]] ein Gutachten, das die Vertreibung der Juden aus evangelischen Städten als eine die [[Gewissen]] betreffende „Religionssache“ begründete und somit die lokalen Geistlichen für zuständig erklärte. Diese empfahlen ihren Kollegen in [[Einbeck]], Luthers Forderungen von 1543 umzusetzen, weil die Juden schon durch ihr Dasein Jesu Messianität bestritten und ihn und die Christen somit lästerten. Deshalb seien sie genauso wie „Sakramentierer“ und [[Sekte]]n zu behandeln. Der Judenschutz gefährde die einheitliche Durchsetzung der Confessio Augustana. Die bisherige Duldung der Juden in den meisten evangelischen Gebieten galt den Autoren als Abkehr vom dogmatisierten lutherischen Glauben; Luthers Spätschriften galten nun als maßgebend dafür.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA138 S. 138-141]</ref>
Mit der Hetzschrift „Judenfeind“ (1570) knüpfte der Gießener Pastor [[Georg Nigrinus]] an Luthers aggressive Polemik von 1543 an. Zudem erhob er den Vorwurf des Hostienfrevels, auf den nach der Peinlichen Halsgerichtsordnung von 1532 die Todesstrafe stand. Landgraf [[Wilhelm IV. (Hessen-Kassel)]] empfahl seinem Bruder [[Ludwig IV. (Hessen-Marburg)]] brieflich, das „schlechte Werk“, das nur von anderen abgeschrieben sei, einzuziehen.<ref>Werner Marzi: ''Judentoleranz im Territorialstaat der frühen Neuzeit: Judenschutz und Judenordnung in der Grafschaft Nassau-Wiesbaden-Idstein und im Fürstentum Nassau-Usingen.'' Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, 1999, ISBN 3-921434-20-3, S. 322f.</ref> 1577 gab der Leipziger Superintendent [[Nikolaus Selnecker]], Mitautor der [[Konkordienformel]], Luthers „Judenschriften“ von 1538 und 1543, seinen Brief an Josel von Rosheim und eine anonym verfasste Liste „schrecklicher Gotteslästerungen“ der Juden als Buch für evangelische Hausväter heraus. Er kommentierte: Weil das Wirtschaftsverhalten von getauften wie ungetauften Juden derart verdorben sei, seien sie ebensowenig wie „der Teufel und seine Mutter selbst“ zu dulden. Sie seien besonders gefährliche Feinde der Lutheraner, da sie überall gesellschaftlich aufgestiegen seien, während die wahre Lehre „greulichen Schiffbruch gelitten“ habe.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA141 S. 141–144.]</ref> 1578 verfasste der Braunschweiger Pastor [[Martin Chemnitz]] ein Gutachten, das die Vertreibung der Juden aus evangelischen Städten als eine die [[Gewissen]] betreffende „Religionssache“ begründete und somit die lokalen Geistlichen für zuständig erklärte. Diese empfahlen ihren Kollegen in [[Einbeck]], Luthers Forderungen von 1543 umzusetzen, weil die Juden schon durch ihr Dasein Jesu Messianität bestritten und ihn und die Christen somit lästerten. Deshalb seien sie genauso wie „Sakramentierer“ und [[Sekte]]n zu behandeln. Der Judenschutz gefährde die einheitliche Durchsetzung der Confessio Augustana. Die bisherige Duldung der Juden in den meisten evangelischen Gebieten galt den Autoren als Abkehr vom dogmatisierten lutherischen Glauben; Luthers Spätschriften galten nun als maßgebend dafür.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA138 S. 138–141.]</ref>


Nach [[Friedrich Battenberg]] zeigt das Schwanken zwischen Duldung oder Vertreibung der Juden in evangelischen Ländern, dass Luther den mittelalterlichen Antijudaismus nicht bruchlos in die Neuzeit überlieferte, aber eine langfristige Radikalisierungstendenz einleitete. Die Hauptursachen dafür waren nicht seine „Judenschriften“, sondern die religionspolitische Stärkung der Territorialherren, die konfessionelle Spaltung und die Festschreibung des Prinzips ''[[cuius regio, eius religio]]'' im [[Augsburger Religionsfrieden]] (1555). Damit erhielten die Fürsten freie Hand, ihre Hoheitsgebiete religiös zu vereinheitlichen. Der bisherige Rechtsschutz der Juden durch Kaiser und Papst wurde ausgehöhlt: Sie konnten bei Bedarf leichter vertrieben werden. Um sich von der evangelischen Seite abzugrenzen, dogmatisierte die katholische Kirche umso stärker ihre antijudaistischen Lehren und erneuerte ihre Ghettoisierungs- und Kennzeichnungsgebote.<ref>Friedrich Battenberg: ''Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' 2001, S. 83f.</ref>
Nach [[Friedrich Battenberg]] zeigt das Schwanken zwischen Duldung oder Vertreibung der Juden in evangelischen Ländern, dass Luther den mittelalterlichen Antijudaismus nicht bruchlos in die Neuzeit überlieferte, aber eine langfristige Radikalisierungstendenz einleitete. Die Hauptursachen dafür waren nicht seine „Judenschriften“, sondern die religionspolitische Stärkung der Territorialherren, die konfessionelle Spaltung und die Festschreibung des Prinzips ''[[cuius regio, eius religio]]'' im [[Augsburger Religionsfrieden]] (1555). Damit erhielten die Fürsten freie Hand, ihre Hoheitsgebiete religiös zu vereinheitlichen. Der bisherige Rechtsschutz der Juden durch Kaiser und Papst wurde ausgehöhlt: Sie konnten bei Bedarf leichter vertrieben werden. Um sich von der evangelischen Seite abzugrenzen, dogmatisierte die katholische Kirche umso stärker ihre antijudaistischen Lehren und erneuerte ihre Ghettoisierungs- und Kennzeichnungsgebote.<ref>Friedrich Battenberg: ''Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' 2001, S. 83f.</ref>
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1524 deutete der [[Chasan (Kantor)|Chasan]] [[Abraham Farissol]] eine damals populäre Messiasweissagung auf Luther: Der Mann, dessen Ruhm sich überall verbreite, übe Gerechtigkeit, verabscheue Unsitten und sei edel in all seinen Vorhaben. Er habe die Falschheit des bisherigen christlichen Glaubens bewiesen; Gott habe ihn vor den Gegnern seiner Lehre gerettet. Durch seinen Einfluss träten alle Christen den Juden nun wohlwollend gegenüber und lüden sie freundlich und höflich zu ihren Gottesdiensten ein. Wegen seiner hebräischen Studien und seines Abscheus gegen den katholischen Klerus sei Luther wohl ein heimlicher Jude, der allmählich zum Judentum zurückkehre. Die Siege und [[Bildersturm|Bilderstürme]] der Reformation seien Vorzeichen der baldigen Ankunft des Messias, so dass zwangsgetaufte Juden sich beeilen sollten, wieder ihren Glauben anzunehmen. Ein anonymer Rabbi deutete Luthers Namen als „Licht“ und betonte: Die reformatorische Abschaffung von [[Mönchstum]], [[Askese]], [[Zölibat]] und Fasttagen habe Christen und Juden einander angenähert.
1524 deutete der [[Chasan (Kantor)|Chasan]] [[Abraham Farissol]] eine damals populäre Messiasweissagung auf Luther: Der Mann, dessen Ruhm sich überall verbreite, übe Gerechtigkeit, verabscheue Unsitten und sei edel in all seinen Vorhaben. Er habe die Falschheit des bisherigen christlichen Glaubens bewiesen; Gott habe ihn vor den Gegnern seiner Lehre gerettet. Durch seinen Einfluss träten alle Christen den Juden nun wohlwollend gegenüber und lüden sie freundlich und höflich zu ihren Gottesdiensten ein. Wegen seiner hebräischen Studien und seines Abscheus gegen den katholischen Klerus sei Luther wohl ein heimlicher Jude, der allmählich zum Judentum zurückkehre. Die Siege und [[Bildersturm|Bilderstürme]] der Reformation seien Vorzeichen der baldigen Ankunft des Messias, so dass zwangsgetaufte Juden sich beeilen sollten, wieder ihren Glauben anzunehmen. Ein anonymer Rabbi deutete Luthers Namen als „Licht“ und betonte: Die reformatorische Abschaffung von [[Mönchstum]], [[Askese]], [[Zölibat]] und Fasttagen habe Christen und Juden einander angenähert.


Ein anonymer Jude schrieb um 1539 über Luthers Schrift von 1523 und 1537: Er habe zuerst die Juden zum eigenen Glauben zu bekehren versucht. Als dies ausblieb und andere Christen ihn als Fast-Israeliten verspottet hätten, habe er sie verleumdet. - Rabbi [[Yehielb R. Samuel da Pisa]] kritisierte 1539 ohne Bezug auf Luthers Judenschriften seine Lehre ''sola fide'' als Gefährdung der Lehre vom „freien Willen“, die Juden und Katholiken gemeinsam sei und die Bedeutung der guten Werke begründe.<ref>Andreas Pangritz: [http://www.imdialog.org/bp2011/04/luther_pangritz.pdf ''Zeitgenössische jüdische Reaktionen auf Luther und die Wittenberger Reformation''] (PDF, S. 1f.)</ref>
Der portugiesische Marrane [[Samuel Usque]] vermutete 1553, Marranen hätten das Luthertum heimlich angestiftet. So habe Gott als Vergeltung für katholische Zwangstaufen die christliche Einheit zerbrochen, damit zwangsgetaufte Juden den Weg zurück ins Judentum fänden. [[Joseph ha-Kohen]] begrüßte 1554 Luthers nur von eigener Einsicht geleitete Bibelauslegung als vernünftigen Beitrag zur Abschaffung der „Missbräuche Roms“, etwa des [[Ablass]]handels, und somit zur Verbesserung der christlichen Lebenspraxis. Gott habe die Protestanten über die katholische Übermacht siegen lassen und ihr Land befreit, so wie er Israel früher von [[Amalek]], [[Midian]] und [[Moab]] befreit habe. Kohen listete die lutherischen [[Märtyrer]] auf und betrauerte sie mit Ausdrücken jüdischer Liturgie. Rabbi [[Abraham Ibn Megas]] begrüßte die Reformation 1585 rückblickend, weil sie das Christentum in viele Lehren zersplittert habe. Deren Vertreter seien von echtem Wahrheitsdurst beseelt. So läutere Gott die Christen durch deren [[Religionskrieg]]e allmählich von ihren gegen die Juden begangenen Sünden.<ref>Pinchas Lapide: ''Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 175-179</ref>


Der portugiesische Marrane [[Samuel Usque]] vermutete 1553, Marranen hätten das Luthertum heimlich angestiftet. So habe Gott als Vergeltung für katholische Zwangstaufen die christliche Einheit zerbrochen, damit zwangsgetaufte Juden den Weg zurück ins Judentum fänden. [[Joseph ha-Kohen]] begrüßte 1554 Luthers nur von eigener Einsicht geleitete Bibelauslegung als vernünftigen Beitrag zur Abschaffung der „Missbräuche Roms“, etwa des [[Ablass]]handels, und somit zur Verbesserung der christlichen Lebenspraxis. Gott habe die Protestanten über die katholische Übermacht siegen lassen und ihr Land befreit, so wie er Israel früher von [[Amalek]], [[Midian]] und [[Moab]] befreit habe. Kohen listete die lutherischen [[Märtyrer]] auf und betrauerte sie mit Ausdrücken jüdischer Liturgie. Rabbi [[Abraham Ibn Megas]] begrüßte die Reformation 1585 rückblickend, weil sie das Christentum in viele Lehren zersplittert habe. Deren Vertreter seien von echtem Wahrheitsdurst beseelt. So läutere Gott die Christen durch deren [[Religionskrieg]]e allmählich von ihren gegen die Juden begangenen Sünden.<ref>Pinchas Lapide: ''Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 175–179.</ref>
Josel von Rosheim erkannte jedoch nach seinem vergeblichen Kontaktversuch mit Luther, dass er von diesem keine Hilfe, sondern eher stärkere Entrechtung der Juden zu erwarten hatte. Seitdem zeigte er sich loyal zum Kaiser und versuchte, Luthers Einfluss auf die Judenordnungen des Reichs zurückzudrängen. 1543 bat er den Stadtrat von [[Straßburg]], Luthers Schrift ''Von den Juden und ihren Lügen'' zu verbieten: Niemals zuvor habe „ein Hochgelehrter solch grob unmenschlich Buch mit Scheltworten und Laster uns armen Juden auferlegt, von dem sich, Gott weiß es, in unserem Glauben und in unserer Jüdischkeit in der Tat auch nicht das Geringste finden läßt.“<ref>Pinchas Lapide: ''Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 181f.</ref> Der Straßburger Stadtrat verbot den Druck der Schriften Luthers von 1543, erlaubte 1570 aber die Veröffentlichung antijüdischer Bücher und Grafiken.<ref>Debra Kaplan: ''Beyond Expulsion: Jews, Christians, and Reformation in Strasbourg.'' Stanford University Press, 2011, ISBN 0804774420, [http://books.google.de/books?id=8POyn-rzMRQC&pg=PA9 S. 9]</ref> 1595 ließ Kaiser [[Rudolf II. (HRR)|Rudolph II.]] auf Bitten der Judengemeinden Luthers Schrift ''Von den Juden und ihren Lügen'' als „schamloses Schmachbuch“ konfiszieren.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI.'' In: Theologische Realenzyklopädie Band I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA150 S. 150]</ref>

Josel von Rosheim erkannte jedoch nach seinem vergeblichen Kontaktversuch mit Luther, dass er von diesem keine Hilfe, sondern eher stärkere Entrechtung der Juden zu erwarten hatte. Seitdem zeigte er sich loyal zum Kaiser und versuchte, Luthers Einfluss auf die Judenordnungen des Reichs zurückzudrängen. 1543 bat er den Stadtrat von [[Straßburg]], Luthers Schrift ''Von den Juden und ihren Lügen'' zu verbieten: Niemals zuvor habe „ein Hochgelehrter solch grob unmenschlich Buch mit Scheltworten und Laster uns armen Juden auferlegt, von dem sich, Gott weiß es, in unserem Glauben und in unserer Jüdischkeit in der Tat auch nicht das Geringste finden läßt.“<ref>Pinchas Lapide: ''Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 181f.</ref> Der Straßburger Stadtrat verbot den Druck der Schriften Luthers von 1543, erlaubte 1570 aber die Veröffentlichung antijüdischer Bücher und Grafiken.<ref>Debra Kaplan: ''Beyond Expulsion: Jews, Christians, and Reformation in Strasbourg.'' Stanford University Press, 2011, ISBN 978-0-8047-7442-0, [http://books.google.de/books?id=8POyn-rzMRQC&pg=PA9 S. 9.]</ref> 1595 ließ Kaiser [[Rudolf II. (HRR)|Rudolph II.]] auf Bitten der Judengemeinden Luthers Schrift ''Von den Juden und ihren Lügen'' als „schamloses Schmachbuch“ konfiszieren.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI.'' In: Theologische Realenzyklopädie Band I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA150 S. 150.]</ref>


=== Orthodoxie und Pietismus ===
=== Orthodoxie und Pietismus ===
Im 17. Jahrhundert knüpften Protestanten entweder an den „frühen“ oder den „späten“ Luther an und gingen demgemäß verschieden mit Juden um. Die theologische Fakultät Jena berief sich in einem Gutachten für den Hamburger Magistrat 1611 auf Luthers Schrift von 1523, um begrenzte [[Toleranz]] für zu bekehrende Juden zu begründen. Der reformierte Hebraist [[Johann Buxtorf der Ältere]] dagegen berief sich 1641 in seiner einflussreichen Schrift ''Juden Schul'' auf Luthers erste Schrift von 1543. Das belegt deren überkonfessionelle Wirkung.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, S. 114f.</ref>
Im 17. Jahrhundert knüpften Protestanten entweder an den „frühen“ oder den „späten“ Luther an und gingen demgemäß verschieden mit Juden um. Die theologische Fakultät Jena berief sich in einem Gutachten für den Hamburger Magistrat 1611 auf Luthers Schrift von 1523, um begrenzte [[Toleranz]] für zu bekehrende Juden zu begründen. Der reformierte Hebraist [[Johann Buxtorf der Ältere]] dagegen berief sich 1641 in seiner einflussreichen Schrift ''Juden Schul'' auf Luthers erste Schrift von 1543. Das belegt deren überkonfessionelle Wirkung.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, S. 114f.</ref>


Die [[lutherische Orthodoxie]] lehnte die Judenmission als zwecklos ab. Theologen wie [[Johann Conrad Dannhauer]] und [[Johann Arndt]] deuteten Israels „Verstockung“ im Anschluss an Luthers Spätschriften als endgültige Verwerfung aller Juden bis zum Endgericht. Sie forderten häufig eine schärfere Unterdrückung der Juden als Teil von Kirchenreformen. Dagegen befürwortete der [[Pietismus]] die Judenmission als Teil der Völkermission. [[Philipp Jacob Spener]] deutete {{B|Röm|11|25f|LUT}} wie vor ihm [[Johann Georg Dorsche]] auf eine zukünftige Bekehrung aller Juden vor dem Endgericht und suchte dafür Zeugen in der Theologiegeschichte. Erst nachdem er sein Werk ''[[Pia desideria]]'' (1675) veröffentlicht hatte, erfuhr er von einer Lutherpredigt von 1521, in der es zu Röm 11,25f. hieß: „Gott gebe, daß die Zeit nahe sei, wie wir hoffen.“ Ab 1678 stellte er Luther daher an die Spitze seiner Zeugenliste. Er kritisierte, dass ältere Ausgaben von Luthers „[[Hauspostille]]“ diese Aussage unterschlagen und „ganz Israel“ in {{B|Röm|11|26|LUT}} verfälschend auf die bereits zu Christus bekehrten Apostel und Urchristen vor der Tempelzerstörung (70) begrenzt hätten. Er räumte ein, dass auch Luther dies 1543 vertreten und sich damit von seiner früheren Auslegung distanziert hatte. Dies sei jedoch zeitbedingt und theologisch unerheblich.
Die [[lutherische Orthodoxie]] lehnte die Judenmission als zwecklos ab. Theologen wie [[Johann Conrad Dannhauer]] und [[Johann Arndt]] deuteten Israels „Verstockung“ im Anschluss an Luthers Spätschriften als endgültige Verwerfung aller Juden bis zum Endgericht. Sie forderten häufig eine schärfere Unterdrückung der Juden als Teil von Kirchenreformen. Dagegen befürwortete der [[Pietismus]] die Judenmission als Teil der Völkermission. [[Philipp Jacob Spener]] deutete {{B|Röm|11|25f|LUT}} wie vor ihm [[Johann Georg Dorsche]] auf eine zukünftige Bekehrung aller Juden vor dem Endgericht und suchte dafür Zeugen in der Theologiegeschichte. Erst nachdem er sein Werk ''[[Pia desideria]]'' (1675) veröffentlicht hatte, erfuhr er von einer Lutherpredigt von 1521, in der es zu Röm 11,25f. hieß: „Gott gebe, daß die Zeit nahe sei, wie wir hoffen.“ Ab 1678 stellte er Luther daher an die Spitze seiner Zeugenliste. Er kritisierte, dass ältere Ausgaben von Luthers „[[Hauspostille]]“ diese Aussage unterschlagen und „ganz Israel“ in {{B|Röm|11|26|LUT}} verfälschend auf die bereits zu Christus bekehrten Apostel und Urchristen vor der Tempelzerstörung (70) begrenzt hätten. Er räumte ein, dass auch Luther dies 1543 vertreten und sich damit von seiner früheren Auslegung distanziert hatte. Dies sei jedoch zeitbedingt und theologisch unerheblich.


Der orthodoxe Theologe [[Johann Georg Neumann]] bestätigte die posthume Verfälschung jenes Predigtzitats. Der Lutherschüler [[Caspar Cruciger der Ältere]] änderte es wahrscheinlich 1547, um den Widerspruch der Hauspostille zu Luthers Spätschriften, die er damals herausgab, auszuräumen. Neumann rechtfertigte diesen Eingriff als sachlich notwendig, indem er belegte, dass Luther ab 1526 durchgängig die unaufhebbare Verstockung des Judentums vertreten und dessen Bekehrung abgelehnt hatte. Doch Spener setzte die pietistische Position durch, indem er die Ursprungsversion der Lutherpredigt in die Neuauflagen der Hauspostille aufnahm. Damit machte er Luther zum Kronzeugen der Judenmission; dessen spätere gegenteiligen Aussagen ließ er fortan unerwähnt. Zwar erinnerte [[Gottfried Arnold]] 1699 noch einmal an Luthers Schriften von 1543, betonte aber, nur der frühe Luther sei für die Haltung zu den Juden verbindlich.<ref>Johannes Wallmann: ''Zur Haltung des Pietismus gegenüber den Juden.'' In: Hartmut Lehmann: ''Geschichte des Pietismus Band 4: Glaubenswelt und Lebenswelten.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3525553498, [http://books.google.de/books?id=aVxzN7yGjkcC&pg=PA145 S. 145-149]</ref>
Der orthodoxe Theologe [[Johann Georg Neumann]] bestätigte die posthume Verfälschung jenes Predigtzitats. Der Lutherschüler [[Caspar Cruciger der Ältere]] änderte es wahrscheinlich 1547, um den Widerspruch der Hauspostille zu Luthers Spätschriften, die er damals herausgab, auszuräumen. Neumann rechtfertigte diesen Eingriff als sachlich notwendig, indem er belegte, dass Luther ab 1526 durchgängig die unaufhebbare Verstockung des Judentums vertreten und dessen Bekehrung abgelehnt hatte. Doch Spener setzte die pietistische Position durch, indem er die Ursprungsversion der Lutherpredigt in die Neuauflagen der Hauspostille aufnahm. Damit machte er Luther zum Kronzeugen der Judenmission; dessen spätere gegenteiligen Aussagen ließ er fortan unerwähnt. Zwar erinnerte [[Gottfried Arnold (Theologe)|Gottfried Arnold]] 1699 noch einmal an Luthers Schriften von 1543, betonte aber, nur der frühe Luther sei für die Haltung zu den Juden verbindlich.<ref>Johannes Wallmann: ''Zur Haltung des Pietismus gegenüber den Juden.'' In: Hartmut Lehmann: ''Geschichte des Pietismus Band 4: Glaubenswelt und Lebenswelten.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-55349-8, [http://books.google.de/books?id=aVxzN7yGjkcC&pg=PA145 S. 145–149.]</ref>


Diese Sicht prägte das evangelische Lutherbild bis in das 20. Jahrhundert hinein.<ref>Udo Sträter: ''Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 3525559097, [http://books.google.de/books?id=Yvp3JYGQY-sC&pg=PT313 S. 313]</ref> Luthers Spätschriften wurden im 18. und 19. Jahrhundert von keiner theologischen Richtung offensiv rezipiert, sondern auch von konservativen Lutheranern wie [[Ernst Wilhelm Hengstenberg]] kritisiert. Luthers Appell, den Einfluss der Rabbiner zu beenden, blieb jedoch in der Aufklärungsepoche präsent.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA141 S. 141 und Fn. 28]</ref> Für die evangelische Kirche im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] (1870–1918) blieb Luthers Schrift von 1523 insgesamt maßgebend; seine Spätschriften galten als unvereinbar mit Paulus und der reformatorischen Theologie. Auch gemäßigte Antisemiten wie [[Adolf Stöcker]] beriefen sich nicht darauf. Sie wurden bis 1933 in evangelischen Kreisen wenig beachtet.<ref>Hartmut Lehmann: ''Geschichte des Pietismus Band 4: Glaubenswelt und Lebenswelten.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3525553498, [http://books.google.de/books?id=aVxzN7yGjkcC&pg=PA153 S. 153]</ref>
Diese Sicht prägte das evangelische Lutherbild bis in das 20. Jahrhundert hinein.<ref>Udo Sträter: ''Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-55909-3, [http://books.google.de/books?id=Yvp3JYGQY-sC&pg=PT313 S. 313.]</ref> Luthers Spätschriften wurden im 18. und 19. Jahrhundert von keiner theologischen Richtung offensiv rezipiert, sondern auch von konservativen Lutheranern wie [[Ernst Wilhelm Hengstenberg]] kritisiert. Luthers Appell, den Einfluss der Rabbiner zu beenden, blieb jedoch in der Aufklärungsepoche präsent.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA141 S. 141 und Fn. 28]</ref> Für die evangelische Kirche im [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreich]] (1870–1918) blieb Luthers Schrift von 1523 insgesamt maßgebend; seine Spätschriften galten als unvereinbar mit Paulus und der reformatorischen Theologie. Auch gemäßigte Antisemiten wie [[Adolf Stöcker]] beriefen sich nicht darauf. Sie wurden bis 1933 in evangelischen Kreisen wenig beachtet.<ref>Hartmut Lehmann: ''Geschichte des Pietismus Band 4: Glaubenswelt und Lebenswelten.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-55349-8, [http://books.google.de/books?id=aVxzN7yGjkcC&pg=PA153 S. 153.]</ref>


=== Nationalismus und Antisemitismus ===
=== Nationalismus und Antisemitismus ===
Seit der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] (1789) und der Herrschaft [[Napoleon]]s (bis 1815) vereinnahmten deutsche Philosophen, Dichter und Historiker Luther für ihren romantischen oder idealistischen [[Nationalismus]] und stilisierten ihn zum Wegbereiter des angestrebten geeinten und befreiten deutschen [[Nationalstaat]]s. Dieses Lutherbild vertraten im 19. Jahrhundert etwa [[Johann Gottfried Herder]], [[Ernst Moritz Arndt]], [[Johann Gottlieb Fichte]], [[Leopold Ranke]], [[Heinrich von Treitschke]]<ref>Laurenz Müller: ''Diktatur und Revolution.'' Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3828202896, [http://books.google.de/books?id=5VekzW-WAw4C&pg=PA46 S. 46]</ref> und ein Großteil der protestantischen Theologen.<ref>Christian Wiese: ''Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA232 S. 232-237]</ref> Treitschke entnahm sein bekanntes, später von [[Julius Streicher]] übernommenes antisemitisches Motto „Die Juden sind unser Unglück“ aus Luthers Satz von 1543: „Denn sie uns eine schwere Last, wie eine Plage, Pestilenz und eitel Unglück in unserm Land sind“.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31).'' Stuttgart 2002, S. 134</ref> Er prägte auch die von Antisemiten häufig verwendeten Begriffe „Wirtsvolk“ für nichtjüdische und „Gastvolk“ für jüdische Deutsche im Anschluss an Luthers Aussage: „Ebenso tun uns die Juden, unsere Gäste, auch; wir sind ihre Hauswirte.“<ref>[[Alex Bein]]: ''Die Judenfrage: Biographie eines Weltproblems, Band 1.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1980, ISBN 3-421-01963-0, S. 128, Fn. 1</ref>
Seit der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] (1789) und der Herrschaft [[Napoleon]]s (bis 1815) vereinnahmten deutsche Philosophen, Dichter und Historiker Luther für ihren romantischen oder idealistischen [[Nationalismus]] und stilisierten ihn zum Wegbereiter des angestrebten geeinten und befreiten deutschen [[Nationalstaat]]s. Dieses Lutherbild vertraten im 19. Jahrhundert etwa [[Johann Gottfried Herder]], [[Ernst Moritz Arndt]], [[Johann Gottlieb Fichte]], [[Leopold Ranke]], [[Heinrich von Treitschke]]<ref>Laurenz Müller: ''Diktatur und Revolution.'' Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3-8282-0289-6, [http://books.google.de/books?id=5VekzW-WAw4C&pg=PA46 S. 46.]</ref> und ein Großteil der protestantischen Theologen.<ref>Christian Wiese: ''Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA232 S. 232–237.]</ref> Treitschke entnahm sein bekanntes, später von [[Julius Streicher]] übernommenes antisemitisches Motto „Die Juden sind unser Unglück“ aus Luthers Satz von 1543: „Denn sie uns eine schwere Last, wie eine Plage, Pestilenz und eitel Unglück in unserm Land sind“.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31).'' Stuttgart 2002, S. 134.</ref> Er prägte auch die von Antisemiten häufig verwendeten Begriffe „Wirtsvolk“ für nichtjüdische und „Gastvolk“ für jüdische Deutsche im Anschluss an Luthers Aussage: „Ebenso tun uns die Juden, unsere Gäste, auch; wir sind ihre Hauswirte.“<ref>[[Alex Bein]]: ''Die Judenfrage: Biographie eines Weltproblems, Band 1.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1980, ISBN 3-421-01963-0, S. 128, Fn. 1</ref>


Vertreter des nationalistischen Lutherbilds übernahmen viele antijudaistische Klischees in ihre Ausgrenzungsrhetorik und formten sie allmählich in antisemitische Motive um. Aus dem religiösen Gegensatz von Juden und Christen wurde ein angeblicher ethnisch-rassischer Gegensatz von Juden und Deutschen; „Wucherjuden“ bezeichnete man nun als „jüdische [[Parasiten]]“.<ref>Alexander Bein: [http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1965_2_1_bein.pdf ''„Der jüdische Parasit.“ Bemerkungen zur Semantik der Judenfrage.''] Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 13. Jahrgang, 2. Heft, April 1965 (PDF; 1,4&nbsp;MB)</ref> Wie bei der christlichen Taufe sollten die Juden auch ihre staatsbürgerliche [[jüdische Emanzipation|Emanzipation]] mit der Aufgabe ihrer kulturellen Identität, Religion und Ethik bezahlen.<ref>Klaus L. Berghahn: ''Grenzen der Toleranz.'' Böhlau, Wien 2001, ISBN 3-412-08701-7, [http://books.google.de/books?id=abLDUzV8YCkC&pg=PA216 S. 216]</ref> Neue Bekehrungsoffensiven sollten dabei helfen. 1838 veröffentlichte der Leipziger Pastor Ludwig Fischer Luthers Schriften über Juden von 1523 und 1543, um die Notwendigkeit einer „freundlichen“ Judenmission gegenüber der „erstarrten“ lutherischen Orthodoxie zu begründen.<ref>Ludwig Fischer: ''D. Martin Luther, von den Juden und ihren Lügen, ein crystallisirter Auszug aus dessen Schriften über der Juden Verblendung, Jammer, Bekehrung und Zukunft, ein Beitrag zur Charakteristik dieses Volks.'' B. Tauchnitz junior, 1838; rezipiert bei Johann Jakob Herzog (Hrsg.): ''Missionen, protest., unter den Juden.'' In: ''Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. Unter Mitwirkung vieler protestantischer Theologen und Gelehrten.'' 2. Auflage, Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig 1877–88, [http://books.google.de/books?id=bv5OAAAAYAAJ&pg=PA635 S. 635]</ref>
Vertreter des nationalistischen Lutherbilds übernahmen viele antijudaistische Klischees in ihre Ausgrenzungsrhetorik und formten sie allmählich in antisemitische Motive um. Aus dem religiösen Gegensatz von Juden und Christen wurde ein angeblicher ethnisch-rassischer Gegensatz von Juden und Deutschen; „Wucherjuden“ bezeichnete man nun als „jüdische [[Parasiten]]“.<ref>Alexander Bein: [http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1965_2_1_bein.pdf ''„Der jüdische Parasit.“ Bemerkungen zur Semantik der Judenfrage.''] Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 13. Jahrgang, 2. Heft, April 1965 (PDF; 1,4&nbsp;MB)</ref> Wie bei der christlichen Taufe sollten die Juden auch ihre staatsbürgerliche [[jüdische Emanzipation|Emanzipation]] mit der Aufgabe ihrer kulturellen Identität, Religion und Ethik bezahlen.<ref>Klaus L. Berghahn: ''Grenzen der Toleranz.'' Böhlau, Wien 2001, ISBN 3-412-08701-7, [http://books.google.de/books?id=abLDUzV8YCkC&pg=PA216 S. 216.]</ref> Neue Bekehrungsoffensiven sollten dabei helfen. 1838 veröffentlichte der Leipziger Pastor Ludwig Fischer Luthers Schriften über Juden von 1523 und 1543, um die Notwendigkeit einer „freundlichen“ Judenmission gegenüber der „erstarrten“ lutherischen Orthodoxie zu begründen.<ref>Ludwig Fischer: ''D. Martin Luther, von den Juden und ihren Lügen, ein crystallisirter Auszug aus dessen Schriften über der Juden Verblendung, Jammer, Bekehrung und Zukunft, ein Beitrag zur Charakteristik dieses Volks.'' B. Tauchnitz junior, 1838; rezipiert bei Johann Jakob Herzog (Hrsg.): ''Missionen, protest., unter den Juden.'' In: ''Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. Unter Mitwirkung vieler protestantischer Theologen und Gelehrten.'' 2. Auflage. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig 1877–88, [http://books.google.de/books?id=bv5OAAAAYAAJ&pg=PA635 S. 635.]</ref>


Seit 1879 vertraten Antisemiten wie [[Islebiensis]] (Pseudonym), [[Theodor Fritsch]] und [[Houston Stewart Chamberlain]] eine [[Rassismus|rassistische]] Lutherdeutung, die sie ausschließlich auf Luthers Spätschriften stützten.<ref>Johannes Brosseder: ''Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum.'' 1972, S. 98-109</ref> Islebiensis behauptete: Luther habe 1543 erkannt, dass die „[[Judenfrage]]“ nicht mit der Taufe zu lösen sei, und daraus die notwendige Vertreibung der Juden gefolgert: „'Hinaus mit ihnen' soll auch unser Ruf sein, den wir an alle echten Deutschen richten.“<ref>Islebiensis: ''Doktor Martin Luther und das Judenthum.'' Oscar Lorentz, 1879; 1882</ref> Fritsch erklärte 1883 in seinem „Beweismaterial gegen Jahwe“: Der „deutsche Luther“ sei 1543 mit den „schärfsten Waffen“ gegen den „jüdischen Weltfeind“, die „ehrlosen Fremdlinge“, die weltweit kooperierende „Verbrecher-Genossenschaft“, die „Nation der Menschheitsverräter“ vorgegangen. Fritsch erklärte Jesus zum [[Arier]], der den Gott des AT besiegt habe.<ref>Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 194f.</ref> Chamberlain sah Luther als nationalistischen Helden, der die deutsche Nation gegen das „verjudete“ Kirchensystem Roms geschaffen habe. Seine Theologie sah er als Schwachpunkt. Der Endkampf der erwählten göttlichen Arier bzw. Germanen gegen die teuflischen Juden stehe noch bevor und könne nur mit der Vernichtung der einen durch die anderen enden.<ref>Houston Stewart Chamberlain: ''Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts.'' (1899) 10. Auflage, F. Bruckmann a.-g., 1922, S. 626</ref>
Seit 1879 vertraten Antisemiten wie [[Islebiensis]] (Pseudonym), [[Theodor Fritsch]] und [[Houston Stewart Chamberlain]] eine [[Rassismus|rassistische]] Lutherdeutung, die sie ausschließlich auf Luthers Spätschriften stützten.<ref>Johannes Brosseder: ''Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum.'' 1972, S. 98–109.</ref> Islebiensis behauptete: Luther habe 1543 erkannt, dass die „[[Judenfrage]]“ nicht mit der Taufe zu lösen sei, und daraus die notwendige Vertreibung der Juden gefolgert: „'Hinaus mit ihnen' soll auch unser Ruf sein, den wir an alle echten Deutschen richten.“<ref>Islebiensis: ''Doktor Martin Luther und das Judenthum.'' Oscar Lorentz, 1879; 1882.</ref> Fritsch erklärte 1883 in seinem „Beweismaterial gegen Jahwe“: Der „deutsche Luther“ sei 1543 mit den „schärfsten Waffen“ gegen den „jüdischen Weltfeind“, die „ehrlosen Fremdlinge“, die weltweit kooperierende „Verbrecher-Genossenschaft“, die „Nation der Menschheitsverräter“ vorgegangen. Fritsch erklärte Jesus zum [[Arier]], der den Gott des AT besiegt habe.<ref>Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 194f.</ref> Chamberlain sah Luther als nationalistischen Helden, der die deutsche Nation gegen das „verjudete“ Kirchensystem Roms geschaffen habe. Seine Theologie sah er als Schwachpunkt. Der Endkampf der erwählten göttlichen Arier bzw. Germanen gegen die teuflischen Juden stehe noch bevor und könne nur mit der Vernichtung der einen durch die anderen enden.<ref>Houston Stewart Chamberlain: ''Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts.'' (1899) 10. Auflage. F. Bruckmann a.-g., 1922, S. 626.</ref>


Auf diesen „Radau-Antisemitismus“ reagierten einige protestantische Theologen mit einer Doppelstrategie: [[Ludwig Lemme]] berief sich 1913 auf Luther, um politisch „scharfe Barmherzigkeit“, nämlich Enteignung und Entrechtung des angeblich dominanten Judentums, und zugleich „herzliche Nächstenliebe“, nämlich offensive kirchliche Judenmission zu fordern. Dabei sei vom Verfluchtsein aller Juden seit Jesu Kreuzigung auszugehen. Dass es noch Juden gebe, sei ein Versagen der Christen.<ref>Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 197f.</ref>
Auf diesen „Radau-Antisemitismus“ reagierten einige protestantische Theologen mit einer Doppelstrategie: [[Ludwig Lemme]] berief sich 1913 auf Luther, um politisch „scharfe Barmherzigkeit“, nämlich Enteignung und Entrechtung des angeblich dominanten Judentums, und zugleich „herzliche Nächstenliebe“, nämlich offensive kirchliche Judenmission zu fordern. Dabei sei vom Verfluchtsein aller Juden seit Jesu Kreuzigung auszugehen. Dass es noch Juden gebe, sei ein Versagen der Christen.<ref>Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 197f.</ref>


[[Wilhelm Walther (Theologe)|Wilhelm Walther]] (1912) nannte Luthers AT-Deutung und seine Schrift von 1523 „pro-semitisch“. Ihm sei es allein um das Verhältnis zu Jesus Christus gegangen, an dem sich die Rettung der Juden entscheide; auch seine Spätschriften seien gegen ihre religiöse Haltung, nicht ihr Verhalten gerichtet. Man solle seinen Ausbruch von 1543 ignorieren, da das Christentum seit der Französischen Revolution viel mehr durch die Moderne angefeindet werde. Diese habe den Juden verschafft, was Luther abgelehnt habe: Freiheit und Gleichstellung mit den Christen. Damit habe sie den früher für unerträglich gehaltenen „jüdischen Geschäftsgeist“ verallgemeinert. Ob diese Ergebnisse der Toleranz günstiger seien, sei zu fragen. In der [[Oktoberrevolution]] hätten Juden Christen ermordet. Damit teilte er das antisemitische Klischee jüdischer Drahtzieher dieser Revolution und legte nahe, Luthers „tolerante“ Haltung von 1523 sei ein folgenschwerer Fehler gewesen.<ref>Wilhelm Walther: ''Luther und die Juden und die Antisemiten.'' 1912; referiert von Johannes Brosseder: ''Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum.'' 1972, S. 114-120</ref>
[[Wilhelm Walther (Theologe)|Wilhelm Walther]] (1912) nannte Luthers AT-Deutung und seine Schrift von 1523 „pro-semitisch“. Ihm sei es allein um das Verhältnis zu Jesus Christus gegangen, an dem sich die Rettung der Juden entscheide; auch seine Spätschriften seien gegen ihre religiöse Haltung, nicht ihr Verhalten gerichtet. Man solle seinen Ausbruch von 1543 ignorieren, da das Christentum seit der Französischen Revolution viel mehr durch die Moderne angefeindet werde. Diese habe den Juden verschafft, was Luther abgelehnt habe: Freiheit und Gleichstellung mit den Christen. Damit habe sie den früher für unerträglich gehaltenen „jüdischen Geschäftsgeist“ verallgemeinert. Ob diese Ergebnisse der Toleranz günstiger seien, sei zu fragen. In der [[Oktoberrevolution]] hätten Juden Christen ermordet. Damit teilte er das antisemitische Klischee jüdischer Drahtzieher dieser Revolution und legte nahe, Luthers „tolerante“ Haltung von 1523 sei ein folgenschwerer Fehler gewesen.<ref>Wilhelm Walther: ''Luther und die Juden und die Antisemiten.'' 1912; referiert von Johannes Brosseder: ''Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum.'' 1972, S. 114–120.</ref>


[[Ernst Schaeffer]] wollte die Christen 1917 mit der Erinnerung an Luthers Schrift von 1523 für eine kommende, „selbstbewusste“ Auseinandersetzung mit dem „zersetzenden“, unerwartet vitalen [[Reformjudentum]] wappnen und dabei den „Fehler“ des späten Luther vermeiden, der antijudaistische „Lügen“ übernommen und damit die moderneren Spielarten des Judentums übersehen habe.<ref>Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 198f.</ref>
[[Ernst Schaeffer]] wollte die Christen 1917 mit der Erinnerung an Luthers Schrift von 1523 für eine kommende, „selbstbewusste“ Auseinandersetzung mit dem „zersetzenden“, unerwartet vitalen [[Reformjudentum]] wappnen und dabei den „Fehler“ des späten Luther vermeiden, der antijudaistische „Lügen“ übernommen und damit die moderneren Spielarten des Judentums übersehen habe.<ref>Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 198f.</ref>


[[Alfred Falb]] deutete Luthers [[Ablass]]-Streit 1921 als Kampf „gegen das Eindringen jüdischen Geistes in die Kirche“ und fand die Grundzüge des [[Jüdischer Bolschewismus|„jüdischen Bolschewismus“]] im AT. Luther habe 1543 die „Judenausweisung“ als „unbedingte [[Notwehr]]maßnahme eines ausgeplünderten Volkes erkannt“, aber den „letzten Schritt“ zur Trennung des christlichen Gottes vom jüdischen Gott nicht vollzogen. Die auch von [[Paul de Lagarde]] und [[Eugen Dühring]] geforderte Ausscheidung der „Keimverderber“ und „eingedrungenen Bakterien“ sei aktuell geboten.<ref>Alfred Falb: ''Luther und die Juden. Deutschlands führende Männer und das Judentum, Band 4.'' München 1921</ref> Ähnlich forderte [[Artur Dinter]] 1926 eine „Vollendung der Reformation“ durch konsequente „Entjudung“ der „Heilandslehre“, nämlich ihre Trennung von der „jüdisch-römischen Fälschung“, vom AT und von Paulus. Dafür sei Luther wegen seiner Bindung an den „Mosaismus“ heute keine Autorität mehr.<ref>Artur Dinter: ''97 Thesen zur Vollendung der Reformation. Die Wiederherstellung der reinen Heilandslehre.'' 1926.</ref> [[Max Wundt]] beschwor 1926/27 die „Verjudung“ der deutschen Kultur und „[[Zersetzung]]“ des „deutschen Blutes“ als heutige Gestalt des Gottesmords. Er setzte voraus, dass Deutschland das erwählte Volk sei, das Luthers Kampf gegen das Judentum zum eigenen Überleben fortsetzen müsse.<ref>Max Wundt: ''Deutsche Weltanschauung. Grundzüge völkischen Denkens.'' 1926; derselbe: ''Volk, Volkstum, Volkheit.'' 1927; Falb, Dinter und Wundt referiert nach Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 199-202</ref> [[Karl-Otto von der Bach]] begründete die „völkische Bedeutung der Reformation“ gegen die „jüdische Plage“ 1931 ausschließlich mit einer Liste judenfeindlicher Zitate aus Luthers späteren Schriften. Der junge Luther habe keine Juden gekannt; erst der „reife“ Luther habe sie aus nationalen und religiösen Gründen zu hassen begonnen. Seine „weitsichtige Warnung“ sei gegenwärtig zu befolgen.<ref>Karl-Otto von der Bach: ''Luther als Judenfeind'', 1931; referiert nach Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 203</ref>
[[Alfred Falb]] deutete Luthers [[Ablass]]-Streit 1921 als Kampf „gegen das Eindringen jüdischen Geistes in die Kirche“ und fand die Grundzüge des [[Jüdischer Bolschewismus|„jüdischen Bolschewismus“]] im AT. Luther habe 1543 die „Judenausweisung“ als „unbedingte [[Notwehr]]maßnahme eines ausgeplünderten Volkes erkannt“, aber den „letzten Schritt“ zur Trennung des christlichen Gottes vom jüdischen Gott nicht vollzogen. Die auch von [[Paul de Lagarde]] und [[Eugen Dühring]] geforderte Ausscheidung der „Keimverderber“ und „eingedrungenen Bakterien“ sei aktuell geboten.<ref>Alfred Falb: ''Luther und die Juden. Deutschlands führende Männer und das Judentum, Band 4.'' München 1921.</ref> Ähnlich forderte [[Artur Dinter]] 1926 eine „Vollendung der Reformation“ durch konsequente „Entjudung“ der „Heilandslehre“, nämlich ihre Trennung von der „jüdisch-römischen Fälschung“, vom AT und von Paulus. Dafür sei Luther wegen seiner Bindung an den „Mosaismus“ heute keine Autorität mehr.<ref>Artur Dinter: ''97 Thesen zur Vollendung der Reformation. Die Wiederherstellung der reinen Heilandslehre.'' 1926.</ref> [[Max Wundt]] beschwor 1926/27 die „Verjudung“ der deutschen Kultur und „[[Zersetzung]]“ des „deutschen Blutes“ als heutige Gestalt des Gottesmords. Er setzte voraus, dass Deutschland das erwählte Volk sei, das Luthers Kampf gegen das Judentum zum eigenen Überleben fortsetzen müsse.<ref>Max Wundt: ''Deutsche Weltanschauung. Grundzüge völkischen Denkens.'' 1926; derselbe: ''Volk, Volkstum, Volkheit.'' 1927; Falb, Dinter und Wundt referiert nach Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 199–202.</ref> [[Karl-Otto von der Bach]] begründete die „völkische Bedeutung der Reformation“ gegen die „jüdische Plage“ 1931 ausschließlich mit einer Liste judenfeindlicher Zitate aus Luthers späteren Schriften. Der junge Luther habe keine Juden gekannt; erst der „reife“ Luther habe sie aus nationalen und religiösen Gründen zu hassen begonnen. Seine „weitsichtige Warnung“ sei gegenwärtig zu befolgen.<ref>Karl-Otto von der Bach: ''Luther als Judenfeind'', 1931; referiert nach Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 203.</ref>


=== Zeit des Nationalsozialismus ===
=== Zeit des Nationalsozialismus ===
[[Adolf Hitler]] stilisierte Luther 1923 beim Parteitag der [[NSDAP]] während der propagandistischen Vorbereitung des [[Hitler-Putsch]]es zum Vorbild für sein [[Führerprinzip]]: Der kleine unbedeutende Mönch habe seinen Kampf gegen „eine Welt von Feinden“ damals ohne jede Stütze gewagt. Dieses Wagnis zeichne einen echten heldischen Staatsmann und Diktator aus.<ref>Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 195</ref> In seiner in der Haft 1924/25 verfassten Schrift ''[[Mein Kampf]]'' erwähnte er Luther nicht und kritisierte innerchristliche konfessionelle Kämpfe scharf als gefährliche Ablenkung vom „gemeinsamen Feind“, den Juden.<ref>Othmar Plöckinger: ''Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers „Mein Kampf“: 1922–1945. Eine Veröffentlichung des Instituts für Zeitgeschichte.'' Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2011, ISBN 3486705334, [http://books.google.de/books?id=eds8UjoXGOcC&pg=PA84 S. 84]</ref>
[[Adolf Hitler]] stilisierte Luther 1923 beim Parteitag der [[NSDAP]] während der propagandistischen Vorbereitung des [[Hitler-Putsch]]es zum Vorbild für sein [[Führerprinzip]]: Der „kleine unbedeutende Mönch“ habe seinen Kampf gegen „eine Welt von Feinden“ damals ohne jede Stütze gewagt. Dieses Wagnis zeichne einen echten heldischen Staatsmann und Diktator aus.<ref>Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 195.</ref> In seiner in der Haft 1924/25 verfassten Schrift ''[[Mein Kampf]]'' erwähnte er Luther nicht und kritisierte innerchristliche konfessionelle Kämpfe scharf als gefährliche Ablenkung vom „gemeinsamen Feind“, den Juden.<ref>Othmar Plöckinger: ''Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers „Mein Kampf“: 1922–1945. Eine Veröffentlichung des Instituts für Zeitgeschichte.'' Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2011, ISBN 978-3-486-70533-1, [http://books.google.de/books?id=eds8UjoXGOcC&pg=PA84 S. 84.]</ref>


Der Deutsche evangelische Kirchenbund begrüßte die „[[Machtergreifung]]“ des NS-Regimes (30. Januar 1933) mit großer Begeisterung. In vielen Predigten und Festtagsreden stilisierten seine Vertreter, zum Beispiel [[Otto Dibelius]] beim [[Tag von Potsdam]] (21. März 1933), Hitler zum gottgesandten Retter des deutschen Volkes, lobten die Beseitigung der [[Weimarer Verfassung|Weimarer Demokratie]] als „neue Reformation“, parallelisierten Luthers und Hitlers Biografien und konstruierten eine gegen [[Menschenrecht]]e, Demokratie und Liberalismus gerichtete historische Kontinuität von Luther über [[Friedrich der Große|Friedrich den Großen]] und [[Otto von Bismarck]] zu Hitler. Im [[Führerkult]] waren sich [[Deutsche Christen]] (DC) und [[Bekennende Kirche]] (BK) damals weitgehend einig. Aber zunächst verglichen nur einige nationalsozialistische Autoren Luthers Judenfeindlichkeit mit Hitlers Antisemitismus.<ref>Beispiel: Curt Richard Karl Raber: ''Luther und die Juden: Nach seinen Reden und Schriften.'' Wolfsangel, Mannheim 1933</ref> [[Karl Grunsky]] skandalisierte dabei die Unbekanntheit und Wirkungslosigkeit seiner späten „Judenschriften“.<ref>Karl Grunsky: ''Bekenntnisse Luthers zur Judenfrage. Band 2 von „Der Aufschwung“.'' Walther, 1933. Referiert nach Günter Brakelmann: ''Hitler und Luther 1933 in Bochum.'' In: Günter Brakelmann, Peter Bukowski: ''Auf den Spuren kirchlicher Zeitgeschichte: Helmut Geck zum 75. Geburtstag.'' 2010, S. 200-[http://books.google.de/books?id=TSRjzycVPvIC&pg=PA224 224]</ref>
Der Deutsche evangelische Kirchenbund begrüßte die „[[Machtergreifung]]“ des NS-Regimes (30. Januar 1933) mit großer Begeisterung. In vielen Predigten und Festtagsreden stilisierten seine Vertreter, zum Beispiel [[Otto Dibelius]] beim [[Tag von Potsdam]] (21. März 1933), Hitler zum gottgesandten Retter des deutschen Volkes, lobten die Beseitigung der [[Weimarer Verfassung|Weimarer Demokratie]] als „neue Reformation“, parallelisierten Luthers und Hitlers Biografien und konstruierten eine gegen [[Menschenrecht]]e, Demokratie und Liberalismus gerichtete historische Kontinuität von Luther über [[Friedrich der Große|Friedrich den Großen]] und [[Otto von Bismarck]] zu Hitler. Im [[Führerkult]] waren sich [[Deutsche Christen]] (DC) und [[Bekennende Kirche]] (BK) damals weitgehend einig. Aber zunächst verglichen nur einige nationalsozialistische Autoren Luthers Judenfeindlichkeit mit Hitlers Antisemitismus.<ref>Beispiel: Curt Richard Karl Raber: ''Luther und die Juden: Nach seinen Reden und Schriften.'' Wolfsangel, Mannheim 1933.</ref> [[Karl Grunsky]] skandalisierte dabei die Unbekanntheit und Wirkungslosigkeit seiner späten „Judenschriften“.<ref>Karl Grunsky: ''Bekenntnisse Luthers zur Judenfrage. Band 2 von „Der Aufschwung“.'' Walther, 1933. Referiert nach Günter Brakelmann: ''Hitler und Luther 1933 in Bochum.'' In: Günter Brakelmann, Peter Bukowski: ''Auf den Spuren kirchlicher Zeitgeschichte: Helmut Geck zum 75. Geburtstag.'' 2010, S. 200-[http://books.google.de/books?id=TSRjzycVPvIC&pg=PA224 224]</ref>


Ab April 1933 propagierten die DC unter Führung des Hitler-Vertrauten [[Ludwig Müller (Theologe)|Ludwig Müller]], den sie im September zum [[Reichsbischof]] der [[Deutsche Evangelische Kirche|DEK]] wählten, zum 450. Geburtstag Luthers (10. November 1933) einen reichsweiten „Luthertag“. Im Vorfeld benutzte der „Bund für Deutsche Kirche“ Luthers Schrift ''Von den Juden und ihren Lügen'' 1543 zum Angriff auf die „abbruchreife“ DEK: Sie habe „völlige Entartung und sittlichen Verfall“ verschuldet, weil sie beim „Aufbäumen“ des „gesunden deutschen Geistes“ gegen „jüdische Vergewaltigung“ abseits gestanden habe. Nun müsse man mit Luther als „lautem Rufer gegen die Feinde unseres Volkes“ antreten, das Alte Testament abschaffen und „deutsches Geistesgut“ an seine Stelle setzen.<ref>Joachim Noack: ''Luther und die Juden. Dargestellt nach Luthers Schrift „Wider die Jüden und ihre Lügen“ von 1543.'' Bund für Deutsche Kirche, M. Lühr, Berlin 1933; referiert nach Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 204</ref> Der Luthertag musste wegen der von Hitler angeordneten Volksabstimmung zum Austritt Deutschlands aus dem [[Völkerbund]] auf den 19. November verschoben werden. Bei den lokalen Feiern stellten deutschnationale Theologen wie [[Paul Althaus]] und [[Otto Scheel]] Luther und Hitler als verwandte Helden einer „großen nationalen Wende“ dar, während das NS-Regime diese Politisierung des Reformators kaum unterstützte.<ref>Laurenz Müller: ''Diktatur und Revolution.'' Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3828202896, [http://books.google.de/books?id=5VekzW-WAw4C&pg=PA134 S. 134]</ref>
Ab April 1933 propagierten die DC unter Führung des Hitler-Vertrauten [[Ludwig Müller (Theologe)|Ludwig Müller]], den sie im September zum [[Reichsbischof]] der [[Deutsche Evangelische Kirche|DEK]] wählten, zum 450. Geburtstag Luthers (10. November 1933) einen reichsweiten „Luthertag“. Im Vorfeld benutzte der „Bund für Deutsche Kirche“ Luthers Schrift ''Von den Juden und ihren Lügen'' 1543 zum Angriff auf die „abbruchreife“ DEK: Sie habe „völlige Entartung und sittlichen Verfall“ verschuldet, weil sie beim „Aufbäumen“ des „gesunden deutschen Geistes“ gegen „jüdische Vergewaltigung“ abseits gestanden habe. Nun müsse man mit Luther als „lautem Rufer gegen die Feinde unseres Volkes“ antreten, das Alte Testament abschaffen und „deutsches Geistesgut“ an seine Stelle setzen.<ref>Joachim Noack: ''Luther und die Juden. Dargestellt nach Luthers Schrift „Wider die Jüden und ihre Lügen“ von 1543.'' Bund für Deutsche Kirche, M. Lühr, Berlin 1933; referiert nach Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 204.</ref> Der Luthertag musste wegen der von Hitler angeordneten Volksabstimmung zum Austritt Deutschlands aus dem [[Völkerbund]] auf den 19. November verschoben werden. Bei den lokalen Feiern stellten deutschnationale Theologen wie [[Paul Althaus]] und [[Otto Scheel]] Luther und Hitler als verwandte Helden einer „großen nationalen Wende“ dar, während das NS-Regime diese Politisierung des Reformators kaum unterstützte.<ref>Laurenz Müller: ''Diktatur und Revolution.'' Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3-8282-0289-6, [http://books.google.de/books?id=5VekzW-WAw4C&pg=PA134 S. 134.]</ref>


Auch der angesehene Lutherforscher [[Erich Vogelsang]], ein Schüler von [[Karl Holl (Theologe)|Karl Holl]] ([[Lutherrenaissance]]) und [[Emanuel Hirsch]] (DC), stellte Luther als Ahnherren des deutschen [[Volkstum]]s dar. Er grenzte sich gegen Lewin ab: Es sei nicht verwunderlich, dass ein Jude trotz wissenschaftlicher Methodik Luthers Anliegen kaum habe erfassen können. Dieser habe erkannt, dass die ganze [[jüdische Geschichte]] seit Jesu Kreuzigung vom Fluch Gottes bestimmt sei. Die [[jüdische Emanzipation]] sei ein vergeblicher Fluchtversuch vor diesem Schicksal gewesen. Erst die „deutsche Revolution“ von 1933 habe nach 150 Jahren wieder sichtbar gemacht, dass die Juden „der sichtbare Gottesfinger des Zornes in der Menschheitsgeschichte“ seien. Daher dürfe die Kirche dem Judentum auf keinen Fall ein göttliches Daseinsrecht zugestehen, sondern müsse wie Luther „alles ‚Judaisieren‘ und ‚Judenzen‘“ als „innere Zersetzung durch jüdische Art“ entschieden bekämpfen und den Staat zum „Durchgreifen“ mit „scharfer Barmherzigkeit“ auffordern.<ref>Erich Vogelsang: ''Luthers Kampf gegen die Juden.'' Mohr/Siebeck, 1933; referiert nach Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 205</ref> Luther habe die Gefahr der Ausbeutung und Versklavung des „Wirtsvolkes“ durch das jüdische „Gastvolk“ und dessen Vertreibung als einzige realistische Lösung erkannt. Zwar habe er „Rassenmischung“ noch nicht als Problem gesehen, aber eine Degeneration der Juden („wässeriges Blut“) durch ihre Symbiose mit schwachen Christen, die ihren Christenhass verstärkt habe. Um eine entsprechende Verwässerung deutschen Blutes durch jüdische „Beimischung“ habe er sich nicht gesorgt, da er die Judenmission abgelehnt habe. Aus seiner Spätschrift ''Vom Shem Hamphoras'' ergebe sich die „saubere Trennung“ von Juden und Christen.<ref>Christopher J. Probst: ''Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany.'' 2012, [http://books.google.de/books?id=FCMgy6a7sFMC&pg=PA66 S. 66f.]</ref>
Auch der angesehene Lutherforscher [[Erich Vogelsang]], ein Schüler von [[Karl Holl (Theologe)|Karl Holl]] ([[Lutherrenaissance]]) und [[Emanuel Hirsch]] (DC), stellte Luther als Ahnherren des deutschen [[Volkstum]]s dar. Er grenzte sich gegen Lewin ab: Es sei nicht verwunderlich, dass ein Jude trotz wissenschaftlicher Methodik Luthers Anliegen kaum habe erfassen können. Dieser habe erkannt, dass die ganze [[jüdische Geschichte]] seit Jesu Kreuzigung vom Fluch Gottes bestimmt sei. Die [[jüdische Emanzipation]] sei ein vergeblicher Fluchtversuch vor diesem Schicksal gewesen. Erst die „deutsche Revolution“ von 1933 habe nach 150 Jahren wieder sichtbar gemacht, dass die Juden „der sichtbare Gottesfinger des Zornes in der Menschheitsgeschichte“ seien. Daher dürfe die Kirche dem Judentum auf keinen Fall ein göttliches Daseinsrecht zugestehen, sondern müsse wie Luther „alles ‚Judaisieren‘ und ‚Judenzen‘“ als „innere Zersetzung durch jüdische Art“ entschieden bekämpfen und den Staat zum „Durchgreifen“ mit „scharfer Barmherzigkeit“ auffordern.<ref>Erich Vogelsang: ''Luthers Kampf gegen die Juden.'' Mohr/Siebeck, 1933; referiert nach Günther B. Ginzel: ''Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 205.</ref> Luther habe die Gefahr der Ausbeutung und Versklavung des „Wirtsvolkes“ durch das jüdische „Gastvolk“ und dessen Vertreibung als einzige realistische Lösung erkannt. Zwar habe er „Rassenmischung“ noch nicht als Problem gesehen, aber eine Degeneration der Juden („wässeriges Blut“) durch ihre Symbiose mit schwachen Christen, die ihren Christenhass verstärkt habe. Um eine entsprechende Verwässerung deutschen Blutes durch jüdische „Beimischung“ habe er sich nicht gesorgt, da er die Judenmission abgelehnt habe. Aus seiner Spätschrift ''Vom Shem Hamphoras'' ergebe sich die „saubere Trennung“ von Juden und Christen.<ref>Christopher J. Probst: ''Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany.'' 2012, [http://books.google.de/books?id=FCMgy6a7sFMC&pg=PA66 S. 66f.]</ref>


Ab 1936 stellte die [[NS-Propaganda]] Luther gezielt als Wegbereiter der Judenverfolgung des [[Nationalsozialismus]] und Hitler als Vollstrecker seines Willens dar; die evangelische Kirche habe den Deutschen den wahren, judenfeindlichen Luther bisher vorenthalten. Der völkisch-nationalistische Judenmissionar [[Walter Holsten]] gab Luthers Schriften gegen Juden und Muslime 1936 und 1938 daraufhin neu heraus und kommentierte: Man müsse die „alten, rechten Juden“ von den „neuen, fremden Juden oder Bastarden“ unterscheiden. Letztere habe Luther wegen ihrer religiösen Entscheidung gegen Christus mit dem Teufel verbunden. Er habe an der Judenmission auch 1543 festgehalten und darum von der Obrigkeit verlangt, Gottes Zorn über die Juden zu vollstrecken, hinter dem sich seine „unendliche Liebe“ verberge. Deshalb müsse die Kirche aktuell eine „bestimmte politische Behandlung“ der Juden zulassen und im eigenen Bereich „scharfe Barmherzigkeit“ vollziehen.<ref>Zitiert nach Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 115</ref> Der Literaturhistoriker [[Walther Linden]] betitelte seine Ausgabe von 1936 „Luthers Kampfschriften gegen das Judentum“ und nannte sie das „heute noch vollauf gültige völkisch-religiöse Bekenntnis des großen deutschen Reformators“.<ref>Andrea Liesner: ''Zwischen Weltflucht und Herstellungswahn.'' Königshausen & Neumann, 2002, ISBN 3826022408, [http://books.google.de/books?id=DrOmkNdylZIC&pg=PA61 S. 61]</ref> Der deutschchristliche Theologiedozent [[Wolf Meyer-Erlach]] betitelte seine Auszüge aus Luthers Schriften 1937 „Juden, Mönche und Luther“. Er nannte Juden ein „Heer von Dämonen“, die das Deutsche Reich durch ihre Christenfeindschaft tödlich bedroht hätten. Nun erfülle Hitler Luthers Willen. Meyer-Erlach wurde Hauptverfechter einer „Entjudung der Bibel“ am 1939 gegründeten Eisenacher „[[Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben]]“.<ref>Christopher J. Probst: ''Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany.'' 2012, [http://books.google.de/books?id=FCMgy6a7sFMC&pg=PA59 S. 59]</ref> Im Rahmen der Propaganda-Ausstellung „[[Der ewige Jude]]“ vom November 1937 veranstaltete das [[Residenztheater (München)]] einen „Rezitationsabend“, bei dem Auszüge aus Luthers Schriften an erster Stelle standen.<ref>Christoph Zuschlag (Hrsg.): ''„Entartete Kunst“: Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland.'' Wernersche Verlagsgesellschaft, 1995, ISBN 3884620967, S. 310</ref>
Ab 1936 stellte die [[NS-Propaganda]] Luther gezielt als Wegbereiter der Judenverfolgung des [[Nationalsozialismus]] und Hitler als Vollstrecker seines Willens dar; die evangelische Kirche habe den Deutschen den wahren, judenfeindlichen Luther bisher vorenthalten. Der völkisch-nationalistische Judenmissionar [[Walter Holsten]] gab Luthers Schriften gegen Juden und Muslime 1936 und 1938 daraufhin neu heraus und kommentierte: Man müsse die „alten, rechten Juden“ von den „neuen, fremden Juden oder Bastarden“ unterscheiden. Letztere habe Luther wegen ihrer religiösen Entscheidung gegen Christus mit dem Teufel verbunden. Er habe an der Judenmission auch 1543 festgehalten und darum von der Obrigkeit verlangt, Gottes Zorn über die Juden zu vollstrecken, hinter dem sich seine „unendliche Liebe“ verberge. Deshalb müsse die Kirche aktuell eine „bestimmte politische Behandlung“ der Juden zulassen und im eigenen Bereich „scharfe Barmherzigkeit“ vollziehen.<ref>Zitiert nach Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 115.</ref> Der Literaturhistoriker [[Walther Linden]] betitelte seine Ausgabe von 1936 „Luthers Kampfschriften gegen das Judentum“ und nannte sie das „heute noch vollauf gültige völkisch-religiöse Bekenntnis des großen deutschen Reformators“.<ref>Andrea Liesner: ''Zwischen Weltflucht und Herstellungswahn.'' Königshausen & Neumann, 2002, ISBN 3-8260-2240-8, [http://books.google.de/books?id=DrOmkNdylZIC&pg=PA61 S. 61.]</ref> Der deutschchristliche Theologiedozent [[Wolf Meyer-Erlach]] betitelte seine Auszüge aus Luthers Schriften 1937 „Juden, Mönche und Luther“. Er nannte Juden ein „Heer von Dämonen“, die das Deutsche Reich durch ihre Christenfeindschaft tödlich bedroht hätten. Nun erfülle Hitler Luthers Willen. Meyer-Erlach wurde Hauptverfechter einer „Entjudung der Bibel“ am 1939 gegründeten Eisenacher „[[Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben]]“.<ref>Christopher J. Probst: ''Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany.'' 2012, [http://books.google.de/books?id=FCMgy6a7sFMC&pg=PA59 S. 59.]</ref> Im Rahmen der Propaganda-Ausstellung „[[Der ewige Jude]]“ vom November 1937 veranstaltete das [[Residenztheater (München)]] einen „Rezitationsabend“, bei dem Auszüge aus Luthers Schriften an erster Stelle standen.<ref>Christoph Zuschlag (Hrsg.): ''„Entartete Kunst“: Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland.'' Wernersche Verlagsgesellschaft, 1995, ISBN 3-88462-096-7, S. 310.</ref>


Die staatlich organisierten [[Novemberpogrome 1938]], bei denen tausende jüdische Synagogen, Bethäuser und Friedhöfe zerstört, hunderte Juden ermordet und zehntausende in [[Konzentrationslager]] deportiert wurden, geschahen ohne jeden Protest einer Kirchenleitung. Einige DC-Kirchenführer rechtfertigten diese Verbrechen mit Berufung auf Luther. Landesbischof [[Walter Schultz (Theologe)|Walter Schultz]] forderte alle Pastoren Mecklenburgs in einem „Mahnwort zur Judenfrage“ am 16. November 1938 auf, Luthers „Vermächtnis“ zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass die „deutsche Seele“ nun keinen Schaden erleide, sondern die „deutschen Menschen“ ohne „falsche Gewissensbeschwerung getrost alles daran setzen, eine Wiederholung der Zersetzung des deutschen Reiches durch den jüdischen Ungeist von innen her für alle Zeiten unmöglich zu machen.“ Adolf Hitler, nicht „der Jude“, habe am deutschen Volk „Barmherzigkeit getan“, so dass ihm und seinem „dem deutschen Volk aufgetragenen Kampf gegen die Juden“ die Nächstenliebe, Treue und Gefolgschaft der Christen zu gelten habe. DC-Bischof [[Martin Sasse]] verfasste am 23. November 1938 seine Schrift „Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!“ Der „deutsche Prophet“ Luther habe sich, „getrieben von seinem Gewissen“, vom Judenfreund zum „größten Antisemiten aller Zeiten“ gewandelt. Er stellte unter dem Leitmotto von Joh 8,44 („Ihr habt den Teufel zum Vater…“) eine Auswahl von Lutherzitaten zusammen, die die nationalsozialistische Judenverfolgung als direkte Erfüllung von Luthers Forderungen erscheinen ließen. Er verbreitete dieses Pamphlet auch außerhalb der Kirchen als „Kampfmittel in dem Weltkampf unseres Volkes gegen die Juden“. Diese Stimmen waren keine extremen Einzelmeinungen, da die meisten evangelischen Kirchenführer die staatliche Judenverfolgung seit Einführung der ersten rassistischen Staatsgesetze immer wieder befürwortet hatten.<ref>Birgit Gregor: ''Zum protestantischen Antisemitismus.'' In: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): ''Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust: „Beseitigung des jüdischen Einflusses...“: Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus: 1998/99.'' 1999, [http://books.google.de/books?id=9zlYLUYDcUQC&pg=PA171 S. 171-187]</ref>
Die staatlich organisierten [[Novemberpogrome 1938]], bei denen tausende jüdische Synagogen, Bethäuser und Friedhöfe zerstört, hunderte Juden ermordet und zehntausende in [[Konzentrationslager]] deportiert wurden, geschahen ohne jeden Protest einer Kirchenleitung. Einige DC-Kirchenführer rechtfertigten diese Verbrechen mit Berufung auf Luther. Landesbischof [[Walter Schultz (Theologe)|Walter Schultz]] forderte alle Pastoren Mecklenburgs in einem „Mahnwort zur Judenfrage“ am 16. November 1938 auf, Luthers „Vermächtnis“ zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass die „deutsche Seele“ nun keinen Schaden erleide, sondern die „deutschen Menschen“ ohne „falsche Gewissensbeschwerung getrost alles daran setzen, eine Wiederholung der Zersetzung des deutschen Reiches durch den jüdischen Ungeist von innen her für alle Zeiten unmöglich zu machen.“ Adolf Hitler, nicht „der Jude“, habe am deutschen Volk „Barmherzigkeit getan“, so dass ihm und seinem „dem deutschen Volk aufgetragenen Kampf gegen die Juden“ die Nächstenliebe, Treue und Gefolgschaft der Christen zu gelten habe. DC-Bischof [[Martin Sasse]] verfasste am 23. November 1938 seine Schrift „Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!“ Der „deutsche Prophet“ Luther habe sich, „getrieben von seinem Gewissen“, vom Judenfreund zum „größten Antisemiten aller Zeiten“ gewandelt. Er stellte unter dem Leitmotto von Joh 8,44 („Ihr habt den Teufel zum Vater…“) ausgewählte Lutherzitate so zusammen, dass die nationalsozialistische Judenverfolgung als direkte Erfüllung von Luthers Forderungen erschien. Er verbreitete dieses Pamphlet auch außerhalb der Kirchen als „Kampfmittel in dem Weltkampf unseres Volkes gegen die Juden“. Diese Stimmen waren keine extremen Einzelmeinungen, da die meisten evangelischen Kirchenführer die staatliche Judenverfolgung seit Einführung der ersten rassistischen Staatsgesetze immer wieder befürwortet hatten.<ref>Birgit Gregor: ''Zum protestantischen Antisemitismus.'' In: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): ''Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust: „Beseitigung des jüdischen Einflusses...“: Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus: 1998/99.'' 1999, [http://books.google.de/books?id=9zlYLUYDcUQC&pg=PA171 S. 171–187.]</ref>


Der DC-Theologe [[Theodor Pauls]] forderte 1939 mit einer dreibändigen Buchreihe eine „Entjudung“ der bisherigen Lutherforschung, die er von Reinhold Lewin abhängig sah. Dieser habe Luther in ein Entwicklungsschema gepresst und so seine späteren antijüdischen Schriften verharmlost. Jedoch habe Luther gleichbleibend für das Evangelium gegen das „Judengesetz“ des AT, für eine „deutsche“ gegen eine „verjudete“ Kirche gekämpft und die Deutschen so für ihre eigene Geschichte in Gottes Schöpfung befreien wollen.<ref>Theodor Pauls: ''Luther und die Juden'', Band 1 = Band 61 von ''Aufbau im Positiven Christentum. Eine theologische und religionspädagogische Schriftenreihe''; ''Luther und die Juden: Der Kampf (1524–1546)''; ''Aus Luthers Kampfschriften gegen die Juden.'' Scheur, 1939</ref> Derartige theologische Begründungen der antisemitischen Judenverfolgung lehnte der Nationalsozialist [[Alfred Rosenberg]] strikt ab. Er sah Luther als „germanischen Revolutionär“, dessen „nordischer Abwehrwille“ sich gegen die „Dogmen der römisch-internationalistischen Kirche“ gerichtet habe. Eine „zweite Reformation“ gegen beide Amtskirchen sei notwendig, um die „Germanisierung“ des Christentums und eine „deutsche Nationalkirche“ zu erreichen.<ref>Laurenz Müller: ''Diktatur und Revolution.'' 2004, [http://books.google.de/books?id=5VekzW-WAw4C&pg=PA138 S. 138]</ref>
Der DC-Theologe [[Theodor Pauls]] forderte 1939 mit einer dreibändigen Buchreihe eine „Entjudung“ der bisherigen Lutherforschung, die er von Reinhold Lewin abhängig sah. Dieser habe Luther in ein Entwicklungsschema gepresst und so seine späteren antijüdischen Schriften verharmlost. Jedoch habe Luther gleichbleibend für das Evangelium gegen das „Judengesetz“ des AT, für eine „deutsche“ gegen eine „verjudete“ Kirche gekämpft und die Deutschen so für ihre eigene Geschichte in Gottes Schöpfung befreien wollen.<ref>Theodor Pauls: ''Luther und die Juden'', Band 1 = Band 61 von ''Aufbau im Positiven Christentum. Eine theologische und religionspädagogische Schriftenreihe''; ''Luther und die Juden: Der Kampf (1524–1546)''; ''Aus Luthers Kampfschriften gegen die Juden.'' Scheur, 1939.</ref> Derartige theologische Begründungen der antisemitischen Judenverfolgung lehnte der Nationalsozialist [[Alfred Rosenberg]] strikt ab. Er sah Luther als „germanischen Revolutionär“, dessen „nordischer Abwehrwille“ sich gegen die „Dogmen der römisch-internationalistischen Kirche“ gerichtet habe. Eine „zweite Reformation“ gegen beide Amtskirchen sei notwendig, um die „Germanisierung“ des Christentums und eine „deutsche Nationalkirche“ zu erreichen.<ref>Laurenz Müller: ''Diktatur und Revolution.'' 2004, [http://books.google.de/books?id=5VekzW-WAw4C&pg=PA138 S. 138.]</ref>


Sieben evangelische Landeskirchenleiter rechtfertigten die Einführung des [[Judenstern]]s im September 1941 in einer gemeinsamen Erklärung als „historischen Abwehrkampf“ mit Luthers Forderung, „schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen und sie aus deutschen Landen auszuweisen“. Die Juden hätten das Christentum seit Jesu Kreuzigung bekämpft oder verfälscht; die Taufe könne nichts an ihrer „rassischen Eigenart“ ändern.<ref>Zitiert nach Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA143 S. 143]</ref> Das „Geschichtsbuch für höhere Schulen“ (7. Klasse: „Führer und Völker“) von 1941 zitierte aus Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ mit dem Kommentar: „Keiner vor und nach ihm hat die Juden, diese 'leibhaftigen Teufel', mit solcher elementaren Wucht bekämpft wie er…“.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA144 S. 144, Fn. 36]</ref> Das „Deutsche Lesebuch für Volksschulen“ von 1943 präsentierte unter dem Titel „Der Jude, unser Erzfeind“ judenfeindliche Zitate „großer Deutscher“, darunter Luther.<ref>Sabine Gries: ''Kindesmisshandlung in der DDR. Kinder unter dem Einfluss traditionell-autoritärer und totalitärer Erziehungsleitbilder.'' Lit Verlag, 2002, ISBN 3825859746, [http://books.google.de/books?id=o2iehHcAmLMC&pg=PA295 S. 295, Fn. 318]</ref>
Sieben evangelische Landeskirchenleiter rechtfertigten die Einführung des [[Judenstern]]s im September 1941 in einer gemeinsamen Erklärung als „historischen Abwehrkampf“ mit Luthers Forderung, „schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen und sie aus deutschen Landen auszuweisen“. Die Juden hätten das Christentum seit Jesu Kreuzigung bekämpft oder verfälscht; die Taufe könne nichts an ihrer „rassischen Eigenart“ ändern.<ref>Zitiert nach Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA143 S. 143.]</ref> Das „Geschichtsbuch für höhere Schulen“ (7. Klasse: „Führer und Völker“) von 1941 zitierte aus Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ mit dem Kommentar: „Keiner vor und nach ihm hat die Juden, diese 'leibhaftigen Teufel', mit solcher elementaren Wucht bekämpft wie er…“.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA144 S. 144, Fn. 36]</ref> Das „Deutsche Lesebuch für Volksschulen“ von 1943 präsentierte unter dem Titel „Der Jude, unser Erzfeind“ judenfeindliche Zitate „großer Deutscher“, darunter Luther.<ref>Sabine Gries: ''Kindesmisshandlung in der DDR. Kinder unter dem Einfluss traditionell-autoritärer und totalitärer Erziehungsleitbilder.'' Lit Verlag, 2002, ISBN 3-8258-5974-6, [http://books.google.de/books?id=o2iehHcAmLMC&pg=PA295 S. 295, Fn. 318]</ref>


Der Redakteur des NS-Hetzblattes [[Der Stürmer]], [[Julius Streicher]], verteidigte sich 1946 als Angeklagter im ersten [[Nürnberger Prozess]]: Luther wäre an seiner Stelle angeklagt, wenn seine erste Schrift von 1543 berücksichtigt würde. Er habe auch gefordert, Juden zu vernichten.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA144 S. 144, Fn. 36]</ref>
Der Redakteur des NS-Hetzblattes [[Der Stürmer]], [[Julius Streicher]], verteidigte sich 1946 als Angeklagter im ersten [[Nürnberger Prozess]]: Luther wäre an seiner Stelle angeklagt, wenn seine erste Schrift von 1543 berücksichtigt würde. Er habe auch gefordert, Juden zu vernichten.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA144 S. 144, Fn. 36]</ref>


Der nationalkonservative Historiker [[Gerhard Ritter]] rückte von 1934 bis 1943 allmählich von der nationalsozialistischen Deutung ab, indem er Luther politische Absichten absprach und ihn als [[Gesinnungsethik]]er darstellte, der seine Gewissensentscheidungen allein vor Gottes Geboten verantwortet und deshalb notfalls positives Recht gebrochen habe. Obwohl Luther 1543 „eine ganze Sintflut volkstümlichen Hasses und böser Nachrede wegen heimlicher Greueltaten“ gegen die Juden losgelassen habe, sei sein Judenhass nur religiös bedingt und lasse sich nicht als „Arsenal des Antisemitismus“ benutzen.<ref>Gerhard Ritter: ''Luther - Gestalt und Tat.'' (3. Auflage 1943) DVA, 7. Auflage 1983, ISBN 3421061297, S. 226f. Referiert nach Laurenz Müller: ''Diktatur und Revolution.'' Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3828202896, [http://books.google.de/books?id=5VekzW-WAw4C&pg=PA155 S. 155f.]</ref> [[Dietrich Bonhoeffer]], [[Carl Goerdeler]], die norwegische evangelische Kirche und andere haben ihren [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus]] und dessen Judenverfolgung ebenfalls auf Luther gestützt, indem sie die freie Gewissensentscheidung vor Gott über alle Staats- und Kirchengesetze stellten und Aussagen Luthers zur bedingten [[Notwehr]] gegen ungerechte Obrigkeiten bis hin zum [[Tyrannenmord]] aktualisierten.<ref>Klemens von Klemperer: ''Über Luther hinaus? Dietrich Bonhoeffer und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus.'' In: Ernst Willi Hansen, Gerhard Schreiber, Bernd Wegner (Hrsg.): ''Politischer Wandel, organisierte Gewalt und nationale Sicherheit: Beiträge zur neueren Geschichte Deutschlands.'' Oldenbourg, München 1995, ISBN 3486560638, [http://books.google.de/books?id=PlroSTPFsoAC&pg=PA403 S. 403-416]; Ulrich Schacht: ''Der Teufel paßt sich den Zeiten an: Zu Luthers Menschen-Bild zwischen Apg 5,29 und Röm 13 und seiner Bedeutung für die Abwehr totalitärer Versuchung.'' In: Martin Leiner, Hildigund Neubert, Ulrich Schacht (Hrsg.): ''Gott mehr gehorchen als den Menschen (Was Steht Geschrieben?).'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3899711955, [http://books.google.de/books?id=fOg-E5Jpbr0C&pg=PA86 S. 86-98]</ref>
Der nationalkonservative Historiker [[Gerhard Ritter]] rückte von 1934 bis 1943 allmählich von der nationalsozialistischen Deutung ab, indem er Luther politische Absichten absprach und ihn als [[Gesinnungsethik]]er darstellte, der seine Gewissensentscheidungen allein vor Gottes Geboten verantwortet und deshalb notfalls positives Recht gebrochen habe. Obwohl Luther 1543 „eine ganze Sintflut volkstümlichen Hasses und böser Nachrede wegen heimlicher Greueltaten“ gegen die Juden losgelassen habe, sei sein Judenhass nur religiös bedingt und lasse sich nicht als „Arsenal des Antisemitismus“ benutzen.<ref>Gerhard Ritter: ''Luther - Gestalt und Tat.'' (3. Auflage 1943) DVA, 7. Auflage. 1983, ISBN 3-421-06129-7, S. 226f. Referiert nach Laurenz Müller: ''Diktatur und Revolution.'' Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3-8282-0289-6, [http://books.google.de/books?id=5VekzW-WAw4C&pg=PA155 S. 155f.]</ref> [[Dietrich Bonhoeffer]], [[Carl Goerdeler]], die norwegische evangelische Kirche und andere haben ihren [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus]] und dessen Judenverfolgung ebenfalls auf Luther gestützt, indem sie die freie Gewissensentscheidung vor Gott über alle Staats- und Kirchengesetze stellten und Aussagen Luthers zur bedingten [[Notwehr]] gegen ungerechte Obrigkeiten bis hin zum [[Tyrannenmord]] aktualisierten.<ref>Klemens von Klemperer: ''Über Luther hinaus? Dietrich Bonhoeffer und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus.'' In: Ernst Willi Hansen, Gerhard Schreiber, Bernd Wegner (Hrsg.): ''Politischer Wandel, organisierte Gewalt und nationale Sicherheit: Beiträge zur neueren Geschichte Deutschlands.'' Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-56063-8, [http://books.google.de/books?id=PlroSTPFsoAC&pg=PA403 S. 403–416.]; Ulrich Schacht: ''Der Teufel paßt sich den Zeiten an: Zu Luthers Menschen-Bild zwischen Apg 5,29 und Röm 13 und seiner Bedeutung für die Abwehr totalitärer Versuchung.'' In: Martin Leiner, Hildigund Neubert, Ulrich Schacht (Hrsg.): ''Gott mehr gehorchen als den Menschen (Was Steht Geschrieben?).'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-89971-195-5, [http://books.google.de/books?id=fOg-E5Jpbr0C&pg=PA86 S. 86–98.]</ref>


== Lutherforschung ==
== Forschung ==
=== Judentum ===
=== Jüdische Lutherdeutungen ===
Im 19. Jahrhundert hatten deutsche Juden wie [[Johann Salomo Semler]] oder [[Heinrich Heine]] Luther gegen das nationalistisch-ausgrenzende Lutherbild zum Helden der Geistesfreiheit und Wegbereiter der Toleranz stilisiert. Seine judenfeindlichen Aussagen übergingen sie dabei oder vernachlässigten sie als für seine Genialität unwesentlichen Randaspekt.<ref>Christian Wiese: ''Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA232 S. 232-237]</ref> Deutsche jüdische Historiker bejahten meist den „frühen“ gegen den „späten“ Luther; sie vertraten dann meist die auch im Pietismus übliche Diskontinuitäts- oder Enttäuschungs-These. Manche lehnten den ganzen Luther aufgrund seiner Spätschriften und deren antisemitischer Verwendung ab.
Im 19. Jahrhundert hatten deutsche Juden wie [[Johann Salomo Semler]] oder [[Heinrich Heine]] Luther gegen das nationalistisch-ausgrenzende Lutherbild zum Helden der Geistesfreiheit und Wegbereiter der Toleranz stilisiert. Seine judenfeindlichen Aussagen übergingen sie dabei oder vernachlässigten sie als für seine Genialität unwesentlichen Randaspekt. [[Ludwig Börne]] dagegen kritisierte, Luther habe den Juden bloß eine biblische und theoretische Freiheit in Buchform geschenkt, der keine politische Freiheit, sondern jahrhundertelange Unterdrückung gefolgt sei.<ref>Christian Wiese: ''Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA219 S. 219–237.]</ref>


[[Heinrich Graetz]] erklärte den Widerspruch in Luthers Aussagen von 1523 und 1543 aus persönlicher Verbitterung, Rechthaberei und Unverständnis für die ethische Qualität des Judentums. Luthers judenfeindliches „Testament“ habe die protestantische Welt lange „vergiftet“. Auch [[Ludwig Geiger]] sah einen Bruch bei Luther, erklärte diesen aber aus dessen theologischer Entwicklung: Er habe erst allmählich den unüberbrückbaren Dissens zur jüdischen Bibelexegese erkannt.
Deutsche jüdische Historiker bejahten meist den „frühen“ gegen den „späten“ Luther; sie vertraten dann meist die auch im Pietismus übliche Diskontinuitäts- oder Enttäuschungs-These. Manche lehnten den ganzen Luther aufgrund seiner Spätschriften und deren antisemitischer Verwendung ab. [[Heinrich Graetz]] erklärte den Widerspruch in Luthers Aussagen von 1523 und 1543 aus persönlicher Verbitterung, Rechthaberei und Unverständnis für die ethische Qualität des Judentums. Luthers judenfeindliches „Testament“ habe die protestantische Welt lange „vergiftet“. Auch [[Ludwig Geiger]] sah einen Bruch bei Luther, erklärte diesen aber aus dessen theologischer Entwicklung: Er habe erst allmählich den unüberbrückbaren Dissens zur jüdischen Bibelexegese erkannt.


Der Rabbiner und Historiker [[Reinhold Lewin]] gilt als Begründer einer wissenschaftlichen Erforschung des Themas. Er analysierte 1911 erstmals gründlich Luthers Ausbildung, Begegnungen mit Juden und Aussagen über sie, aber nicht seine Theologie. Er vertrat einen doppelten psychologischen Wandel: Luther habe das Judentum anfangs nur aus erlerntem Buchwissen beurteilt. Seit 1521 habe er den Anschluss der Juden an seine Reformation erhofft; darin habe ihn der Besuch von Rabbinern 1525 bestärkt. Auf seine bitter enttäuschte Missionserwartung hin habe er in seinen Spätschriften mit seiner ursprünglich toleranten Haltung gebrochen.<ref name="Meier234">Kurt Meier: ''Zur Interpretation von Luthers Judenschriften.'' In: Helmar Junghans und andere (Hrsg.): ''Vierhundertfünfzig Jahre lutherische Reformation. Festschrift für Franz Lau zum 60. Geburtstag.'' 1967, ISBN 3525581041, [http://books.google.de/books?id=PrqbMeXYI5IC&pg=PA234 S. 234]</ref> Ähnlich führte [[Samuel Krauss]] Luthers späteren „unbändigen Hass“ gegen die Juden auf theologische Intoleranz und naiven Missionseifer zurück. Dennoch seien seine frühen Äußerungen als Grundsätze der Aufklärung, Geistesfreiheit und Forderung, den Juden keinen Zwang anzutun, aufgrund ihrer historischen Folgen wichtiger.<ref>Christian Wiese: ''Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA250 S. 250f.]</ref>
Der Rabbiner und Historiker [[Reinhold Lewin]] gilt als Begründer einer wissenschaftlichen Erforschung des Themas. Er analysierte 1911 erstmals gründlich Luthers Ausbildung, Begegnungen mit Juden und Aussagen über sie, aber nicht seine Theologie. Er vertrat einen doppelten psychologischen Wandel: Luther habe das Judentum anfangs nur aus erlerntem Buchwissen beurteilt. Seit 1521 habe er den Anschluss der Juden an seine Reformation erhofft; darin habe ihn der Besuch von Rabbinern 1525 bestärkt. Auf seine bitter enttäuschte Missionserwartung hin habe er in seinen Spätschriften mit seiner ursprünglich toleranten Haltung gebrochen.<ref name="Meier234">Kurt Meier: ''Zur Interpretation von Luthers Judenschriften.'' In: Helmar Junghans und andere (Hrsg.): ''Vierhundertfünfzig Jahre lutherische Reformation. Festschrift für Franz Lau zum 60. Geburtstag.'' 1967, ISBN 3-525-58104-1, [http://books.google.de/books?id=PrqbMeXYI5IC&pg=PA234 S. 234.]</ref> Ähnlich führte [[Samuel Krauss]] Luthers späteren „unbändigen Hass“ gegen die Juden auf theologische Intoleranz und naiven Missionseifer zurück. Dennoch seien seine frühen Äußerungen als Grundsätze der Aufklärung, Geistesfreiheit und Forderung, den Juden keinen Zwang anzutun, aufgrund ihrer historischen Folgen wichtiger.<ref>Christian Wiese: ''Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA250 S. 250f.]</ref>


Unter dem Eindruck der immer radikaleren antisemitischen Lutherdeutung urteilte der jüdische Historiker [[Simon Dubnow]] 1927: Schon 1523 sei es Luther um Bekehrung der Juden, nicht Gewissensfreiheit und Gerechtigkeit auch für sie gegangen. Seine enttäuschte Missionshoffnung sei folglich in krankhafte „[[Judäophobie]]“ umgeschlagen. Dass die Juden den evangelischen Glauben nicht durch Massenübertritte bestätigten, habe ihn gezwungen, „die Maske der Judenfreundlichkeit abzustreifen und dem Judentum den Kampf auf Leben und Tod anzusagen.“ 1928 urteilte [[Eduard Lamparter]], der dem [[Verein zur Abwehr des Antisemitismus e.V.]] vorstand: Luther sei zum „Kronzeugen des Antisemitismus“ geworden. Ihm sei es aber eigentlich nur um einen religiösen Gegensatz gegangen. Er sei kein Antisemit gewesen, so dass es verfälschend sei, ihn für parteipolitische Zwecke zu vereinnahmen.<ref>Christian Wiese: ''Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA252 S. 252]</ref>
Unter dem Eindruck der immer radikaleren antisemitischen Lutherdeutung urteilte der jüdische Historiker [[Simon Dubnow]] 1927: Schon 1523 sei es Luther um Bekehrung der Juden, nicht Gewissensfreiheit und Gerechtigkeit auch für sie gegangen. Seine enttäuschte Missionshoffnung sei folglich in krankhafte „[[Judäophobie]]“ umgeschlagen. Dass die Juden den evangelischen Glauben nicht durch Massenübertritte bestätigten, habe ihn gezwungen, „die Maske der Judenfreundlichkeit abzustreifen und dem Judentum den Kampf auf Leben und Tod anzusagen.“ 1928 urteilte [[Eduard Lamparter]], der dem [[Verein zur Abwehr des Antisemitismus e.V.]] vorstand: Luther sei zum „Kronzeugen des Antisemitismus“ geworden. Ihm sei es aber eigentlich nur um einen religiösen Gegensatz gegangen. Er sei kein Antisemit gewesen, so dass es verfälschend sei, ihn für parteipolitische Zwecke zu vereinnahmen.<ref>Christian Wiese: ''Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA252 S. 252.]</ref>


Jüdische Autoren haben auch nach 1945 meist einen psychologisch bedingten Wandel in Luthers Judenbild vertreten und weiter den frühen gegen den späten Luther verteidigt. So sprach [[Selma Stern]]-Taeubler 1954 von einem „Schwanken zwischen Liebe und Hass“ Luthers zu den Juden.<ref>Selma Stern-Taeubler: ''Die Vorstellung vom Juden und vom Judentum in der Ideologie der Reformationszeit.'' In: Essays presented to Leo Baeck on the Occasion of his Eightieht Birthday.'' East and West Library, London 1954, S. 202; zitiert bei Heiko A. Oberman: ''Die Juden in Luthers Sicht.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 139, Fn. 10</ref> [[Pinchas Lapide]] hob 1983 Luthers positive Aussagen über hebräische Sprache, Tora, „Erstgeburt“ der Synagoge, jüdische Herkunft Jesu, seinen Angriff auf judenfeindliche Passionsfrömmigkeit und Kritik des christlichen Antijudaismus in seinen Frühschriften als bis heute beispielhaft hervor. Er führte Luthers „radikalen Umschwung“, den er in die 1530er Jahre datierte, auf seinen vergeblichen „Bekehrungseifer“ und seinen wachsenden Verdacht zurück, jüdische Einflüsse steckten hinter den [[Deutscher Bauernkrieg|Bauernaufständen]], evangelischen Sekten wie den Sabbathern und dem [[Täuferreich von Münster]]. Besonders die wiederbelebte jüdische Messiaserwartung habe ihn erbittert, weil er selbst Christi Wiederkunft zu seinen Lebzeiten erwartet habe. Er habe die NS-Judenvernichtung nicht erahnen können und hätte sie abgelehnt, habe ihr aber den geistigen Nährboden bereitet. Sein Judenhass sei von seinem eigenen Prinzip des ''solus Christus'' aus zu kritisieren: Nur was Jesus selbst gelehrt habe, sei wahrer evangelischer Glaube. Daraus müsse ein jüdisch-lutherischer Dialog und eine protestantische Neubesinnung folgen.<ref>Pinchas Lapide: ''Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 171-174 und 179-185</ref>
Jüdische Autoren haben auch nach 1945 meist einen psychologisch bedingten Wandel in Luthers Judenbild vertreten und weiter den frühen gegen den späten Luther verteidigt. So sprach [[Selma Stern]]-Taeubler 1954 von einem „Schwanken zwischen Liebe und Hass“ Luthers zu den Juden.<ref>Selma Stern-Taeubler: ''Die Vorstellung vom Juden und vom Judentum in der Ideologie der Reformationszeit.'' In: Essays presented to Leo Baeck on the Occasion of his Eightieht Birthday.'' East and West Library, London 1954, S. 202; zitiert bei Heiko A. Oberman: ''Die Juden in Luthers Sicht.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 139, Fn. 10</ref> [[Pinchas Lapide]] hob 1983 Luthers positive Aussagen über hebräische Sprache, Tora, „Erstgeburt“ der Synagoge, jüdische Herkunft Jesu, seinen Angriff auf judenfeindliche Passionsfrömmigkeit und Kritik des christlichen Antijudaismus in seinen Frühschriften als bis heute beispielhaft hervor. Er führte Luthers „radikalen Umschwung“, den er in die 1530er Jahre datierte, auf seinen vergeblichen „Bekehrungseifer“ und seinen wachsenden Verdacht zurück, jüdische Einflüsse steckten hinter den [[Deutscher Bauernkrieg|Bauernaufständen]], evangelischen Sekten wie den Sabbathern und dem [[Täuferreich von Münster]]. Besonders die wiederbelebte jüdische Messiaserwartung habe ihn erbittert, weil er selbst Christi Wiederkunft zu seinen Lebzeiten erwartet habe. Er habe die NS-Judenvernichtung nicht erahnen können und hätte sie abgelehnt, habe ihr aber den geistigen Nährboden bereitet. Sein Judenhass sei von seinem eigenen Prinzip des ''solus Christus'' aus zu kritisieren: Nur was Jesus selbst gelehrt habe, sei wahrer evangelischer Glaube. Daraus müsse ein jüdisch-lutherischer Dialog und eine protestantische Neubesinnung folgen.<ref>Pinchas Lapide: ''Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 171–174 und 179-185</ref>


[[Henry Brandt]] urteilte dagegen 1999: Seit dem Holocaust könnten Juden Luthers Judenfeindschaft nie mehr übergehen und aus seinem Gesamtbild wegdenken. Sie sei bis zu Hitler das Schlimmste gewesen, was Christen in deutscher Sprache gegen Juden geäußert hätten. Luthers Bedeutung für die evangelischen Christen verhindere bleibend einen aussichtsreichen Dialog mit Juden. Stattdessen sei gegenseitige praktische Solidarität und Toleranz weit nötiger.<ref>Hans Erler, Ansgar Koschel (Hrsg.): ''Der Dialog zwischen Juden und Christen: Versuche des Gesprächs nach Auschwitz.'' Campus, 1999, ISBN 3593363461, [http://books.google.de/books?id=Q405lkGaSuUC&pg=PA81 S. 81-85]</ref>
[[Henry Brandt]] urteilte dagegen 1999: Seit dem Holocaust könnten Juden Luthers Judenfeindschaft nie mehr übergehen und aus seinem Gesamtbild wegdenken. Sie sei bis zu Hitler das Schlimmste gewesen, was Christen in deutscher Sprache gegen Juden geäußert hätten. Luthers Bedeutung für die evangelischen Christen verhindere bleibend einen aussichtsreichen Dialog mit Juden. Stattdessen seien gegenseitige praktische Solidarität und Toleranz weit nötiger.<ref>Hans Erler, Ansgar Koschel (Hrsg.): ''Der Dialog zwischen Juden und Christen: Versuche des Gesprächs nach Auschwitz.'' Campus, 1999, ISBN 3-593-36346-1, [http://books.google.de/books?id=Q405lkGaSuUC&pg=PA81 S. 81–85.]</ref>


=== Kirchengeschichtliche Lutherdeutungen ===
=== Verhältnis zum Antisemitismus und Nationalsozialismus ===
Der heutige Konsens der Lutherforschung lautet: Luthers Grundthesen zum Judentum blieben konstant, waren theologisch, nicht rassistisch motiviert und deckten sich weitgehend mit dem vorgegebenen christlichen Antijudaismus.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI.'' In: Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe Band I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA148 S. 148.]</ref> Er übernahm die traditionelle Enterbungs- und Fluchthese, die Stereotypen der ''Adversus-Judaeos''-Literatur, der Predigtagitation und Vertreibungsideologie und dämonisierte die Juden neben anderen Gruppen.
Der reformierte Theologe [[Karl Barth]], Autor der [[Barmer Theologische Erklärung|Barmer Erklärung]] von 1934, hatte im [[Kirchenkampf]] öfter die Trennung des Gesetzes vom Evangelium im deutschen Luthertum als Ursache des politischen Versagens der [[Bekennende Kirche|Bekennenden Kirche]] gegenüber den Verbrechen des NS-Staates kritisiert.<ref>Karl Barth: ''Ein Brief nach Frankreich.'' 1939; ''Brief an Pfarrer Kooyman.'' 1940. In: Karl Barth: ''Eine Schweizer Stimme 1938–1945.'' Evangelischer Verlag, 1945, S. 108-117; S. 118-122</ref> Er differenzierte seine theologische Kritik an Luther und seiner obrigkeitsstaatlichen Benutzung seit [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich dem Großen]] vor, bei und nach der Gründung der [[Evangelische Kirche in Deutschland|EKD]] im Oktober 1946.<ref>z.B. Karl Barth: ''Ein Wort an die Deutschen'', November 1946 und andere; referiert bei Michael Beinker: ''Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935–1950): Widerstand - Bewährung - Orientierung.'' Theologischer Verlag, Zürich 2010, ISBN 3290175316, [http://books.google.de/books?id=KocP6RHeDJYC&pg=PA240 S. 240]</ref> Der führende deutsche Lutheraner [[Hans Asmussen]] reagierte darauf mit dem polemischen Aufsatz: „Muß Luther nach Nürnberg?“ Darin führte er den Nationalsozialismus auf die Französische Revolution, den [[Marxismus]] und [[Nihilismus]] zurück; Luther sei unschuldig daran und nur von einigen Lutheranern in der NS-Zeit missbraucht worden. Auch konservative protestantische Historiker wie [[Friedrich Meinecke]] verteidigten Luther, übergingen dabei aber seine späten Schriften über Juden. Der angesehene Kirchenhistoriker [[Heinrich Bornkamm]], der Luthers Gewaltforderungen von 1543 in seinem Aufsatz 1933 („Volk und Rasse bei Martin Luther“) als „treuen Rat“ eingeführt hatte, nannte diese 1947 in der Neuausgabe des Aufsatzes (diesmal „Das Volk“ betitelt) „die heute uns so erschreckenden Ratschläge“. Diese apologetische [[Entnazifizierung|„Selbstentnazifizierung“]] war in der [[Nachkriegszeit]] typisch für viele deutsche Lutheraner.<ref>Hartmut Lehmann: ''„Muß Luther nach Nürnberg?“ Deutsche Schuld im Lichte der Lutherliteratur 1946/47.'' In: Hartmut Lehmann: ''Protestantisches Christentum im Prozeß der Säkularisierung.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3525362501, [http://books.google.de/books?id=l6nnh53aEKUC&pg=PA65 S. 65-79]</ref>


Besonderheiten Luthers waren laut [[Hans-Martin Kirn]] (2000): Er sagte den Juden magische Schadenszauberei mit dem Gottesnamen nach, entehrte die rabbinische Bibelauslegung mit dem Judensau-Motiv und begrenzte die verheißene endzeitliche Rettung ganz Israels ({{B|Röm|11|26|LUT}}) auf einen taufwilligen Rest. Indem er das kanonische Recht aufhob und zugleich das „landesherrliche Kirchenregiment“ stärkte, habe er die Judenvertreibung zum politischen Leitbild für die Territorialherren gemacht. Seine Forderungen von 1543 hätten katholische Unterdrückungspraktiken überboten, den „Kammerknechten“ ihren relativen Rechtsschutz entzogen und sie in einen sklavenartigen Status zu drängen versucht.<ref>Hans-Martin Kirn: ''Israel als Gegenüber der Reformatoren.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA298 S. 298–300.]</ref>
Im Anschluss an die herrschende deutsche protestantische Geschichtsdeutung der NS-Zeit behauptete der US-Historiker William Montgomery McGovern 1941 als Erster eine direkte Linie „von Luther zu Hitler“. Sein Buch mit diesem Titel wurde 1946 erneut aufgelegt.<ref>William Montgomery McGovern: ''From Luther to Hitler: The History of Fascist-Nazi Political Philosophy.'' Houghton Mifflin, 1941/1946</ref> Der britische Hobby-Historiker Peter F. Wiener vertrat diese These eines deutschen [[Sonderweg]]s seit der Reformationszeit unmittelbar nach Kriegsende 1945 erneut und machte sie im englischsprachigen Raum populär.<ref>Peter F. Wiener: ''Martin Luther: Hitler's Spiritual Ancestor.'' (1945) Neuauflage, American Atheist Press, London 1999, ISBN 1578849543; [http://www.tentmaker.org/books/MartinLuther-HitlersSpiritualAncestor.html#preface Buchtext online]</ref> Der britische Kirchenhistoriker Ernest Gordon Rupp wies Wieners These 1945 zurück: Hitler habe nie einen Text Luthers gelesen. Dass er sich auf ihn berufen habe, beweise nichts, da er sich ebenso auf den allmächtigen Gott berufen habe.<ref>Ernest Gordon Rupp: ''Martin Luther. Hitler's Cause or Cure? In Replay to Peter F. Wiener.'' London 1945, S. 84; zitiert bei Michael Marissen: ''Lutheranism, Anti-Judaism, and Bach's St. John Passion: With an Annotated Literal Translation of the Libretto.'' Oxford University Press, New York 1998, [http://books.google.de/books?id=a3iirBIwvycC&pg=PA25 S. 25, Fn. 71]</ref> Der US-Historiker [[William L. Shirer]] bezeichnete Luther 1960 als „leidenschaftlichen Antisemiten und heftigen Gläubigen an einen absoluten Gehorsam gegenüber politischen Autoritäten“, der alle deutschen Juden habe loswerden und vertriebene Juden habe enteignen wollen. Seine Sprache von 1543 gegen sie sei bis zur NS-Zeit unerreicht brutal gewesen. Er habe das Verhalten der meisten Protestanten in der NS-Zeit direkt beeinflusst.<ref>William L. Shirer: ''The Rise and Fall of the Third Reich: A History of Nazi Germany.'' Simon & Schuster, 1960, ISBN 2253015202, S. 236</ref> Diese Thesen blieben bis in die 1980er Jahre hinein gängig<ref>Peter Clarkson Matheson: ''Luther and Hitler. A controversy reviewed: JES 17 (1980), S. 445-543</ref> und wurden auch im deutschsprachigen Raum jahrzehntelang diskutiert, seit [[Thomas Mann]] sie in seiner selbstkritisch gemeinten Rede „[[Deutschland und die Deutschen]]“ (29. Mai 1945) nahegelegt hatte.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luther zwischen den Wissenschaftskulturen.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA478 S. 478, Fn. 114]</ref> Der österreichische Kulturhistoriker [[Friedrich Heer]] vertrat 1986: „Von Luther führt ein direkter Weg zu Julius Streicher, zu den Judenmorden der ,Stürmer'- Welt.“<ref>Zitiert nach Richard Faber: ''Offener Humanismus zwischen den Fronten des Kalten Krieges: Über den Universalhistoriker, politischen Publizisten und religiösen Essayisten Friedrich Heer.'' Königshausen & Neumann, 2005, ISBN 3826030370, [http://books.google.de/books?id=WyZgRnu_4WAC&pg=PA203 S. 203]</ref> [[Daniel Goldhagen]] vertrat 1996: Der Holocaust sei Folge eines besonderen deutschen, eliminatorischen Antisemitismus, der mit Luther begonnen habe.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA14 S. 144, Fn. 35]</ref>


Thomas Kaufmann betonte 2010: Luthers Vorstellungen von 1543, Juden seien mit dem Teufel und christenfeindlichen Mächten verbündet, um ihre „Wirtsvölker“ „auszusaugen“ und das Christentum mit magischen Praktiken zu unterminieren, „waren damals allgemein und in allen Gesellschaftsschichten verbreitet und haben als mentalitätsgeschichtlicher Hintergrund sowohl der Anhänger als auch der Gegner der Reformation zu gelten.“<ref>Thomas Kaufmann: ''Reformation.'' In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Handbuch des Antisemitismus Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien.'' Walter de Gruyter, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-023379-7, [http://books.google.de/books?id=z_MBtFRPAGQC&pg=PA286 S. 286.]</ref> Luther habe vor 1537 Antonius Margarithas Behauptung übernommen, das Judentum sei insgesamt auf das Schmähen Jesu Christi und Schädigen der Christen ausgerichtet. Anstelle des „Blutfrevels“ habe er die Juden des „Wortfrevels“ angeklagt: Sie verfluchten Christus täglich und mit ihm Gott den Schöpfer. Ihre Toratreue belüge und lästere den allein gnädigen Gott; darin liege ihre teuflische, für Christen gefährliche Werkgerechtigkeit. Nicht die Christen, nur Christus allein könne sie zu sich bekehren und erhalte sein Heilsangebot an sie aufrecht. Aus diesem konstanten Glauben habe er gegensätzliche judenpolitische Konsequenzen gezogen: 1523 eine gewaltlose Mission, 1543 eine gewaltsame Verelendung der Juden. Diese sollte den „teuflischen Hochmut“ ihres Erwählungsglaubens brechen, sie zum christlichen Glauben bringen und zugleich Gottes Zorn für die Christen veranschaulichen, um ihren Glauben an seine allein rettende Gnade zu bewahren. Luthers Antijudaismus sei also untrennbar von seiner Rechtfertigungslehre.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA133 S. 133–135.]</ref>
Seit etwa 1990 wird diese monokausale Deutung kaum noch vertreten. Gleichwohl wird Luthers Judenfeindlichkeit als wichtiger Faktor bei der Entstehung des Antisemitismus gesehen. Für [[Christhard Hoffmann]] (1994) spielte Luther „für die spezifisch deutsche Ausprägung der Judenfeindschaft […] eine entscheidende, weichenstellende Rolle“.<ref>Christhard Hoffmann: ''Christlicher Antijudaismus und moderner Antisemitismus: Zusammenhänge und Differenzen als Problem der historischen Antisemitismusforschung.'' In: Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hrsg.): ''Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus: Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen.'' Haag + Herchen, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3861371871, S. 293</ref> Laut [[Birgit Gregor]] (1999) übernahm Luther von Anfang an das kirchliche Streben, das Judentum durch vollständige [[Assimilation (Soziologie)|Assimilierung]] aufzulösen. Auch seine scheinbar „judenfreundlichen“ Schriften seien von diesem Ziel bestimmt. Der bisher unzureichend erforschte „protestantische Antisemitismus“ sei keine direkte Kontinuität „von Luther zu Hitler“, sondern eine „konstruierte Kontinuität“: Seit Adolf Stöcker hätten bestimmte protestantische Interessengruppen Luther künstlich als prominenten Vorläufer für ihre eigenen antisemitischen Ziele benutzt und dazu lange vorhandene antijüdische Ressentiments und Stereotypen in veränderter Zeitsituation bewusst mit [[Darwinismus|darwinistischer]] und rassistischer Judenfeindschaft verschmolzen.<ref>Birgit Gregor: ''Zum protestantischen Antisemitismus.'' In: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): ''Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust: »Beseitigung des jüdischen Einflusses...«: Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus: 1998/99.'' Campus, 1999, ISBN 3593360985, [http://books.google.de/books?id=9zlYLUYDcUQC&pg=PA171 S. 171-187]</ref> Für [[Wolfgang Wippermann]] (2013) enthielt Luthers Judenhass auch eine Vernichtungskomponente, verstärkte den Antijudaismus in der frühen Neuzeit und beeinflusste Frühantisemiten wie [[Johann Jacob Schudt]] und [[Johann Andreas Eisenmenger]].<ref>Wolfgang Wippermann: ''Rassenwahn und Teufelsglaube.'' Frank & Timme, 2013, ISBN 3865960073, [http://books.google.de/books?id=-M6HgMLRI60C&pg=PA69 S. 69-71]</ref>


=== Verhältnis zum Antijudaismus ===
=== Theologische Lutherdeutungen ===
Ab 1960 fragte die Lutherforschung verstärkt nach den theologischen Gründen für Luthers Haltung zu Juden. [[Martin Stöhr]] kritisierte Deutungen, die Luthers exegetische Schriften vernachlässigen und seine praktischen Forderungen 1543 nicht aus seiner Theologie, sondern nur aus zufälligen Zeitumständen erklären. Luthers Theologie habe sich zwischen 1523 und 1543 gewandelt, dies gelte es vorbehaltlos zuzugeben.<ref name="Meier234" />
Der heutige Konsens der Lutherforschung lautet: Luthers Grundthesen zum Judentum blieben konstant, waren theologisch, nicht rassistisch motiviert und deckten sich weitgehend mit dem vorgegebenen christlichen Antijudaismus.<ref>Gerhard Müller: ''Antisemitismus VI.'' In: Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe Band I, 1993, [http://books.google.de/books?id=FD36gbVSzqsC&pg=PA148 S. 148]</ref> Er übernahm die traditionelle Enterbungs- und Fluchthese, die Stereotypen der ''Adversus-Judaeos''-Literatur, der Predigtagitation und Vertreibungsideologie und dämonisierte die Juden neben anderen Gruppen.


[[Walther Bienert]] vertrat 1982 die von Stöhr abgelehnte Apologetik: Luther habe die jüdischen Wurzeln des Evangeliums, die gemeinsame hebräische Bibel, den gemeinsamen Gott und Jesu und Paulus' Einladung zur Umkehr an Israel wiederentdeckt. So habe er ein neues Verständnis für das Judentum und freundliche jüdisch-christliche Beziehungen angebahnt. Er sei später einem „antijüdischen kirchenpolitischen Irrweg“ aus zwei „unreformatischen Motiven“ erlegen: Er habe sich als Hüter des Dogmas und die evangelischen Fürsten als Hüter religiöser Einheitlichkeit ihrer Gebiete gesehen. Die historisch wirksame These einer judenfeindlichen Theologie Luthers sei falsch und von seinen Schriften aus zu korrigieren: Als Reformator sei Luther judenfreundlich gewesen, nur als Kirchenpolitiker und wegen besonderer Zeitumstände habe er sich judenfeindlich gezeigt.<ref>Walther Bienert: ''Martin Luther und die Juden'', 1982, S. 181–194.</ref>
Besonderheiten Luthers waren laut [[Hans-Martin Kirn]] (2000): Er sagte den Juden magische Schadenszauberei mit dem Gottesnamen nach, entehrte die rabbinische Bibelauslegung mit dem Judensau-Motiv und begrenzte die verheißene endzeitliche Rettung ganz Israels ({{B|Röm|11|26|LUT}}) auf einen taufwilligen Rest. Indem er das kanonische Recht aufhob und zugleich das „landesherrliche Kirchenregiment“ stärkte, habe er die Judenvertreibung zum politischen Leitbild für die Territorialherren gemacht. Seine Forderungen von 1543 hätten katholische Unterdrückungspraktiken überboten, den „Kammerknechten“ ihren relativen Rechtsschutz entzogen und sie in einen sklavenartigen Status zu drängen versucht.<ref>Hans-Martin Kirn: ''Israel als Gegenüber der Reformatoren.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens.'' Göttingen 2000, [http://books.google.de/books?id=siG1kMDJHk0C&pg=PA298 S. 298-300]</ref> Thomas Kaufmann betonte 2010: Luthers Vorstellungen von 1543, Juden seien mit dem Teufel und christenfeindlichen Mächten verbündet, um ihre „Wirtsvölker“ „auszusaugen“ und das Christentum mit magischen Praktiken zu unterminieren, „waren damals allgemein und in allen Gesellschaftsschichten verbreitet und haben als mentalitätsgeschichtlicher Hintergrund sowohl der Anhänger als auch der Gegner der Reformation zu gelten.“<ref>Thomas Kaufmann: ''Reformation.'' In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Handbuch des Antisemitismus Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien.'' Walter de Gruyter, Berlin 2010, ISBN 3-11-023379-7, [http://books.google.de/books?id=z_MBtFRPAGQC&pg=PA286 S. 286]</ref>


Laut [[Heiko Augustinus Oberman]] (1983) dagegen vertrat Luther ein konstant negatives Judenbild, das unlösbar mit seinem Geschichtsbild verbunden und in seiner Theologie verankert gewesen sei. Er habe ungetaufte Juden neben Häretikern und Scheinchristen immer zur vom Antichrist beherrschten Gesetzesreligion gezählt, die mit Jesus Christus im tödlichen Kampf liege und die katholische, später auch Teile der evangelischen Kirche unterwandert habe. Seit 1518 habe er die Annahme des Evangeliums zur Heilsbedingung erklärt. Mit den Juden habe er allegorisch immer die Selbstgerechtigkeit als Ursache aller Feindschaft und Gewalt gegen Gott kritisiert, die mit seinem Urteil über die Sünde im Kreuz Jesu Gott selbst negiere und so seinen Zorn herbeiziehe. In ihrem Schicksal habe sich für ihn die drohende neue [[babylonische Gefangenschaft]] der Christen gespiegelt, die das Evangelium ablehnen. Demgemäß habe er die evangelische Gemeinde gegen alle Angriffe des Teufels verteidigen wollen, die er erwartete. Als dessen Handlanger habe er Juden, Muslime, Papst und Häretiker in wechselnder historischer Abfolge gesehen, wobei er die jeweils akute Gefahr meist am Vergleich mit dem vorchristlichen Judentum identifiziert habe. Bis 1523 habe er die letzte Chance zur Umkehr betont, die das Evangelium Juden und falschen Christen biete. Dabei habe er immer eine Bekehrung einzelner, nie aller Juden erwartet. Gewaltmission habe er auch für Muslime und Häretiker abgelehnt. Ab 1530 habe er zunehmend eine große Koalition von Papst, Muslimen, Juden und Häretikern zur Zerstörung der nun etablierten evangelischen Kirche befürchtet. Seit 1532 habe er die unbekehrbaren Juden als Anstifter des Abfalls christlicher Sekten („Sakramentarier“) von der Reformation gesehen, aber noch nicht vertreiben wollen, solange sie sich der Obrigkeit unterordneten. Seit 1543 habe er ihren Glauben als kriminelle Bedrohung aller Christen betrachtet und darum nun ihre Vertreibung gefordert. Dabei habe er das Bekehrungsangebot an sie bis zuletzt aufrecht erhalten. Nur durch Übergehen der theologischen Funktion seiner Juden-Aussagen als Spiegel der je aktuellen Gefährdung des wahren Glaubens hätten Antisemiten sie missbrauchen können.<ref>Heiko A. Oberman: ''Die Juden in Luthers Sicht.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 136–162.</ref>
Frühere Kirchen- und Reformationshistoriker grenzten Luthers Antijudaismus meist gegen die spätere antisemitische Deutung seiner Judenschriften ab. Aber weil diese auch innerhalb des [[Protestantismus]] antisemitisch gedeutet und benutzt wurden, stellen neuere Forscher diese Abgrenzung in Frage und betonen Luthers Mitverantwortung für das Entstehen des neuzeitlichen Antisemitismus.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31)'', 2002, S. 286</ref> [[Heiko Augustinus Oberman]] betonte 1983: Luther habe nie die Vernichtung der Juden gefordert und von seinen Glaubensvoraussetzungen aus nie fordern können. Aber indem die Reformation alle christlichen Traditionen am Schriftprinzip kritisch prüfte, habe Luther alles, was für ihn „dieser Sichtung standhielt, mit neuer Kraft der Neuzeit vermittelt.“ Indem er den Antijudaismus in seiner Lehre von Gesetz und Evangelium verankerte, habe er ihm umso stärkere historische Wirkung verliehen.<ref>Heiko A. Oberman: ''Luther, Israel und die Juden.'' Das Parlament Nr. 3/ 22. Januar 1983, S. 37</ref> [[Bertold Klappert]] stimmte Oberman darin zu, dass Luther nicht für Julius Streicher haftbar zu machen sei. Aber die theologische und kirchliche Lutherdeutung der NS-Zeit habe sehr wohl Anhalt an seinen eigenen Aussagen gehabt: Weil Luther die Juden als Urheber und Anstifter der für Christen tödlichen Gesetzesreligion definierte und ihren Bundesverlust voraussetzte, habe er zwangsläufig ihre Vertreibung durch die Obrigkeit gefordert. Diese theologische Abwertung habe das Versagen des Protestantismus gegenüber der staatlichen Judenverfolgung in der NS-Zeit mit ermöglicht. Der lutherische Antijudaismus habe dem staatlichen Antisemitismus Vorschub geleistet und sich ihm angedient. Darin bestehe die besondere Schuld der evangelischen Kirchen.<ref>Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 116ff.</ref>


Als beständige theologische Aussagen Luthers zu den Juden nannte [[Bertold Klappert]] 1983:
=== Verhältnis zur reformatorischen Theologie ===
* den Geschichtsbeweis: Das Elend der Juden unter den Christen beweise, dass der Messias mit Jesus Christus schon gekommen, das nachchristliche Judentum verworfen und verflucht sei und nur noch Gottes Zorn veranschauliche (1523; 1538; 1543).
Ab 1960 fragte die Lutherforschung verstärkt nach den theologischen Gründen für Luthers Haltung zu Juden. [[Martin Stöhr]] kritisierte Deutungen, die Luthers exegetische Schriften vernachlässigen und seine praktischen Forderungen 1543 nicht aus seiner Theologie, sondern nur aus zufälligen Zeitumständen erklären. Luthers Theologie habe sich zwischen 1523 und 1543 gewandelt, dies gelte es vorbehaltlos zuzugeben.<ref name="Meier234" />
* das gebürtige Judesein Jesu Christi, der seinen leiblichen Verwandten vorrangig Anspruch auf sein messianisches Reich gebe und die [[Heidenchristen]] als ihre „Miterben“ zu ihren Brüdern mache (1523; 1543).
* die gewaltlose Judenmission: Im Vertrauen auf ihre künftige Bekehrung sollten die Christen die Juden „brüderlich“ und „freundlich“ behandeln (1523; 1537) und ihnen das Evangelium ernsthaft anbieten (1546).
* Bundesverlust und Verstockung: Aus ihrer „verstockten Anmaßung“, sie seien bleibend zum Volk Gottes erwählt, würden die Juden Jesus Christus „täglich lästern und schänden“.
* den kollektiven Kriminalitätsverdacht: Mit ihrem Festhalten an der Tora und Messiashoffnung zeigten sich die Juden für Luther als lebensgefährliche „öffentliche Feinde“ aller Christen (1514; 1537; 1543; 1546).<ref>Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 109–120.</ref>

[[Gottfried Seebaß (Theologe)|Gottfried Seebaß]] betonte 2006 Luthers Übereinstimmung mit anderen Reformatoren, die die Juden ebenfalls als Typos des selbstgerechten Sünders und veräußerlichten Kultus darstellten und damit zugleich andere Christen kritisierten. Aber sein Gedanke, dass die Sünde aller Menschen Jesus Christus ans Kreuz brachte, habe die Gottesmordthese aufgehoben und die judenfeindliche Passionsfrömmigkeit entkräftet. Ferner habe er das [[Antichrist]]-Motiv von jüdischer Abstammung gelöst und auf das Papsttum konzentriert, so dass er die Juden nicht mehr als endzeitliche Hauptfeinde gesehen habe.<ref>Gottfried Seebaß: ''Geschichte des Christentums Band 3: Spätmittelalter - Reformation - Konfessionalisierung.'' Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-018780-5, [http://books.google.de/books?id=CaTJ21rouqkC&pg=PA291 S. 291.]</ref>

=== Verhältnis Luthers zu Antisemitismus und Nationalsozialismus ===
Der reformierte Theologe [[Karl Barth]], Autor der [[Barmer Theologische Erklärung|Barmer Erklärung]] von 1934, hatte im [[Kirchenkampf]] öfter die Trennung des Gesetzes vom Evangelium im deutschen Luthertum als Ursache des politischen Versagens der [[Bekennende Kirche|Bekennenden Kirche]] gegenüber den Verbrechen des NS-Staates kritisiert.<ref>Karl Barth: ''Ein Brief nach Frankreich.'' 1939; ''Brief an Pfarrer Kooyman.'' 1940. In: Karl Barth: ''Eine Schweizer Stimme 1938–1945.'' Evangelischer Verlag, 1945, S. 108–117; S. 118–122.</ref> Er differenzierte seine theologische Kritik an Luther und seiner obrigkeitsstaatlichen Benutzung seit [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich dem Großen]] vor, bei und nach der Gründung der [[Evangelische Kirche in Deutschland|EKD]] im Oktober 1946.<ref>z.B. Karl Barth: ''Ein Wort an die Deutschen'', November 1946 und andere; referiert bei Michael Beinker: ''Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935–1950): Widerstand - Bewährung - Orientierung.'' Theologischer Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-290-17531-3, [http://books.google.de/books?id=KocP6RHeDJYC&pg=PA240 S. 240.]</ref> Der führende deutsche Lutheraner [[Hans Asmussen]] reagierte darauf mit dem polemischen Aufsatz: „Muß Luther nach Nürnberg?“ Darin führte er den Nationalsozialismus auf die Französische Revolution, den [[Marxismus]] und [[Nihilismus]] zurück; Luther sei unschuldig daran und nur von einigen Lutheranern in der NS-Zeit missbraucht worden. Auch konservative protestantische Historiker wie [[Friedrich Meinecke]] verteidigten Luther, übergingen dabei aber seine späten Schriften über Juden. Der angesehene Kirchenhistoriker [[Heinrich Bornkamm]], der Luthers Gewaltforderungen von 1543 in seinem Aufsatz 1933 („Volk und Rasse bei Martin Luther“) als „treuen Rat“ eingeführt hatte, nannte diese 1947 in der Neuausgabe des Aufsatzes (diesmal „Das Volk“ betitelt) „die heute uns so erschreckenden Ratschläge“. Diese apologetische [[Entnazifizierung|„Selbstentnazifizierung“]] war in der [[Nachkriegszeit]] typisch für viele deutsche Lutheraner.<ref>Hartmut Lehmann: ''„Muß Luther nach Nürnberg?“ Deutsche Schuld im Lichte der Lutherliteratur 1946/47.'' In: Hartmut Lehmann: ''Protestantisches Christentum im Prozeß der Säkularisierung.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-36250-1, [http://books.google.de/books?id=l6nnh53aEKUC&pg=PA65 S. 65–79.]</ref>

Im Anschluss an die herrschende deutsche protestantische Geschichtsdeutung der NS-Zeit behauptete der US-Historiker William Montgomery McGovern 1941 als Erster eine direkte Linie „von Luther zu Hitler“. Sein Buch mit diesem Titel wurde 1946 erneut aufgelegt.<ref>William Montgomery McGovern: ''From Luther to Hitler: The History of Fascist-Nazi Political Philosophy.'' Houghton Mifflin, 1941/1946.</ref> Der britische Hobby-Historiker Peter F. Wiener vertrat diese These eines deutschen [[Sonderweg]]s seit der Reformationszeit unmittelbar nach Kriegsende 1945 erneut und machte sie im englischsprachigen Raum populär.<ref>Peter F. Wiener: ''Martin Luther: Hitler's Spiritual Ancestor.'' (1945) Neuauflage, American Atheist Press, London 1999, ISBN 1-57884-954-3; [http://www.tentmaker.org/books/MartinLuther-HitlersSpiritualAncestor.html#preface Buchtext online]</ref> Der britische Kirchenhistoriker Ernest Gordon Rupp wies Wieners These 1945 zurück: Hitler habe nie einen Text Luthers gelesen. Dass er sich auf ihn berufen habe, beweise nichts, da er sich ebenso auf den allmächtigen Gott berufen habe.<ref>Ernest Gordon Rupp: ''Martin Luther. Hitler's Cause or Cure? In Replay to Peter F. Wiener.'' London 1945, S. 84; zitiert bei Michael Marissen: ''Lutheranism, Anti-Judaism, and Bach's St. John Passion: With an Annotated Literal Translation of the Libretto.'' Oxford University Press, New York 1998, [http://books.google.de/books?id=a3iirBIwvycC&pg=PA25 S. 25, Fn. 71]</ref> Der US-Historiker [[William L. Shirer]] bezeichnete Luther 1960 als „leidenschaftlichen Antisemiten und heftigen Gläubigen an einen absoluten Gehorsam gegenüber politischen Autoritäten“, der alle deutschen Juden habe loswerden und vertriebene Juden habe enteignen wollen. Seine Sprache von 1543 gegen sie sei bis zur NS-Zeit unerreicht brutal gewesen. Er habe das Verhalten der meisten Protestanten in der NS-Zeit direkt beeinflusst.<ref>William L. Shirer: ''The Rise and Fall of the Third Reich: A History of Nazi Germany.'' Simon & Schuster, 1960, ISBN 2-253-01520-2, S. 236.</ref> Diese Thesen blieben bis in die 1980er Jahre hinein gängig<ref>Peter Clarkson Matheson: ''Luther and Hitler. A controversy reviewed: JES 17 (1980), S. 445–543.</ref> und wurden auch im deutschsprachigen Raum jahrzehntelang diskutiert, seit [[Thomas Mann]] sie in seiner selbstkritisch gemeinten Rede „[[Deutschland und die Deutschen]]“ (29. Mai 1945) nahegelegt hatte.<ref>Thomas Kaufmann: ''Luther zwischen den Wissenschaftskulturen.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Göttingen 2004, [http://books.google.de/books?id=zE8fd9xw_RUC&pg=PA478 S. 478, Fn. 114]</ref> Der österreichische Kulturhistoriker [[Friedrich Heer]] vertrat 1986: „Von Luther führt ein direkter Weg zu Julius Streicher, zu den Judenmorden der ,Stürmer'- Welt.“<ref>Zitiert nach Richard Faber: ''Offener Humanismus zwischen den Fronten des Kalten Krieges: Über den Universalhistoriker, politischen Publizisten und religiösen Essayisten Friedrich Heer.'' Königshausen & Neumann, 2005, ISBN 3-8260-3037-0, [http://books.google.de/books?id=WyZgRnu_4WAC&pg=PA203 S. 203.]</ref> [[Daniel Goldhagen]] vertrat 1996: Der Holocaust sei Folge eines besonderen deutschen, eliminatorischen Antisemitismus, der mit Luther begonnen habe. Diesem gebühre „ein Platz im Pantheon der Antisemiten“.<ref>Daniel J. Goldhagen: ''Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust.'' Berlin 1996, S. 75. Dazu Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“'', Tübingen 2011, [http://books.google.de/books?id=v-V56ZKpYboC&pg=PA14 S. 144, Fn. 35]</ref>

Seit etwa 1990 wird diese monokausale Deutung kaum noch vertreten. Luther wird wegen der theologischen Gründe seines Judenhasses nicht als Antisemit eingestuft. Dennoch gilt seine Judenfeindlichkeit als eine Mitursache des Antisemitismus. Seine Judenschriften werden für dessen Entstehung mitverantwortlich gemacht, weil sie im Protestantismus antisemitisch gedeutet und benutzt wurden.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31)'', 2002, S. 286.</ref> Oberman betonte 1983: Luther habe nie die Vernichtung der Juden gefordert und von seinen Glaubensvoraussetzungen aus nie fordern können. Aber indem die Reformation alle christlichen Traditionen am Schriftprinzip kritisch prüfte, habe er alles, was für ihn „dieser Sichtung standhielt, mit neuer Kraft der Neuzeit vermittelt.“ Indem er den Antijudaismus in seiner Lehre von Gesetz und Evangelium verankerte, habe er ihm umso stärkere historische Wirkung verliehen.<ref>Heiko A. Oberman: ''Luther, Israel und die Juden.'' Das Parlament Nr. 3/ 22. Januar 1983, S. 37.</ref>

Wie Oberman meinte auch Klappert 1983, Luther sei nicht für Julius Streicher haftbar zu machen. Aber die theologische und kirchliche Lutherdeutung der NS-Zeit habe sehr wohl Anhalt an seinen Aussagen gehabt: Weil Luther die Juden als Urheber und Anstifter der für Christen tödlichen Gesetzesreligion definierte und ihren Bundesverlust voraussetzte, habe er zwangsläufig ihre Vertreibung durch die Obrigkeit gefordert. Diese theologische Abwertung habe das Versagen des Protestantismus gegenüber der staatlichen Judenverfolgung in der NS-Zeit mit ermöglicht. Der lutherische Antijudaismus habe dem staatlichen Antisemitismus Vorschub geleistet und sich ihm angedient. Darin bestehe die besondere Schuld der evangelischen Kirchen.<ref>Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 116ff.</ref>

Für [[Christhard Hoffmann]] (1994) spielte Luther „für die spezifisch deutsche Ausprägung der Judenfeindschaft […] eine entscheidende, weichenstellende Rolle“.<ref>Christhard Hoffmann: ''Christlicher Antijudaismus und moderner Antisemitismus: Zusammenhänge und Differenzen als Problem der historischen Antisemitismusforschung.'' In: Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hrsg.): ''Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus: Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen.'' Haag + Herchen, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-86137-187-1, S. 293.</ref> Laut [[Birgit Gregor]] (1999) übernahm Luther von Anfang an das kirchliche Streben, das Judentum durch vollständige [[Assimilation (Soziologie)|Assimilierung]] aufzulösen. Auch seine scheinbar „judenfreundlichen“ Schriften seien von diesem Ziel bestimmt. Der bisher unzureichend erforschte „protestantische Antisemitismus“ sei keine direkte Kontinuität „von Luther zu Hitler“, sondern eine „konstruierte Kontinuität“: Seit Adolf Stöcker hätten bestimmte protestantische Interessengruppen Luther künstlich als prominenten Vorläufer für ihre eigenen antisemitischen Ziele benutzt und dazu lange vorhandene antijüdische Ressentiments und Stereotypen in veränderter Zeitsituation bewusst mit [[Darwinismus|darwinistischer]] und rassistischer Judenfeindschaft verschmolzen.<ref>Birgit Gregor: ''Zum protestantischen Antisemitismus.'' In: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): ''Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust: »Beseitigung des jüdischen Einflusses...«: Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus: 1998/99.'' Campus, 1999, ISBN 3-593-36098-5, [http://books.google.de/books?id=9zlYLUYDcUQC&pg=PA171 S. 171–187.]</ref> Für [[Wolfgang Wippermann]] (2013) enthielt Luthers Judenhass auch eine Vernichtungskomponente, verstärkte den Antijudaismus in der frühen Neuzeit und beeinflusste Frühantisemiten wie [[Johann Jacob Schudt]] und [[Johann Andreas Eisenmenger]].<ref>Wolfgang Wippermann: ''Rassenwahn und Teufelsglaube.'' Frank & Timme, 2013, ISBN 978-3-86596-007-8, [http://books.google.de/books?id=-M6HgMLRI60C&pg=PA69 S. 69–71.]</ref>

== Kirchliche Konsequenzen ==
{{Hauptartikel|Kirchen und Judentum nach 1945}}

Die EKD begann den Schuldanteil des Protestantismus in Deutschland am Holocaust seit 1950 (Synode von Weißensee) zu reflektieren und ihr Verhältnis zum Judentum zu erneuern, wie ihre drei Denkschriften „Christen und Juden“ (1975, 1991, 2000) zeigen.<ref>Judith Krasselt-Maier: ''Luther: Gottes Wort und Gottes Gnade: Bausteine für den Religionsunterricht in der Sekundarstufe II.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, ISBN 978-3-525-77005-4, [http://books.google.de/books?id=6tr28fKLaUQC&pg=PT28 S. 28.]</ref> Zum 500. Geburtstag Luthers 1983 distanzierte sich der Rat der EKD in zwei knappen Sätzen von Luthers judenfeindlichen Aussagen; ob deren theologische Basis zu revidieren sei, blieb offen.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31).'' Stuttgart 2002, S. 304.</ref>


Der Synodalbeschluss der Landeskirche im Rheinland von 1980 benannte als entscheidende theologische Einsicht: Der ungekündigte Bund Gottes mit ganz Israel und allen gebürtigen Juden sei Grundaussage der ganzen Bibel (AT und NT), Basis der christlichen Botschaft und einziger Daseinsgrund der Kirche. Dies nötige zur Anerkennung des Judentums als eigenständigem Zeugen der Verheißungen Gottes, zum Dialog mit ihm ohne Judenmission und zur gesamtkirchlichen Bekämpfung alles Antijudaismus und Antisemitismus. Diese Positionen haben seitdem alle Teilkirchen der EKD im Kern übernommen; einige haben die bleibende Erwählung Israels als Grundartikel in ihre Kirchenverfassungen aufgenommen.<ref>Wolfgang Reinhold: ''Evangelische Kirche in Deutschland.'' In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Handbuch des Antisemitismus Band 5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen.'' Walter de Gruyter, Berlin 2012, [http://books.google.de/books?id=nYn8XmoBxCEC&pg=PA239 S. 239.]</ref>
[[Walther Bienert]] vertrat 1982 die von Stöhr abgelehnte Apologetik: Luther habe die jüdischen Wurzeln des Evangeliums, die gemeinsame hebräische Bibel, den gemeinsamen Gott und Jesu und Paulus' Einladung zur Umkehr an Israel wiederentdeckt. So habe er ein neues Verständnis für das Judentum und freundliche jüdisch-christliche Beziehungen angebahnt. Er sei später einem „antijüdischen kirchenpolitischen Irrweg“ aus zwei „unreformatischen Motiven“ erlegen: Er habe sich als Hüter des Dogmas und die evangelischen Fürsten als Hüter religiöser Einheitlichkeit ihrer Gebiete gesehen. Die historisch wirksame These einer judenfeindlichen Theologie Luthers sei falsch und von seinen Schriften aus zu korrigieren: Als Reformator sei Luther judenfreundlich gewesen, nur als Kirchenpolitiker und wegen besonderer Zeitumstände habe er sich judenfeindlich gezeigt.<ref>Walther Bienert: ''Martin Luther und die Juden'', 1982, S. 181-194</ref>


Luthers spezifischer Beitrag zum Antisemitismus wurde jedoch selten benannt. Der [[Lutherischer Weltbund|Lutherische Weltbund]] (LWB) erklärte am 1. August 1984: Eine „ehrliche und die historischen Gegebenheiten berücksichtigende Auseinandersetzung mit Luthers Angriffen auf die Juden“ würde Antisemiten die Möglichkeit entziehen, sich auf Luther zu berufen. Denn er habe „rassischen, nationalistischen und politischen Antisemitismus nicht gebilligt“. Dennoch sei sein Name in der NS-Zeit zur Rechtfertigung des Antisemitismus benutzt worden, weil „seine Schriften sich für einen solchen Missbrauch eignen“. Viele seiner antijüdischen Äußerungen seien Polemik gegen Bibelauslegungen gewesen, die er als Fehldeutung habe abwehren wollen, „da ihm das richtige Verständnis des Wortes Gottes alles galt“. {{"|Die Sünden von Luthers antijüdischen Äußerungen und die Heftigkeit seiner Angriffe auf die Juden müssen mit großem Bedauern zugegeben werden. Wir müssen dafür sorgen, dass eine solche Sünde heute und in Zukunft in unseren Kirchen nicht mehr begangen werden kann.}}<ref>[http://www.kirchliche-dienste.de/upload/36/LuthWeltbund1984Luther_und_die_Juden.pdf Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes: ''Erklärungen „Luther, das Luthertum und die Juden“ vom 1. August 1984.'']</ref> Welche theologischen Lehren Luthers antisemitischem Missbrauch widersprechen und welche sich dafür eignen, wurde jedoch nicht konkretisiert.
Laut Heiko Oberman (1983) dagegen vertrat Luther ein konstant negatives Judenbild, das unlösbar mit seinem Geschichtsbild verbunden und in seiner Theologie verankert war. Er habe ungetaufte Juden neben Häretikern und Scheinchristen immer zur vom Antichrist beherrschten Gesetzesreligion gezählt, die mit Jesus Christus im tödlichen Kampf liege und die katholische, später auch Teile der evangelischen Kirche unterwandert habe. Seit 1518 habe er die Annahme des Evangeliums zur Heilsbedingung erklärt. Mit den Juden habe er allegorisch immer die Selbstgerechtigkeit als Ursache aller Feindschaft und Gewalt gegen Gott kritisiert, die mit seinem Urteil über die Sünde im Kreuz Jesu Gott selbst negiere und so seinen Zorn herbeiziehe. In ihrem Schicksal habe sich für ihn die drohende neue [[babylonische Gefangenschaft]] der Christen gespiegelt, die das Evangelium ablehnen. Demgemäß habe er die evangelische Gemeinde gegen alle Angriffe des Teufels verteidigen wollen, die er erwartete. Als dessen Handlanger habe er Juden, Muslime, Papst und Häretiker in wechselnder historischer Abfolge gesehen, wobei er die jeweils akute Gefahr meist am Vergleich mit dem vorchristlichen Judentum identifiziert habe. Bis 1523 habe er die letzte Chance zur Umkehr betont, die das Evangelium Juden und falschen Christen biete. Dabei habe er immer eine Bekehrung einzelner, nie aller Juden erwartet. Gewaltmission habe er auch für Muslime und Häretiker abgelehnt. Ab 1530 habe er zunehmend eine große Koalition von Papst, Muslimen, Juden und Häretikern zur Zerstörung der nun etablierten evangelischen Kirche befürchtet. Seit 1532 habe er die unbekehrbaren Juden als Anstifter des Abfalls christlicher Sekten („Sakramentarier“) von der Reformation gesehen, aber noch nicht vertreiben wollen, solange sie sich der Obrigkeit unterordneten. Seit 1543 habe er ihren Glauben als kriminelle Bedrohung aller Christen betrachtet und darum nun ihre Vertreibung gefordert. Dabei habe er das Bekehrungsangebot an sie bis zuletzt aufrecht erhalten. Nur durch Übergehen der theologischen Funktion seiner Juden-Aussagen als Spiegel der je aktuellen Gefährdung des wahren Glaubens hätten Antisemiten sie missbrauchen können.<ref>Heiko A. Oberman: ''Die Juden in Luthers Sicht.'' In: Heinz Kremers (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' Neukirchen-Vluyn 1987, S. 136-162</ref>


Die ''Lutherische Europäische Kommission Kirche und Judentum'' (LEKKJ) forderte 1990, dass auch „Grundschemata lutherischer Theologie und Lehre“, wie 'Glaube und Werke', 'Verheißung und Erfüllung', 'Zwei Regimente/Zwei Reiche' im Blick auf ihre Auswirkung auf das christlich-jüdische Verhältnis neu bedacht werden“. 2011 erinnerte die LEKKJ an Reformatoren wie Urbanus Rhegius und Andreas Osiander, die den Dialog mit Juden gesucht und sich für ihre Rechte eingesetzt hätten. Diese Vorbilder seien stärker in den Kirchengemeinden zu beachten.<ref>[http://www.kirchliche-dienste.de/upload/36/Luthwe_und_die_Juden_-_Helsinki_2011.pdf LEKKJ: ''Martin Luther und das Judentum – Herausforderungen für die Lutherischen Kirchen heute''] (2011)</ref>
Als beständige Hauptaussagen Luthers zu den Juden nannte Bertold Klappert 1983:
*den Geschichtsbeweis: Das Elend der Juden unter den Christen beweise, dass der Messias mit Jesus Christus schon gekommen, das nachchristliche Judentum verworfen und verflucht sei und nur noch Gottes Zorn veranschauliche (1523; 1538; 1543).
*das gebürtige Judesein Jesu Christi, der seinen leiblichen Verwandten vorrangig Anspruch auf sein messianisches Reich gebe und die [[Heidenchristen]] als ihre „Miterben“ zu ihren Brüdern mache (1523; 1543).
*die gewaltlose Judenmission: Im Vertrauen auf ihre künftige Bekehrung sollten die Christen die Juden „brüderlich“ und „freundlich“ behandeln (1523; 1537) und ihnen das Evangelium ernsthaft anbieten (1546).
*Bundesverlust und Verstockung: Aus ihrer „verstockten Anmaßung“, sie seien bleibend zum Volk Gottes erwählt, würden die Juden Jesus Christus „täglich lästern und schänden“.
*den kollektiven Kriminalitätsverdacht: Mit ihrem Festhalten an der Tora und Messiashoffnung zeigten sich die Juden für Luther als lebensgefährliche „öffentliche Feinde“ aller Christen (1514; 1537; 1543; 1546).<ref>Bertold Klappert: ''Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchen-Vluyn 2000, S. 109-120</ref>


1998 forderte die lutherische Landeskirche Bayern als erste EKD-Mitgliedskirche: Luthers „Kampfschriften gegen die Juden“ und alle Stellen, „an denen Luther den Glauben der Juden pauschalisierend als Religion der Werkgerechtigkeit dem Evangelium entgegensetzt“, gelte es „wahrzunehmen, ihre theologische Funktion zu erkennen und ihre Wirkung zu bedenken“. Die Lutherischen Kirchen müssten sich nicht nur inhaltlich davon distanzieren, sondern Ursachen, Motive und Wirkungsgeschichte erforschen und kritisieren.<ref>Zitiert nach Freiburger Rundbrief, Neue Folge, 1999: [http://www.freiburger-rundbrief.de/de/?item=704 ''„Christen und Juden“: Erklärung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern''] (Nürnberg, 24. November 1998)</ref>
[[Gottfried Seebaß (Theologe)|Gottfried Seebaß]] betonte 2006 Luthers Übereinstimmung mit anderen Reformatoren, die die Juden ebenfalls als Typos des selbstgerechten Sünders und veräußerlichten Kultus darstellten und damit zugleich andere Christen kritisierten. Aber sein Gedanke, dass die Sünde aller Menschen Jesus Christus ans Kreuz brachte, habe die Gottesmordthese aufgehoben und die judenfeindliche Passionsfrömmigkeit entkräftet. Ferner habe er das [[Antichrist]]-Motiv von jüdischer Abstammung gelöst und auf das Papsttum konzentriert, so dass Juden nicht mehr endzeitliche Hauptfeinde für ihn waren.<ref>Gottfried Seebaß: ''Geschichte des Christentums Band 3: Spätmittelalter - Reformation - Konfessionalisierung.'' Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3170187805, [http://books.google.de/books?id=CaTJ21rouqkC&pg=PA291 S. 291]</ref>


Die [[Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre]], die LWB, [[Römisch-katholische Kirche]] und [[Weltrat methodistischer Kirchen]] 1999 beschlossen, kam ohne Beteiligung von Juden zustande. Kritisiert wurde, dass sie den hohen Rang der Rechtfertigung aus Glauben im Judentum nicht berücksichtigt und das Judentum erneut mit einer lebensfeindlichen, überholten Gesetzesreligion gleichgesetzt habe.<ref>Beispiel: [http://www.christen-und-juden.de/html/rechtfertigung.htm Stefan Meißner: ''Rechtfertigung - ein jüdischer Glaubenssatz. Kritische Anmerkungen zur gemeinsamen Erklärung von Katholiken und Protestanten zur Rechtfertigung'']</ref>
Thomas Kaufmann erklärte 2010: Luther habe vor 1537 Antonius Margarithas Behauptung übernommen, das Judentum sei insgesamt auf das Schmähen Jesu Christi und Schädigen der Christen ausgerichtet. Anstelle des „Blutfrevels“ habe er die Juden des „Wortfrevels“ angeklagt: Sie verfluchten Christus täglich und mit ihm Gott den Schöpfer. Ihre Toratreue belüge und lästere den allein gnädigen Gott; darin liege ihre teuflische, für Christen gefährliche Werkgerechtigkeit. Nicht die Christen, nur Christus allein könne sie zu sich bekehren und erhalte sein Heilsangebot an sie aufrecht. Aus diesem konstanten Glauben habe er gegensätzliche judenpolitische Konsequenzen gezogen: 1523 eine gewaltlose Mission, 1543 eine gewaltsame Verelendung der Juden. Diese sollte den „teuflischen Hochmut“ ihres Erwählungsglaubens brechen, sie zum christlichen Glauben bringen und zugleich Gottes Zorn für die Christen veranschaulichen, um ihren Glauben an seine allein rettende Gnade zu bewahren. Luthers Antijudaismus sei also untrennbar von seiner Rechtfertigungslehre.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA133 S. 133-135]</ref>


== Konsequenzen ==
== Literarische Rezeption ==
Der in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] lebende Schriftsteller [[Stefan Heym]] (1913–2001) verarbeitete Luthers Judenhass in seinem Roman ''[[Ahasver (Roman)|Ahasver]]'' (1981). Heym griff darin die Legende vom [[Ewiger Jude|Ewigen Juden]] auf, die 1602 im lutherischen Raum erschien und mit zahlreichen Nachdrucken, Erweiterungen und Abwandlungen der einflussreichste Text zum Judentum in der frühen Neuzeit wurde. Im Ursprungstext der Legende symbolisiert Ahasver, der ewige Jude, die Rolle des Judentums aus christlich-antijudaistischer Sicht: Jesus Christus habe Ahasver wegen seiner Beteiligung an der Kreuzigung verflucht, heimatlos und unsterblich durch die Zeiten zu wandern, um die Wahrheit der Erlösung allein durch das Leiden Jesu Christi für die Ungläubigen bis zu dessen Wiederkunft zu bezeugen. Die Existenz des ewigen Juden will der anonyme Legendenautor von [[Paul von Eitzen]] (1521−1598) erfahren haben. Dieser lutherische Theologe war seit 1564 Generalsuperintendent von Schleswig-Holstein gewesen.<ref>Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur'', Tübingen 2006, [http://books.google.de/books?id=UJfym9fjqt4C&pg=PA151 S. 151–154.]</ref>
{{Hauptartikel|Kirchen und Judentum nach 1945}} Die [[Evangelische Kirche in Deutschland|EKD]] begann den Schuldanteil des Protestantismus in Deutschland am Holocaust seit 1950 (Synode von Weißensee) zu reflektieren und reformierte allmählich ihr Verhältnis zum Judentum. Dies zeigen drei Denkschriften „Christen und Juden“ (1975, 1991, 2000). Zum 500. Geburtstag Luthers 1983 distanzierte sich der Rat der EKD in zwei knappen Sätzen von Luthers judenfeindlichen Aussagen; ob deren theologische Basis zu revidieren sei, blieb offen.<ref>Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31).'' Stuttgart 2002, S. 304</ref>


In Heyms Roman bildet Eitzens legendarische Begegnung mit Ahasver den Hauptstrang der Handlung. Teile davon (Eitzens Begegnung mit Luther, seine Rolle bei der Durchsetzung der lutherischen Orthodoxie) entnahm Heym historischen Quellen. Die Haupthandlung ist eingerahmt und unterbrochen von einem Dialog der aus Gottes Bereich verstoßenen fallenden Engel Ahasver und [[Luzifer]] in der mythischen Vorzeit und einem Disput zwischen einem DDR-Wissenschaftler und einem israelischen Wissenschaftler (Jochanaan Leuchtentrager = Luzifer) über Ahasvers reale Existenz in der Jetztzeit. In diesem dritten Handlungsstrang werden auch Heyms historische Quellen zu Eitzen thematisiert.<ref>Hans Wolfschütz (Die Zeit, 16. Oktober 1981): [http://www.zeit.de/1981/43/diskussion-mit-dem-teufel/komplettansicht ''Diskussion mit dem Teufel: „Der ewige Konflikt – das ist ja das Hoffnungsvolle“]</ref>
Der Synodalbeschluss der Landeskirche im Rheinland von 1980 benannte als entscheidende theologische Einsicht: Der ungekündigte Bund Gottes mit ganz Israel und allen gebürtigen Juden sei Grundaussage der ganzen Bibel (AT und NT), Basis der christlichen Botschaft und einziger Daseinsgrund der Kirche. Dies nötige zur Anerkennung des Judentums als eigenständigem Zeugen der Verheißungen Gottes, zum Dialog mit ihm ohne Judenmission und zur gesamtkirchlichen Bekämpfung alles Antijudaismus und Antisemitismus. Diese Positionen haben seitdem alle Teilkirchen der EKD im Kern übernommen; einige haben die bleibende Erwählung Israels als Grundartikel in ihre Kirchenverfassungen aufgenommen.<ref>Wolfgang Reinhold: ''Evangelische Kirche in Deutschland.'' In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Handbuch des Antisemitismus Band 5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen.'' Walter de Gruyter, Berlin 2012, [http://books.google.de/books?id=nYn8XmoBxCEC&pg=PA239 S. 239]</ref>


Im Roman begegnet Eitzen als Student der evangelischen Theologie in Wittenberg Luther. In dessen Tischrede wie auch in Eitzens Predigt, mit der er seine Magisterprüfung ablegt, baut Heym Zitate aus Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ ein.<ref>Stefan Heym: ''Ahasver.'' Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-596-11206-0, S. 35 und 49; Analyse bei Anna Reuter: ''Die Frömmigkeit des Zweifels: Biblisch-messianische Motive und deren sozialkritische Funktion im Roman Ahasver von Stefan Heym.'' Peter Lang, 2001, ISBN 3-631-36577-2, S. 40–43.</ref> Somit repräsentiert Eitzen Luthers Judenhass und das Luthertum, das diesen weitertrug. Sein Verhalten demonstriert detailliert, wie „aus den lautesten Revolutionären […] die strengsten Ordnungshüter werden“:<ref>Stefan Heym: ''Ahasver.'' Frankfurt am Main 1992, S. 135.</ref> Obwohl Ahasver ihn beim Tod seines Vaters tröstet, verfolgt Eitzen ihn und alle Juden wie Ketzer, weil sie für ihn die neue herrschende Ordnung bedrohen, die aus der Reformation hervorging und die er mit doktrinärer Dogmatik zu bewahren versucht. Darum lässt er Ahasver im Zuge seiner Ketzerverfolgung schließlich grausam foltern und töten. So repräsentiert dieser Lutherschüler die unmenschliche Ordnung, die mit dem Judentum die Hoffnung auf eine befreite Menschheit verfolgt. Ahasver, der im [[Aufstand im Warschauer Ghetto]] wiederkehrt und zum Widerstand anleitet, verkörpert seinerseits den bleibenden Widerspruch gegen jede erstarrte, unmenschlich gewordene Ordnung. Heym griff damit auch die DDR und ihre damalige Vereinnahmung Luthers als Revolutionär an.<ref>Moshe Zuckermann: ''Zwischen Politik und Kultur - Juden in der DDR.'' Wallstein, 2003, ISBN 3-89244-521-4, [http://books.google.de/books?id=2LrDSgSGQ2UC&pg=PA129 S. 129.]</ref> Er vertrat zudem eine historische These, wonach mit Luthers Reformation der religiöse Antijudaismus in den ökonomischen Antisemitismus der Neuzeit überging.<ref>Gerd Labroisse: ''Der neue Luther in der DDR.'' In: Cornelis Augustijn und andere (Hrsg.): ''Luther-Bilder im 20. Jahrhundert: Symposion an der Freien Universität.'' Edition Rodopi, 1984, ISBN 90-6203-517-5, [http://books.google.de/books?id=LA3n9_X2yroC&pg=PA250 S. 250.]</ref>
Luthers spezifischer Beitrag zu den Ursachen des Holocaust wurde jedoch selten benannt. 1998 bestimmte die lutherische Landeskirche Bayern als erste EKD-Mitgliedskirche eine Luther-Kritik als aktuelle und bleibende Aufgabe:<ref>Zitiert nach Freiburger Rundbrief, Neue Folge, 1999: [http://www.freiburger-rundbrief.de/de/?item=704 ''„Christen und Juden“: Erklärung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern''] (Nürnberg, 24. November 1998)</ref>
{{Zitat|Es ist für die lutherische Kirche, die sich dem Werk und Erbe Martin Luthers verpflichtet weiß, unerläßlich, auch seine antijüdischen Äußerungen wahrzunehmen, ihre theologische Funktion zu erkennen und ihre Wirkung zu bedenken. Sie hat sich von jedem Antijudaismus in lutherischer Theologie zu distanzieren. Hierbei müssen nicht nur seine Kampfschriften gegen die Juden, sondern alle Stellen im Blick sein, an denen Luther den Glauben der Juden pauschalisierend als Religion der Werkgerechtigkeit dem Evangelium entgegensetzt. […] Sowohl Aussagen Martin Luthers als auch bestimmte Ausprägungen lutherischer Theologie haben antijüdische Wirkungen hervorgerufen. Über die notwendige inhaltliche Distanzierung hinaus sind deren Ursachen, Motive und Wirkungsgeschichte zu erforschen und für eine künftige lutherische Theologie im Blick auf das christlich-jüdische Gespräch zu überdenken und zu kritisieren.}}


== Literatur ==
== Literatur ==
; Zeitgeschichtlicher Kontext
; Zeitgeschichtlicher Kontext
* [[Selma Stern |Selma Stern-Täubler]]: ''Die Vorstellung vom Juden und vom Judentum in der Ideologie der Reformationszeit.'' In: ''Essays Presented to Leo Baeck'', London 1954, S. 194-211
* [[Selma Stern|Selma Stern-Täubler]]: ''Die Vorstellung vom Juden und vom Judentum in der Ideologie der Reformationszeit.'' In: ''Essays Presented to Leo Baeck'', London 1954, S. 194–211.
* [[Heiko Augustinus Oberman]]: ''Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation.'' 2., durchgesehene Auflage. Severin und Siedler, Berlin 1981, ISBN 3-88680-023-7.
* Heiko Augustinus Oberman: ''Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation.'' 2., durchgesehene Auflage. Severin und Siedler, Berlin 1981, ISBN 3-88680-023-7.
* Hans-Martin Kirn: ''Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen 16. Jahrhunderts.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 1989, ISBN 3-16-745354-0
* Hans-Martin Kirn: ''Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen 16. Jahrhunderts.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 1989, ISBN 3-16-745354-0.
* Paul Gerhard Aring: ''Die Theologie der Reformationszeit und die Juden. Unbewältigte Tradition - Enttäuschte Erwartung - „Scharfe Barmherzigkeit“.'' In: Günther Bernd Ginzel (Hrsg.): ''Antisemitismus.'' Verlag Wissenschaft und Politik, 1991, ISBN 3804687725, S. 100-123
* Paul Gerhard Aring: ''Die Theologie der Reformationszeit und die Juden. Unbewältigte Tradition - Enttäuschte Erwartung - „Scharfe Barmherzigkeit“.'' In: Günther Bernd Ginzel (Hrsg.): ''Antisemitismus.'' Verlag Wissenschaft und Politik, 1991, ISBN 3-8046-8772-5, S. 100–123.
* Edith Wenzel: ''Martin Luther und der mittelalterliche Antisemitismus.'' In: Alfred Ebenbauer, Klaus Zatloukal (Hrsg.): ''Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt.'' Böhlau, Wien 1991, ISBN 3-205-05342-7, S. 301-319
* Edith Wenzel: ''Martin Luther und der mittelalterliche Antisemitismus.'' In: Alfred Ebenbauer, Klaus Zatloukal (Hrsg.): ''Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt.'' Böhlau, Wien 1991, ISBN 3-205-05342-7, S. 301–319.
* [[Friedrich Battenberg]]: ''Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-55777-7
* [[Friedrich Battenberg]]: ''Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.'' Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-55777-7.
* Achim Detmers: ''Reformation und Judentum: Israel-Lehren und Einstellungen zum Judentum von Luther bis zum frühen Calvin.'' Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-016968-8
* Achim Detmers: ''Reformation und Judentum: Israel-Lehren und Einstellungen zum Judentum von Luther bis zum frühen Calvin.'' Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-016968-8.
* Ursula Schulze: ''Juden in der deutschen Literatur des Mittelalters.'' Niemeyer, 2002, ISBN 3484108460
* Ursula Schulze: ''Juden in der deutschen Literatur des Mittelalters.'' Niemeyer, 2002, ISBN 3-484-10846-0.
* Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-149017-7.


; Lutherforschung
; Lutherforschung
* [[Kurt Meier (Kirchenhistoriker)|Kurt Meier]]: ''Zur Interpretation von Luthers Judenschriften.'' In: Kurt Meier: ''Kirche und Judentum. Die Haltung der evangelischen Kirche zur Judenpolitik des Dritten Reiches.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1968, S. 127-153
* [[Kurt Meier (Kirchenhistoriker)|Kurt Meier]]: ''Zur Interpretation von Luthers Judenschriften.'' In: Kurt Meier: ''Kirche und Judentum. Die Haltung der evangelischen Kirche zur Judenpolitik des Dritten Reiches.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1968, S. 127–153.
* Edgar Mills: ''Martin Luther and the Jews: a refutation to his book, „The Jews and their lies“.'' Neuauflage, Europäischer Verlag, 1968
* Edgar Mills: ''Martin Luther and the Jews: a refutation to his book, „The Jews and their lies“.'' Neuauflage, Europäischer Verlag, 1968.
* Joachim Rogge: ''Luthers Stellung zu den Juden.'' Luther 40, 1969, S. 13–24
* Joachim Rogge: ''Luthers Stellung zu den Juden.'' Luther 40, 1969, S. 13–24.
* Ernest Gordon Rupp: ''Martin Luther and the Jews.'' Council of Christians and Jews, 1972
* Ernest Gordon Rupp: ''Martin Luther and the Jews.'' Council of Christians and Jews, 1972.
* C. Bernd Sucher: ''Luthers Stellung zu den Juden: Eine Interpretation aus germanistischer Sicht.'' De Graaf, 1977, ISBN 90-6004-352-9
* C. Bernd Sucher: ''Luthers Stellung zu den Juden: Eine Interpretation aus germanistischer Sicht.'' De Graaf, 1977, ISBN 90-6004-352-9.
* Walther Bienert: ''Martin Luther und die Juden: Ein Quellenbuch mit zeitgenössischen Illustrationen, mit Einführungen und Erläuterungen.'' Evangelisches Verlagswerk, 1982, ISBN 3-7715-0213-6
* Walther Bienert: ''Martin Luther und die Juden: Ein Quellenbuch mit zeitgenössischen Illustrationen, mit Einführungen und Erläuterungen.'' Evangelisches Verlagswerk, 1982, ISBN 3-7715-0213-6.
* Heiko Augustinus Oberman: ''Luther, Israel und die Juden. Befangen in der mittelalterlichen Tradition.'' In: ''Martin Luther heute.'' Themenheft 3, Bundeszentrale für politische Bildung, 1983
* Heiko Augustinus Oberman: ''Luther, Israel und die Juden. Befangen in der mittelalterlichen Tradition.'' In: ''Martin Luther heute.'' Themenheft 3, Bundeszentrale für politische Bildung, 1983.
* [[Peter Maser]]: ''Erbarmen für Luther? Zu zwei neuen Büchern über den Reformator und die Juden.'' Judaica 39 (1983), S. 166-178
* [[Peter Maser]]: ''Erbarmen für Luther? Zu zwei neuen Büchern über den Reformator und die Juden.'' Judaica 39 (1983), S. 166–178.
* Heiko Augustinus Oberman: ''Luthers Stellung zu den Juden: Ahnen und Geahndete.'' In: Helmar Junghans (Hrsg.): ''Leben und Werk Martin Luthers 1526–1546. Festausgabe zu seinem 500. Geburtstag Band I und II.'' (1983) 2. Auflage, Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1985, S. 519-530
* Heiko Augustinus Oberman: ''Luthers Stellung zu den Juden: Ahnen und Geahndete.'' In: Helmar Junghans (Hrsg.): ''Leben und Werk Martin Luthers 1526–1546. Festausgabe zu seinem 500. Geburtstag Band I und II.'' (1983) 2. Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1985, S. 519–530.
* Kurt Meier: ''Luthers Judenschriften als Forschungsproblem.'' In: Theologische Literaturzeitung 7, Berlin 1985, Spalte 483-492
* Kurt Meier: ''Luthers Judenschriften als Forschungsproblem.'' In: Theologische Literaturzeitung 7, Berlin 1985, Sp. 483–492.
* Neelak S. Tjernagel: ''Martin Luther & the Jewish People.'' Northwestern Publishing House, 1985, ISBN 0-8100-0213-2
* Neelak S. Tjernagel: ''Martin Luther & the Jewish People.'' Northwestern Publishing House, 1985, ISBN 0-8100-0213-2.
* [[Heinz Kremers]] (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' 2. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1987, ISBN 3-7887-0751-8
* [[Heinz Kremers]] (Hrsg.): ''Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung.'' 2. Auflage. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1987, ISBN 3-7887-0751-8.
* Hans Joachim Hillerbrand: ''Martin Luther and the Jews.'' In: James Charlesworth (Hrsg.): ''Jews and Christians: exploring the past, present, and future.'' Crossroad Publishing, 1990, ISBN 0-8245-1012-7
* Hans Joachim Hillerbrand: ''Martin Luther and the Jews.'' In: James Charlesworth (Hrsg.): ''Jews and Christians: exploring the past, present, and future.'' Crossroad Publishing, 1990, ISBN 0-8245-1012-7.
* Reinhard Schwarz: ''Luther und die Juden im Lichte der Messiasfrage.'' In: Luther 69/1998, S. 67-81
* Reinhard Schwarz: ''Luther und die Juden im Lichte der Messiasfrage.'' In: Luther 69/1998, S. 67–81.
* Kenneth Hagen: ''Luther's So-Called Judenschriften: A Genre Approach.'' In: Archiv für Reformationsgeschichte 90, 1999, S. 130-158
* Kenneth Hagen: ''Luther's So-Called Judenschriften: A Genre Approach.'' In: Archiv für Reformationsgeschichte 90, 1999, S. 130–158.
* [[Bertold Klappert]]: ''Erwählung und Rechtfertigung: Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2000, ISBN 3-7887-1760-2, S. 105-147
* Bertold Klappert: ''Erwählung und Rechtfertigung: Martin Luther und die Juden.'' In: derselbe: ''Miterben der Verheißung.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2000, ISBN 3-7887-1760-2, S. 105–147.
* Volker Stolle: ''Israel als Gegenüber Martin Luthers - im Horizont seiner biblischen Hermeneutik.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-54204-6, S. 322-359
* Volker Stolle: ''Israel als Gegenüber Martin Luthers - im Horizont seiner biblischen Hermeneutik.'' In: Folker Siegert (Hrsg.): ''Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-54204-6, S. 322–359.
* Helmar Junghans: ''Martin Luther und die Juden.'' In: Michael Beyer, Günther Wartenberg, Helmar Junghans (Hrsg.): ''Spätmittelalter, Luthers Reformation, Kirche in Sachsen: Ausgewählte Aufsätze.'' Evangelische Verlagsanstalt, 2001, ISBN 3374019102
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* Andreas Späth: ''Luther und die Juden.'' Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2001, ISBN 3932829239
* Andreas Späth: ''Luther und die Juden.'' Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2001, ISBN 3-932829-23-9.
* Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden - neu untersucht anhand von Anton Margarithas 'Der gantz Jüdisch glaub' (1530/31).'' Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-017566-1
* Peter von der Osten-Sacken: ''Martin Luther und die Juden - neu untersucht anhand von Anton Margarithas 'Der gantz Jüdisch glaub' (1530/31).'' Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-017566-1.
* Hans-Martin Kirn: ''Luther und die Juden.'' In: [[Albrecht Beutel]] (Hrsg.): ''Luther Handbuch.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3161482662 S. 217-225
* Hans-Martin Kirn: ''Luther und die Juden.'' In: [[Albrecht Beutel]] (Hrsg.): ''Luther Handbuch.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148266-2, S. 217–225.
* Ernst-Joachim Waschke: ''Martin Luther und die Juden oder: von einem Irrweg in der Theologie.'' In: Julia Männchen, Torsten Reiprich (Hrsg.): ''Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden (Jes 56,7): Judentum seit der Zeit des zweiten Tempels in Geschichte, Literatur und Kult.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2007, ISBN 3-7887-2242-8, S. 371-383
* Ernst-Joachim Waschke: ''Martin Luther und die Juden oder: von einem Irrweg in der Theologie.'' In: Julia Männchen, Torsten Reiprich (Hrsg.): ''Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden (Jes 56,7): Judentum seit der Zeit des zweiten Tempels in Geschichte, Literatur und Kult.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2007, ISBN 978-3-7887-2242-5, S. 371–383.
* Olaf Roynesdal: ''Martin Luther and the Jews.'' Sioux Falls, 2009
* Olaf Roynesdal: ''Martin Luther and the Jews.'' Sioux Falls, 2009.
* [[Thomas Kaufmann (Kirchenhistoriker)|Thomas Kaufmann]]: ''Luther.'' In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Handbuch des Antisemitismus Band 2/2: Personen L-Z.'' Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 501-506
* Thomas Kaufmann: ''Luther.'' In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Handbuch des Antisemitismus Band 2/2: Personen L-Z.'' Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 501–506.
* Anselm Schubert: ''Fremde Sünde. Zur Theologie von Luthers späten Judenschriften.'' In: Dietrich Korsch, Volker Leppin (Hrsg.): ''Martin Luther - Biographie und Theologie.'' Coronet Books Incorporated, 2010, ISBN 3-16-150454-2
* Anselm Schubert: ''Fremde Sünde. Zur Theologie von Luthers späten Judenschriften.'' In: Dietrich Korsch, Volker Leppin (Hrsg.): ''Martin Luther - Biographie und Theologie.'' Coronet Books, 2010, ISBN 978-3-16-150454-9.
* Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 3-16-150772-X
* Thomas Kaufmann: ''Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 978-3-16-150772-4.
* [[Eric W. Gritsch]]: ''Martin Luther's Anti-Semitism: Against His Better Judgment.'' William B. Eerdman Co, 2012, ISBN 0-8028-6676-X
* [[Eric W. Gritsch]]: ''Martin Luther's Anti-Semitism: Against His Better Judgment.'' William B. Eerdman Co, 2012, ISBN 978-0-8028-6676-9.


; Rezeption
; Rezeption
:; Judentum
:; Judentum
* Reinhold Lewin: ''Luthers Stellung zu den Juden.'' (Berlin 1911) Neudruck: Aalen 1973
* Reinhold Lewin: ''Luthers Stellung zu den Juden.'' (Berlin 1911) Neudruck: Aalen 1973.
* Samuel Krauss: ''Luther und die Juden.'' In: ''Der Jude'' II, 1917/18, S. 544—547 ([http://books.google.de/books?id=WXUgDbCsDbcC&pg=PA309 Textauszug online])
* Samuel Krauss: ''Luther und die Juden.'' In: ''Der Jude'' II, 1917/18, S. 544–547. [http://books.google.de/books?id=WXUgDbCsDbcC&pg=PA309 (Textauszug online)]
* Carl Cohen: ''Luther and his Jewish Contemporaries.'' In: Jewish Social Studies 25, 1963, S. 195-204.
* Carl Cohen: ''Luther and his Jewish Contemporaries.'' In: Jewish Social Studies 25, 1963, S. 195–204.
* Arnold Agus: ''Luther and the Rabbis.'' In: The Jewish Quarterly Review Nr. 58, Juli 1967, S. 63-68
* Arnold Agus: ''Luther and the Rabbis.'' In: The Jewish Quarterly Review Nr. 58, Juli 1967, S. 63–68.
* [[Haim Hillel Ben-Sasson]]: ''The Reformation in Contemporary Jewish Eyes.'' In: Proceedings of the Israel Academy of Sciences and Humanities, Band 4, At Ahva Press, 1970
* [[Haim Hillel Ben-Sasson]]: ''The Reformation in Contemporary Jewish Eyes.'' In: Proceedings of the Israel Academy of Sciences and Humanities, Band 4, At Ahva Press, 1970
* [[Pinchas Lapide]]: ''Die Stellung zeitgenössischer Juden zu Luther.'' In: ''Die Reformation geht weiter'' (56), S. 169-185
* [[Pinchas Lapide]]: ''Die Stellung zeitgenössischer Juden zu Luther.'' In: ''Die Reformation geht weiter'' (56), S. 169–185.
* [[Christian Wiese (Religionswissenschaftler)|Christian Wiese]]: ''„Auch uns sei sein Andenken heilig!“ Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Shoah.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3525554494, S. 215-259.
* [[Christian Wiese (Religionswissenschaftler)|Christian Wiese]]: ''„Auch uns sei sein Andenken heilig!“ Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Shoah.'' In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): ''Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-55449-4, S. 215–259.


:; Vor 1933
:; Vor 1933
* Ernst Schaeffer: ''Luther und die Juden.'' In: ''Christentum und Judentum: Zwanglose Hefte zur Einführung der Christen in das Verständnis ihrer wechselseitigen Beziehungen'', Serie V, Heft 1, Gütersloh 1917
* Ernst Schaeffer: ''Luther und die Juden.'' In: ''Christentum und Judentum: Zwanglose Hefte zur Einführung der Christen in das Verständnis ihrer wechselseitigen Beziehungen'', Serie V, Heft 1, Gütersloh 1917.
* [[Johannes Brosseder]]: ''Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten. Interpretation und Rezeption von Luther-Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum.'' München 1972, ISBN 3-506-70758-2
* [[Johannes Brosseder]]: ''Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten. Interpretation und Rezeption von Luther-Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum.'' München 1972, ISBN 3-506-70758-2.
* [[Johannes Wallmann]]: ''The Reception of Luthers Writings on the Jews from the Reformation to the End of the 19th Century.'' In: Lutheran Quarterly 1, 1987, S. 72-95
* [[Johannes Wallmann]]: ''The Reception of Luthers Writings on the Jews from the Reformation to the End of the 19th Century.'' In: Lutheran Quarterly 1, 1987, S. 72–95.
* Hans-Joachim Hillerbrandt: ''„Deutsche“ und „Juden“: Betrachtungen zum Thema christlicher Antisemitismus von Luther bis Stoecker.'' In: Willi Jasper, Joachim H. Knoll (Hrsg.): ''Preußens Himmel breitet seine Sterne. Ideen zur Kultur-, Politik- und Geistesgeschichte. 2 Bände.'' Olms, 2002, ISBN 3-487-11641-3
* Hans-Joachim Hillerbrandt: ''„Deutsche“ und „Juden“: Betrachtungen zum Thema christlicher Antisemitismus von Luther bis Stoecker.'' In: Willi Jasper, Joachim H. Knoll (Hrsg.): ''Preußens Himmel breitet seine Sterne. Ideen zur Kultur-, Politik- und Geistesgeschichte. 2 Bände.'' Olms, 2002, ISBN 3-487-11641-3.
* Christian Wiese: ''„Unheilsspuren“. Zur Rezeption von Martin Luthers „Judenschriften“ im Kontext antisemitischen Denkens vor der Schoah.'' In: Peter von der Osten-Sacken (Hrsg.): ''Das missbrauchte Evangelium. Studien zu Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen.'' Institut Kirche und Judentum, 2002, ISBN 3-923095-74-0
* Christian Wiese: ''„Unheilsspuren“. Zur Rezeption von Martin Luthers „Judenschriften“ im Kontext antisemitischen Denkens vor der Schoah.'' In: Peter von der Osten-Sacken (Hrsg.): ''Das missbrauchte Evangelium. Studien zu Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen.'' Institut Kirche und Judentum, 2002, ISBN 3-923095-74-0.
* Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-149017-7
* Thomas Kaufmann: ''Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-149017-7.


:; NS-Zeit
:; NS-Zeit
* Peter F. Wiener: ''Martin Luther: Hitler's Spiritual Ancestor.'' In: ''The Peace Pamphlet No. 3, London 1945; Nachdruck: Amer Atheist Press, 2. Auflage 1999, ISBN 1-57884-954-3
* Peter F. Wiener: ''Martin Luther: Hitler's Spiritual Ancestor.'' In: ''The Peace Pamphlet No. 3.'' London 1945. (Nachdruck: 2. Auflage. Amer Atheist Press, 1999, ISBN 1-57884-954-3)
* Winfried Schiffner: ''Luther, Hitler und die Juden. Eine Blütenlese aus dem Jubiläumsjahr der 450. Wiederkehr des Geburtstages Luthers im Jahre 1933.'' In: ''Tribüne: Zeitschrift zum Verständnis des Judentums'', 3. Jahrgang, Nr. 10, 1964, S. 1064–1071
* Winfried Schiffner: ''Luther, Hitler und die Juden. Eine Blütenlese aus dem Jubiläumsjahr der 450. Wiederkehr des Geburtstages Luthers im Jahre 1933.'' In: ''Tribüne: Zeitschrift zum Verständnis des Judentums'', 3. Jahrgang, Nr. 10, 1964, S. 1064–1071.
* Johann M. Schmidt: ''Martin Luther's Attitude toward the Jews and Its Impact on the evangelical Church in Germany in the Beginning of the Third Reich.'' In: ''Proceedings of the Ninth World Congress of Jewish Studies.'' Magnes Press, Jerusalem 1986, ISBN 99995-0065-X, S. 157–164
* Johann M. Schmidt: ''Martin Luther's Attitude toward the Jews and Its Impact on the evangelical Church in Germany in the Beginning of the Third Reich.'' In: ''Proceedings of the Ninth World Congress of Jewish Studies.'' Magnes Press, Jerusalem 1986, ISBN 99995-0065-X, S. 157–164.
* Richard L. Rubenstein: ''Luther and the Roots of the Holocaust.'' In: Herbert Hirsch, Jack D. Spiro (Hrsg.): ''Persistent Prejudice: Perspectives on Anti-Semitism.'' George Mason University Press, Fairfax, Virginia 1988, ISBN 0-913969-09-5
* Richard L. Rubenstein: ''Luther and the Roots of the Holocaust.'' In: Herbert Hirsch, Jack D. Spiro (Hrsg.): ''Persistent Prejudice: Perspectives on Anti-Semitism.'' George Mason University Press, Fairfax, Virginia 1988, ISBN 0-913969-09-5.
* Gerhard Lindemann: ''Antijudaismus und Antisemitismus in den evangelischen Landeskirchen während der NS-Zeit.'' In: ''Geschichte und Gesellschaft'', 29. Jahrgang, Heft 4: ''Protestantismus und Nationalsozialismus'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 575–607
* Gerhard Lindemann: ''Antijudaismus und Antisemitismus in den evangelischen Landeskirchen während der NS-Zeit.'' In: ''Geschichte und Gesellschaft'', 29. Jahrgang, Heft 4: ''Protestantismus und Nationalsozialismus.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 575–607.
* Christopher J. Probst: ''Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany.'' Indiana University Press, 2012, ISBN 0-253-00098-X
* Christopher J. Probst: ''Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany.'' Indiana University Press, 2012, ISBN 978-0-253-00098-9.
* [[Günter Brakelmann]]: ''Hitler und Luther 1933 in Bochum.'' In: Günter Brakelmann, Peter Bukowski: ''Auf den Spuren kirchlicher Zeitgeschichte: Helmut Geck zum 75. Geburtstag.'' Lit Verlag, 2010, ISBN 3825815269, S. 198-226
* [[Günter Brakelmann]]: ''Hitler und Luther 1933 in Bochum.'' In: Günter Brakelmann, Peter Bukowski: ''Auf den Spuren kirchlicher Zeitgeschichte: Helmut Geck zum 75. Geburtstag.'' Lit Verlag, 2010, ISBN 978-3-8258-1526-4, S. 198–226.


; Seit 1945
; Seit 1945
* [[Hartmut Lehmann]]: ''Katastrophe und Kontinuität: die Diskussion über Martin Luthers historische Bedeutung in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.'' Klett, 1974
* [[Hartmut Lehmann]]: ''Katastrophe und Kontinuität: die Diskussion über Martin Luthers historische Bedeutung in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.'' Klett, 1974
* Peter Clarkson Matheson: ''Luther and Hitler. A controversy reviewed.'' JES 17, 1980, S. 445-543
* Peter Clarkson Matheson: ''Luther and Hitler. A controversy reviewed.'' JES 17, 1980, S. 445–543.
* Heiner Grote: ''Luther und die Juden. Auch 1983 hat sein typisches Thema.'' In: MdKI 34, 1983, S. 63-68
* Heiner Grote: ''Luther und die Juden. Auch 1983 hat sein typisches Thema.'' In: MdKI 34, 1983, S. 63–68.
* Eberhard Mannack: ''Luther - ein geistiger Ahnherr Hitlers?'' In: Cornelis Augustijn und andere (Hrsg.): ''Luther-Bilder im 20. Jahrhundert: Symposion an der Freien Universität.'' Editions Rodopi, 1984, ISBN 9062035175, S. 167-186
* Eberhard Mannack: ''Luther - ein geistiger Ahnherr Hitlers?'' In: Cornelis Augustijn und andere (Hrsg.): ''Luther-Bilder im 20. Jahrhundert: Symposion an der Freien Universität.'' Editions Rodopi, 1984, ISBN 90-6203-517-5, S. 167–186.
* Barbro Eberan: ''Luther? Friedrich 'der Große'? Wagner? Nietzsche? ...? ...? Wer war an Hitler schuld? Die Debatte um die Schuldfrage 1945–1949.'' 2. erweiterte Auflage, Minerva-Publikation, München 1985, ISBN 3597105335
* Barbro Eberan: ''Luther? Friedrich 'der Große'? Wagner? Nietzsche? ...? ...? Wer war an Hitler schuld? Die Debatte um die Schuldfrage 1945–1949.'' 2. erweiterte Auflage. Minerva-Publikation, München 1985, ISBN 3-597-10533-5.
* Dean Philipp Bell: ''Martin Luther and the Jews: The Reformation, Nazi Germany, and Today.'' In: ''The Soloman Goldman Lectures, Vol. VII.'' Chicago 1999, S. 155—187
* Dean Philipp Bell: ''Martin Luther and the Jews: The Reformation, Nazi Germany, and Today.'' In: ''The Soloman Goldman Lectures, Vol. VII.'' Chicago 1999, S. 155–187.
* Uwe Siemon-Netto: ''The Fabricated Luther: Refuting Nazi Connections and Other Modern Myths.'' 2. Auflage, Concordia Publishing House, 2007, ISBN 0758608551
* Uwe Siemon-Netto: ''The Fabricated Luther: Refuting Nazi Connections and Other Modern Myths.'' 2. Auflage. Concordia Publishing House, 2007, ISBN 978-0-7586-0855-0.


; Konsequenzen
; Konsequenzen
* Arnulf H. Baumann, Käte Mahn, Magne Sæbø (Hrsg.): ''Luthers Erben und die Juden: das Verhältnis lutherischer Kirchen Europas zu den Juden.'' Lutherisches Verlagshaus, 1984, ISBN 3-7859-0497-5
* Arnulf H. Baumann, Käte Mahn, Magne Sæbø (Hrsg.): ''Luthers Erben und die Juden: das Verhältnis lutherischer Kirchen Europas zu den Juden.'' Lutherisches Verlagshaus, 1984, ISBN 3-7859-0497-5.
* Kirchenamt der EKD (Hrsg.): ''Christen und Juden I–III: Die Studien der Evangelischen Kirche in Deutschland 1975–2000.'' Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2002, ISBN 3-579-02374-8
* Kirchenamt der EKD (Hrsg.): ''Christen und Juden I–III: Die Studien der Evangelischen Kirche in Deutschland 1975–2000.'' Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2002, ISBN 3-579-02374-8.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
*[[Ernst Wolf (Theologe)|Ernst Wolf]] (Freiburger Rundbrief, 1951): [http://www.freiburger-rundbrief.de/de/?item=982 ''Luther und die Juden'']
* [[Ernst Wolf (Theologe)|Ernst Wolf]] (Freiburger Rundbrief, 1951): [http://www.freiburger-rundbrief.de/de/?item=982 ''Luther und die Juden'']
* Andreas Pangritz (Berlin, 1. November 2001): [http://www.ev-theol.uni-bonn.de/fakultaet/ST/lehrstuhl-pangritz/pangritz/copy5_of_texte-zum-download/pangritz_luther.pdf ''Luthers Judenfeindschaft'']
*Hanns Leiner (Sonntagsblatt, 13. April 2008): [http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2008_15_24_01.htm ''Luthers Theologie - Teil 24: Martin Luther und die Juden'']
*Robert Schlickewitz (HaGalil, 1. März 2010): [http://www.hagalil.com/archiv/2010/03/18/luther-graetz/print/ ''Martin Luther und die Juden – aus jüdischer Perspektive'']
* Hanns Leiner (Sonntagsblatt, 13. April 2008): [http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2008_15_24_01.htm ''Luthers Theologie - Teil 24: Martin Luther und die Juden'']
* Robert Schlickewitz (HaGalil, 1. März 2010): [http://www.hagalil.com/archiv/2010/03/18/luther-graetz/print/ ''Martin Luther und die Juden – aus jüdischer Perspektive'']
*Bernd Rebe (Evangelische Aspekte, August 2012): [http://www.evangelische-aspekte.de/evasp2010/ausgabe-august-2012-startseite/evasp20123br-4/ ''“Christen und Juden III.”'']
* Bernd Rebe (Evangelische Aspekte, August 2012): [http://www.evangelische-aspekte.de/evasp2010/ausgabe-august-2012-startseite/evasp20123br-4/ ''“Christen und Juden III.”'']
*[[Martin Stöhr]] (Martin-Niemöller-Stiftung, 2. Mai 2012): [http://martin-niemoeller-stiftung.de/a166_print ''Luthers Sündenfall - Kirchenerneuerung und Antisemitismus des großen Reformators'']
* [[Martin Stöhr]] (Martin-Niemöller-Stiftung, 2. Mai 2012): [http://martin-niemoeller-stiftung.de/a166_print ''Luthers Sündenfall - Kirchenerneuerung und Antisemitismus des großen Reformators'']
*[[Margot Käßmann]] (FAZ, 1. April 2013): [http://www.faz.net/aktuell/politik/fremde-federn-margot-kaessmann-die-dunkle-seite-der-reformation-12131764.html ''Die dunkle Seite der Reformation'']
* [[Margot Käßmann]] (FAZ, 1. April 2013): [http://www.faz.net/aktuell/politik/fremde-federn-margot-kaessmann-die-dunkle-seite-der-reformation-12131764.html ''Die dunkle Seite der Reformation'']
*Christopher Probst: [http://www.theologian.org.uk/churchhistory/lutherandthejews.html ''Martin Luther and „The Jews“: A Reappraisal'']
* Christopher Probst: [http://www.theologian.org.uk/churchhistory/lutherandthejews.html ''Martin Luther and „The Jews“: A Reappraisal'']


== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Martin Luther]]
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Version vom 27. September 2013, 10:01 Uhr

Das Thema Martin Luther und die Juden bezeichnet das theologische und praktische Verhältnis des Reformators (1483–1546) zum Judentum und dessen Wirkungsgeschichte. Dieses Thema wird in der Lutherforschung seit 1911 diskutiert, seit dem Holocaust auch in der Geschichtswissenschaft, Antisemitismusforschung und christlichen Theologie. Konsens besteht heute weitgehend darin, dass Luthers Aussagen zu Juden nicht rassistisch, aber konstant antijudaistisch waren, während sich seine praktischen Forderungen zum Umgang mit Juden seit 1523 stark wandelten. Dies wird seit etwa 1980 nicht mehr nur aus Zeitumständen und enttäuschten Missionserwartungen, sondern als Grundzug und Folge seiner Theologie erklärt. Die evangelischen Kirchen haben sich seit 1950 allmählich von Luthers judenfeindlichen Aussagen und deren historischen Wirkungen im Protestantismus distanziert. Ob und wieweit auch seine Theologie zu revidieren ist, wird diskutiert.

Ausgangssituation

Der überlieferte Antijudaismus

Zur Zeit Luthers prägte der christliche Antijudaismus die Geschichte Europas seit gut 1300 Jahren. Zu den überlieferten antijudaistischen Stereotypen gehörten um 1500: Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70), die Zerstreuung (135) und Verfolgung der Juden sei eine fortwährende Strafe Gottes für die Kreuzigung Jesu Christi; ferner ihre angebliche allgemeine Christenfeindlichkeit, Verstocktheit, Blindheit, Verfluchtheit, Gottlosigkeit und Teufelsabkunft, ihre Identität mit dem Antichrist der Endzeit, der Gottesmord-Vorwurf, Legenden von Ritualmorden, Hostienfrevel, Brunnenvergiftung und heimlichem Weltherrschaftsstreben der Juden, etwa durch Verrat an feindliche Mächte, das Judensau-Motiv, auch in Verbindung mit körperlichen Zuschreibungen (Kleinwuchs, Tierklauen, Hakennasen, Gestank usw.).

Seit etwa 1200 stellten Kirchenvertreter den Talmud als christenfeindliche Fälschung und allgemein kriminelle Propaganda dar, ließen ihn öfter konfiszieren und verbrennen. Seit Juden in das Geldgeschäft abgedrängt wurden, wurde der bekannte christliche Vorwurf des Wuchers auf sie konzentriert, Damit verbunden wurde ihnen Arbeitsscheu und Ausbeutung von Christen nachgesagt. Seit Erfindung der Druckerpresse (um 1440) und volkssprachlicher Bibelübersetzungen wurden solche Stereotypen in Druckwerken massenhaft in Europa verbreitet. Darunter waren lateinische Adversus-Judaeos-Texte der Kirchenväter ebenso wie neue, volksprachliche Hetzschriften von christlichen Theologen und jüdischen Konvertiten.[1] Predigtkampagnen der Bettelorden und Judenverfolgung durch die Inquisition gingen Hand in Hand.[2]

Nach den Judenpogromen während der Kreuzzüge (12./13. Jahrhundert) waren überlebende Juden vermehrt nach Ostmitteleuropa ausgewandert. Städtische Gilden und Zünfte verdrängten die, die blieben, aus ihren bisherigen Berufszweigen in von Christen verachtete Berufszweige, vor allem das Geld-, Pfandleihe- und Trödelgeschäft. Durch kirchliche und territoriale Vorschriften wurden sie ghettoisiert und mit einer Judentracht kenntlich gemacht. In aufstrebenden Reichsstädten lebten sie in abgeschotteten Vierteln oder Straßenzügen; auch auf dem Land waren sie von der übrigen Bevölkerung isoliert. In Fürstentümern waren sie rechtlich der Kammerknechtschaft unterworfen und von sozialem Aufstieg ausgeschlossen. Nach den Judenpogromen von 1349 während der damaligen Pestpandemie wurden die überlebenden Juden aus vielen Regionen Europas vertrieben, darunter von 1388 bis 1519 aus fast 90 deutschen Städten.[3] Neben der Abwertung des Judentums als Häresie blieb die Vertreibung jüdischer Minderheiten eine ständige gesellschaftspolitische Option.[4]

Juden in Luthers Heimat im 16. Jahrhundert

Um 1500 gab es im Heiligen Römischen Reich nördlich der Alpen nur noch weniger als 40.000 Juden (0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung), die in einigen größeren Stadtgemeinden oder verstreut auf dem Land lebten. Sie verstanden sich weiterhin als Träger der Messiaserwartung und als Fremde, denen Gott die Galut, aber nicht die Abhängigkeit von den Christen auferlegt habe. Das Christentum beurteilten sie von Tora und Talmud aus als Idolatrie (Bilder- und Götzendienst). Gleichwohl ordneten sie sich gemäß dem talmudischen Grundsatz „Das Recht des Königs ist Recht“ der jeweiligen christlichen Obrigkeit unter.[5]

Im Kurfürstentum Sachsen lebten anteilig weit weniger Juden als in Berlin, Süd- und Mitteldeutschland. Seit 1536 bestand dort zudem ein Aufenthalts-, Erwerbs- und Durchzugsverbot für sie, das 1543 auf Luthers Betreiben erneuert wurde.[6] In Thüringen gab es um 1540 nur noch etwa 25 kleine jüdische Ansiedlungen und einzelne jüdische Familien in randständigen und ländlichen Ortschaften. Sie hatten keine eigene Organisation und keine Synagogen.[7]

In Luthers Wohnorten lebten damals nur in Eisleben Juden (bis 1547). Er hatte nur wenige persönliche Kontakte mit Juden, die meist von letzteren ausgingen. Nach einer von ihm 1525 bezeugten Begegnung mit zwei oder drei Rabbinern verschärfte er ab 1526 seine negativen Urteile über die Juden. Eine 1575 erstmals überlieferte Episode, wonach er beim Reichstag zu Worms (1521) mit drei Juden über Jes 7,14 LUT diskutiert und sie aus seinem Raum geworfen habe, gilt als Legende.[8] In einem Brief von 1525 an Nikolaus von Amsdorf behauptete Luther, ein jüdischer Mediziner aus Polen habe einen bezahlten Auftragsmord mit Gift an ihm geplant. Verhöre ergaben nichts, so dass er den Mann freiließ.[9] Luther und seine Frau Katharina von Bora verdächtigten Juden jedoch weiterhin, ihm nach dem Leben zu trachten.[10]

Luthers Kenntnisse vom Judentum

Luthers theologische Ausbildung als Augustinermönch war entscheidend vom Studium des damals verfügbaren masoretischen Textes des Tanachs bestimmt. Diesen lernte er durch Ausgaben christlicher Humanisten kennen, die die hebräische Sprache bei jüdischen Gelehrten studiert hatten und dann die Hebraistik an den Universitäten Europas vorantrieben. Obwohl das Hebräischstudium von Papst Clemens VI. 1311 erlaubt und 1434 auf dem Konzil von Basel erneut als Universitätsfach verlangt worden war, griff die katholische Scholastik die Humanisten noch lange als „Judenfreunde“ und subversive Häretiker an. Darauf reagierten diese ihrerseits oft mit judenfeindlichen Traktaten, die ihr Hauptziel bekräftigten: der bislang weitgehend erfolglosen Judenmission durch Entkräftung der jüdischen Bibelexegese zum Erfolg zu verhelfen.[11]

1506 erwarb Luther die damals erschienene Grammatik des Hebräischen von Johannes Reuchlin sowie 1512 dessen kommentierte lateinische Übersetzung der sieben Bußpsalmen. 1516 begann er den Psalter anhand der hebräischen Textausgabe von Konrad Pelikan und der Grammatik von Wolfgang Capito zu übersetzen. 1518 und 1520 veranlasste er die Universität Wittenberg, eine vollständige Hebräische Bibel zu erwerben. Es handelte sich vermutlich um die in Luthers Privatbibliothek gefundene Ausgabe von Gershom ben Moshe Soncino (Brescia 1494). Er studierte wahrscheinlich auch die damals neuen Lehrbücher hebräischer Grammatik von Johann Böschenstein (Wittenberg 1518) und Matthäus Aurogallus (Wittenberg 1523).[12] Er verschaffte dem jüdischen Konvertiten Jakob Gipher eine Stelle als Hebräischdozent in Wittenberg, aber keine Pastorenstelle. Er misstraute jüdischen Konvertiten, sobald sie wie Böschenstein auch jüdische Schriften auslegten oder wie Matthäus Adriani seine Bibelübersetzung in Frage stellten. Durch den Konvertiten Werner Eichhorn, der ihn in mehreren Ketzerprozessen denunzierte, erhielt sein Misstrauen Nahrung.[13]

Nachdem 1534 Luthers vollständige Übersetzung des Alten Testaments (AT) erschien, musste er sich öfter mit Einwänden von Rabbinern dazu auseinandersetzen. Er nutzte diese Chance nicht, um sich fortzubilden, sondern griff wegen seiner begrenzten Hebräischkenntnisse auf Argumentationshilfen christlicher Hebraisten und jüdischer Konvertiten zurück. Durch Nikolaus von Lyra lernte er rabbinische Bibelkommentare wie den des berühmten Raschi kennen.[14] Er betonte, grammatische Regeln seien formal unentbehrlich, dürften aber nicht den Blick für die allgemeinverständliche Selbstauslegung der ganzen Schrift verstellen. Grammatik allein dringe nicht zum eigentlichen Textsinn vor: nämlich dem, „was Christum treibet“. Deshalb kritisierte er die lateinische Bibelübersetzung von Sebastian Münster (1534/35), die sich an rabbinische Bibelexegese anlehnte, als zwar gelehrt, aber „judaisierend“ und darum potentiell gefährlich für den christlichen Glauben. Damit übernahm er ein Stereotyp, das seine katholischen Gegner gegen alle Humanisten, Hebraisten und Luther selbst gerichtet hatten.[15]

Luthers reformatorische Grundposition

Luther ließ die Bibel als einzigen Maßstab christlicher Erkenntnis und Handlungen gelten (sola scriptura). Ihr Zentrum war für ihn der unbedingte Zuspruch (Evangelium) der Gnade Gottes (sola gratia), die sich exklusiv in der stellvertretenden Schuldübernahme des für uns gekreuzigten Sohnes Gottes ereignet habe (solus Christus) und allein durch das unbedingte Vertrauen auf ihn wirksam werde (sola fide). Indem Gott sich im Leiden und Sterben Jesu Christi offenbare (Kreuzestheologie), richte er alle, die sich durch Eigenleistung („Werke“) vor Gott rechtfertigen, als „Feinde des Kreuzes Christi“.[16] Weil Gott die menschliche Sünde allein vergeben wolle, führe die „Werkgerechtigkeit“ trotz und gegen Gottes Gnade in die Verdammnis.[17]

Als Hauptvertreter dieser Werkgerechtigkeit zählte Luther in frühen exegetischen Werken oft Papsttum, Judentum und Islam miteinander auf.[18] Diese Gruppen wie auch die „Schwärmer“ missbrauchten für ihn Gottes Gesetz zur Selbstrechtfertigung, spiegelten damit die Gefährdung aller Gläubigen und bedrohten deren endzeitliche Heilsgemeinschaft.[19] Seine Kritik an der Selbstrechtfertigung zielte zuerst auf die Christen selbst, nicht nur auf die Andersgläubigen.[20]

Luther ordnete das Judentum theologisch konstant als den wahren Glauben gefährdende „Gesetzesreligion“ ein.[21] Dagegen widersprachen seine späteren Ratschläge zum politischen Umgang mit den Juden direkt seinen früheren. Ob dieser Wandel von seiner Rechtfertigungslehre aus zu erklären oder zu kritisieren ist, ist das entscheidende Deutungsproblem.[22]

Luthers Aussagen über Juden

Übersicht

Luther befasste sich in seiner ganzen Wirkungszeit als Theologe mit dem Judentum: in exegetischen Kommentaren, Predigten, Briefen, Tischreden und besonderen thematischen Aufsätzen. Letztere wurden schon 1555 als „Schriften wider Juden“ eingeordnet.[23] 1920 veröffentlichten Ferdinand Cohrs und Oskar Brenner Luthers Schriften von 1543 in der Weimarer Ausgabe unter dem Titel „Judenschriften“ und prägten damit ihr Verständnis.[24] Oft werden alle Schriften Luthers seit 1523 so bezeichnet, die sich mit Juden befassen und Ratschläge zum Umgang mit ihnen enthalten.

Alle diese Texte sind an Christen, nicht an Juden gerichtet. Luther befürwortete die Judenmission, leitete seine Leser aber nicht praktisch dazu an, sondern wollte sie durch theologische Argumente befähigen, die Wahrheit des Evangeliums zu erkennen und aus seiner Sicht falsche Bibelexegese zurückzuweisen. Ein bis 1537 geplantes missionarisches Büchlein an Juden verfasste er nicht.[25]

Jahr Titel Weimarer Ausgabe (WA)
1514 Brief an Spalatin zu Johannes Reuchlin WA Briefe 1, Nr. 7, S. 23–30.
1513–1515 Erste Psalmenvorlesung WA 3, S. 11–4, S. 462.
1516 Römerbriefvorlesung WA 56
1519 Sermon zur Betrachtung des heiligen Leidens Christi WA 2, S. 136–142.
1521 Lobgesang der heiligen Jungfrau Maria, genannt das Magnificat WA 7, S. 601ff.
1523 Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei WA 11, S. 314–336.
1523 Ein Sermon an dem Jahrestag von der Beschneidung der Juden WA 12, S. 400–407.
1525 Ein Sermon von des jüdischen Reichs und der Welt Ende WA 15, S. 741–758.
1526 Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn WA 19, S. 542–615.
1530 Brief zur liturgischen Gestaltung von Judentaufen WA Briefe 5, S. 452,1–28.
1537 An den Juden Josel WA Briefe 8, Nr. 3157, S. 89–91.
1538 Wider die Sabbather an einen guten Freund WA 50, S. 312–337.
Januar 1543 Von den Juden und ihren Lügen WA 53, S. 417–552.
März 1543 Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi WA 53, S. 579–648.
Juli 1543 Von den letzten Worten Davids WA 54, S. 28–100.
1546 Eine Vermahnung wider die Juden WA 51, S. 195f.

Brief an Spalatin zu Johannes Reuchlin (1514)

Der Humanist Johannes Reuchlin hatte in seinem Werk „Augenspiegel“ 1510 die Verbrennung des Talmud abgelehnt und diesem eine positive Rolle zum Verstehen des christlichen Glaubens zugewiesen. Die Kölner Dominikaner unter Inquisitor Jakob van Hoogstraten und dem jüdischen Konvertiten Johannes Pfefferkorn wollten das Werk in einem Inquisitionsverfahren verbieten. In einem Gutachten dazu sprach Luther Reuchlin vom Verdacht der Häresie frei und kritisierte den Verfolgungseifer seiner Gegner. Jedoch beurteilte er den Talmud wie Pfefferkorn als gotteslästerlich. Strafen und Verbote aber würden die Juden nur zu noch schlimmeren Gotteslästerungen reizen. Dies hätten alle biblischen Propheten vorhergesagt. Weil Gott die Juden an ihren „verkehrten Sinn dahingegeben“ habe, seien sie „unverbesserlich“. Gott allein werde ihre Ablehnung Jesu Christi überwinden.[26] Dieses Verstockungsmotiv entnahm Luther der Bibel, nicht empirischer Religionsausübung, und vertrat es zeitlebens, weil er davon ausging, dass Gott nicht lügen könne.

Frühe Vorlesungen (1513–1516)

In seiner ersten Psalmenvorlesung (1513–1515) übernahm Luther die altkirchliche Substitutionstheologie: Gott habe sein Volk wegen dessen fortgesetzter Überheblichkeit „ausgespien“. Als Strafe für Jesu Kreuzigung hätten die Juden ihren Tempel verloren und seien zerstreut worden. Ihre Messiashoffnung sei vergeblich, so dass sie weder leiblich (politisch) noch geistlich (religiös) bestehen könnten. Dieses Gericht habe sie aber nicht gebessert, sondern verstockt: Sie beharrten auf ihrem Ungehorsam und wollten als Feinde der Christenheit andere dazu verführen. Ihre talmudische Bibelauslegung lehre lauter Lügen, um die Wahrheit Christi aufzulösen und die Völker mit Hochmut gegen Gott zu erfüllen (u.a. WA 3/82, 25f). Sie in diesem Äon zu bekehren, sei Illusion. Nach Jes 10,21 LUT könne allenfalls ein Rest von ihnen gerettet werden (u.a. WA 4/468, 35ff). Luther sah die Lehren der Rabbiner also wie die katholische Scholastik als selbstgerechte Verfälschung des Wortes Gottes, die ständig die Verwerfung Jesu Christi wiederhole.

In seiner Vorlesung zum Römerbrief (1515/16) behandelte Luther alle Aussagen darin, die Gottes Treue zu ganz Israel trotz dessen Ablehnung Jesu Christi betonen (Röm 3,1–14 LUT; 9,3–5 LUT; 9,26 LUT; 11,1.28 LUT und öfter) durchgehend von seinem Vorurteil aus: Israel habe seine Heilsprivilegien wegen der Ablehnung Jesu Christi verloren. Paulus von Tarsus erinnere nur an vergangene, nicht an bleibend gültige Zusagen Gottes, um die Selbstgerechtigkeit des Judentums zu zerstören. Gottes exklusive Gnade im Gekreuzigten sei das Ende der Tora. Die jüdische Ablehnung Jesu Christi sei daher identisch mit Feindschaft gegen den gnädigen Gott. So konnte das Judentum für ihn nur noch eine überholte Gesetzesreligion sein, deren Toragehorsam den gnädigen Gott fortgesetzt lästere.[27]

Das sollte die Christen jedoch zu Selbstkritik und Demut anleiten. So kommentierte Luther Röm 11,22 LUT: Gott behandle die Juden so streng, „damit wir am Beispiel fremden Unglücks lernen, Gott zu fürchten und in keiner Weise vermessen zu sein.“ Dem widerspreche das überhebliche Verhalten der Christen gegenüber den Juden. Statt „lästerliche Schimpfreden“ zu halten und „sich frech gleichsam als die Gesegneten und jene als die Verfluchten“ darzustellen, müssten sie „Mitleid haben“ und „ähnliche Dinge für sich befürchten“. Weil Gott Juden wie Heiden nur aus „reiner Barmherzigkeit“ angenommen habe, hätten „beide Grund, Gott zu loben, aber nicht, miteinander zu streiten.“[28]

Röm 11,25f. EU („Verstockung liegt auf einem Teil Israels, bis die Heiden in voller Zahl das Heil erlangt haben; dann wird ganz Israel gerettet werden...“) fand Luther „so dunkel“, dass diese Zusage niemand von der endgültigen Bekehrung aller Juden zu Jesus Christus überzeugen könne. Er blieb zeitlebens skeptisch gegen diese Verheißung, weil er Gottes Treue zur Erwählung ganz Israels nicht mit seinem Verständnis der Rechtfertigung des Gottlosen in Einklang bringen konnte.[29]

Sermon zur Betrachtung des heiligen Leidens Christi (1519)

In dieser Passionspredigt kritisierte Luther, dass die Kirche aus dem Betrachten des Gekreuzigten ein Bedenken der Bosheit der Juden gemacht habe. Der Gekreuzigte sei Spiegel der eigenen todeswürdigen Sünde, über die der Einzelne („Du“) beim Betrachten seines Leidens tödlich erschrecken müsse. Juden und Heiden hätten seinen Tod gleichermaßen und gemeinsam verursacht. Sie seien Werkzeuge der darin verwirklichten Gnade Gottes geworden. Daher trat der Vorwurf des Gottesmords bei Luther zurück.[30]

1520 verwarf Luther auch die zur Passionszeit üblichen antijüdischen Hetzpredigten von Volkspredigern gegen die Juden und verlangte eine Abkehr davon (WA V, S. 427ff.). Dazu formulierte er eine neue Passionshymne:

„Unsre große Sünde und schwere Missetat Jesum, den wahren Gottessohn, ans Kreuz geschlagen hat. Drum wir dich, armer Juda, dazu der Juden Schar, nicht feindlich dürfen schelten. Die Schuld ist unser zwar. Kyrieleison.“

Diese sollte die judenfeindlichen Improperien der katholischen Karfreitagsliturgie ersetzen und wurde noch 1544, nach seinen judenfeindlichen Schriften, in Wittenberg eingeführt.[31]

Magnificat (1521)

1521 kommentierte Luther das Magnificat (Lk 1,46-55 LUT). Zum Schlussvers führte er aus: Mit Jesu Geburt als Sohn einer jüdischen Mutter, aber ohne Zutun eines Mannes, habe Gott die Verheißung Gen 12,1-3 LUT erfüllt: Christus sei der verheißene „Same“ (Nachkomme) Abrahams. Diese Verheißung sei also die Basis des Heils auch für Christen und gelte bis zum Jüngsten Tag. Das hätten bereits alle biblischen Erzväter und Propheten Israels gewusst und gelehrt. Die Tora sei nur als Anreiz gegeben worden, den künftigen Erlöser noch stärker zu erhoffen. Doch die Juden hätten dieses Heilsangebot missverstanden und glaubten, sich durch Gesetzeserfüllung selbst erlösen zu können. Die große Masse von ihnen sei diesbezüglich „verstockt“.[32]

Gleichwohl müssten die Christen sie freundlich behandeln und dürften sie nicht verachten, da gemäß der gültigen Abrahamsverheißung täglich einige Juden Christus erkennen könnten: „Wer wollte Christ werden, wenn er Christen so unchristlich mit Menschen umgehen sieht. So nicht, liebe Christen. Man sage ihnen gütlich die Wahrheit. Wollen sie nicht, so lasst sie fahren. Wieviele sind Christen, die Christus nicht achten, auch seine Worte nicht hören, ärger als Heiden und Juden.“ Damit befürwortete er den Gewaltverzicht der Judenmission. Dieses Anliegen führte seine folgende Schrift aus, die er eventuell schon 1521 plante.[33]

Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei (1523)

Mit dieser Schrift reagierte Luther auf den katholischen Vorwurf, er habe die göttliche Zeugung und somit indirekt die Jungfrauengeburt und Gottessohnschaft Jesu geleugnet. Er hielt diesen Vorwurf für absurd und wollte ihn daher nicht bloß entkräften (Teil 1), sondern auch „um anderer willen“ „etwas Nützliches“ schreiben (Teil 2):

„Ich will aus der Schrift erzählen die Ursachen, die mich bewegen, zu glauben, dass Christus ein Jude sei von einer Jungfrau geboren, damit ich vielleicht auch etliche Juden zum Christenglauben reizen möge.“

Luther hoffte also, neben seinen christlichen Gegnern auch einige Juden aus ihrer eigenen Bibel heraus exegetisch von Jesu Messianität und Gottessohnschaft zu überzeugen. Darin hatte ihn der ehemalige Rabbiner Jakob Gipher bestärkt, der sich 1519 wohl wegen Luthers Predigten hatte taufen lassen und dann in Wittenberg Hebräisch lehrte. Ihm schrieb er 1523: Die Rohheit der Päpste und Kleriker habe den Starrsinn der Juden verschlimmert; kirchliche Lehren und Sitten hätten ihnen keinerlei „Funken von Licht oder Wärme“ erwiesen. Da nun aber „das goldene Licht des Evangeliums“ aufleuchte, bestehe Hoffnung, dass viele Juden so wie Gipher „von Herzen zu Christus hingerissen“ würden.[34] Er widmete ihm die lateinische Übersetzung seiner Schrift und wollte damit auch der üblichen Diskriminierung getaufter Juden entgegentreten und sie im christlichen Glauben unterweisen. Er wollte die Juden gesellschaftlich weitgehend integrieren, um sie überzeugender missionieren zu können.[35] Eine erfolgreichere Judenmission sollte wiederum die Wahrheit der Reformation belegen und für ihre Fortsetzung werben.[36]

Folglich lehnte Luther die gesamte bisherige Gewaltmission und Unterdrückung der Juden ab. Päpste, Bischöfe, „Sophisten“ (Scholastiker) und Mönche, die „groben Eselsköpfe“, seien bisher mit ihnen so umgegangen, dass ein guter Christ Jude geworden wäre. Wäre er, Luther, Jude gewesen und hätte solche „Tölpel“ den Christenglauben regierend und lehrend erlebt, dann wäre er eher „eine Sau“ geworden als ein Christ. Wären die jüdischen Apostel so mit den Heiden umgegangen wie diese mit den Juden, dann wäre nie jemand Christ geworden. Die Heiden seien stets keinem Volk feindseliger begegnet als den Juden. Man habe sie bloß gewaltsam dem Papsttum unterworfen, „wie Hunde“ statt als Menschen behandelt, beschimpft und beraubt. Dabei seien sie doch Jesu Blutsverwandte, die Gott vor allen Völkern ausgezeichnet und mit der Bibel betraut habe. Wenn man ihnen verbiete, unter Christen zu arbeiten und Gemeinschaft mit ihnen zu haben, treibe man sie zum Wuchern: „Wie sollte sie das bessern?“ Solange man sie mit Gewalt bedränge, verleumde und anklage, dass sie Christenblut bräuchten, um nicht zu stinken und anderes „Narrenwerk“ mehr, könne man nichts Gutes an ihnen bewirken. Wolle man ihnen helfen, dann solle man „nicht das Gesetz des Papstes, sondern christlicher Liebe“ an ihnen üben, sie „freundlich annehmen“, arbeiten und mit Christen zusammenwohnen lassen, damit sie die Chance erhielten, „unsere christliche Lehre und unser Leben zu hören und zu sehen“. „Ob etliche halsstarrig sind, was liegt daran? Sind wir doch auch nicht alle gute Christen!“[37]

Luthers Kritik, Juden würden wie „Hunde“ behandelt, bezog sich auf eine alte Tradition: In der Spätantike und im Frühmittelalter hatten kirchliche Theologen und Päpste die heimatlosen Juden öfter als „streunende“ oder „tollwütige Hunde“ bezeichnet und damit ihren unterdrückten Status gerechtfertigt.[38] Georg von der Pfalz hatte 1519 angeordnet, alle Juden seiner Diözese völlig zu isolieren, weil sie „keine Menschen, sondern Hunde“ seien.[39] In manchen katholischen Gegenden wurden Juden, die religiöser oder sonstiger Vergehen bezichtigt wurden, damals an den Füßen zwischen zwei lebenden Hunden aufgehängt, um sie besonders quälend und entehrend hinzurichten und vor ihrem Tod noch zur Konversion zu zwingen.[40]

Luthers theologische Argumentation deckte sich jedoch mit seinen früheren und späteren Aussagen: Er ging wie selbstverständlich davon aus, dass das „Erzählen“ der gesamtbiblischen Heilsgeschichte, also der Eigensinn des AT, Jesus und niemand sonst als den Christus erweise. Diesen hätten schon die biblischen Erzväter und Propheten verkündet; daher kehrten Juden, die ihn als ihren Messias annehmen, nur zu deren Glauben zurück. Die meisten Juden hätten diesen Glauben verloren, auch weil die Päpste das Evangelium im AT zum versklavenden Gesetz verdreht hätten. Jetzt erst könne das befreiende Evangelium klar und überall gehört werden: In Christus nehme Gott alle Sünder, Juden wie Heiden, bedingungslos an. Damit begründete Luther eine Solidarität der Christen mit den Juden im gemeinsamen Hören auf die Bibel, bestritt aber zugleich strikt jede andere Auslegung als die, die das Neue Testament (NT) voraussetzt: Alle Zusagen des AT redeten für ihn von Jesus Christus, ja in ihnen rede dieser selbst. Er war also überzeugt, die Reformation habe den wahren Sinn der Bibel aufgedeckt und Jesu Christi Erfüllung der biblischen Verheißungen lasse sich am Wortlaut der Bibel nachweisen, so dass nichts mehr die Juden hindere, Christen zu werden. Dabei projizierte er jedoch bereits sein Verständnis des Glaubens als Überwindung der Werkgerechtigkeit auf die ganze Bibel, so dass jüdisches Selbstverständnis nicht in seinen Blick kam.[41]

Darum deutete er Gen 3,15 LUT; Gen 22,18 LUT; 2 Sam 7,12 LUT und Jes 7,14 LUT als Weissagung des Gottessohns und der Jungfrauengeburt, dann Gen 49,10-12 LUT und Dan 9,24-28 LUT als Belege, dass der Messias in Jesus Christus schon gekommen, die jüdische Messiaserwartung also überholt sei.[42] Dazu zog er auch 2 Sam 23,2f LUT; Jer 33,17-26 LUT und Hag 2,6-9 LUT heran.[43] Diese Stellen hatte schon die Patristik gegenüber Juden immer wieder sinngemäß verwendet.[44] Er empfahl aber ein pädagogisch abgestuftes Verkünden des Evangeliums: Man solle die Juden erst den Menschen Jesus als den wahren Messias erkennen lassen; später solle man sie lehren, dass Jesus auch wahrhaftiger Gott sei, also ihr Vorurteil überwinden, dass Gott nicht Mensch sein könne. Damit wolle er es für diesmal bewenden lassen und das Eigenwirken des Evangeliums abwarten. Er schloss: „Gott gebe uns allen seine Gnade, Amen.“[45]

Luther sprach hier auch das traditionelle Misstrauen gegen getaufte Juden (Marranen) an und führte die Haltung derer, die lebenslang „Juden unter der Christen Deckmantel“ blieben, auf päpstliche Irrlehre und fehlende Evangeliumspredigt zurück. 1530 wies er einen evangelischen Pastor brieflich an, bei der Taufe eines jüdischen Mädchens streng zu beachten, dass es den christlichen Glauben nicht vortäusche, da dies bei Juden zu erwarten sei. In einer späteren Tischrede an Justus Menius wollte Luther einen „frommen“, seine Religion ernstnehmenden Juden, der sich die Taufe mit Schmeichelei zu verschaffen suche, lieber mit einem Stein um den Hals von einer Brücke in die Elbe stoßen. Dieses Lutherwort wurde seit dem 17. Jahrhundert als Hass auf taufwillige Juden, also Ablehnung der Judenmission fehlgedeutet. So sehr Luther nur die christliche Taufe als geistliche, später auch weltliche Rettung der Juden gelten ließ, so sehr hielt er daran fest, dass sich einzelne Juden ernsthaft zu Jesus Christus bekehren können.[46]

Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn (1526)

1525 führte Luther in Wittenberg sein einziges direktes Streitgespräch mit drei Juden, die ihn um einen Empfehlungsbrief gebeten hatten. Dabei versuchte er, sie von seiner christologischen Auslegung des AT zu überzeugen. Nach ihrer Abreise erfuhr er nach eigener Aussage, sie hätten seinen Empfehlungsbrief zerrissen, weil darin der „Gehängte“ (der gemäß Dtn 21,23 als Gotteslästerer gekreuzigte Jesus) vorkam.[47]

Luther legte daraufhin den Fluchpsalm 109 so als „Trost“ aus, dass er den Beter auf Christus, seinen verfluchten Gegner auf Judas Ischariot bezog und dessen Scheitern mit der nachchristlichen Geschichte des ganzen Judentums identifizierte. Obwohl es auch nach der Tempelzerstörung weiter existierte, sei es nicht mehr Gottes Volk. Das lasse sich an seinem Verlust des eigenen Landes und der unsteten Existenz seither ablesen. So ergehe es den Feinden Jesu Christi seit 1500 Jahren, so dass die Vernunft ihr Verfluchtsein wohl einsehen müsste. Doch der Satan lasse es die Juden nicht verstehen. Diese Verblendung diene den Christen zum Trost:

„Hilf Gott, wie oft und in viel Landen haben sie ein Spiel wider Christum angericht, darüber sie verbrannt, erwürgt und verjagt sind… Aber Christus und die Seinen bleiben fröhlich in Gott, als sie dadurch bestätigt werden in ihrem Glauben… Also sie den Fluch im Geist anziehen als ein täglich Kleid, so lass sie auch ein öffentlich Schandkleid äußerlich tragen, damit sie vor aller Welt als meine Feinde erkannt und veracht werden…“[48]

Das Leiden der Juden unter den Christen soll ihr Verfluchtsein durch Gott beweisen: Mit dieser gängigen altkirchlichen Fluchtheorie rechtfertigte Luther hier die beim 4. Laterankonzil 1215 verordnete Judentracht und ganze bisherige Judenverfolgung der Christen, die er 1523 abgelehnt hatte, aus der Bibel.

Brief an Josel von Rosheim (1537)

1536 verbot Kurfürst Johann Friedrich I. den Juden im Kurfürstentum Sachsen Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und Durchreise. Daraufhin reiste Josel von Rosheim, der damalige Anwalt der Juden im Reich, an die sächsische Grenze und bat Luther brieflich um ein Treffen und darum, sich beim Kurfürsten für die Aufhebung dieses Verbots einzusetzen. Er sah in ihm noch einen möglichen Fürsprecher der Juden. Luther lehnte am 11. Juni 1537 ab: Seine Schrift von 1523 habe allen Juden „gar viel gedient“. Aber weil sie seinen Dienst für unerträgliche Dinge „schändlich missbraucht“ hätten, sehe er sich jetzt außerstande, noch bei den Fürsten für sie einzutreten. Obwohl Jesus auch Jude sei und den Juden „kein Leid getan“ habe, lästerten und verfluchten sie ihn ständig. Darum vermute er: Könnten sie tun, was sie wollten, so würden sie alle Christen um Leben und Besitz bringen. Das belegt Luthers Enttäuschung, dass die Reformation kaum Juden zur Konversion veranlasst hatte, und seine veränderte Sicht der jüdischen Religionsausübung: Diese sah er nun als latente Bedrohung des Christentums an. Daher bejahte er erstmals die Nichtduldung von Juden in einem evangelischen Gebiet.[49] Dies sehen manche Kirchenhistoriker als entscheidenden Wendepunkt in Luthers Haltung zu Juden.[50]

Dahinter stand Luthers 1532 gewonnene Kenntnis der christlichen Sabbater in Mähren, die den Sabbat anstelle des Sonntags einhielten. Er führte dies auf jüdischen Einfluss zurück und sah darin den Beweis für jüdische „Proselyten-Macherei“ unter Christen. Diese enttäuschte ihn maßlos, auch weil sie Katholiken zu bestätigen schien, die ihm vorgeworfen hatten, die evangelische Duldung der Juden würde deren Feindschaft gegen das Christentum nur steigern.[51] Kaiserliche und fürstliche Judenordnungen verboten Juden die Missionierung von Christen zwar streng und drohten andernfalls mit Entzug des Rechtsschutzes. Aber die Reformation hatte im Judentum messianische Hoffnungen auf eine baldige Erlösung und Rückkehr ins gelobte Land Israel gestärkt (David Reuveni). Seine Toraobservanz strahlte auch auf manche Gruppen der Täuferbewegung aus. Luthers Furcht vor einer Abwendung evangelischer Gebiete von seiner Glaubensauffassung war daher nicht unbegründet. Die Confessio Augustana von 1530 wehrte auch deshalb „jüdisch Lehren“ (CA 17) und eine befürchtete, aber weitgehend fiktive jüdische Gegenmission ab.[52]

Wider die Sabbather (1538)

Luther gab diese Schrift als Privatbrief „an einen guten Freund“ aus, um die Herkunft seiner Angaben zu verbergen und Repliken darauf zu erschweren. Er behauptete, in Mähren hätten die Juden schon viele Christen beschnitten und zu dem Glauben verführt, dass der Messias noch nicht gekommen sei. Diese zum Judentum übergetretenen Christen hätten sich verpflichtet, die ganze Tora einzuhalten. Dies sei jedoch wegen der Tempelzerstörung 70 n. Chr. unmöglich. Um die Tora halten zu können, müssten die Juden erst den Jerusalemer Tempel wiederaufbauen, das Land Israel zurückerobern und die Tora dort zum allgemeinen Staatsgesetz machen. Dann müssten auch alle Proselyen dorthin umsiedeln. Man solle abwarten, ob das geschehe; falls nicht, sei die Lächerlichkeit ihrer Versuche erwiesen, Christen zum Einhalten der Tora zu bringen, die seit 1500 Jahren „verfault“ sei.[53]

Da Luther die „Sabbather“ seit 1532 kannte und wahrscheinlich wusste, dass sie keinen Kontakt zu Juden hatten, wird angenommen, dass er sie als Vorwand benutzte, um die Vertreibung der Juden aus Mähren zu fordern.

Von den Juden und ihren Lügen (Januar 1543)

Mit dieser Schrift begann Luthers Serie judenfeindlicher Schriften von 1543, die denselben Zweck verfolgten: das Judentum theologisch vollständig zu entkräften und zu verteufeln, um die Vertreibung der Juden aus allen evangelischen Gebieten zu erreichen. Laut einer Tischrede von 1542 wandte er sich hier auch gegen das „Judaisieren“ christlicher Hebraisten. In der Erstausgabe gab er an, ein (ungenannter) Rabbiner habe seine Sabbaterschrift zu widerlegen versucht und ihn dabei auf ein Buch hingewiesen, das ein Gespräch eines Juden mit einem Christen beinhalte, in dem der Christ „abwesend“ sei. Damit kann er Sebastian Münsters Schrift Messias Christianorum et Judaeorum Hebriace & Latine von 1539 gemeint haben: Diese gab dem jüdischen Gesprächspartner Raum zur Entfaltung seiner rabbinischen Messiasvorstellungen, talmudischen und kabbalistischen Exegese. Der Christ stellt dem nur christlich gedeutete AT-Stellen gegenüber, ohne den Juden zu überzeugen.[54]

Luther erklärte zu Beginn, er wolle die Juden nicht mehr bekehren, weil dies sowenig möglich sei wie beim Teufel. Er lehnte Disputationen mit Juden und Lernen von ihrer Bibelexegese ab, weil dies sie erfahrungsgemäß nur in ihrem Glauben bestärke und ermutige, Christen „an sich zu locken“. Er wolle nur noch „unseren Glauben stärken und die schwachen Christen vor den Juden warnen“, also nur ihnen selber die „unsinnige Narrheit“ des jüdischen Messiasglaubens beweisen. Dazu genüge das Neue Testament, so dass man das „verdammte Glossieren“ (fälschende Auslegen) der Juden von vornherein zurückweisen solle. Eine rein philologische Bibelexegese verfehle die eigentliche Aufgabe, das Christuszeugnis des AT herauszustellen. Diese christologische AT-Exegese führte Luther im ersten Teil im Kontrast zu Münsters Dialogschrift vor.[55]

Er beschrieb zunächst den „Hochmut“ der gegenwärtigen Juden, ihren Erwählungsanspruch: Sie hielten sich aufgrund Abstammung, Beschneidung, Tora, Land- und Tempelbesitz für Gottes Volk, obwohl sie doch wie alle Menschen als Sünder unter Gottes Zorn stünden. Anhand von fünf AT-Stellen versuchte er dann, die Messianität Jesu Christi zu beweisen. Im dritten Teil beschrieb er jüdische Polemik gegen ihn und die Christen. Im letzten Teil zog er praktische Folgerungen daraus. Schon in die theologischen Anfangsteile ließ er laufend viele damalige Stereotypen einfließen:

Juden seien blutdürstig, rachsüchtig, das geldgierigste Volk, leibhaftige Teufel, verstockt. Ihre „verdammten Rabbiner“ verführten die christliche Jugend wider besseres Wissen, sich vom wahren Glauben abzuwenden. Man beschuldige sie, Brunnen zu vergiften, Kinder wie Simon von Trient zu rauben und zu ermorden; falls dies nicht zutreffe, seien sie aber bereit dazu.[56] Denn wenn sie etwas Gutes täten, dann nicht aus Liebe, sondern aus Eigennutz, weil sie bei den Christen wohnen müssten. Sie hielten nicht einmal die Zehn Gebote, machten sich zu Herren der Christen, beuteten sie aus und verhöhnten sie, obwohl es ihnen jetzt besser gehe als im Königreich Israel:[57]

„Jawohl, sie halten uns in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, das wir arbeiten und sie faule Juncker lassen sein […] sind also unsere Herren, wir ihre Knechte.“

Dann fragte er: „Was sollen wir Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“ Er schlug sieben Schritte als „scharfe Barmherzigkeit“ vor. Man solle:

  • ihre Synagogen niederbrennen,
  • ihre Häuser zerstören und sie wie Zigeuner in Ställen und Scheunen wohnen lassen,
  • ihnen ihre Gebetbücher und Talmudim wegnehmen, die ohnehin nur Abgötterei lehrten,
  • ihren Rabbinern das Lehren bei Androhung der Todesstrafe verbieten,
  • ihren Händlern das freie Geleit und Wegerecht entziehen,
  • ihnen das „Wuchern“ (Geldgeschäft) verbieten, all ihr Bargeld und ihren Schmuck einziehen und verwahren,
  • den jungen kräftigen Juden Werkzeuge für körperliche Arbeit geben und sie ihr Brot verdienen lassen.

Aber wiewohl er Juden gern eigenhändig erwürgen würde, sei es Christen verboten, sie zu verfluchen und persönlich anzugreifen. Die Obrigkeit, die Gott zur Abwehr des Bösen eingesetzt habe, müsse die Christen vor den „teuflischen“ Juden schützen. Falls die Fürsten seine Ratschläge ablehnten, müssten sie den Juden wenigstens ihre religiösen Stätten, Gottesdienste, Bücher und ihre Gotteslästerung verbieten. Falls sich auch dieses nicht durchführen lasse, so bleibe nur, die Juden aus den evangelischen Ländern „wie die tollen Hunde“ zu verjagen.[58] Die evangelischen Pfarrherrn und Prediger wies er an, seine Ratschläge unabhängig vom Verhalten der Obrigkeit im Alltag zu befolgen und ihre Gemeinden vor jedem Kontakt mit Juden und jeder Nachbarschaftshilfe für sie zu warnen. Zudem sollten sie ihre Regierungen ständig an ihre „Gott geschuldete“ Aufgabe erinnern, die Juden zur Arbeit zu zwingen, ihnen das Zinsnehmen zu verbieten und sie an aller Christentumskritik zu hindern. Damit rechtfertigte Luther selbst die Weiterverbreitung und ständige Aktualisierung seiner antijüdischen Schriften.[59]

Mit diesem brutalen Gewaltaufruf sprach Luther den Juden die Menschenwürde ab, die er ihnen 1523 zugestanden hatte.[60] Er kehrte die reale Lage der damaligen „Kammerknechte“ demagogisch in ein Zerrbild um, das an den Sozialneid der Bevölkerung appellierte. Dabei war ihm bewusst, dass die Juden nur wegen ihrer Schutzgeldzahlungen geduldet wurden; diese Politik zu beenden, war sein eigentliches Ziel.[61] Erstmals taucht hier der frühneuzeitliche Vergleich von Juden mit „Zigeunern“ auf. Die Roma waren 1498 im ganzen Heiligen Römischen Reich für vogelfrei erklärt worden, weil sie wie die Juden als Spione der „Türken“ (der Muslime im expandierenden Osmanischen Reich) verdächtigt wurden. Luther, der diesen Reichstagsbeschluss kannte, forderte also, die Juden der gleichen Rechtlosigkeit auszuliefern.[62]

Schon der katholische Jurist Ulrich Zasius hatte 1506 gefordert, Juden zu vertreiben oder zu „eliminieren“, weil sie Christen täglich verfluchten, sie mit Wucher ausnutzten, sich weigerten, ihnen zu dienen, den christlichen Glauben lächerlich machten und gegen Christus lästerten. Am grausamsten sei der tägliche und nächtliche „Blutdurst“ dieser „Blutsauger“. Er folgerte: „Warum soll es also vor allem den Fürsten nicht gestattet sein, so ausgesprochene Feinde, so grimmige Bestien auszustoßen, warum sie nicht aus den Gebieten der Christen austreiben? Man muß jenen ekelhaftesten Auswurf in kümmerliche Finsternis versinken lassen. Auch wenn man diesen unendlichen Pöbel von Beschnittenen unter den Christen nicht mehr duldet, wird es immer noch viele von diesen Scheusalen geben, die sich unter den Heiden herumtreiben können.“[63]

Luther behauptete hier auch, er habe bisher nicht gewusst, das die Juden in ihren Schulen und Synagogen „Christum und uns belügen, lästern, fluchen, anspeien und schänden.“ Damit bezog er sich auf den „Gebetsfrevel“, den der jüdische Konvertit Antonius Margaritha 1530 als angebliches Hauptmerkmal jüdischer Religionsausübung dargestellt hatte. Seine einflussreiche Schrift „Der gantz jüdisch Glaub“ gab sich als Kompendium des Judentums, um die Christen vor angeblichen christenfeindlichen Praktiken der Juden zu warnen und zu überzeugen, dass jegliche Schutzrechte für sie eine gefährliche Illusion seien. Jede Duldung stärke nur ihr anmaßendes Erwählungsbewusstsein und führe zur Knechtung der Christen und ihrer Regenten. Nur Zwangsarbeit könne die Juden zur Erkenntnis des auf ihnen liegenden Zornes Gottes und Jesu Christi bringen. Dies geschehe aus „Barmherzigkeit“, damit am Elend der Juden ihre göttliche Verwerfung auch für die Christen aller Völker bis zum Ende der Welt anschaulich bleibe. Luther übernahm diese Argumentation bis in die Wortwahl hinein.[64]

Luthers exzessive Übernahme vorgeformter Ressentiments erklärt der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann mit dem Misserfolg seiner bisherigen, eher exegetischen Argumentation und einem „Migrationsdruck“: Kurfürst Friedrich hatte das Durchreiseverbot für Juden 1539 vorübergehend aufgehoben, und 1541 waren die Juden aus Böhmen in die Nachbarregionen vertrieben worden. Daraufhin habe Luther allen evangelische Fürsten mit allen rhetorischen Mitteln zur Vertreibung der Juden bewegen wollen. Weil Margarithas und Münsters Schriften ihn bestärkten, die Juden als aktive Feinde des Christentums zu betrachten, fühlte er sich verpflichtet, die ökonomischen und religiösen Grundlagen ihrer Existenz zu zerstören, um sie so zur Konversion zu zwingen. Dies verstand Luther als Gottesdienst, der Gott zeigen sollte, dass die Christen die angeblichen Lügen und Gotteslästerungen der Juden, von denen er überzeugt war, nicht wissentlich geduldet hätten und somit daran nicht mitschuldig seien. Er wollte eine befürchtete Strafe Gottes abwenden und seine Reformation retten, die er damals von allen Seiten bedroht sah.[65] Dietrich Korsch hebt Luthers damals verschärften Endzeit-Glauben hervor: Er habe seine Gegenwart als letzten Ansturm des Teufels gesehen, der die Juden benutze, um das Christentum zu zerstören. Er habe ihnen das Verbreiten ihrer Lehren unmöglich machen wollen, damit sie die Christen nicht mit ins Verderben zögen.[66]

Vom Schem Hamphoras (März 1543)

Mit dieser Schrift veröffentlichte Luther die von ihm ins Deutsche übersetzten Toledot Jeschu nach einer bereits antijudaistisch redigierten lateinischen Fassung. Diese aus Talmudstellen kompilierte jüdische Legende stellte Jesus als Zauberer und unehelich gezeugten Wechselbalg dar, der den Gottesnamen JHWH (umschrieben als Ha-Schem Ha-Mephorasch: „der allerheiligste, ausgeführte Name“) als magische Formel missbraucht habe und deshalb gescheitert sei.[67] Luther hatte diesen Text durch Antonius Margaritha kennengelernt und machte ihn im deutschsprachigen Raum bekannt, um die angeblich gotteslästerliche Christusfeindschaft aller Juden zu belegen, die er gerade in ihrer Heiligung des Gottesnamens sah. Dabei verhöhnte er diese jüdische Tradition und die jüdische Bibelexegese dazu aufs Äußerste: Er beschrieb sie als aus Exkrementen des Judas Ischariot gewonnen, griff dabei die Wittenberger Judensau-Skulptur auf, nannte Juden „diese Teufel“ und setzte so Juden, Judas, Exkremente, Schweine und Teufel bildhaft gleich. Seine vulgäre Fäkalsprache erreichte auch im damals üblichen groben Schimpf- und Beleidigungsstil eine maximale Schärfe.

Luther äußerte hier auch eine frühneuzeitliche, langfristig wirksame Verschwörungstheorie: Juden seien eine „Grundsuppe aller losen, bösen Buben, aus aller Welt zusammengeflossen“ und hätten sich „wie die Tattern und Zigeuner“ (Tataren und Roma bzw. Nichtsesshafte) zusammengerottet, um die christlichen Länder auszukundschaften und zu verraten, Wasser zu vergiften, Kinder zu stehlen und hinterhältig allerlei Schaden anzurichten. Sie begingen wie die Assassinen Meuchelmorde an christlichen Regenten, um dann deren Gebiete einzunehmen.[68]

Vermahnung wider die Juden (15. Februar 1546)

Im Januar 1546 reiste Luther zu Graf Albrecht VII. von Mansfeld, um mit Predigten die Vertreibung der Juden aus seinem Gebiet durchzusetzen. Sie waren nach ihrer Vertreibung aus Magdeburg (1493) in Eisleben aufgenommen worden; die Mansfelder Grafen stritten über den Umgang mit ihnen. Am 15. Februar, nach seiner letzten Predigt drei Tage vor seinem Tod, verlas Luther seine „Vermahnung“, die seine Haltung zu Juden vermächtnisartig zusammenfasste:

  • Er wolle die Juden christlich behandeln und biete ihnen an, Jesus von Nazaret als ihren Messias anzunehmen, der doch ihr Blutsverwandter und rechtmäßiger Nachkomme Abrahams sei. Dieses Angebot zur Taufe sollten die Christen machen, „damit man sehe, dass es ihnen ernst sei.“
  • Die Juden würden das Angebot ausschlagen und „unseren Herrn Jesum Christum täglich lästern und schänden“, den Christen nach „Leib, Leben, Ehre und Gut“ trachten, sie mit Wucherzinsen schädigen, sie alle gern töten, wenn sie könnten, und täten dies auch, „sonderlich, die sich für Ärzte ausgeben“. Auch wenn sie die Krankheit scheinbar zunächst heilten, würden sie nur kunstfertig „versiegeln“, so dass man später daran sterbe.[69]
  • Würden die Christen die Juden wissentlich weiter dulden, würden sie sich mitschuldig an ihren Verbrechen machen: Darum „sollt ihr Herren sie nicht leiden, sondern wegtreiben.“
  • „Wo sie sich aber bekehren, ihren Wucher sein lassen und Christum annehmen, so wollen wir sie gerne als unsre Brüder halten. Anders wird nichts draus… Sie sind unsere öffentlichen Feinde.“

Luther ließ den Juden also nur die Wahl zwischen Taufe oder Vertreibung. Da er ihre Taufbereitschaft nicht erwarten konnte, entzog er ihnen jedes Existenzrecht in evangelischen Gebieten. Diese Entrechtung begründete er mit kollektiver Mordabsicht, die er ihnen erstmals 1537 unterstellt hatte und für real hielt.[70]

Wirkungsgeschichte

Protestantismus im 16. Jahrhundert

Luthers „Judenschriften“ bildeten zwar nur einen geringen Bruchteil seines Werks, gehörten aber wegen seiner Popularität zu den meistgelesenen Texten zum Thema Juden im 16. Jahrhundert. Ab 1523 prägten sie das Judenbild des Luthertums. Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei wurde damals mit zehn deutschen und drei lateinischen Ausgaben, Vom Shem Hamphoras in sieben, die übrigen Schriften über Juden in jeweils zwei deutschen und einer lateinischen Ausgabe gedruckt.[71] Buchdruck und Druckgrafiken verbreiteten Luthers Aussagen weit, so dass sie Judenhass in der Bevölkerung fördern und literarisch weiterwirken konnten.[72]

Zunächst folgten begrenzte Versuche einer Judenmission. Luthers Freund und Übersetzer Justus Jonas vertrat 1538: Die Päpste hätten das Studium der hebräischen Bibel vernachlässigt und damit die Juden verachtet. Die Reformation habe mit ihrer Bibel auch den Wert des Volkes Israel wiederentdeckt. Die Juden könnten Jesus Christus aus dem Eigensinn des AT erkennen. Darum müsse sich die Kirche unablässig für ihre Rettung einsetzen.[73]

Ab 1543 gab man meist dem „Schutz“ der Christen vor angeblicher Gefährdung durch Juden Vorrang. Die meisten evangelischen Fürsten wollten sie jedoch als Wirtschaftsfaktor und Einnahmequelle behalten und ignorierten darum Luthers Forderungen. Das Kurfürstentum Sachsen erneuerte und verschärfte 1543 das Durchreise- und Aufenthaltsverbot für Juden von 1536. Einige Monate nach Luthers Tod wurden die Juden aus Braunschweig und weiteren Städten vertrieben. Sein Klischee jüdischer Ärzte führte zur Verbannung von jüdischen Medizinern von einigen evangelischen Universitäten.[74] 1547 vertrieb der Graf von Mansfeld die Eislebener Juden wie verlangt aus der Stadt. Philipp I. (Hessen) ordnete eine Talmudverbrennung an, verbot Juden das Zinsnehmen und setzte einen Inquisitor ein; die Vorschriften wurden dennoch nicht umgesetzt.[75] Das Stereotyp des jüdischen „Gebetsfrevels“ statt des Hostienfrevels gab im evangelischen Raum oft den Ausschlag, Juden zu vertreiben.[76]

Auch die meisten Reformatoren folgten Luthers Forderungen nicht, obwohl sie das Judentum theologisch wie er als überholte, feindliche Gesetzesreligion einordneten. Philipp Melanchthon verbreitete Luthers Schriften von 1543 als „nützliche Lehre“.[77] Wolfgang Capito unterstützte Josel von Rosheims Vorstoß zur Aufhebung des Durchzugsverbots in Sachsen.[78] Heinrich Bullinger nannte Luthers Schriften von 1543 „sehr schmutzig geschrieben“. Sie enthielten zwar manches „zur Verteidigung des Christentums nicht unnütze, aber er hat diesen schönen und dankbaren Stoff entstellt und geschändet durch seine schmutzigen Ausfälle und durch die Scurrilität, die Niemanden, am wenigsten einem bejahrten Theologen, ansteht.“ Das „schweinische, kotige Schemhamphoras“ hätte auch dann, wenn es ein Schweinehirt und kein berühmter Seelenhirt verfasst hätte, „wenig Entschuldigung“.[79] Er lehnte auch Luthers Vorwurfs des „Judaisierens“ darin ab und befürwortete eine wortgetreue Exegese des AT, da sonst auch das NT unglaubwürdig werde. Antonius Corvinus und Caspar Güttel hielten die Solidarität der gemeinsamen Schuld von Juden und Christen vor Gott fest. Urbanus Rhegius bemühte sich in seiner Region um eine gewaltlose Judenmission. Martin Bucer und Ambrosius Blarer forderten strenge Knechtschaft, nicht aber Vertreibung der Juden. Huldrich Zwingli sah sie als direkte Urheber katholischer Riten und Kriege und lastete ihnen wie Luther absichtliche Schriftverderbnis an. Das blieb politisch folgenlos, da in seiner Region kaum Juden lebten.[80]

Andreas Osiander hatte den Ritualmordvorwurf 1529 in einer anonymen Schrift anhand der Toragebote, die den Blutgenuss verbieten, widerlegt, mit Hinweis auf die tägliche Toralesung und vorbildliche Torabefolgung der Juden für unglaubwürdig erklärt[81] und die finanzielle Verschuldung von Christen als Ursache vieler Judenpogrome benannt.[82] Er blieb damit im evangelischen Raum ein Außenseiter. Weil Luther jüdische Ritualmorde 1543 anders als 1523 wieder für möglich oder wahrscheinlich erklärt hatte, erinnerte man sich im Protestantismus noch lange an derartige Vorwürfe.[83]

Mit der Hetzschrift „Judenfeind“ (1570) knüpfte der Gießener Pastor Georg Nigrinus an Luthers aggressive Polemik von 1543 an. Zudem erhob er den Vorwurf des Hostienfrevels, auf den nach der Peinlichen Halsgerichtsordnung von 1532 die Todesstrafe stand. Landgraf Wilhelm IV. (Hessen-Kassel) empfahl seinem Bruder Ludwig IV. (Hessen-Marburg) brieflich, das „schlechte Werk“, das nur von anderen abgeschrieben sei, einzuziehen.[84] 1577 gab der Leipziger Superintendent Nikolaus Selnecker, Mitautor der Konkordienformel, Luthers „Judenschriften“ von 1538 und 1543, seinen Brief an Josel von Rosheim und eine anonym verfasste Liste „schrecklicher Gotteslästerungen“ der Juden als Buch für evangelische Hausväter heraus. Er kommentierte: Weil das Wirtschaftsverhalten von getauften wie ungetauften Juden derart verdorben sei, seien sie ebensowenig wie „der Teufel und seine Mutter selbst“ zu dulden. Sie seien besonders gefährliche Feinde der Lutheraner, da sie überall gesellschaftlich aufgestiegen seien, während die wahre Lehre „greulichen Schiffbruch gelitten“ habe.[85] 1578 verfasste der Braunschweiger Pastor Martin Chemnitz ein Gutachten, das die Vertreibung der Juden aus evangelischen Städten als eine die Gewissen betreffende „Religionssache“ begründete und somit die lokalen Geistlichen für zuständig erklärte. Diese empfahlen ihren Kollegen in Einbeck, Luthers Forderungen von 1543 umzusetzen, weil die Juden schon durch ihr Dasein Jesu Messianität bestritten und ihn und die Christen somit lästerten. Deshalb seien sie genauso wie „Sakramentierer“ und Sekten zu behandeln. Der Judenschutz gefährde die einheitliche Durchsetzung der Confessio Augustana. Die bisherige Duldung der Juden in den meisten evangelischen Gebieten galt den Autoren als Abkehr vom dogmatisierten lutherischen Glauben; Luthers Spätschriften galten nun als maßgebend dafür.[86]

Nach Friedrich Battenberg zeigt das Schwanken zwischen Duldung oder Vertreibung der Juden in evangelischen Ländern, dass Luther den mittelalterlichen Antijudaismus nicht bruchlos in die Neuzeit überlieferte, aber eine langfristige Radikalisierungstendenz einleitete. Die Hauptursachen dafür waren nicht seine „Judenschriften“, sondern die religionspolitische Stärkung der Territorialherren, die konfessionelle Spaltung und die Festschreibung des Prinzips cuius regio, eius religio im Augsburger Religionsfrieden (1555). Damit erhielten die Fürsten freie Hand, ihre Hoheitsgebiete religiös zu vereinheitlichen. Der bisherige Rechtsschutz der Juden durch Kaiser und Papst wurde ausgehöhlt: Sie konnten bei Bedarf leichter vertrieben werden. Um sich von der evangelischen Seite abzugrenzen, dogmatisierte die katholische Kirche umso stärker ihre antijudaistischen Lehren und erneuerte ihre Ghettoisierungs- und Kennzeichnungsgebote.[87]

Judentum im 16. Jahrhundert

Viele Juden begrüßten Luthers Schrift von 1523 als Sensation: Zum ersten Mal seit über 1000 Jahren eröffnete ihnen ein einflussreicher christlicher Theologe die Aussicht, sie menschlich, gewaltlos, als gleichberechtigte Gesprächspartner in der gemeinsamen Bibelauslegung zu behandeln und auch ihre Rechtslage zu verbessern. Darum schickten holländische Juden Luthers Schrift als Hoffnungszeichen an die verfolgten Juden Spaniens. Andere sandten ihm zum Dank eine deutsche Übersetzung des 130. Psalms in hebräischer Schrift.[88]

1524 deutete der Chasan Abraham Farissol eine damals populäre Messiasweissagung auf Luther: Der Mann, dessen Ruhm sich überall verbreite, übe Gerechtigkeit, verabscheue Unsitten und sei edel in all seinen Vorhaben. Er habe die Falschheit des bisherigen christlichen Glaubens bewiesen; Gott habe ihn vor den Gegnern seiner Lehre gerettet. Durch seinen Einfluss träten alle Christen den Juden nun wohlwollend gegenüber und lüden sie freundlich und höflich zu ihren Gottesdiensten ein. Wegen seiner hebräischen Studien und seines Abscheus gegen den katholischen Klerus sei Luther wohl ein heimlicher Jude, der allmählich zum Judentum zurückkehre. Die Siege und Bilderstürme der Reformation seien Vorzeichen der baldigen Ankunft des Messias, so dass zwangsgetaufte Juden sich beeilen sollten, wieder ihren Glauben anzunehmen. Ein anonymer Rabbi deutete Luthers Namen als „Licht“ und betonte: Die reformatorische Abschaffung von Mönchstum, Askese, Zölibat und Fasttagen habe Christen und Juden einander angenähert.

Ein anonymer Jude schrieb um 1539 über Luthers Schrift von 1523 und 1537: Er habe zuerst die Juden zum eigenen Glauben zu bekehren versucht. Als dies ausblieb und andere Christen ihn als Fast-Israeliten verspottet hätten, habe er sie verleumdet. - Rabbi Yehielb R. Samuel da Pisa kritisierte 1539 ohne Bezug auf Luthers Judenschriften seine Lehre sola fide als Gefährdung der Lehre vom „freien Willen“, die Juden und Katholiken gemeinsam sei und die Bedeutung der guten Werke begründe.[89]

Der portugiesische Marrane Samuel Usque vermutete 1553, Marranen hätten das Luthertum heimlich angestiftet. So habe Gott als Vergeltung für katholische Zwangstaufen die christliche Einheit zerbrochen, damit zwangsgetaufte Juden den Weg zurück ins Judentum fänden. Joseph ha-Kohen begrüßte 1554 Luthers nur von eigener Einsicht geleitete Bibelauslegung als vernünftigen Beitrag zur Abschaffung der „Missbräuche Roms“, etwa des Ablasshandels, und somit zur Verbesserung der christlichen Lebenspraxis. Gott habe die Protestanten über die katholische Übermacht siegen lassen und ihr Land befreit, so wie er Israel früher von Amalek, Midian und Moab befreit habe. Kohen listete die lutherischen Märtyrer auf und betrauerte sie mit Ausdrücken jüdischer Liturgie. Rabbi Abraham Ibn Megas begrüßte die Reformation 1585 rückblickend, weil sie das Christentum in viele Lehren zersplittert habe. Deren Vertreter seien von echtem Wahrheitsdurst beseelt. So läutere Gott die Christen durch deren Religionskriege allmählich von ihren gegen die Juden begangenen Sünden.[90]

Josel von Rosheim erkannte jedoch nach seinem vergeblichen Kontaktversuch mit Luther, dass er von diesem keine Hilfe, sondern eher stärkere Entrechtung der Juden zu erwarten hatte. Seitdem zeigte er sich loyal zum Kaiser und versuchte, Luthers Einfluss auf die Judenordnungen des Reichs zurückzudrängen. 1543 bat er den Stadtrat von Straßburg, Luthers Schrift Von den Juden und ihren Lügen zu verbieten: Niemals zuvor habe „ein Hochgelehrter solch grob unmenschlich Buch mit Scheltworten und Laster uns armen Juden auferlegt, von dem sich, Gott weiß es, in unserem Glauben und in unserer Jüdischkeit in der Tat auch nicht das Geringste finden läßt.“[91] Der Straßburger Stadtrat verbot den Druck der Schriften Luthers von 1543, erlaubte 1570 aber die Veröffentlichung antijüdischer Bücher und Grafiken.[92] 1595 ließ Kaiser Rudolph II. auf Bitten der Judengemeinden Luthers Schrift Von den Juden und ihren Lügen als „schamloses Schmachbuch“ konfiszieren.[93]

Orthodoxie und Pietismus

Im 17. Jahrhundert knüpften Protestanten entweder an den „frühen“ oder den „späten“ Luther an und gingen demgemäß verschieden mit Juden um. Die theologische Fakultät Jena berief sich in einem Gutachten für den Hamburger Magistrat 1611 auf Luthers Schrift von 1523, um begrenzte Toleranz für zu bekehrende Juden zu begründen. Der reformierte Hebraist Johann Buxtorf der Ältere dagegen berief sich 1641 in seiner einflussreichen Schrift Juden Schul auf Luthers erste Schrift von 1543. Das belegt deren überkonfessionelle Wirkung.[94]

Die lutherische Orthodoxie lehnte die Judenmission als zwecklos ab. Theologen wie Johann Conrad Dannhauer und Johann Arndt deuteten Israels „Verstockung“ im Anschluss an Luthers Spätschriften als endgültige Verwerfung aller Juden bis zum Endgericht. Sie forderten häufig eine schärfere Unterdrückung der Juden als Teil von Kirchenreformen. Dagegen befürwortete der Pietismus die Judenmission als Teil der Völkermission. Philipp Jacob Spener deutete Röm 11,25f LUT wie vor ihm Johann Georg Dorsche auf eine zukünftige Bekehrung aller Juden vor dem Endgericht und suchte dafür Zeugen in der Theologiegeschichte. Erst nachdem er sein Werk Pia desideria (1675) veröffentlicht hatte, erfuhr er von einer Lutherpredigt von 1521, in der es zu Röm 11,25f. hieß: „Gott gebe, daß die Zeit nahe sei, wie wir hoffen.“ Ab 1678 stellte er Luther daher an die Spitze seiner Zeugenliste. Er kritisierte, dass ältere Ausgaben von Luthers „Hauspostille“ diese Aussage unterschlagen und „ganz Israel“ in Röm 11,26 LUT verfälschend auf die bereits zu Christus bekehrten Apostel und Urchristen vor der Tempelzerstörung (70) begrenzt hätten. Er räumte ein, dass auch Luther dies 1543 vertreten und sich damit von seiner früheren Auslegung distanziert hatte. Dies sei jedoch zeitbedingt und theologisch unerheblich.

Der orthodoxe Theologe Johann Georg Neumann bestätigte die posthume Verfälschung jenes Predigtzitats. Der Lutherschüler Caspar Cruciger der Ältere änderte es wahrscheinlich 1547, um den Widerspruch der Hauspostille zu Luthers Spätschriften, die er damals herausgab, auszuräumen. Neumann rechtfertigte diesen Eingriff als sachlich notwendig, indem er belegte, dass Luther ab 1526 durchgängig die unaufhebbare Verstockung des Judentums vertreten und dessen Bekehrung abgelehnt hatte. Doch Spener setzte die pietistische Position durch, indem er die Ursprungsversion der Lutherpredigt in die Neuauflagen der Hauspostille aufnahm. Damit machte er Luther zum Kronzeugen der Judenmission; dessen spätere gegenteiligen Aussagen ließ er fortan unerwähnt. Zwar erinnerte Gottfried Arnold 1699 noch einmal an Luthers Schriften von 1543, betonte aber, nur der frühe Luther sei für die Haltung zu den Juden verbindlich.[95]

Diese Sicht prägte das evangelische Lutherbild bis in das 20. Jahrhundert hinein.[96] Luthers Spätschriften wurden im 18. und 19. Jahrhundert von keiner theologischen Richtung offensiv rezipiert, sondern auch von konservativen Lutheranern wie Ernst Wilhelm Hengstenberg kritisiert. Luthers Appell, den Einfluss der Rabbiner zu beenden, blieb jedoch in der Aufklärungsepoche präsent.[97] Für die evangelische Kirche im Deutschen Kaiserreich (1870–1918) blieb Luthers Schrift von 1523 insgesamt maßgebend; seine Spätschriften galten als unvereinbar mit Paulus und der reformatorischen Theologie. Auch gemäßigte Antisemiten wie Adolf Stöcker beriefen sich nicht darauf. Sie wurden bis 1933 in evangelischen Kreisen wenig beachtet.[98]

Nationalismus und Antisemitismus

Seit der Französischen Revolution (1789) und der Herrschaft Napoleons (bis 1815) vereinnahmten deutsche Philosophen, Dichter und Historiker Luther für ihren romantischen oder idealistischen Nationalismus und stilisierten ihn zum Wegbereiter des angestrebten geeinten und befreiten deutschen Nationalstaats. Dieses Lutherbild vertraten im 19. Jahrhundert etwa Johann Gottfried Herder, Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte, Leopold Ranke, Heinrich von Treitschke[99] und ein Großteil der protestantischen Theologen.[100] Treitschke entnahm sein bekanntes, später von Julius Streicher übernommenes antisemitisches Motto „Die Juden sind unser Unglück“ aus Luthers Satz von 1543: „Denn sie uns eine schwere Last, wie eine Plage, Pestilenz und eitel Unglück in unserm Land sind“.[101] Er prägte auch die von Antisemiten häufig verwendeten Begriffe „Wirtsvolk“ für nichtjüdische und „Gastvolk“ für jüdische Deutsche im Anschluss an Luthers Aussage: „Ebenso tun uns die Juden, unsere Gäste, auch; wir sind ihre Hauswirte.“[102]

Vertreter des nationalistischen Lutherbilds übernahmen viele antijudaistische Klischees in ihre Ausgrenzungsrhetorik und formten sie allmählich in antisemitische Motive um. Aus dem religiösen Gegensatz von Juden und Christen wurde ein angeblicher ethnisch-rassischer Gegensatz von Juden und Deutschen; „Wucherjuden“ bezeichnete man nun als „jüdische Parasiten“.[103] Wie bei der christlichen Taufe sollten die Juden auch ihre staatsbürgerliche Emanzipation mit der Aufgabe ihrer kulturellen Identität, Religion und Ethik bezahlen.[104] Neue Bekehrungsoffensiven sollten dabei helfen. 1838 veröffentlichte der Leipziger Pastor Ludwig Fischer Luthers Schriften über Juden von 1523 und 1543, um die Notwendigkeit einer „freundlichen“ Judenmission gegenüber der „erstarrten“ lutherischen Orthodoxie zu begründen.[105]

Seit 1879 vertraten Antisemiten wie Islebiensis (Pseudonym), Theodor Fritsch und Houston Stewart Chamberlain eine rassistische Lutherdeutung, die sie ausschließlich auf Luthers Spätschriften stützten.[106] Islebiensis behauptete: Luther habe 1543 erkannt, dass die „Judenfrage“ nicht mit der Taufe zu lösen sei, und daraus die notwendige Vertreibung der Juden gefolgert: „'Hinaus mit ihnen' soll auch unser Ruf sein, den wir an alle echten Deutschen richten.“[107] Fritsch erklärte 1883 in seinem „Beweismaterial gegen Jahwe“: Der „deutsche Luther“ sei 1543 mit den „schärfsten Waffen“ gegen den „jüdischen Weltfeind“, die „ehrlosen Fremdlinge“, die weltweit kooperierende „Verbrecher-Genossenschaft“, die „Nation der Menschheitsverräter“ vorgegangen. Fritsch erklärte Jesus zum Arier, der den Gott des AT besiegt habe.[108] Chamberlain sah Luther als nationalistischen Helden, der die deutsche Nation gegen das „verjudete“ Kirchensystem Roms geschaffen habe. Seine Theologie sah er als Schwachpunkt. Der Endkampf der erwählten göttlichen Arier bzw. Germanen gegen die teuflischen Juden stehe noch bevor und könne nur mit der Vernichtung der einen durch die anderen enden.[109]

Auf diesen „Radau-Antisemitismus“ reagierten einige protestantische Theologen mit einer Doppelstrategie: Ludwig Lemme berief sich 1913 auf Luther, um politisch „scharfe Barmherzigkeit“, nämlich Enteignung und Entrechtung des angeblich dominanten Judentums, und zugleich „herzliche Nächstenliebe“, nämlich offensive kirchliche Judenmission zu fordern. Dabei sei vom Verfluchtsein aller Juden seit Jesu Kreuzigung auszugehen. Dass es noch Juden gebe, sei ein Versagen der Christen.[110]

Wilhelm Walther (1912) nannte Luthers AT-Deutung und seine Schrift von 1523 „pro-semitisch“. Ihm sei es allein um das Verhältnis zu Jesus Christus gegangen, an dem sich die Rettung der Juden entscheide; auch seine Spätschriften seien gegen ihre religiöse Haltung, nicht ihr Verhalten gerichtet. Man solle seinen Ausbruch von 1543 ignorieren, da das Christentum seit der Französischen Revolution viel mehr durch die Moderne angefeindet werde. Diese habe den Juden verschafft, was Luther abgelehnt habe: Freiheit und Gleichstellung mit den Christen. Damit habe sie den früher für unerträglich gehaltenen „jüdischen Geschäftsgeist“ verallgemeinert. Ob diese Ergebnisse der Toleranz günstiger seien, sei zu fragen. In der Oktoberrevolution hätten Juden Christen ermordet. Damit teilte er das antisemitische Klischee jüdischer Drahtzieher dieser Revolution und legte nahe, Luthers „tolerante“ Haltung von 1523 sei ein folgenschwerer Fehler gewesen.[111]

Ernst Schaeffer wollte die Christen 1917 mit der Erinnerung an Luthers Schrift von 1523 für eine kommende, „selbstbewusste“ Auseinandersetzung mit dem „zersetzenden“, unerwartet vitalen Reformjudentum wappnen und dabei den „Fehler“ des späten Luther vermeiden, der antijudaistische „Lügen“ übernommen und damit die moderneren Spielarten des Judentums übersehen habe.[112]

Alfred Falb deutete Luthers Ablass-Streit 1921 als Kampf „gegen das Eindringen jüdischen Geistes in die Kirche“ und fand die Grundzüge des „jüdischen Bolschewismus“ im AT. Luther habe 1543 die „Judenausweisung“ als „unbedingte Notwehrmaßnahme eines ausgeplünderten Volkes erkannt“, aber den „letzten Schritt“ zur Trennung des christlichen Gottes vom jüdischen Gott nicht vollzogen. Die auch von Paul de Lagarde und Eugen Dühring geforderte Ausscheidung der „Keimverderber“ und „eingedrungenen Bakterien“ sei aktuell geboten.[113] Ähnlich forderte Artur Dinter 1926 eine „Vollendung der Reformation“ durch konsequente „Entjudung“ der „Heilandslehre“, nämlich ihre Trennung von der „jüdisch-römischen Fälschung“, vom AT und von Paulus. Dafür sei Luther wegen seiner Bindung an den „Mosaismus“ heute keine Autorität mehr.[114] Max Wundt beschwor 1926/27 die „Verjudung“ der deutschen Kultur und „Zersetzung“ des „deutschen Blutes“ als heutige Gestalt des Gottesmords. Er setzte voraus, dass Deutschland das erwählte Volk sei, das Luthers Kampf gegen das Judentum zum eigenen Überleben fortsetzen müsse.[115] Karl-Otto von der Bach begründete die „völkische Bedeutung der Reformation“ gegen die „jüdische Plage“ 1931 ausschließlich mit einer Liste judenfeindlicher Zitate aus Luthers späteren Schriften. Der junge Luther habe keine Juden gekannt; erst der „reife“ Luther habe sie aus nationalen und religiösen Gründen zu hassen begonnen. Seine „weitsichtige Warnung“ sei gegenwärtig zu befolgen.[116]

Zeit des Nationalsozialismus

Adolf Hitler stilisierte Luther 1923 beim Parteitag der NSDAP während der propagandistischen Vorbereitung des Hitler-Putsches zum Vorbild für sein Führerprinzip: Der „kleine unbedeutende Mönch“ habe seinen Kampf gegen „eine Welt von Feinden“ damals ohne jede Stütze gewagt. Dieses Wagnis zeichne einen echten heldischen Staatsmann und Diktator aus.[117] In seiner in der Haft 1924/25 verfassten Schrift Mein Kampf erwähnte er Luther nicht und kritisierte innerchristliche konfessionelle Kämpfe scharf als gefährliche Ablenkung vom „gemeinsamen Feind“, den Juden.[118]

Der Deutsche evangelische Kirchenbund begrüßte die „Machtergreifung“ des NS-Regimes (30. Januar 1933) mit großer Begeisterung. In vielen Predigten und Festtagsreden stilisierten seine Vertreter, zum Beispiel Otto Dibelius beim Tag von Potsdam (21. März 1933), Hitler zum gottgesandten Retter des deutschen Volkes, lobten die Beseitigung der Weimarer Demokratie als „neue Reformation“, parallelisierten Luthers und Hitlers Biografien und konstruierten eine gegen Menschenrechte, Demokratie und Liberalismus gerichtete historische Kontinuität von Luther über Friedrich den Großen und Otto von Bismarck zu Hitler. Im Führerkult waren sich Deutsche Christen (DC) und Bekennende Kirche (BK) damals weitgehend einig. Aber zunächst verglichen nur einige nationalsozialistische Autoren Luthers Judenfeindlichkeit mit Hitlers Antisemitismus.[119] Karl Grunsky skandalisierte dabei die Unbekanntheit und Wirkungslosigkeit seiner späten „Judenschriften“.[120]

Ab April 1933 propagierten die DC unter Führung des Hitler-Vertrauten Ludwig Müller, den sie im September zum Reichsbischof der DEK wählten, zum 450. Geburtstag Luthers (10. November 1933) einen reichsweiten „Luthertag“. Im Vorfeld benutzte der „Bund für Deutsche Kirche“ Luthers Schrift Von den Juden und ihren Lügen 1543 zum Angriff auf die „abbruchreife“ DEK: Sie habe „völlige Entartung und sittlichen Verfall“ verschuldet, weil sie beim „Aufbäumen“ des „gesunden deutschen Geistes“ gegen „jüdische Vergewaltigung“ abseits gestanden habe. Nun müsse man mit Luther als „lautem Rufer gegen die Feinde unseres Volkes“ antreten, das Alte Testament abschaffen und „deutsches Geistesgut“ an seine Stelle setzen.[121] Der Luthertag musste wegen der von Hitler angeordneten Volksabstimmung zum Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund auf den 19. November verschoben werden. Bei den lokalen Feiern stellten deutschnationale Theologen wie Paul Althaus und Otto Scheel Luther und Hitler als verwandte Helden einer „großen nationalen Wende“ dar, während das NS-Regime diese Politisierung des Reformators kaum unterstützte.[122]

Auch der angesehene Lutherforscher Erich Vogelsang, ein Schüler von Karl Holl (Lutherrenaissance) und Emanuel Hirsch (DC), stellte Luther als Ahnherren des deutschen Volkstums dar. Er grenzte sich gegen Lewin ab: Es sei nicht verwunderlich, dass ein Jude trotz wissenschaftlicher Methodik Luthers Anliegen kaum habe erfassen können. Dieser habe erkannt, dass die ganze jüdische Geschichte seit Jesu Kreuzigung vom Fluch Gottes bestimmt sei. Die jüdische Emanzipation sei ein vergeblicher Fluchtversuch vor diesem Schicksal gewesen. Erst die „deutsche Revolution“ von 1933 habe nach 150 Jahren wieder sichtbar gemacht, dass die Juden „der sichtbare Gottesfinger des Zornes in der Menschheitsgeschichte“ seien. Daher dürfe die Kirche dem Judentum auf keinen Fall ein göttliches Daseinsrecht zugestehen, sondern müsse wie Luther „alles ‚Judaisieren‘ und ‚Judenzen‘“ als „innere Zersetzung durch jüdische Art“ entschieden bekämpfen und den Staat zum „Durchgreifen“ mit „scharfer Barmherzigkeit“ auffordern.[123] Luther habe die Gefahr der Ausbeutung und Versklavung des „Wirtsvolkes“ durch das jüdische „Gastvolk“ und dessen Vertreibung als einzige realistische Lösung erkannt. Zwar habe er „Rassenmischung“ noch nicht als Problem gesehen, aber eine Degeneration der Juden („wässeriges Blut“) durch ihre Symbiose mit schwachen Christen, die ihren Christenhass verstärkt habe. Um eine entsprechende Verwässerung deutschen Blutes durch jüdische „Beimischung“ habe er sich nicht gesorgt, da er die Judenmission abgelehnt habe. Aus seiner Spätschrift Vom Shem Hamphoras ergebe sich die „saubere Trennung“ von Juden und Christen.[124]

Ab 1936 stellte die NS-Propaganda Luther gezielt als Wegbereiter der Judenverfolgung des Nationalsozialismus und Hitler als Vollstrecker seines Willens dar; die evangelische Kirche habe den Deutschen den wahren, judenfeindlichen Luther bisher vorenthalten. Der völkisch-nationalistische Judenmissionar Walter Holsten gab Luthers Schriften gegen Juden und Muslime 1936 und 1938 daraufhin neu heraus und kommentierte: Man müsse die „alten, rechten Juden“ von den „neuen, fremden Juden oder Bastarden“ unterscheiden. Letztere habe Luther wegen ihrer religiösen Entscheidung gegen Christus mit dem Teufel verbunden. Er habe an der Judenmission auch 1543 festgehalten und darum von der Obrigkeit verlangt, Gottes Zorn über die Juden zu vollstrecken, hinter dem sich seine „unendliche Liebe“ verberge. Deshalb müsse die Kirche aktuell eine „bestimmte politische Behandlung“ der Juden zulassen und im eigenen Bereich „scharfe Barmherzigkeit“ vollziehen.[125] Der Literaturhistoriker Walther Linden betitelte seine Ausgabe von 1936 „Luthers Kampfschriften gegen das Judentum“ und nannte sie das „heute noch vollauf gültige völkisch-religiöse Bekenntnis des großen deutschen Reformators“.[126] Der deutschchristliche Theologiedozent Wolf Meyer-Erlach betitelte seine Auszüge aus Luthers Schriften 1937 „Juden, Mönche und Luther“. Er nannte Juden ein „Heer von Dämonen“, die das Deutsche Reich durch ihre Christenfeindschaft tödlich bedroht hätten. Nun erfülle Hitler Luthers Willen. Meyer-Erlach wurde Hauptverfechter einer „Entjudung der Bibel“ am 1939 gegründeten Eisenacher „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“.[127] Im Rahmen der Propaganda-Ausstellung „Der ewige Jude“ vom November 1937 veranstaltete das Residenztheater (München) einen „Rezitationsabend“, bei dem Auszüge aus Luthers Schriften an erster Stelle standen.[128]

Die staatlich organisierten Novemberpogrome 1938, bei denen tausende jüdische Synagogen, Bethäuser und Friedhöfe zerstört, hunderte Juden ermordet und zehntausende in Konzentrationslager deportiert wurden, geschahen ohne jeden Protest einer Kirchenleitung. Einige DC-Kirchenführer rechtfertigten diese Verbrechen mit Berufung auf Luther. Landesbischof Walter Schultz forderte alle Pastoren Mecklenburgs in einem „Mahnwort zur Judenfrage“ am 16. November 1938 auf, Luthers „Vermächtnis“ zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass die „deutsche Seele“ nun keinen Schaden erleide, sondern die „deutschen Menschen“ ohne „falsche Gewissensbeschwerung getrost alles daran setzen, eine Wiederholung der Zersetzung des deutschen Reiches durch den jüdischen Ungeist von innen her für alle Zeiten unmöglich zu machen.“ Adolf Hitler, nicht „der Jude“, habe am deutschen Volk „Barmherzigkeit getan“, so dass ihm und seinem „dem deutschen Volk aufgetragenen Kampf gegen die Juden“ die Nächstenliebe, Treue und Gefolgschaft der Christen zu gelten habe. DC-Bischof Martin Sasse verfasste am 23. November 1938 seine Schrift „Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!“ Der „deutsche Prophet“ Luther habe sich, „getrieben von seinem Gewissen“, vom Judenfreund zum „größten Antisemiten aller Zeiten“ gewandelt. Er stellte unter dem Leitmotto von Joh 8,44 („Ihr habt den Teufel zum Vater…“) ausgewählte Lutherzitate so zusammen, dass die nationalsozialistische Judenverfolgung als direkte Erfüllung von Luthers Forderungen erschien. Er verbreitete dieses Pamphlet auch außerhalb der Kirchen als „Kampfmittel in dem Weltkampf unseres Volkes gegen die Juden“. Diese Stimmen waren keine extremen Einzelmeinungen, da die meisten evangelischen Kirchenführer die staatliche Judenverfolgung seit Einführung der ersten rassistischen Staatsgesetze immer wieder befürwortet hatten.[129]

Der DC-Theologe Theodor Pauls forderte 1939 mit einer dreibändigen Buchreihe eine „Entjudung“ der bisherigen Lutherforschung, die er von Reinhold Lewin abhängig sah. Dieser habe Luther in ein Entwicklungsschema gepresst und so seine späteren antijüdischen Schriften verharmlost. Jedoch habe Luther gleichbleibend für das Evangelium gegen das „Judengesetz“ des AT, für eine „deutsche“ gegen eine „verjudete“ Kirche gekämpft und die Deutschen so für ihre eigene Geschichte in Gottes Schöpfung befreien wollen.[130] Derartige theologische Begründungen der antisemitischen Judenverfolgung lehnte der Nationalsozialist Alfred Rosenberg strikt ab. Er sah Luther als „germanischen Revolutionär“, dessen „nordischer Abwehrwille“ sich gegen die „Dogmen der römisch-internationalistischen Kirche“ gerichtet habe. Eine „zweite Reformation“ gegen beide Amtskirchen sei notwendig, um die „Germanisierung“ des Christentums und eine „deutsche Nationalkirche“ zu erreichen.[131]

Sieben evangelische Landeskirchenleiter rechtfertigten die Einführung des Judensterns im September 1941 in einer gemeinsamen Erklärung als „historischen Abwehrkampf“ mit Luthers Forderung, „schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen und sie aus deutschen Landen auszuweisen“. Die Juden hätten das Christentum seit Jesu Kreuzigung bekämpft oder verfälscht; die Taufe könne nichts an ihrer „rassischen Eigenart“ ändern.[132] Das „Geschichtsbuch für höhere Schulen“ (7. Klasse: „Führer und Völker“) von 1941 zitierte aus Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ mit dem Kommentar: „Keiner vor und nach ihm hat die Juden, diese 'leibhaftigen Teufel', mit solcher elementaren Wucht bekämpft wie er…“.[133] Das „Deutsche Lesebuch für Volksschulen“ von 1943 präsentierte unter dem Titel „Der Jude, unser Erzfeind“ judenfeindliche Zitate „großer Deutscher“, darunter Luther.[134]

Der Redakteur des NS-Hetzblattes Der Stürmer, Julius Streicher, verteidigte sich 1946 als Angeklagter im ersten Nürnberger Prozess: Luther wäre an seiner Stelle angeklagt, wenn seine erste Schrift von 1543 berücksichtigt würde. Er habe auch gefordert, Juden zu vernichten.[135]

Der nationalkonservative Historiker Gerhard Ritter rückte von 1934 bis 1943 allmählich von der nationalsozialistischen Deutung ab, indem er Luther politische Absichten absprach und ihn als Gesinnungsethiker darstellte, der seine Gewissensentscheidungen allein vor Gottes Geboten verantwortet und deshalb notfalls positives Recht gebrochen habe. Obwohl Luther 1543 „eine ganze Sintflut volkstümlichen Hasses und böser Nachrede wegen heimlicher Greueltaten“ gegen die Juden losgelassen habe, sei sein Judenhass nur religiös bedingt und lasse sich nicht als „Arsenal des Antisemitismus“ benutzen.[136] Dietrich Bonhoeffer, Carl Goerdeler, die norwegische evangelische Kirche und andere haben ihren Widerstand gegen den Nationalsozialismus und dessen Judenverfolgung ebenfalls auf Luther gestützt, indem sie die freie Gewissensentscheidung vor Gott über alle Staats- und Kirchengesetze stellten und Aussagen Luthers zur bedingten Notwehr gegen ungerechte Obrigkeiten bis hin zum Tyrannenmord aktualisierten.[137]

Forschung

Jüdische Lutherdeutungen

Im 19. Jahrhundert hatten deutsche Juden wie Johann Salomo Semler oder Heinrich Heine Luther gegen das nationalistisch-ausgrenzende Lutherbild zum Helden der Geistesfreiheit und Wegbereiter der Toleranz stilisiert. Seine judenfeindlichen Aussagen übergingen sie dabei oder vernachlässigten sie als für seine Genialität unwesentlichen Randaspekt. Ludwig Börne dagegen kritisierte, Luther habe den Juden bloß eine biblische und theoretische Freiheit in Buchform geschenkt, der keine politische Freiheit, sondern jahrhundertelange Unterdrückung gefolgt sei.[138]

Deutsche jüdische Historiker bejahten meist den „frühen“ gegen den „späten“ Luther; sie vertraten dann meist die auch im Pietismus übliche Diskontinuitäts- oder Enttäuschungs-These. Manche lehnten den ganzen Luther aufgrund seiner Spätschriften und deren antisemitischer Verwendung ab. Heinrich Graetz erklärte den Widerspruch in Luthers Aussagen von 1523 und 1543 aus persönlicher Verbitterung, Rechthaberei und Unverständnis für die ethische Qualität des Judentums. Luthers judenfeindliches „Testament“ habe die protestantische Welt lange „vergiftet“. Auch Ludwig Geiger sah einen Bruch bei Luther, erklärte diesen aber aus dessen theologischer Entwicklung: Er habe erst allmählich den unüberbrückbaren Dissens zur jüdischen Bibelexegese erkannt.

Der Rabbiner und Historiker Reinhold Lewin gilt als Begründer einer wissenschaftlichen Erforschung des Themas. Er analysierte 1911 erstmals gründlich Luthers Ausbildung, Begegnungen mit Juden und Aussagen über sie, aber nicht seine Theologie. Er vertrat einen doppelten psychologischen Wandel: Luther habe das Judentum anfangs nur aus erlerntem Buchwissen beurteilt. Seit 1521 habe er den Anschluss der Juden an seine Reformation erhofft; darin habe ihn der Besuch von Rabbinern 1525 bestärkt. Auf seine bitter enttäuschte Missionserwartung hin habe er in seinen Spätschriften mit seiner ursprünglich toleranten Haltung gebrochen.[139] Ähnlich führte Samuel Krauss Luthers späteren „unbändigen Hass“ gegen die Juden auf theologische Intoleranz und naiven Missionseifer zurück. Dennoch seien seine frühen Äußerungen als Grundsätze der Aufklärung, Geistesfreiheit und Forderung, den Juden keinen Zwang anzutun, aufgrund ihrer historischen Folgen wichtiger.[140]

Unter dem Eindruck der immer radikaleren antisemitischen Lutherdeutung urteilte der jüdische Historiker Simon Dubnow 1927: Schon 1523 sei es Luther um Bekehrung der Juden, nicht Gewissensfreiheit und Gerechtigkeit auch für sie gegangen. Seine enttäuschte Missionshoffnung sei folglich in krankhafte „Judäophobie“ umgeschlagen. Dass die Juden den evangelischen Glauben nicht durch Massenübertritte bestätigten, habe ihn gezwungen, „die Maske der Judenfreundlichkeit abzustreifen und dem Judentum den Kampf auf Leben und Tod anzusagen.“ 1928 urteilte Eduard Lamparter, der dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus e.V. vorstand: Luther sei zum „Kronzeugen des Antisemitismus“ geworden. Ihm sei es aber eigentlich nur um einen religiösen Gegensatz gegangen. Er sei kein Antisemit gewesen, so dass es verfälschend sei, ihn für parteipolitische Zwecke zu vereinnahmen.[141]

Jüdische Autoren haben auch nach 1945 meist einen psychologisch bedingten Wandel in Luthers Judenbild vertreten und weiter den frühen gegen den späten Luther verteidigt. So sprach Selma Stern-Taeubler 1954 von einem „Schwanken zwischen Liebe und Hass“ Luthers zu den Juden.[142] Pinchas Lapide hob 1983 Luthers positive Aussagen über hebräische Sprache, Tora, „Erstgeburt“ der Synagoge, jüdische Herkunft Jesu, seinen Angriff auf judenfeindliche Passionsfrömmigkeit und Kritik des christlichen Antijudaismus in seinen Frühschriften als bis heute beispielhaft hervor. Er führte Luthers „radikalen Umschwung“, den er in die 1530er Jahre datierte, auf seinen vergeblichen „Bekehrungseifer“ und seinen wachsenden Verdacht zurück, jüdische Einflüsse steckten hinter den Bauernaufständen, evangelischen Sekten wie den Sabbathern und dem Täuferreich von Münster. Besonders die wiederbelebte jüdische Messiaserwartung habe ihn erbittert, weil er selbst Christi Wiederkunft zu seinen Lebzeiten erwartet habe. Er habe die NS-Judenvernichtung nicht erahnen können und hätte sie abgelehnt, habe ihr aber den geistigen Nährboden bereitet. Sein Judenhass sei von seinem eigenen Prinzip des solus Christus aus zu kritisieren: Nur was Jesus selbst gelehrt habe, sei wahrer evangelischer Glaube. Daraus müsse ein jüdisch-lutherischer Dialog und eine protestantische Neubesinnung folgen.[143]

Henry Brandt urteilte dagegen 1999: Seit dem Holocaust könnten Juden Luthers Judenfeindschaft nie mehr übergehen und aus seinem Gesamtbild wegdenken. Sie sei bis zu Hitler das Schlimmste gewesen, was Christen in deutscher Sprache gegen Juden geäußert hätten. Luthers Bedeutung für die evangelischen Christen verhindere bleibend einen aussichtsreichen Dialog mit Juden. Stattdessen seien gegenseitige praktische Solidarität und Toleranz weit nötiger.[144]

Kirchengeschichtliche Lutherdeutungen

Der heutige Konsens der Lutherforschung lautet: Luthers Grundthesen zum Judentum blieben konstant, waren theologisch, nicht rassistisch motiviert und deckten sich weitgehend mit dem vorgegebenen christlichen Antijudaismus.[145] Er übernahm die traditionelle Enterbungs- und Fluchthese, die Stereotypen der Adversus-Judaeos-Literatur, der Predigtagitation und Vertreibungsideologie und dämonisierte die Juden neben anderen Gruppen.

Besonderheiten Luthers waren laut Hans-Martin Kirn (2000): Er sagte den Juden magische Schadenszauberei mit dem Gottesnamen nach, entehrte die rabbinische Bibelauslegung mit dem Judensau-Motiv und begrenzte die verheißene endzeitliche Rettung ganz Israels (Röm 11,26 LUT) auf einen taufwilligen Rest. Indem er das kanonische Recht aufhob und zugleich das „landesherrliche Kirchenregiment“ stärkte, habe er die Judenvertreibung zum politischen Leitbild für die Territorialherren gemacht. Seine Forderungen von 1543 hätten katholische Unterdrückungspraktiken überboten, den „Kammerknechten“ ihren relativen Rechtsschutz entzogen und sie in einen sklavenartigen Status zu drängen versucht.[146]

Thomas Kaufmann betonte 2010: Luthers Vorstellungen von 1543, Juden seien mit dem Teufel und christenfeindlichen Mächten verbündet, um ihre „Wirtsvölker“ „auszusaugen“ und das Christentum mit magischen Praktiken zu unterminieren, „waren damals allgemein und in allen Gesellschaftsschichten verbreitet und haben als mentalitätsgeschichtlicher Hintergrund sowohl der Anhänger als auch der Gegner der Reformation zu gelten.“[147] Luther habe vor 1537 Antonius Margarithas Behauptung übernommen, das Judentum sei insgesamt auf das Schmähen Jesu Christi und Schädigen der Christen ausgerichtet. Anstelle des „Blutfrevels“ habe er die Juden des „Wortfrevels“ angeklagt: Sie verfluchten Christus täglich und mit ihm Gott den Schöpfer. Ihre Toratreue belüge und lästere den allein gnädigen Gott; darin liege ihre teuflische, für Christen gefährliche Werkgerechtigkeit. Nicht die Christen, nur Christus allein könne sie zu sich bekehren und erhalte sein Heilsangebot an sie aufrecht. Aus diesem konstanten Glauben habe er gegensätzliche judenpolitische Konsequenzen gezogen: 1523 eine gewaltlose Mission, 1543 eine gewaltsame Verelendung der Juden. Diese sollte den „teuflischen Hochmut“ ihres Erwählungsglaubens brechen, sie zum christlichen Glauben bringen und zugleich Gottes Zorn für die Christen veranschaulichen, um ihren Glauben an seine allein rettende Gnade zu bewahren. Luthers Antijudaismus sei also untrennbar von seiner Rechtfertigungslehre.[148]

Theologische Lutherdeutungen

Ab 1960 fragte die Lutherforschung verstärkt nach den theologischen Gründen für Luthers Haltung zu Juden. Martin Stöhr kritisierte Deutungen, die Luthers exegetische Schriften vernachlässigen und seine praktischen Forderungen 1543 nicht aus seiner Theologie, sondern nur aus zufälligen Zeitumständen erklären. Luthers Theologie habe sich zwischen 1523 und 1543 gewandelt, dies gelte es vorbehaltlos zuzugeben.[139]

Walther Bienert vertrat 1982 die von Stöhr abgelehnte Apologetik: Luther habe die jüdischen Wurzeln des Evangeliums, die gemeinsame hebräische Bibel, den gemeinsamen Gott und Jesu und Paulus' Einladung zur Umkehr an Israel wiederentdeckt. So habe er ein neues Verständnis für das Judentum und freundliche jüdisch-christliche Beziehungen angebahnt. Er sei später einem „antijüdischen kirchenpolitischen Irrweg“ aus zwei „unreformatischen Motiven“ erlegen: Er habe sich als Hüter des Dogmas und die evangelischen Fürsten als Hüter religiöser Einheitlichkeit ihrer Gebiete gesehen. Die historisch wirksame These einer judenfeindlichen Theologie Luthers sei falsch und von seinen Schriften aus zu korrigieren: Als Reformator sei Luther judenfreundlich gewesen, nur als Kirchenpolitiker und wegen besonderer Zeitumstände habe er sich judenfeindlich gezeigt.[149]

Laut Heiko Augustinus Oberman (1983) dagegen vertrat Luther ein konstant negatives Judenbild, das unlösbar mit seinem Geschichtsbild verbunden und in seiner Theologie verankert gewesen sei. Er habe ungetaufte Juden neben Häretikern und Scheinchristen immer zur vom Antichrist beherrschten Gesetzesreligion gezählt, die mit Jesus Christus im tödlichen Kampf liege und die katholische, später auch Teile der evangelischen Kirche unterwandert habe. Seit 1518 habe er die Annahme des Evangeliums zur Heilsbedingung erklärt. Mit den Juden habe er allegorisch immer die Selbstgerechtigkeit als Ursache aller Feindschaft und Gewalt gegen Gott kritisiert, die mit seinem Urteil über die Sünde im Kreuz Jesu Gott selbst negiere und so seinen Zorn herbeiziehe. In ihrem Schicksal habe sich für ihn die drohende neue babylonische Gefangenschaft der Christen gespiegelt, die das Evangelium ablehnen. Demgemäß habe er die evangelische Gemeinde gegen alle Angriffe des Teufels verteidigen wollen, die er erwartete. Als dessen Handlanger habe er Juden, Muslime, Papst und Häretiker in wechselnder historischer Abfolge gesehen, wobei er die jeweils akute Gefahr meist am Vergleich mit dem vorchristlichen Judentum identifiziert habe. Bis 1523 habe er die letzte Chance zur Umkehr betont, die das Evangelium Juden und falschen Christen biete. Dabei habe er immer eine Bekehrung einzelner, nie aller Juden erwartet. Gewaltmission habe er auch für Muslime und Häretiker abgelehnt. Ab 1530 habe er zunehmend eine große Koalition von Papst, Muslimen, Juden und Häretikern zur Zerstörung der nun etablierten evangelischen Kirche befürchtet. Seit 1532 habe er die unbekehrbaren Juden als Anstifter des Abfalls christlicher Sekten („Sakramentarier“) von der Reformation gesehen, aber noch nicht vertreiben wollen, solange sie sich der Obrigkeit unterordneten. Seit 1543 habe er ihren Glauben als kriminelle Bedrohung aller Christen betrachtet und darum nun ihre Vertreibung gefordert. Dabei habe er das Bekehrungsangebot an sie bis zuletzt aufrecht erhalten. Nur durch Übergehen der theologischen Funktion seiner Juden-Aussagen als Spiegel der je aktuellen Gefährdung des wahren Glaubens hätten Antisemiten sie missbrauchen können.[150]

Als beständige theologische Aussagen Luthers zu den Juden nannte Bertold Klappert 1983:

  • den Geschichtsbeweis: Das Elend der Juden unter den Christen beweise, dass der Messias mit Jesus Christus schon gekommen, das nachchristliche Judentum verworfen und verflucht sei und nur noch Gottes Zorn veranschauliche (1523; 1538; 1543).
  • das gebürtige Judesein Jesu Christi, der seinen leiblichen Verwandten vorrangig Anspruch auf sein messianisches Reich gebe und die Heidenchristen als ihre „Miterben“ zu ihren Brüdern mache (1523; 1543).
  • die gewaltlose Judenmission: Im Vertrauen auf ihre künftige Bekehrung sollten die Christen die Juden „brüderlich“ und „freundlich“ behandeln (1523; 1537) und ihnen das Evangelium ernsthaft anbieten (1546).
  • Bundesverlust und Verstockung: Aus ihrer „verstockten Anmaßung“, sie seien bleibend zum Volk Gottes erwählt, würden die Juden Jesus Christus „täglich lästern und schänden“.
  • den kollektiven Kriminalitätsverdacht: Mit ihrem Festhalten an der Tora und Messiashoffnung zeigten sich die Juden für Luther als lebensgefährliche „öffentliche Feinde“ aller Christen (1514; 1537; 1543; 1546).[151]

Gottfried Seebaß betonte 2006 Luthers Übereinstimmung mit anderen Reformatoren, die die Juden ebenfalls als Typos des selbstgerechten Sünders und veräußerlichten Kultus darstellten und damit zugleich andere Christen kritisierten. Aber sein Gedanke, dass die Sünde aller Menschen Jesus Christus ans Kreuz brachte, habe die Gottesmordthese aufgehoben und die judenfeindliche Passionsfrömmigkeit entkräftet. Ferner habe er das Antichrist-Motiv von jüdischer Abstammung gelöst und auf das Papsttum konzentriert, so dass er die Juden nicht mehr als endzeitliche Hauptfeinde gesehen habe.[152]

Verhältnis Luthers zu Antisemitismus und Nationalsozialismus

Der reformierte Theologe Karl Barth, Autor der Barmer Erklärung von 1934, hatte im Kirchenkampf öfter die Trennung des Gesetzes vom Evangelium im deutschen Luthertum als Ursache des politischen Versagens der Bekennenden Kirche gegenüber den Verbrechen des NS-Staates kritisiert.[153] Er differenzierte seine theologische Kritik an Luther und seiner obrigkeitsstaatlichen Benutzung seit Friedrich dem Großen vor, bei und nach der Gründung der EKD im Oktober 1946.[154] Der führende deutsche Lutheraner Hans Asmussen reagierte darauf mit dem polemischen Aufsatz: „Muß Luther nach Nürnberg?“ Darin führte er den Nationalsozialismus auf die Französische Revolution, den Marxismus und Nihilismus zurück; Luther sei unschuldig daran und nur von einigen Lutheranern in der NS-Zeit missbraucht worden. Auch konservative protestantische Historiker wie Friedrich Meinecke verteidigten Luther, übergingen dabei aber seine späten Schriften über Juden. Der angesehene Kirchenhistoriker Heinrich Bornkamm, der Luthers Gewaltforderungen von 1543 in seinem Aufsatz 1933 („Volk und Rasse bei Martin Luther“) als „treuen Rat“ eingeführt hatte, nannte diese 1947 in der Neuausgabe des Aufsatzes (diesmal „Das Volk“ betitelt) „die heute uns so erschreckenden Ratschläge“. Diese apologetische „Selbstentnazifizierung“ war in der Nachkriegszeit typisch für viele deutsche Lutheraner.[155]

Im Anschluss an die herrschende deutsche protestantische Geschichtsdeutung der NS-Zeit behauptete der US-Historiker William Montgomery McGovern 1941 als Erster eine direkte Linie „von Luther zu Hitler“. Sein Buch mit diesem Titel wurde 1946 erneut aufgelegt.[156] Der britische Hobby-Historiker Peter F. Wiener vertrat diese These eines deutschen Sonderwegs seit der Reformationszeit unmittelbar nach Kriegsende 1945 erneut und machte sie im englischsprachigen Raum populär.[157] Der britische Kirchenhistoriker Ernest Gordon Rupp wies Wieners These 1945 zurück: Hitler habe nie einen Text Luthers gelesen. Dass er sich auf ihn berufen habe, beweise nichts, da er sich ebenso auf den allmächtigen Gott berufen habe.[158] Der US-Historiker William L. Shirer bezeichnete Luther 1960 als „leidenschaftlichen Antisemiten und heftigen Gläubigen an einen absoluten Gehorsam gegenüber politischen Autoritäten“, der alle deutschen Juden habe loswerden und vertriebene Juden habe enteignen wollen. Seine Sprache von 1543 gegen sie sei bis zur NS-Zeit unerreicht brutal gewesen. Er habe das Verhalten der meisten Protestanten in der NS-Zeit direkt beeinflusst.[159] Diese Thesen blieben bis in die 1980er Jahre hinein gängig[160] und wurden auch im deutschsprachigen Raum jahrzehntelang diskutiert, seit Thomas Mann sie in seiner selbstkritisch gemeinten Rede „Deutschland und die Deutschen“ (29. Mai 1945) nahegelegt hatte.[161] Der österreichische Kulturhistoriker Friedrich Heer vertrat 1986: „Von Luther führt ein direkter Weg zu Julius Streicher, zu den Judenmorden der ,Stürmer'- Welt.“[162] Daniel Goldhagen vertrat 1996: Der Holocaust sei Folge eines besonderen deutschen, eliminatorischen Antisemitismus, der mit Luther begonnen habe. Diesem gebühre „ein Platz im Pantheon der Antisemiten“.[163]

Seit etwa 1990 wird diese monokausale Deutung kaum noch vertreten. Luther wird wegen der theologischen Gründe seines Judenhasses nicht als Antisemit eingestuft. Dennoch gilt seine Judenfeindlichkeit als eine Mitursache des Antisemitismus. Seine Judenschriften werden für dessen Entstehung mitverantwortlich gemacht, weil sie im Protestantismus antisemitisch gedeutet und benutzt wurden.[164] Oberman betonte 1983: Luther habe nie die Vernichtung der Juden gefordert und von seinen Glaubensvoraussetzungen aus nie fordern können. Aber indem die Reformation alle christlichen Traditionen am Schriftprinzip kritisch prüfte, habe er alles, was für ihn „dieser Sichtung standhielt, mit neuer Kraft der Neuzeit vermittelt.“ Indem er den Antijudaismus in seiner Lehre von Gesetz und Evangelium verankerte, habe er ihm umso stärkere historische Wirkung verliehen.[165]

Wie Oberman meinte auch Klappert 1983, Luther sei nicht für Julius Streicher haftbar zu machen. Aber die theologische und kirchliche Lutherdeutung der NS-Zeit habe sehr wohl Anhalt an seinen Aussagen gehabt: Weil Luther die Juden als Urheber und Anstifter der für Christen tödlichen Gesetzesreligion definierte und ihren Bundesverlust voraussetzte, habe er zwangsläufig ihre Vertreibung durch die Obrigkeit gefordert. Diese theologische Abwertung habe das Versagen des Protestantismus gegenüber der staatlichen Judenverfolgung in der NS-Zeit mit ermöglicht. Der lutherische Antijudaismus habe dem staatlichen Antisemitismus Vorschub geleistet und sich ihm angedient. Darin bestehe die besondere Schuld der evangelischen Kirchen.[166]

Für Christhard Hoffmann (1994) spielte Luther „für die spezifisch deutsche Ausprägung der Judenfeindschaft […] eine entscheidende, weichenstellende Rolle“.[167] Laut Birgit Gregor (1999) übernahm Luther von Anfang an das kirchliche Streben, das Judentum durch vollständige Assimilierung aufzulösen. Auch seine scheinbar „judenfreundlichen“ Schriften seien von diesem Ziel bestimmt. Der bisher unzureichend erforschte „protestantische Antisemitismus“ sei keine direkte Kontinuität „von Luther zu Hitler“, sondern eine „konstruierte Kontinuität“: Seit Adolf Stöcker hätten bestimmte protestantische Interessengruppen Luther künstlich als prominenten Vorläufer für ihre eigenen antisemitischen Ziele benutzt und dazu lange vorhandene antijüdische Ressentiments und Stereotypen in veränderter Zeitsituation bewusst mit darwinistischer und rassistischer Judenfeindschaft verschmolzen.[168] Für Wolfgang Wippermann (2013) enthielt Luthers Judenhass auch eine Vernichtungskomponente, verstärkte den Antijudaismus in der frühen Neuzeit und beeinflusste Frühantisemiten wie Johann Jacob Schudt und Johann Andreas Eisenmenger.[169]

Kirchliche Konsequenzen

Die EKD begann den Schuldanteil des Protestantismus in Deutschland am Holocaust seit 1950 (Synode von Weißensee) zu reflektieren und ihr Verhältnis zum Judentum zu erneuern, wie ihre drei Denkschriften „Christen und Juden“ (1975, 1991, 2000) zeigen.[170] Zum 500. Geburtstag Luthers 1983 distanzierte sich der Rat der EKD in zwei knappen Sätzen von Luthers judenfeindlichen Aussagen; ob deren theologische Basis zu revidieren sei, blieb offen.[171]

Der Synodalbeschluss der Landeskirche im Rheinland von 1980 benannte als entscheidende theologische Einsicht: Der ungekündigte Bund Gottes mit ganz Israel und allen gebürtigen Juden sei Grundaussage der ganzen Bibel (AT und NT), Basis der christlichen Botschaft und einziger Daseinsgrund der Kirche. Dies nötige zur Anerkennung des Judentums als eigenständigem Zeugen der Verheißungen Gottes, zum Dialog mit ihm ohne Judenmission und zur gesamtkirchlichen Bekämpfung alles Antijudaismus und Antisemitismus. Diese Positionen haben seitdem alle Teilkirchen der EKD im Kern übernommen; einige haben die bleibende Erwählung Israels als Grundartikel in ihre Kirchenverfassungen aufgenommen.[172]

Luthers spezifischer Beitrag zum Antisemitismus wurde jedoch selten benannt. Der Lutherische Weltbund (LWB) erklärte am 1. August 1984: Eine „ehrliche und die historischen Gegebenheiten berücksichtigende Auseinandersetzung mit Luthers Angriffen auf die Juden“ würde Antisemiten die Möglichkeit entziehen, sich auf Luther zu berufen. Denn er habe „rassischen, nationalistischen und politischen Antisemitismus nicht gebilligt“. Dennoch sei sein Name in der NS-Zeit zur Rechtfertigung des Antisemitismus benutzt worden, weil „seine Schriften sich für einen solchen Missbrauch eignen“. Viele seiner antijüdischen Äußerungen seien Polemik gegen Bibelauslegungen gewesen, die er als Fehldeutung habe abwehren wollen, „da ihm das richtige Verständnis des Wortes Gottes alles galt“. „Die Sünden von Luthers antijüdischen Äußerungen und die Heftigkeit seiner Angriffe auf die Juden müssen mit großem Bedauern zugegeben werden. Wir müssen dafür sorgen, dass eine solche Sünde heute und in Zukunft in unseren Kirchen nicht mehr begangen werden kann.“[173] Welche theologischen Lehren Luthers antisemitischem Missbrauch widersprechen und welche sich dafür eignen, wurde jedoch nicht konkretisiert.

Die Lutherische Europäische Kommission Kirche und Judentum (LEKKJ) forderte 1990, dass auch „Grundschemata lutherischer Theologie und Lehre“, wie 'Glaube und Werke', 'Verheißung und Erfüllung', 'Zwei Regimente/Zwei Reiche' im Blick auf ihre Auswirkung auf das christlich-jüdische Verhältnis neu bedacht werden“. 2011 erinnerte die LEKKJ an Reformatoren wie Urbanus Rhegius und Andreas Osiander, die den Dialog mit Juden gesucht und sich für ihre Rechte eingesetzt hätten. Diese Vorbilder seien stärker in den Kirchengemeinden zu beachten.[174]

1998 forderte die lutherische Landeskirche Bayern als erste EKD-Mitgliedskirche: Luthers „Kampfschriften gegen die Juden“ und alle Stellen, „an denen Luther den Glauben der Juden pauschalisierend als Religion der Werkgerechtigkeit dem Evangelium entgegensetzt“, gelte es „wahrzunehmen, ihre theologische Funktion zu erkennen und ihre Wirkung zu bedenken“. Die Lutherischen Kirchen müssten sich nicht nur inhaltlich davon distanzieren, sondern Ursachen, Motive und Wirkungsgeschichte erforschen und kritisieren.[175]

Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die LWB, Römisch-katholische Kirche und Weltrat methodistischer Kirchen 1999 beschlossen, kam ohne Beteiligung von Juden zustande. Kritisiert wurde, dass sie den hohen Rang der Rechtfertigung aus Glauben im Judentum nicht berücksichtigt und das Judentum erneut mit einer lebensfeindlichen, überholten Gesetzesreligion gleichgesetzt habe.[176]

Literarische Rezeption

Der in der DDR lebende Schriftsteller Stefan Heym (1913–2001) verarbeitete Luthers Judenhass in seinem Roman Ahasver (1981). Heym griff darin die Legende vom Ewigen Juden auf, die 1602 im lutherischen Raum erschien und mit zahlreichen Nachdrucken, Erweiterungen und Abwandlungen der einflussreichste Text zum Judentum in der frühen Neuzeit wurde. Im Ursprungstext der Legende symbolisiert Ahasver, der ewige Jude, die Rolle des Judentums aus christlich-antijudaistischer Sicht: Jesus Christus habe Ahasver wegen seiner Beteiligung an der Kreuzigung verflucht, heimatlos und unsterblich durch die Zeiten zu wandern, um die Wahrheit der Erlösung allein durch das Leiden Jesu Christi für die Ungläubigen bis zu dessen Wiederkunft zu bezeugen. Die Existenz des ewigen Juden will der anonyme Legendenautor von Paul von Eitzen (1521−1598) erfahren haben. Dieser lutherische Theologe war seit 1564 Generalsuperintendent von Schleswig-Holstein gewesen.[177]

In Heyms Roman bildet Eitzens legendarische Begegnung mit Ahasver den Hauptstrang der Handlung. Teile davon (Eitzens Begegnung mit Luther, seine Rolle bei der Durchsetzung der lutherischen Orthodoxie) entnahm Heym historischen Quellen. Die Haupthandlung ist eingerahmt und unterbrochen von einem Dialog der aus Gottes Bereich verstoßenen fallenden Engel Ahasver und Luzifer in der mythischen Vorzeit und einem Disput zwischen einem DDR-Wissenschaftler und einem israelischen Wissenschaftler (Jochanaan Leuchtentrager = Luzifer) über Ahasvers reale Existenz in der Jetztzeit. In diesem dritten Handlungsstrang werden auch Heyms historische Quellen zu Eitzen thematisiert.[178]

Im Roman begegnet Eitzen als Student der evangelischen Theologie in Wittenberg Luther. In dessen Tischrede wie auch in Eitzens Predigt, mit der er seine Magisterprüfung ablegt, baut Heym Zitate aus Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ ein.[179] Somit repräsentiert Eitzen Luthers Judenhass und das Luthertum, das diesen weitertrug. Sein Verhalten demonstriert detailliert, wie „aus den lautesten Revolutionären […] die strengsten Ordnungshüter werden“:[180] Obwohl Ahasver ihn beim Tod seines Vaters tröstet, verfolgt Eitzen ihn und alle Juden wie Ketzer, weil sie für ihn die neue herrschende Ordnung bedrohen, die aus der Reformation hervorging und die er mit doktrinärer Dogmatik zu bewahren versucht. Darum lässt er Ahasver im Zuge seiner Ketzerverfolgung schließlich grausam foltern und töten. So repräsentiert dieser Lutherschüler die unmenschliche Ordnung, die mit dem Judentum die Hoffnung auf eine befreite Menschheit verfolgt. Ahasver, der im Aufstand im Warschauer Ghetto wiederkehrt und zum Widerstand anleitet, verkörpert seinerseits den bleibenden Widerspruch gegen jede erstarrte, unmenschlich gewordene Ordnung. Heym griff damit auch die DDR und ihre damalige Vereinnahmung Luthers als Revolutionär an.[181] Er vertrat zudem eine historische These, wonach mit Luthers Reformation der religiöse Antijudaismus in den ökonomischen Antisemitismus der Neuzeit überging.[182]

Literatur

Zeitgeschichtlicher Kontext
  • Selma Stern-Täubler: Die Vorstellung vom Juden und vom Judentum in der Ideologie der Reformationszeit. In: Essays Presented to Leo Baeck, London 1954, S. 194–211.
  • Heiko Augustinus Oberman: Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation. 2., durchgesehene Auflage. Severin und Siedler, Berlin 1981, ISBN 3-88680-023-7.
  • Hans-Martin Kirn: Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen 16. Jahrhunderts. Mohr/Siebeck, Tübingen 1989, ISBN 3-16-745354-0.
  • Paul Gerhard Aring: Die Theologie der Reformationszeit und die Juden. Unbewältigte Tradition - Enttäuschte Erwartung - „Scharfe Barmherzigkeit“. In: Günther Bernd Ginzel (Hrsg.): Antisemitismus. Verlag Wissenschaft und Politik, 1991, ISBN 3-8046-8772-5, S. 100–123.
  • Edith Wenzel: Martin Luther und der mittelalterliche Antisemitismus. In: Alfred Ebenbauer, Klaus Zatloukal (Hrsg.): Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt. Böhlau, Wien 1991, ISBN 3-205-05342-7, S. 301–319.
  • Friedrich Battenberg: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-55777-7.
  • Achim Detmers: Reformation und Judentum: Israel-Lehren und Einstellungen zum Judentum von Luther bis zum frühen Calvin. Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-016968-8.
  • Ursula Schulze: Juden in der deutschen Literatur des Mittelalters. Niemeyer, 2002, ISBN 3-484-10846-0.
  • Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts. Mohr/Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-149017-7.
Lutherforschung
  • Kurt Meier: Zur Interpretation von Luthers Judenschriften. In: Kurt Meier: Kirche und Judentum. Die Haltung der evangelischen Kirche zur Judenpolitik des Dritten Reiches. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1968, S. 127–153.
  • Edgar Mills: Martin Luther and the Jews: a refutation to his book, „The Jews and their lies“. Neuauflage, Europäischer Verlag, 1968.
  • Joachim Rogge: Luthers Stellung zu den Juden. Luther 40, 1969, S. 13–24.
  • Ernest Gordon Rupp: Martin Luther and the Jews. Council of Christians and Jews, 1972.
  • C. Bernd Sucher: Luthers Stellung zu den Juden: Eine Interpretation aus germanistischer Sicht. De Graaf, 1977, ISBN 90-6004-352-9.
  • Walther Bienert: Martin Luther und die Juden: Ein Quellenbuch mit zeitgenössischen Illustrationen, mit Einführungen und Erläuterungen. Evangelisches Verlagswerk, 1982, ISBN 3-7715-0213-6.
  • Heiko Augustinus Oberman: Luther, Israel und die Juden. Befangen in der mittelalterlichen Tradition. In: Martin Luther heute. Themenheft 3, Bundeszentrale für politische Bildung, 1983.
  • Peter Maser: Erbarmen für Luther? Zu zwei neuen Büchern über den Reformator und die Juden. Judaica 39 (1983), S. 166–178.
  • Heiko Augustinus Oberman: Luthers Stellung zu den Juden: Ahnen und Geahndete. In: Helmar Junghans (Hrsg.): Leben und Werk Martin Luthers 1526–1546. Festausgabe zu seinem 500. Geburtstag Band I und II. (1983) 2. Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1985, S. 519–530.
  • Kurt Meier: Luthers Judenschriften als Forschungsproblem. In: Theologische Literaturzeitung 7, Berlin 1985, Sp. 483–492.
  • Neelak S. Tjernagel: Martin Luther & the Jewish People. Northwestern Publishing House, 1985, ISBN 0-8100-0213-2.
  • Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. 2. Auflage. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1987, ISBN 3-7887-0751-8.
  • Hans Joachim Hillerbrand: Martin Luther and the Jews. In: James Charlesworth (Hrsg.): Jews and Christians: exploring the past, present, and future. Crossroad Publishing, 1990, ISBN 0-8245-1012-7.
  • Reinhard Schwarz: Luther und die Juden im Lichte der Messiasfrage. In: Luther 69/1998, S. 67–81.
  • Kenneth Hagen: Luther's So-Called Judenschriften: A Genre Approach. In: Archiv für Reformationsgeschichte 90, 1999, S. 130–158.
  • Bertold Klappert: Erwählung und Rechtfertigung: Martin Luther und die Juden. In: derselbe: Miterben der Verheißung. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2000, ISBN 3-7887-1760-2, S. 105–147.
  • Volker Stolle: Israel als Gegenüber Martin Luthers - im Horizont seiner biblischen Hermeneutik. In: Folker Siegert (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-54204-6, S. 322–359.
  • Helmar Junghans: Martin Luther und die Juden. In: Michael Beyer, Günther Wartenberg, Helmar Junghans (Hrsg.): Spätmittelalter, Luthers Reformation, Kirche in Sachsen: Ausgewählte Aufsätze. Evangelische Verlagsanstalt, 2001, ISBN 3-374-01910-2.
  • Andreas Späth: Luther und die Juden. Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2001, ISBN 3-932829-23-9.
  • Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden - neu untersucht anhand von Anton Margarithas 'Der gantz Jüdisch glaub' (1530/31). Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-017566-1.
  • Hans-Martin Kirn: Luther und die Juden. In: Albrecht Beutel (Hrsg.): Luther Handbuch. Mohr/Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148266-2, S. 217–225.
  • Ernst-Joachim Waschke: Martin Luther und die Juden oder: von einem Irrweg in der Theologie. In: Julia Männchen, Torsten Reiprich (Hrsg.): Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden (Jes 56,7): Judentum seit der Zeit des zweiten Tempels in Geschichte, Literatur und Kult. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2007, ISBN 978-3-7887-2242-5, S. 371–383.
  • Olaf Roynesdal: Martin Luther and the Jews. Sioux Falls, 2009.
  • Thomas Kaufmann: Luther. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus Band 2/2: Personen L-Z. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 501–506.
  • Anselm Schubert: Fremde Sünde. Zur Theologie von Luthers späten Judenschriften. In: Dietrich Korsch, Volker Leppin (Hrsg.): Martin Luther - Biographie und Theologie. Coronet Books, 2010, ISBN 978-3-16-150454-9.
  • Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“: Ein Beitrag zu ihrer historischen Kontextualisierung. Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 978-3-16-150772-4.
  • Eric W. Gritsch: Martin Luther's Anti-Semitism: Against His Better Judgment. William B. Eerdman Co, 2012, ISBN 978-0-8028-6676-9.
Rezeption
Judentum
  • Reinhold Lewin: Luthers Stellung zu den Juden. (Berlin 1911) Neudruck: Aalen 1973.
  • Samuel Krauss: Luther und die Juden. In: Der Jude II, 1917/18, S. 544–547. (Textauszug online)
  • Carl Cohen: Luther and his Jewish Contemporaries. In: Jewish Social Studies 25, 1963, S. 195–204.
  • Arnold Agus: Luther and the Rabbis. In: The Jewish Quarterly Review Nr. 58, Juli 1967, S. 63–68.
  • Haim Hillel Ben-Sasson: The Reformation in Contemporary Jewish Eyes. In: Proceedings of the Israel Academy of Sciences and Humanities, Band 4, At Ahva Press, 1970
  • Pinchas Lapide: Die Stellung zeitgenössischer Juden zu Luther. In: Die Reformation geht weiter (56), S. 169–185.
  • Christian Wiese: „Auch uns sei sein Andenken heilig!“ Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Shoah. In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-55449-4, S. 215–259.
Vor 1933
  • Ernst Schaeffer: Luther und die Juden. In: Christentum und Judentum: Zwanglose Hefte zur Einführung der Christen in das Verständnis ihrer wechselseitigen Beziehungen, Serie V, Heft 1, Gütersloh 1917.
  • Johannes Brosseder: Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten. Interpretation und Rezeption von Luther-Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum. München 1972, ISBN 3-506-70758-2.
  • Johannes Wallmann: The Reception of Luthers Writings on the Jews from the Reformation to the End of the 19th Century. In: Lutheran Quarterly 1, 1987, S. 72–95.
  • Hans-Joachim Hillerbrandt: „Deutsche“ und „Juden“: Betrachtungen zum Thema christlicher Antisemitismus von Luther bis Stoecker. In: Willi Jasper, Joachim H. Knoll (Hrsg.): Preußens Himmel breitet seine Sterne. Ideen zur Kultur-, Politik- und Geistesgeschichte. 2 Bände. Olms, 2002, ISBN 3-487-11641-3.
  • Christian Wiese: „Unheilsspuren“. Zur Rezeption von Martin Luthers „Judenschriften“ im Kontext antisemitischen Denkens vor der Schoah. In: Peter von der Osten-Sacken (Hrsg.): Das missbrauchte Evangelium. Studien zu Theologie und Praxis der Thüringer Deutschen Christen. Institut Kirche und Judentum, 2002, ISBN 3-923095-74-0.
  • Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur: Lutherischer Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts. Mohr/Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-149017-7.
NS-Zeit
  • Peter F. Wiener: Martin Luther: Hitler's Spiritual Ancestor. In: The Peace Pamphlet No. 3. London 1945. (Nachdruck: 2. Auflage. Amer Atheist Press, 1999, ISBN 1-57884-954-3)
  • Winfried Schiffner: Luther, Hitler und die Juden. Eine Blütenlese aus dem Jubiläumsjahr der 450. Wiederkehr des Geburtstages Luthers im Jahre 1933. In: Tribüne: Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, 3. Jahrgang, Nr. 10, 1964, S. 1064–1071.
  • Johann M. Schmidt: Martin Luther's Attitude toward the Jews and Its Impact on the evangelical Church in Germany in the Beginning of the Third Reich. In: Proceedings of the Ninth World Congress of Jewish Studies. Magnes Press, Jerusalem 1986, ISBN 99995-0065-X, S. 157–164.
  • Richard L. Rubenstein: Luther and the Roots of the Holocaust. In: Herbert Hirsch, Jack D. Spiro (Hrsg.): Persistent Prejudice: Perspectives on Anti-Semitism. George Mason University Press, Fairfax, Virginia 1988, ISBN 0-913969-09-5.
  • Gerhard Lindemann: Antijudaismus und Antisemitismus in den evangelischen Landeskirchen während der NS-Zeit. In: Geschichte und Gesellschaft, 29. Jahrgang, Heft 4: Protestantismus und Nationalsozialismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 575–607.
  • Christopher J. Probst: Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany. Indiana University Press, 2012, ISBN 978-0-253-00098-9.
  • Günter Brakelmann: Hitler und Luther 1933 in Bochum. In: Günter Brakelmann, Peter Bukowski: Auf den Spuren kirchlicher Zeitgeschichte: Helmut Geck zum 75. Geburtstag. Lit Verlag, 2010, ISBN 978-3-8258-1526-4, S. 198–226.
Seit 1945
  • Hartmut Lehmann: Katastrophe und Kontinuität: die Diskussion über Martin Luthers historische Bedeutung in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Klett, 1974
  • Peter Clarkson Matheson: Luther and Hitler. A controversy reviewed. JES 17, 1980, S. 445–543.
  • Heiner Grote: Luther und die Juden. Auch 1983 hat sein typisches Thema. In: MdKI 34, 1983, S. 63–68.
  • Eberhard Mannack: Luther - ein geistiger Ahnherr Hitlers? In: Cornelis Augustijn und andere (Hrsg.): Luther-Bilder im 20. Jahrhundert: Symposion an der Freien Universität. Editions Rodopi, 1984, ISBN 90-6203-517-5, S. 167–186.
  • Barbro Eberan: Luther? Friedrich 'der Große'? Wagner? Nietzsche? ...? ...? Wer war an Hitler schuld? Die Debatte um die Schuldfrage 1945–1949. 2. erweiterte Auflage. Minerva-Publikation, München 1985, ISBN 3-597-10533-5.
  • Dean Philipp Bell: Martin Luther and the Jews: The Reformation, Nazi Germany, and Today. In: The Soloman Goldman Lectures, Vol. VII. Chicago 1999, S. 155–187.
  • Uwe Siemon-Netto: The Fabricated Luther: Refuting Nazi Connections and Other Modern Myths. 2. Auflage. Concordia Publishing House, 2007, ISBN 978-0-7586-0855-0.
Konsequenzen
  • Arnulf H. Baumann, Käte Mahn, Magne Sæbø (Hrsg.): Luthers Erben und die Juden: das Verhältnis lutherischer Kirchen Europas zu den Juden. Lutherisches Verlagshaus, 1984, ISBN 3-7859-0497-5.
  • Kirchenamt der EKD (Hrsg.): Christen und Juden I–III: Die Studien der Evangelischen Kirche in Deutschland 1975–2000. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2002, ISBN 3-579-02374-8.

Einzelnachweise

  1. Ben-Zion Degani: Die Formulierung und Propagierung des jüdischen Stereotyps in der Zeit vor der Reformation und sein Einfluß auf den jungen Luther. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 3–37.
  2. Wolfgang Huschner, Frank Rexroth (Hrsg.): Gestiftete Zukunft im mittelalterlichen Europa. ISBN 978-3-05-004475-0, S. 90.
  3. Heiko A. Oberman: Die Juden in Luthers Sicht. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 138 und Fn. 6
  4. Hans-Martin Kirn: Israel als Gegenüber der Reformatoren. In: Folker Siegert (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens. Göttingen 2000, S. 292.
  5. Friedrich Battenberg: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-55777-7, S. 1. und 10 (Zahlen)
  6. Friedrich Battenberg: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. München 2001, S. 10f.
  7. Stefan Litt: Juden in Thüringen in der Frühen Neuzeit (1520–1650). Böhlau, Wien 2004, ISBN 3-412-08503-0, S. 35–40; 213f.; Siedlungskarte S. 226.
  8. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 156.
  9. Samuel Krauss: Luther und die Juden (1917). In: Kurt Wilhelm (Hrsg.): Wissenschaft des Judentums im deutschen Sprachbereich I/II. Mohr/Siebeck, Tübingen 1967, ISBN 3-16-821152-4, S. 309f.
  10. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 158.
  11. Stefan Schreiner: Was Luther vom Judentum wissen konnte. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 70f.
  12. Stefan Schreiner: Was Luther vom Judentum wissen konnte. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 63f.
  13. Heinz Schilling: Martin Luther: Rebell in einer Zeit des Umbruchs. C.H. Beck, Tübingen 2012, ISBN 978-3-406-63742-1, S. 466f.
  14. Johannes Schwanke: Creatio ex nihilo: Luthers Lehre von der Schopfung aus dem Nichts in der großen Genesisvorlesung (1535–1545). Walter de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-017968-7, S. 10 und Fn. 21–22
  15. Stefan Schreiner: Was Luther vom Judentum wissen konnte. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 64–68.
  16. Michael Korthaus: Kreuzestheologie. Geschichte und Gehalt eines Programmbegriffs in der evangelischen Theologie. 2007, ISBN 978-3-16-149337-9, S. 350.; Eduard Ellwein (Hrsg.): Luthers Epistel-Auslegung Band 3: Die Briefe an die Epheser, Philipper und Kolosser. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1972, S. 218.
  17. Jin H. Kwon: Christus pro nobis. Lit Verlag, 2008, ISBN 978-3-8258-1365-9, S. 46.
  18. Volker Stolle: Israel als Gegenüber Martin Luthers – im Horizont seiner biblischen Hermeneutik. In: Folker Siegert (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Göttingen 2000, S. 343, Fn. 118
  19. Hans-Martin Kirn: Israel als Gegenüber der Reformatoren. In: Folker Siegert (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens. Göttingen 2000, S. 293.
  20. Ekkehard Wohlleben: Die Kirchen und die Religionen. Perspektiven einer ökumenischen Religionstheologie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-56551-8, S. 153.
  21. Udo Kern: Das Verständnis des Gesetzes bei Juden, Christen und im Islam. Lit Verlag, 2000, ISBN 3-8258-4863-9, S. 77.
  22. Volker Stolle: Israel als Gegenüber Martin Luthers – im Horizont seiner biblischen Hermeneutik. In: Folker Siegert (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Göttingen 2000, S. 325 und Fn. 17
  23. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 11 und Fn. 17
  24. Christopher J. Probst: Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany. 2012, S. 184.
  25. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 10. und 83
  26. Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31). Stuttgart 2002, S. 75.
  27. Klaus Wengst: „Freut euch, ihr Völker, mit Gottes Volk!“ Israel und die Völker als Thema des Paulus – ein Gang durch den Römerbrief. Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-019704-6, S. 27–30.
  28. WA 56/436, S. 13ff.; zitiert bei Karl Heinrich Rengstorf, Siegfried von Kortzfleisch (Hrsg.): Kirche und Synagoge: Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen, Band 1. 1968, S. 383.
  29. Bertold Klappert: Martin Luther und die Juden. In: derselbe: Miterben der Verheißung. Neukirchen-Vluyn 2000, S. 105.
  30. Johann Anselm Steiger, Ulrich Heinen (Hrsg.): Golgatha in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit. Walter de Gruyter , Berlin 2010, ISBN 978-3-11-022558-7, S. 101f.
  31. Hans-Martin Barth: Die Theologie Martin Luthers: eine kritische Würdigung. Gütersloher Verlagshaus, 2009, ISBN 978-3-579-08045-1, S. 419.
  32. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 34–36.
  33. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 37, Fn. 118
  34. Ernst L. Ehrlich: Luther und die Juden. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 93 und Fn. 10
  35. Hans-Martin Kirn: Luther und die Juden. In: Albrecht Beutel (Hrsg.): Handbuch Luther. Tübingen 2010, S. 219.
  36. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 4, Fn. 11 und S. 38.
  37. Hochdeutsch zitiert nach: Luther-Gesellschaft (Hrsg.): Luther, Bände 57–58. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, S. 50–54.
  38. Wolfgang Bunte: Judentum in der mittelniederländischen Literatur (1100–1600). Peter Lang, 1989, ISBN 3-631-40823-4, S. 313, Fn. 114
  39. Heiko A. Oberman: Die Juden in Luthers Sicht. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 138, Fn. 8
  40. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 159.
  41. Dietrich Korsch: Martin Luther: Eine Einführung. UTB, 2007, ISBN 978-3-8252-2956-6, S. 144.
  42. Katharina Bracht, David S. du Toit: Die Geschichte der Daniel-Auslegung in Judentum, Christentum und Islam. Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019301-5, S. 224.
  43. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 105, Fn. 93
  44. Martin Friedrich: Zwischen Abwehr und Bekehrung. Mohr/Siebeck, Tübingen 1988, ISBN 3-16-145318-2, S. 32.
  45. Martin Stöhr: Martin Luther und die Juden. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 92–98.
  46. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 144–146, Fn. 160
  47. Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden. In: Folker Siegert (Hrsg.): Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008. Lit Verlag, 2008, ISBN 978-3-8258-1506-6, S. 269, Fn. 48
  48. Zitiert nach Arndt Meinhold: Psalm 109 in Luthers „Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn“. In: Christoph Bultmann, Walter Dietrich, Christoph Levin (Hrsg.): Vergegenwärtigung des Alten Testaments. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-53621-6, S. 239f.
  49. Max J. Suda: Die Ethik Martin Luthers. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-56337-X, S. 111f.
  50. Heiko A. Oberman: Luther: Mensch zwischen Gott und Teufel. 2. Auflage. Siedler, 1991, ISBN 3-88680-044-X, S. 293.
  51. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 83.
  52. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 122 und Fn. 22, 23
  53. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 123, Fn. 23
  54. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 96f.
  55. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 104–106.
  56. Enno Bünz, Helmut G. Walther, Stefan Tebruck: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Böhlau, Wien 2007, ISBN 978-3-412-20060-2, S. 737.
  57. Zitiert nach Wanda Kampmann: Deutsche und Juden. Die Geschichte der Juden in Deutschland vom Mittelalter bis zum Beginn des ersten Weltkrieges. Fischer TB, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-596-23429-8, S. 46.
  58. Gerhard Müller: Antisemitismus VI. In: Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe Band I, 1993, S. 147f.
  59. Winfried Frey: Pluralität im Zeitalter der Glaubensspaltung? In: Christoph Auffarth, Günter Kehrer, Michael Zank (Hrsg.): Religiöser Pluralismus im Mittelalter? Besichtigung einer Epoche der Europäischen Religionsgeschichte. Lit Verlag, 2007, ISBN 978-3-8258-8631-8, S. 151.
  60. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 15.; Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden. In: Folker Siegert (Hrsg.): Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008. 2008, S. 280.
  61. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 131, Fn. 69
  62. Wolfgang Wippermann: Auserwählte Opfer? Shoah und Porrajmos im Vergleich. Eine Kontroverse. Frank & Timme, 2012, ISBN 978-3-86596-003-0, S. 14.
  63. Zitiert nach Guido Kisch: Zäsius und Reuchlin: eine rechtsgeschichtlich-vergleichende Studie zum Toleranzproblem im 16. Jahrhundert. Jan Thorbecke Verlag, Pforzheim 1961, S. 12f.; lateinischer Originaltext bei R. Po-Chia Hsia: The Myth of Ritual Murder: Jews and Magic in Reformation Germany. Yale University Press, 1990, ISBN 0-300-04746-0, S. 116.
  64. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 123–127; 133
  65. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 116–124. und Fn. 148
  66. Dietrich Korsch: Martin Luther: Eine Einführung. 2007, S. 146.
  67. Brigitta Callsen, Thomas Ebendorfer (Hrsg.): Das jüdische Leben Jesu - Toldot Jeschu: Die älteste lateinische Übersetzung in den Falsitates Judeorum von Thomas Ebendorfer. Böhlau, Wien 2003, ISBN 3-7029-0475-1, S. 16.
  68. Wolfgang Wippermann: Rassenwahn und Teufelsglaube. Frank & Timme, 2013, ISBN 978-3-86596-007-8, [http.//books.google.de/books?id=-M6HgMLRI60C&pg=PA72, S. 72 und Fn. 224]
  69. Zitiert nach Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden. In: J. C. de Vos, Folker Siegert (Hrsg.): Interesse am Judentum: Die Franz-Delitzsch-Vorlesungen 1989–2008. 2008, S. 263f.
  70. Bertold Klappert: Martin Luther und die Juden. In: derselbe: Miterben der Verheißung. Neukirchen-Vluyn 2000, S. 112; dort auch die übrigen Zitate
  71. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 156f.
  72. Martin Gubser: Literarischer Antisemitismus. Untersuchungen zu Gustav Freytag und anderen bürgerlichen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts. Wallstein, 1998, ISBN 3-89244-259-2, S. 77f.
  73. Ernst Ludwig Ehrlich: Luther und die Juden. In: Walter Homolka, Tobias Barniske, Ernst Ludwig Ehrlich (Hrsg.): Von Hiob zu Horkheimer: Gesammelte Schriften zum Judentum und seiner Umwelt. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-020257-1, S. 145f.
  74. Jehuda L. Stein, Erhard R. Wiehn: Jüdische Ärzte und das jüdische Gesundheitswesen in Krakau: vom 15. Jahrhundert bis zur Schoáh. Hartung-Gorre, 2006, ISBN 3-86628-046-7, S. 20.
  75. Michael Demel: Gebrochene Normalität: Die staatskirchenrechtliche Stellung der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 978-3-16-150885-1, S. 58.
  76. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 112–114.
  77. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 180.
  78. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 137, Fn. 110
  79. Johannes Brosseder: Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum. München 1972, S. 80.
  80. Gerhard Müller: Antisemitismus VI. In: Theologische Realenzyklopädie I, 1993, S. 149.
  81. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 121, Fn. 22
  82. Gerhard Müller: Antisemitismus VI. In: Theologische Realenzyklopädie I, 1993, S. 148.
  83. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, und S. 135f.
  84. Werner Marzi: Judentoleranz im Territorialstaat der frühen Neuzeit: Judenschutz und Judenordnung in der Grafschaft Nassau-Wiesbaden-Idstein und im Fürstentum Nassau-Usingen. Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, 1999, ISBN 3-921434-20-3, S. 322f.
  85. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 141–144.
  86. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 138–141.
  87. Friedrich Battenberg: Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. 2001, S. 83f.
  88. Martin Stöhr: Martin Luther und die Juden. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 93 und Fn. 10
  89. Andreas Pangritz: Zeitgenössische jüdische Reaktionen auf Luther und die Wittenberger Reformation (PDF, S. 1f.)
  90. Pinchas Lapide: Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 175–179.
  91. Pinchas Lapide: Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 181f.
  92. Debra Kaplan: Beyond Expulsion: Jews, Christians, and Reformation in Strasbourg. Stanford University Press, 2011, ISBN 978-0-8047-7442-0, S. 9.
  93. Gerhard Müller: Antisemitismus VI. In: Theologische Realenzyklopädie Band I, 1993, S. 150.
  94. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 114f.
  95. Johannes Wallmann: Zur Haltung des Pietismus gegenüber den Juden. In: Hartmut Lehmann: Geschichte des Pietismus Band 4: Glaubenswelt und Lebenswelten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-55349-8, S. 145–149.
  96. Udo Sträter: Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-55909-3, S. 313.
  97. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 141 und Fn. 28
  98. Hartmut Lehmann: Geschichte des Pietismus Band 4: Glaubenswelt und Lebenswelten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-55349-8, S. 153.
  99. Laurenz Müller: Diktatur und Revolution. Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3-8282-0289-6, S. 46.
  100. Christian Wiese: Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa. In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung. Göttingen 2004, S. 232–237.
  101. Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31). Stuttgart 2002, S. 134.
  102. Alex Bein: Die Judenfrage: Biographie eines Weltproblems, Band 1. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1980, ISBN 3-421-01963-0, S. 128, Fn. 1
  103. Alexander Bein: „Der jüdische Parasit.“ Bemerkungen zur Semantik der Judenfrage. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 13. Jahrgang, 2. Heft, April 1965 (PDF; 1,4 MB)
  104. Klaus L. Berghahn: Grenzen der Toleranz. Böhlau, Wien 2001, ISBN 3-412-08701-7, S. 216.
  105. Ludwig Fischer: D. Martin Luther, von den Juden und ihren Lügen, ein crystallisirter Auszug aus dessen Schriften über der Juden Verblendung, Jammer, Bekehrung und Zukunft, ein Beitrag zur Charakteristik dieses Volks. B. Tauchnitz junior, 1838; rezipiert bei Johann Jakob Herzog (Hrsg.): Missionen, protest., unter den Juden. In: Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. Unter Mitwirkung vieler protestantischer Theologen und Gelehrten. 2. Auflage. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig 1877–88, S. 635.
  106. Johannes Brosseder: Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum. 1972, S. 98–109.
  107. Islebiensis: Doktor Martin Luther und das Judenthum. Oscar Lorentz, 1879; 1882.
  108. Günther B. Ginzel: Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 194f.
  109. Houston Stewart Chamberlain: Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts. (1899) 10. Auflage. F. Bruckmann a.-g., 1922, S. 626.
  110. Günther B. Ginzel: Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 197f.
  111. Wilhelm Walther: Luther und die Juden und die Antisemiten. 1912; referiert von Johannes Brosseder: Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten: Interpretation und Rezeption von Luthers Schriften und Äußerungen zum Judentum im 19. und 20. Jahrhundert vor allem im deutschsprachigen Raum. 1972, S. 114–120.
  112. Günther B. Ginzel: Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 198f.
  113. Alfred Falb: Luther und die Juden. Deutschlands führende Männer und das Judentum, Band 4. München 1921.
  114. Artur Dinter: 97 Thesen zur Vollendung der Reformation. Die Wiederherstellung der reinen Heilandslehre. 1926.
  115. Max Wundt: Deutsche Weltanschauung. Grundzüge völkischen Denkens. 1926; derselbe: Volk, Volkstum, Volkheit. 1927; Falb, Dinter und Wundt referiert nach Günther B. Ginzel: Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 199–202.
  116. Karl-Otto von der Bach: Luther als Judenfeind, 1931; referiert nach Günther B. Ginzel: Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 203.
  117. Günther B. Ginzel: Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 195.
  118. Othmar Plöckinger: Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers „Mein Kampf“: 1922–1945. Eine Veröffentlichung des Instituts für Zeitgeschichte. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2011, ISBN 978-3-486-70533-1, S. 84.
  119. Beispiel: Curt Richard Karl Raber: Luther und die Juden: Nach seinen Reden und Schriften. Wolfsangel, Mannheim 1933.
  120. Karl Grunsky: Bekenntnisse Luthers zur Judenfrage. Band 2 von „Der Aufschwung“. Walther, 1933. Referiert nach Günter Brakelmann: Hitler und Luther 1933 in Bochum. In: Günter Brakelmann, Peter Bukowski: Auf den Spuren kirchlicher Zeitgeschichte: Helmut Geck zum 75. Geburtstag. 2010, S. 200-224
  121. Joachim Noack: Luther und die Juden. Dargestellt nach Luthers Schrift „Wider die Jüden und ihre Lügen“ von 1543. Bund für Deutsche Kirche, M. Lühr, Berlin 1933; referiert nach Günther B. Ginzel: Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 204.
  122. Laurenz Müller: Diktatur und Revolution. Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3-8282-0289-6, S. 134.
  123. Erich Vogelsang: Luthers Kampf gegen die Juden. Mohr/Siebeck, 1933; referiert nach Günther B. Ginzel: Martin Luther: „Kronzeuge des Antisemitismus“. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 205.
  124. Christopher J. Probst: Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany. 2012, S. 66f.
  125. Zitiert nach Bertold Klappert: Martin Luther und die Juden. In: derselbe: Miterben der Verheißung. Neukirchen-Vluyn 2000, S. 115.
  126. Andrea Liesner: Zwischen Weltflucht und Herstellungswahn. Königshausen & Neumann, 2002, ISBN 3-8260-2240-8, S. 61.
  127. Christopher J. Probst: Demonizing the Jews: Luther and the Protestant Church in Nazi Germany. 2012, S. 59.
  128. Christoph Zuschlag (Hrsg.): „Entartete Kunst“: Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland. Wernersche Verlagsgesellschaft, 1995, ISBN 3-88462-096-7, S. 310.
  129. Birgit Gregor: Zum protestantischen Antisemitismus. In: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust: „Beseitigung des jüdischen Einflusses...“: Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus: 1998/99. 1999, S. 171–187.
  130. Theodor Pauls: Luther und die Juden, Band 1 = Band 61 von Aufbau im Positiven Christentum. Eine theologische und religionspädagogische Schriftenreihe; Luther und die Juden: Der Kampf (1524–1546); Aus Luthers Kampfschriften gegen die Juden. Scheur, 1939.
  131. Laurenz Müller: Diktatur und Revolution. 2004, S. 138.
  132. Zitiert nach Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 143.
  133. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 144, Fn. 36
  134. Sabine Gries: Kindesmisshandlung in der DDR. Kinder unter dem Einfluss traditionell-autoritärer und totalitärer Erziehungsleitbilder. Lit Verlag, 2002, ISBN 3-8258-5974-6, S. 295, Fn. 318
  135. Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften, Tübingen 2011, S. 144, Fn. 36
  136. Gerhard Ritter: Luther - Gestalt und Tat. (3. Auflage 1943) DVA, 7. Auflage. 1983, ISBN 3-421-06129-7, S. 226f. Referiert nach Laurenz Müller: Diktatur und Revolution. Lucius & Lucius, 2004, ISBN 3-8282-0289-6, S. 155f.
  137. Klemens von Klemperer: Über Luther hinaus? Dietrich Bonhoeffer und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. In: Ernst Willi Hansen, Gerhard Schreiber, Bernd Wegner (Hrsg.): Politischer Wandel, organisierte Gewalt und nationale Sicherheit: Beiträge zur neueren Geschichte Deutschlands. Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-56063-8, S. 403–416.; Ulrich Schacht: Der Teufel paßt sich den Zeiten an: Zu Luthers Menschen-Bild zwischen Apg 5,29 und Röm 13 und seiner Bedeutung für die Abwehr totalitärer Versuchung. In: Martin Leiner, Hildigund Neubert, Ulrich Schacht (Hrsg.): Gott mehr gehorchen als den Menschen (Was Steht Geschrieben?). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-89971-195-5, S. 86–98.
  138. Christian Wiese: Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa. In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung. Göttingen 2004, S. 219–237.
  139. a b Kurt Meier: Zur Interpretation von Luthers Judenschriften. In: Helmar Junghans und andere (Hrsg.): Vierhundertfünfzig Jahre lutherische Reformation. Festschrift für Franz Lau zum 60. Geburtstag. 1967, ISBN 3-525-58104-1, S. 234.
  140. Christian Wiese: Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa. In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung. Göttingen 2004, S. 250f.
  141. Christian Wiese: Jüdische Lutherdeutung von der Aufklärung bis zur Schoa. In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung. Göttingen 2004, S. 252.
  142. Selma Stern-Taeubler: Die Vorstellung vom Juden und vom Judentum in der Ideologie der Reformationszeit. In: Essays presented to Leo Baeck on the Occasion of his Eightieht Birthday. East and West Library, London 1954, S. 202; zitiert bei Heiko A. Oberman: Die Juden in Luthers Sicht. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 139, Fn. 10
  143. Pinchas Lapide: Stimmen jüdischer Zeitgenossen zu Martin Luther. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 171–174 und 179-185
  144. Hans Erler, Ansgar Koschel (Hrsg.): Der Dialog zwischen Juden und Christen: Versuche des Gesprächs nach Auschwitz. Campus, 1999, ISBN 3-593-36346-1, S. 81–85.
  145. Gerhard Müller: Antisemitismus VI. In: Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe Band I, 1993, S. 148.
  146. Hans-Martin Kirn: Israel als Gegenüber der Reformatoren. In: Folker Siegert (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens. Göttingen 2000, S. 298–300.
  147. Thomas Kaufmann: Reformation. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus Band 3: Begriffe, Theorien, Ideologien. Walter de Gruyter, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-023379-7, S. 286.
  148. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 133–135.
  149. Walther Bienert: Martin Luther und die Juden, 1982, S. 181–194.
  150. Heiko A. Oberman: Die Juden in Luthers Sicht. In: Heinz Kremers (Hrsg.): Die Juden und Martin Luther. Martin Luther und die Juden. Geschichte, Wirkungsgeschichte, Herausforderung. Neukirchen-Vluyn 1987, S. 136–162.
  151. Bertold Klappert: Martin Luther und die Juden. In: derselbe: Miterben der Verheißung. Neukirchen-Vluyn 2000, S. 109–120.
  152. Gottfried Seebaß: Geschichte des Christentums Band 3: Spätmittelalter - Reformation - Konfessionalisierung. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-018780-5, S. 291.
  153. Karl Barth: Ein Brief nach Frankreich. 1939; Brief an Pfarrer Kooyman. 1940. In: Karl Barth: Eine Schweizer Stimme 1938–1945. Evangelischer Verlag, 1945, S. 108–117; S. 118–122.
  154. z.B. Karl Barth: Ein Wort an die Deutschen, November 1946 und andere; referiert bei Michael Beinker: Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935–1950): Widerstand - Bewährung - Orientierung. Theologischer Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-290-17531-3, S. 240.
  155. Hartmut Lehmann: „Muß Luther nach Nürnberg?“ Deutsche Schuld im Lichte der Lutherliteratur 1946/47. In: Hartmut Lehmann: Protestantisches Christentum im Prozeß der Säkularisierung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-36250-1, S. 65–79.
  156. William Montgomery McGovern: From Luther to Hitler: The History of Fascist-Nazi Political Philosophy. Houghton Mifflin, 1941/1946.
  157. Peter F. Wiener: Martin Luther: Hitler's Spiritual Ancestor. (1945) Neuauflage, American Atheist Press, London 1999, ISBN 1-57884-954-3; Buchtext online
  158. Ernest Gordon Rupp: Martin Luther. Hitler's Cause or Cure? In Replay to Peter F. Wiener. London 1945, S. 84; zitiert bei Michael Marissen: Lutheranism, Anti-Judaism, and Bach's St. John Passion: With an Annotated Literal Translation of the Libretto. Oxford University Press, New York 1998, S. 25, Fn. 71
  159. William L. Shirer: The Rise and Fall of the Third Reich: A History of Nazi Germany. Simon & Schuster, 1960, ISBN 2-253-01520-2, S. 236.
  160. Peter Clarkson Matheson: Luther and Hitler. A controversy reviewed: JES 17 (1980), S. 445–543.
  161. Thomas Kaufmann: Luther zwischen den Wissenschaftskulturen. In: Hans Medick, Peer Schmidt (Hrsg.): Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft - Weltwirkung. Göttingen 2004, S. 478, Fn. 114
  162. Zitiert nach Richard Faber: Offener Humanismus zwischen den Fronten des Kalten Krieges: Über den Universalhistoriker, politischen Publizisten und religiösen Essayisten Friedrich Heer. Königshausen & Neumann, 2005, ISBN 3-8260-3037-0, S. 203.
  163. Daniel J. Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Berlin 1996, S. 75. Dazu Thomas Kaufmann: Luthers „Judenschriften“, Tübingen 2011, S. 144, Fn. 35
  164. Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31), 2002, S. 286.
  165. Heiko A. Oberman: Luther, Israel und die Juden. Das Parlament Nr. 3/ 22. Januar 1983, S. 37.
  166. Bertold Klappert: Martin Luther und die Juden. In: derselbe: Miterben der Verheißung. Neukirchen-Vluyn 2000, S. 116ff.
  167. Christhard Hoffmann: Christlicher Antijudaismus und moderner Antisemitismus: Zusammenhänge und Differenzen als Problem der historischen Antisemitismusforschung. In: Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hrsg.): Christlicher Antijudaismus und Antisemitismus: Theologische und kirchliche Programme Deutscher Christen. Haag + Herchen, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-86137-187-1, S. 293.
  168. Birgit Gregor: Zum protestantischen Antisemitismus. In: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust: »Beseitigung des jüdischen Einflusses...«: Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus: 1998/99. Campus, 1999, ISBN 3-593-36098-5, S. 171–187.
  169. Wolfgang Wippermann: Rassenwahn und Teufelsglaube. Frank & Timme, 2013, ISBN 978-3-86596-007-8, S. 69–71.
  170. Judith Krasselt-Maier: Luther: Gottes Wort und Gottes Gnade: Bausteine für den Religionsunterricht in der Sekundarstufe II. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, ISBN 978-3-525-77005-4, S. 28.
  171. Peter von der Osten-Sacken: Martin Luther und die Juden: neu untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31). Stuttgart 2002, S. 304.
  172. Wolfgang Reinhold: Evangelische Kirche in Deutschland. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus Band 5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen. Walter de Gruyter, Berlin 2012, S. 239.
  173. Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes: Erklärungen „Luther, das Luthertum und die Juden“ vom 1. August 1984.
  174. LEKKJ: Martin Luther und das Judentum – Herausforderungen für die Lutherischen Kirchen heute (2011)
  175. Zitiert nach Freiburger Rundbrief, Neue Folge, 1999: „Christen und Juden“: Erklärung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Nürnberg, 24. November 1998)
  176. Beispiel: Stefan Meißner: Rechtfertigung - ein jüdischer Glaubenssatz. Kritische Anmerkungen zur gemeinsamen Erklärung von Katholiken und Protestanten zur Rechtfertigung
  177. Thomas Kaufmann: Konfession und Kultur, Tübingen 2006, S. 151–154.
  178. Hans Wolfschütz (Die Zeit, 16. Oktober 1981): Diskussion mit dem Teufel: „Der ewige Konflikt – das ist ja das Hoffnungsvolle“
  179. Stefan Heym: Ahasver. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-596-11206-0, S. 35 und 49; Analyse bei Anna Reuter: Die Frömmigkeit des Zweifels: Biblisch-messianische Motive und deren sozialkritische Funktion im Roman Ahasver von Stefan Heym. Peter Lang, 2001, ISBN 3-631-36577-2, S. 40–43.
  180. Stefan Heym: Ahasver. Frankfurt am Main 1992, S. 135.
  181. Moshe Zuckermann: Zwischen Politik und Kultur - Juden in der DDR. Wallstein, 2003, ISBN 3-89244-521-4, S. 129.
  182. Gerd Labroisse: Der neue Luther in der DDR. In: Cornelis Augustijn und andere (Hrsg.): Luther-Bilder im 20. Jahrhundert: Symposion an der Freien Universität. Edition Rodopi, 1984, ISBN 90-6203-517-5, S. 250.


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