„Marcel Reich-Ranicki“ – Versionsunterschied

[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 49:Zeile 49:
Im Jahr 2006 entschied die [[Humboldt-Universität zu Berlin]], Reich-Ranicki die [[Ehrendoktor]]würde zu verleihen. Die Humboldt-Universität wolle sich damit als Rechtsnachfolgerin der Friedrich-Wilhelms-Universität, welche Reich-Ranicki das Studium aufgrund seiner jüdischen Religionszugehörigkeit verwehrte, im Vorfeld ihres zweihundertjährigen Jubiläums zu ihrer historischen Verantwortung und Schuld bekennen, erklärte der Universitätspräsident. Die Verleihung fand am 16. Februar 2007 statt.<ref>Pressemitteilung der Humboldt-Universität, 21. Dezember 2006, online in: [http://www.hu-berlin.de/rs/show.php4?NT=7&L=4&G=-1&R=-1&A=2945 Ehrendoktor der Humboldt-Universität]</ref>
Im Jahr 2006 entschied die [[Humboldt-Universität zu Berlin]], Reich-Ranicki die [[Ehrendoktor]]würde zu verleihen. Die Humboldt-Universität wolle sich damit als Rechtsnachfolgerin der Friedrich-Wilhelms-Universität, welche Reich-Ranicki das Studium aufgrund seiner jüdischen Religionszugehörigkeit verwehrte, im Vorfeld ihres zweihundertjährigen Jubiläums zu ihrer historischen Verantwortung und Schuld bekennen, erklärte der Universitätspräsident. Die Verleihung fand am 16. Februar 2007 statt.<ref>Pressemitteilung der Humboldt-Universität, 21. Dezember 2006, online in: [http://www.hu-berlin.de/rs/show.php4?NT=7&L=4&G=-1&R=-1&A=2945 Ehrendoktor der Humboldt-Universität]</ref>


Für sein Lebenswerk und seine Sendung [[Das Literarische Quartett]] sollte Reich-Ranicki am 11. Oktober 2008 der [[Deutscher Fernsehpreis|Deutsche Fernsehpreis]] verliehen werden. Unter Hinweis auf den „Blödsinn, den wir hier heute Abend zu sehen bekommen haben“, lehnte er die Auszeichnung ab und nahm den Preis nicht an.<ref>[http://www.welt.de/fernsehen/article2564162/Reich-Ranicki-schimpft-auf-deutsches-Fernsehen.html „Reich-Ranicki schimpft auf deutsches Fernsehen“], [[Die Welt]], 12. Oktober 2008</ref> Moderator [[Thomas Gottschalk]] bot Reich-Ranicki daraufhin eine einstündige Diskussionsrunde zur Qualität des deutschen Fernsehens in Zusammenarbeit mit den Intendanten [[ARD]], [[ZDF]], [[RTL]] und [[Sat.1]] an, die er annahm.
Für sein Lebenswerk und seine Sendung [[Das Literarische Quartett]] sollte Reich-Ranicki am 11. Oktober 2008 der [[Deutscher Fernsehpreis|Deutsche Fernsehpreis]] verliehen werden. Unter Hinweis auf den „Blödsinn, den wir hier heute Abend zu sehen bekommen haben“, lehnte er die Auszeichnung ab und nahm den Preis nicht an.<ref>[http://www.welt.de/fernsehen/article2564162/Reich-Ranicki-schimpft-auf-deutsches-Fernsehen.html „Reich-Ranicki schimpft auf deutsches Fernsehen“], [[Die Welt]], 12. Oktober 2008</ref> Moderator [[Thomas Gottschalk]] bot Reich-Ranicki daraufhin eine einstündige Diskussionsrunde zur Qualität des deutschen Fernsehens in Zusammenarbeit mit den Intendanten [[ARD]], [[ZDF]], [[RTL]] und [[Sat.1]] an, die er annahm. Was bildet sich diese jüdische Sau ein? Der Itzig soll endlich verrecken, dem steht es nicht zu, die deutsche Kultur zu kritisieren!


=== Überblick aller Auszeichnungen ===
=== Überblick aller Auszeichnungen ===

Version vom 13. Oktober 2008, 18:14 Uhr

Marcel Reich-Ranicki, 2007

Marcel Reich-Ranicki [maʁˈsɛl ˌʁaɪ̯çʁaˈnɪtski] (gebürtig Marceli Reich; * 2. Juni 1920 in Włocławek, Polen) ist ein deutscher Publizist und gilt als einer der einflussreichsten deutschsprachigen Literaturkritiker der Gegenwart.

Leben

Włocławek

Er wurde als drittes Kind [1] des Fabrikbesitzers David Reich und dessen Frau Helene Reich geb. Auerbach geboren. Er wuchs in einer assimilierten, jüdischen, deutsch-polnischen Mittelstandsfamilie auf. Seine älteren Geschwister waren Alexander Herbert (1911–1943) und Gerda (1907–2006). Die Mutter war Deutsche und kam sich in der polnischen Provinz verloren vor. Ihre große Sehnsucht war eine Rückkehr nach Berlin. Reich-Ranicki beschreibt sie als sehr liebevoll und zugleich „weltfremd“. Der Vater besaß eine kleine Fabrik für Baumaterialien, war aber als musischer Mensch im Kaufmannsberuf unglücklich und „vollkommen ungeeignet“; 1928 musste er den Bankrott anmelden. Reich-Ranicki durfte als einziger seiner Geschwister die deutsche Schule von Włocławek besuchen.

Berlin

Schule Reich-Ranickis (1929-1935)

Um ihm seine berufliche Zukunft nach dem geschäftlichen Ruin seines Vaters offenhalten zu können, schickten ihn die Eltern zu wohlhabenden Verwandten nach Berlin, darunter ein Patentanwalt und ein Zahnarzt. Ab 1929 lebte Reich-Ranicki zunächst in Berlin-Charlottenburg, dann im Bayerischen Viertel in Berlin-Schöneberg. Dort besuchte er das Werner-Siemens-Realgymnasium, nach dessen Auflösung 1935 das Fichte-Gymnasium [2] in Berlin-Wilmersdorf.

Während seine Schulkameraden verpflichtet waren, ihre Freizeit bei nationalsozialistischen Schultreffen und -versammlungen zu verbringen, konnte er sich in die Lektüre der deutschen Klassiker vertiefen und Theater, Konzerte und Opern besuchen. Besonders die Aufführungen Wilhelm Furtwänglers und Gustaf Gründgens' waren ihm Trost und Halt in einer zunehmend restriktiver werdenden Umwelt. Als ihm bekannt wurde, dass sich Thomas Mann von der NS-Herrschaft öffentlich distanziert hatte, wurde jener nun nicht nur in literarischer, sondern auch in moralischer Hinsicht sein Vorbild. Trotz vieler nationalsozialistisch orientierter Lehrer galt am Fichte-Gymnasium noch einige Zeit das Gebot der Gleichbehandlung der jüdischen Schüler, so konnte er 1938 noch sein Abitur machen. Sein Antrag auf Immatrikulation an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin wurde am 23. April 1938 wegen seiner jüdischen Abstammung abgelehnt.

Ende 1938 wurde er nach Polen ausgewiesen. Am 29. Oktober und am 7. November 1938 folgte nach kurzer Abschiebehaft eine ethnische Säuberung (Polenaktion) von ca. 17.000 polnischen und staatenlosen jüdischen Frauen, Männern und Kindern, darunter auch Reich-Ranicki. Er fuhr mit der Bahn nach Warschau, wo er niemanden kannte, die polnische Sprache musste er wieder erlernen und blieb dort ein Jahr arbeitslos. Am 1. September 1939 begann der deutsche Überfall auf Polen und beendete abrupt seine Arbeitssuche. Seine spätere Frau Teofila (Tosia) Langnas (* 12. März 1920) lernte er durch eine Tragödie kennen. Ihre Eltern wurden wegen der deutschen Okkupation aus Łódź vertrieben und enteignet, aus Scham und Verzweiflung erhängte sich am 2. Januar 1940 in Warschau ihr Vater Paweł Langnas. Reich-Ranickis Mutter erfuhr von dem Unglück und schickte ihren Sohn dorthin, damit er sich um die Tochter kümmere.

Warschauer Ghetto, Flucht und Versteck

Im November 1940 wurde auch Reich-Ranicki zur Umsiedlung in das Warschauer Ghetto gezwungen. Er arbeitete bei dem von den Nazis eingesetzten Ältestenrat ("Judenrat") als Übersetzer und schrieb unter dem Autoren-Pseudonym Wiktor Hart Konzertrezensionen in der zweimal wöchentlich erscheinenden Ghettozeitung „Gazeta Żydowska“. Gleichzeitig war er Mitarbeiter im Ghetto-Untergrundarchiv des Emanuel Ringelblum. In dieser Zeit von Agonie und allgegenwärtigem Sterben machte er sich Überlebensmaßnahmen zu einer lebenslang beibehaltenen Gewohnheit. In Gaststätten pflegt er seitdem immer in Blickrichtung auf den Eingang zu sitzen, eine zweite Rasur am Nachmittag verringerte die Gefahr eines negativen Auffallens.

Durch einen eigenhändig getippten Schriftsatz des SS-Sturmbannführers Hermann Höfle erfuhr er 1942 von einer großen Deportation und beschloss eine Heirat, um durch diese amtliche Beglaubigung die Überlebenschancen seiner Lebensgefährtin zu erhöhen. Tatsächlich jedoch war die gesamte Deportation des Ghettos in das Vernichtungslager Treblinka geplant. Zu Beginn der Deportation des Ghettos, am 22. Juli 1942, heirateten sie. Wegen seiner Übersetzertätigkeit wurde Reich-Ranicki vorerst verschont. Anfang 1943 nahm er an einer Widerstandsaktion der Jüdischen Kampforganisation (polnisch Żydowska Organizacja Bojowa, kurz ŻOB) teil. [3]

Am 3. Februar 1943 gelang ihm zusammen mit seiner Frau Teofila die Flucht aus dem Warschauer Ghetto. Unmittelbar nach der Flucht wurden sie aufgegriffen und durch Zahlung einer Bestechung wieder freigelassen. Danach fanden die Flüchtlinge nach kurzen Zwischenverstecken für siebzehn Monate einen Unterschlupf bei der Familie des arbeitslosen Schriftsetzers Bolek Gawin, wo sie noch bis September 1944 nach der deutschen Niederschlagung des Warschauer Aufstands und der Besetzung des rechten Weichselufers durch die Rote Armee ausharren mussten. Nur durch seine dramatische Nacherzählung von bedeutenden Romanen der deutschen Literatur konnte er sich des unbeständigen, stets gefährdeten Mitleids seiner Helfer immer wieder aufs Neue versichern. Den beiden Kindern der Familie Gawin halfen sie bei den Schularbeiten und den Eltern bei deren illegaler Herstellung von Zigaretten. Nach der Befreiung Polens bat der Schriftsetzer die beiden Überlebenden, nirgends zu erwähnen, dass sie mit seiner Hilfe die Besetzung Polens durch die Nazi-Truppen überlebt hatten, weil sich ihr Lebensretter wegen des Antisemitismus der Polen davor fürchtete, mit seiner Rettung von Juden ins Gerede zu kommen. Nach dem Krieg bedankten sich die Reich-Ranickis auch mit einer finanziellen Vergütung bei den Gawins.

Reich-Ranickis Eltern, David Reich und Helene Reich, wurden in den Gaskammern von Treblinka ermordet. Sein Bruder Alexander Herbert Reich wurde am 4. November 1943 im Kriegsgefangenen- und Arbeitslager Poniatowa bei Lublin erschossen. Seiner Schwester Gerda war es mit ihrem Mann Gerhard Böhm bereits 1939 gelungen, nach London zu fliehen, wo sie 2006 im Alter von 99 Jahren starb.

Nachkriegszeit

1994 wurde bekannt, dass er seit Ende 1944 für die stalinistische Geheimpolizei UB (Urząd Bezpieczeństwa) in Schlesien gearbeitet hatte, und danach als Einsatzleiter, im Range eines Hauptmanns, für den polnischen Auslandsnachrichtendienst als Leiter der gegen Großbritannien gerichteten Spionage. In dieser Eigenschaft wurde er 1948, unter der Legende eines Vize-Konsuls namens "Marceli Ranicki", "Reich" klang zu deutsch, als Resident an die Polnische Botschaft in London entsandt, wo er zuständig für die Rückführung polnischer Emigranten war. London war zu der Zeit Sitz der polnischen Exilregierung. Einige dieser Emigranten wurden später zum Tode verurteilt. Den Namen Ranicki behielt er später bei. Er galt bei seinen Kollegen als Intellektueller, auch als arrogant und stieß auf entsprechend viele Vorbehalte. Schließlich hatte Reich-Ranicki in London eigenmächtig einem Verwandten ein Visum ausgestellt, ohne seine Vorgesetzten um Erlaubnis zu fragen. Sein Sohn Andrzej Alexander wurde am 30. Dezember 1948 geboren und Ende 1949 bat er um seine Abberufung aus London und kehrte nach Warschau zurück. Seine Karriere endete abrupt: der Geheimdienst und das Außenministerium entließen ihn, wegen "ideologischer Entfremdung" schloss ihn die Kommunistische Partei aus. Einige Wochen verbrachte er in Einzelhaft im Gefängnis. Anfang 1950 wurde er aus dem Geheimdienst entlassen. Danach folgte der Ausschluss aus der Kommunistischen Partei Polens; seine späteren Anträge auf Wiedereintritt und Rehabilitation wurden abgelehnt.

Aus dem Gefängnis entlassen, wandte er sich der Literatur zu und wurde Lektor für deutsche Literatur in einem großen Warschauer Verlag. Ende 1951 wagte er den entscheidenden Schritt: er arbeitete als freier Schriftsteller. Doch Anfang 1953 erteilten ihm die polnischen Behörden ein Publikationsverbot, das bis Ende 1954 in Kraft blieb. Er wurde ein Mitarbeiter des polnischen Rundfunks, bei dem auch seine Frau arbeitete, und publizierte in Zeitungen, auch beim Zentralorgan der Kommunistischen Partei Trybuna Ludu.

Bundesrepublik Deutschland

Während einer Studienfahrt am 21. Juli 1958 in die Bundesrepublik Deutschland blieb Reich-Ranicki in Frankfurt am Main. Seine Frau war zuvor mit dem Sohn Andrzej in den Urlaub nach London gefahren, um eine Ausreise der gesamten Familie in bürokratischer Hinsicht zu erleichtern.[4] Ab August 1958 arbeitete er als Literaturkritiker im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Der Feuilletonchef der FAZ, Hans Schwab-Felisch, schlug ihm vor, seinen heutigen Doppelnamen zu verwenden, was dieser ohne zu zögern übernahm.[5] Mitglieder der Gruppe 47, Siegfried Lenz und Wolfgang Koeppen halfen ihm, indem sie ihn ihre Bücher rezensieren ließen. Der Leiter der Literaturredaktion der FAZ, Friedrich Sieburg, setzte bald jedoch Reich-Ranickis Ausscheiden aus der Redaktion durch. Ende 1959 zog er mit seiner Frau nach Hamburg-Niendorf. Den bei seiner Schwester Gerda gelassenen Sohn Andrzej bzw. Andrew holte er von London nach Hamburg, wo er in die Internationale Schule gehen konnte. Von 1960 bis 1973 war er Literaturkritiker der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit. Er hatte dort schon sehr früh das Recht auf die Auswahl seiner Bücher, die er besprechen wollte, doch wurde er andererseits niemals zur Teilnahme an den Redaktionskonferenzen eingeladen.

Durch die Bekanntschaft mit dem Hamburger NDR-Redakteur Joachim Fest (ab 1973 auch Mitherausgeber der FAZ) erhielt er 1973 die Leitung der Literaturredaktion der FAZ. Ab 1986 belastete der von Fest eingeleitete Historikerstreit immer mehr ihr Verhältnis. Bis zum offiziellen Arbeitsende 1988 hatte er die Freiheit, alle Autoren, gleich welcher politischer Couleur, im Feuilleton der FAZ zu drucken. Dabei entwickelte er insbesondere ein Engagement für seine favorisierten Autoren, die er mit nie nachlassender Aufmerksamkeit bedachte. Literarische Verdienste erwarb er sich durch die Redaktion der von ihm begründeten Frankfurter Anthologie, in der bis heute bereits über 1 500 Gedichte deutschsprachiger Autorinnen und Autoren mit Interpretationen versammelt sind. Daneben hat er beständig über Jahrzehnte hinweg das Projekt einer Auslese der seiner Meinung nach besten Werke der deutschsprachigen Belletristik vorangetrieben.

Gemeinsam mit anderen Literaturfreunden initiierte er 1977 den Ingeborg-Bachmann-Preis, der rasch zum bedeutendsten deutschsprachigen Literatur-Wettbewerb und -Preis wurde.

Vom 25. März 1988 bis zum 14. Dezember 2001 leitete er die Sendung Das literarische Quartett im ZDF, mit der er bei einem größeren Publikum einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte. In Fachkreisen war er auch vor dieser Sendung längst als „Literaturpapst“ bekannt.

In der Wochenzeitschrift Der Spiegel [6] stellte Reich-Ranicki am 18. Juni 2001 unter dem Titel Kanon lesenswerter deutschsprachiger Werke sein Opus Magnum zu diesem Lebensthema vor. Die Anthologien sind unterteilt in »Romane«, »Essays«, »Dramen«, »Erzählungen« und »Gedichte«, aber auch die Empfehlung, manches nur im Auszug zu lesen.[7]

1968 und 1969 lehrte er an amerikanischen Universitäten, 1971 bis 1975 hatte er eine Gastprofessur in Stockholm und Uppsala inne. Seit 1974 ist er Honorarprofessor an der Eberhard Karls Universität Tübingen. 1990 erhielt Reich-Ranicki die Heinrich-Heine-Gastprofessur an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und 1991 die Heinrich-Hertz-Gastprofessur der Universität Karlsruhe.

Reich-Ranicki lebt heute mit seiner Frau in Frankfurt-Dornbusch. Sein Sohn Andrzej (heute: Andrew Alexander Ranicki) ist Professor für Mathematik an der Universität Edinburgh. Der britische Maler Frank Auerbach ist Reich-Ranickis Cousin.

Ehrungen und Auszeichnungen

Auf Antrag der „Freunde der Universität Tel Aviv“ in Deutschland aus dem Jahre 2006 entsteht an der Universität Tel Aviv der Marcel Reich-Ranicki-Lehrstuhl für Deutsche Literatur: „... in historischer Last ein markantes Zeichen für die wissenschaftlichen Beziehungen. Marcel Reich-Ranicki, der unter der Brutalität und Menschenverachtung der Nazis so unendlich viel erleiden musste, symbolisiert den geistigen Austausch von Wissenschaftlern“.[8]

Im Jahr 2006 entschied die Humboldt-Universität zu Berlin, Reich-Ranicki die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Die Humboldt-Universität wolle sich damit als Rechtsnachfolgerin der Friedrich-Wilhelms-Universität, welche Reich-Ranicki das Studium aufgrund seiner jüdischen Religionszugehörigkeit verwehrte, im Vorfeld ihres zweihundertjährigen Jubiläums zu ihrer historischen Verantwortung und Schuld bekennen, erklärte der Universitätspräsident. Die Verleihung fand am 16. Februar 2007 statt.[9]

Für sein Lebenswerk und seine Sendung Das Literarische Quartett sollte Reich-Ranicki am 11. Oktober 2008 der Deutsche Fernsehpreis verliehen werden. Unter Hinweis auf den „Blödsinn, den wir hier heute Abend zu sehen bekommen haben“, lehnte er die Auszeichnung ab und nahm den Preis nicht an.[10] Moderator Thomas Gottschalk bot Reich-Ranicki daraufhin eine einstündige Diskussionsrunde zur Qualität des deutschen Fernsehens in Zusammenarbeit mit den Intendanten ARD, ZDF, RTL und Sat.1 an, die er annahm. Was bildet sich diese jüdische Sau ein? Der Itzig soll endlich verrecken, dem steht es nicht zu, die deutsche Kultur zu kritisieren!

Überblick aller Auszeichnungen

Werke

Als Herausgeber

  • Auch dort erzählt Deutschland: Prosa von "Drüben", Paul List Verlag, München 1960
  • 16 polnische Erzähler, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1962
  • Erfundene Wahrheit. Deutsche Geschichten seit 1945, Piper, München 1965
  • Gesichtete Zeit. Deutsche Geschichten 1918-1933, Piper, München 1969
  • Verteidigung der Zukunft. Deutsche Geschichten seit 1960, Piper, München 1972
  • Frankfurter Anthologie, Band 1–29. Insel Verlag, Frankfurt 1978–2004 (Einzelbände)
  • 1000 Deutsche Gedichte und ihre Interpretationen. Insel, Frankfurt a.M. 1995. 10 Bände (Anthologie mit Interpretationstexten)
  • 1400 Deutsche Gedichte und ihre Interpretationen. Chronologisch von Walther von der Vogelweide bis Durs Grünbein. Insel, Frankfurt 2002. 12 Bände (Anthologie mit Interpretationstexten)
  • Romane von gestern – heute gelesen. Drei Bände (1900–1918; 1918–1933; 1933–1945). Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1996.
  • Meine Geschichten. Von Johann Wolfgang von Goethe bis heute. Insel, Frankfurt a.M. 2003, ISBN 3-458-17166-5 (Anthologie)
  • Der Kanon. Die deutsche Literatur. Romane. 20 Bände und ein Begleitband. Insel, Frankfurt 2002 Schuber, ISBN 3-458-06678-0
  • Der Kanon. Die deutsche Literatur. Erzählungen. 10 Bände und ein Begleitband. Insel, Frankfurt 2003 Schuber, ISBN 3-458-06760-4
  • Der Kanon. Die deutsche Literatur. Dramen. 8 Bände und ein Begleitband. Insel, Frankfurt 2004 Schuber, ISBN 3-458-06780-9
  • Der Kanon. Die deutsche Literatur. Gedichte. 7 Bände und ein Begleitband. Insel, Frankfurt 2005 Schuber, ISBN 3-458-06785-X
  • Der Kanon. Die deutsche Literatur. Essays. 5 Bände und ein Begleitband. Insel, Frankfurt 2006 Schuber, ISBN 3-458-06830-9

Fernsehreihen

Filmographie

  • Ich, Reich-Ranicki. Dokumentation, 105 Min., Buch und Regie: Lutz Hachmeister und Gert Scobel, Erstsendung: ZDF, 13. Oktober 2006 (Inhaltsangabe des ZDF), (Besprechung in Spiegel Online, FAZ und Berliner Zeitung)
  • Marcel Reich-Ranicki. Mein Leben. Dokumentation, 43 Min., ein Film von Diana von Wrede, Produktion: arte, Erstsendung: 21. August 2004, Inhaltsangabe von Phoenix
  • Herrrlich! Grrrässlich! Die große Marcel Reich-Ranicki-Nacht, Dokumentation, 180 Min., zusammengestellt von Stephan Reichenberger und Alex Rühle, Produktion ZDF, Erstsendung: 2./3. Juni 2000
  • Der Literaturpapst. Auseinandersetzungen mit dem Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Dokumentation, 100 Min., Buch und Regie: Martin Lüdke und Pawel Schnabel, Erstsendung: ARD, 28. April 1987

Quellen

  1. http://www.reich-ranicki.com/index.php?option=com_content&task=view&id=306&Itemid=39
  2. Johann-Peter-Hebel-Grundschule, Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
  3. Reich-Ranicki, Marcel: Mein Leben, S. 272ff.
  4. „Ich bitte höflich, mir die Genehmigung zu erteilen“, Die Welt, 21. Juli 2008
  5. „Marcel Reich-Ranickis Rückkehr vor 50 Jahren“, Die Welt, 21. Juli 2008
  6. „Arche Noah der Bücher“, Der Spiegel, 18. Juni 2001, Nr. 25
  7. „Literatur muss Spaß machen. Marcel Reich-Ranicki über einen neuen Kanon lesenswerter deutschsprachiger Werke“, Der Spiegel, 18. Juni 2001, Nr. 25, Interview
  8. Pressemitteilung der „Freunde der Universität Tel Aviv“, 1. Februar 2006, online in: Kapitel „Abroad“
  9. Pressemitteilung der Humboldt-Universität, 21. Dezember 2006, online in: Ehrendoktor der Humboldt-Universität
  10. „Reich-Ranicki schimpft auf deutsches Fernsehen“, Die Welt, 12. Oktober 2008
  11. StAnz. 6/2003 S. 526
  12. „Universität Tel Aviv. Reich-Ranicki-Lehrstuhl eingeweiht“, Hessischer Rundfunk, 6. März 2007, mit Interview
  13. Webseiten zum Henri Nannen Preis

Literatur

  • Teofila Reich-Ranicki und Hanna Krall: Es war der letzte Augenblick. Leben im Warschauer Ghetto. Aquarelle und Texte, Stuttgart, München, DVA 2000, 120 S., farbig, Gebunden, ISBN 3-421-05415-0
  • Frank Schirrmacher: Marcel Reich-Ranicki. Sein Leben in Bildern. Eine Bildbiographie, München, DVA 2001, 288 S., 286 s/w Abb., Leinen, ISBN 3-421-05320-0
  • Thomas Anz: Marcel Reich-Ranicki. München, dtv 2004, 192 S., zahlr. meist farbige Abb., ISBN 3-423-31072-3
  • Sabine Gebhardt-Herzberg: Das Lied ist geschrieben mit Blut und nicht mit Blei: Mordechaj Anielewicz und der Aufstand im Warschauer Ghetto. ISBN 3-00-013643-6; 250 S., Selbstverlag; enthält ein Kapitel über Reich-Ranickis Flucht aus dem Warschauer Ghetto und die Rolle des sogenannten „Judenrates“, für den er tätig war.
  • Uwe Wittstock: Marcel Reich-Ranicki. Geschichte eines Lebens, München, Blessing 2005, 288 S., 70 Abb., ISBN 3-89667-274-6


Artikel