„Enteignung der Armenier in der Türkei“ – Versionsunterschied

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Die Hrant-Dink-Stiftung forschte lange Zeit über die Enteignungen und bietet heute Beschreibungen, Fotografien und Grenzlinien auf ihrer interaktiven Kartenquelle [http://www.istanbulermenivakiflari.org/tr/harita hier].<ref>[http://www.istanbulermenivakiflari.org/tr/harita Interactive map of the confiscated Armenian proprieties in Istanbul]</ref>
Die Hrant-Dink-Stiftung forschte lange Zeit über die Enteignungen und bietet heute Beschreibungen, Fotografien und Grenzlinien auf ihrer interaktiven Kartenquelle [http://www.istanbulermenivakiflari.org/tr/harita hier].<ref>[http://www.istanbulermenivakiflari.org/tr/harita Interactive map of the confiscated Armenian proprieties in Istanbul]</ref>

== Konfiszierte Güter von Einrichtungen ==
{| class="wikitable"
|-
| '''[[Immobilie]]n nach Kategorie'''
|Anzahk
|Anteil
|Anmerkung
|-

|an Dritte übergeben
|251
|18,90 %
|
|-
|den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben
|143
|10,77 %
|z. B. [[Surp-Prgitsch-Krankenhaus]], Sanasarian-Stiftung
|-
|nicht mehr existierendes Grundstück
|78
|5,87 %
|z. B. Kalfayan-Waisenhaus und Pangalti-Friedhof<br>keine Spur der Gebäude oder der Struktur verblieben.
|-
|an die Gemeinde übergeben
|64
|4,82 %
|
|-
|an das Generaldirektorak für Stiftungen (VGM) übergeben
|51
|3,84 %
|''Vakif Genel Müdürlügü'' ist eine Regierungsorganisation,<br>die auf das osmanische Ministerium für Stiftungen folgte<ref>{{cite web|title=VGM: About Us.|url=http://www.vgm.gov.tr/sayfa.aspx?Id=80|publisher=VGM: Official Website|accessdate=2013-01-10}}</ref>
|-
|an das Finanzministerium/Schatzkammer übertragen
|31
|2,33 %
|
|-
|zum Volkseigentum erklärt
|23
|1,73 %
|
|-
|nicht zugeordnete Eigentümerschaft
|20
|1,51 %
|
|-
|:Gesamte konfiszierte Eigentümer
|661
|49,77 %
|
|-
|
|
|
|
|-
|von armenischen Stiftungen verwendet
|497
|37,42 %
|
|-
|von armenischen Stiftungen verkauft
|83
|6,25 %
|
|-
|:Gesamte unkonfiszierte Eigentümer
|580
|43,67 %
|
|-
|
|
|
|
|-
|Immobilien unbestimmten Status
|87
|6,55 %
|
|-
|
|
|
|
|-
|:Eigentümer, die ursprünglich den 53 armenischen Stiftungen gehörten<br>: (Schulen, Kirchen, Krankenhäuser, etc.).
|1.328
|100,00 %
|
|}



== Quellen ==
== Quellen ==

Version vom 22. Mai 2013, 17:54 Uhr

Srpuhi Mayrabed Nschan Kalfayan. Gründerin des Kalfayan-Ordens, der Berufsschule für Mädchen und des Kalfayan-Krankenhauses, das erst enteignet, dann zerstört wurde.

Im Zuge der vollständigen Deportation der armenischen Bevölkerung Anatoliens 1915 wurde Eigentum, Vermögen sowie Ländereien von Armeniern und anderen christlichen Minderheiten von der osmanischen bzw. türkischen Regierung konfisziert.[1]

Der Wohlstand der beiden reichsten Familien der Türkei (Sabancı und Koç) beruht vor allem auf während des Völkermordes geraubtem Eigentum, aufgrund dessen sich eine neue wohlhabende türkische soziale Klasse bilden konnte.[2][3][4] Laut der Hrant-Dink-Stiftung wurden 661 Besitztümer allein in Istanbul von der osmanischen und türkischen Regierung konfisziert, wodurch nur noch 580 der 1.328 Besitztümer übrig blieben, welche von 53 armenischen Stiftungen genutzt werden (Schulen, Kirchen, Krankenhäuser, etc.). Bislang wurden lediglich 143 (21,6 %) zurückgegeben.

Geschichte

Enteignung im Zuge des Völkermords

Am 16. Mai 1915 während des Völkermords an den Armeniern wurde ein Edikt erlassen mit dem Namen "Administrative Instruktion betreffend das bewegliche und immobiln Eigentum, das von deportierten Armeniern als Ergebnis des Krieges und unüblicher politischer Umstände aufgegeben wurde".[5][6][7][8] Das Gesetz sah die Gründung von besonderen Komitees vor, die Listen und Berichte über all das "aufgegebene" armenische Eigentum ausarbeiteten und die Güter und Waren "im Namen der Deportierten" in sichere Verwahrung brachten.[5] Vergängliche Güter und Tiere sollten verkauft und die Einnahmen im Namen der Eigentümer hinterlegt werden. Bauernhöfe, Olivenhaine, Häuser, Weingüter wurden unter den türkischen Flüchtlingen verteilt. Gebäude, die die türkischen Neuankömmlinge nicht annahmen, wurden öffentlich versteigert.

Am 29. Mai 1915 verabschiedete das Komitee für Einheit und Fortschritt das Tehcir-Gesetz, das die Deportation von Personen autorisierte, die als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit eingeschätzt wurden.[9]:186–8

Ein anderes Gesetz wurde am 13. September 1915 verabschiedet, genannt "Temporäres Gesetz der Zwangsenteignung und Konfiszierung", das besagte, dass das Armeniern gehörende Eigentum, einschließlich Ländereien, Viehbestand und Häuser, von den Behörden entschädigungslos konfisziert werden konnte.[1][10] Das Gesetz regelte detailliert, wie Ansprüche registriert werden konnten.[11] Dieses Gesetz wurde vom osmanischen Parlamentsabgeordneten Ahmed Rızâ abgelehnt:

„It is unlawful to designate the Armenian assets as "abandoned goods" for the Armenians, the proprietors, did not abandon their properties voluntarily; they were forcibly, compulsorily removed from their domiciles and exiled. Now the government through its efforts is selling their goods… If we are a constitutional regime functioning in accordance with constitutional law we can’t do this. This is atrocious. Grab my arm, eject me from my village, then sell my goods and properties, such a thing can never be permissible. Neither the conscience of the Ottomans nor the law can allow it.[12]

Der türkische Geschichtswissenschaftler Uğur Ümit Üngör erklärt in seinem Artikel Seeing like a nation-state: Young Turk social engineering in Eastern Turkey, 1913-50:[13]

„The elimination of the Armenian population left the state an infrastructure of Armenian property, which was used for the progress of Turkish (settler) communities. In other words: the construction of an étatist Turkish ‘national economy’ was unthinkable without the destruction and expropriation of Armenians.“

Konfiszierung in der Türkei

Am 15. April 1923, kurz vor der Unterzeichnung des Lausanner Vertrags, konfiszierte ein Gesetz namens "Gesetz der Aufgegebenen Eigentümer" im Zuge des Türkischen Befreiungskrieges die Besitztümer aller Armenier, die nicht mehr anwesend waren.[14]

Nach der Unterzeichnung des Deutsch-türkischen Freundschaftsvertrages 1941 mit dem nationalsozialistischen Deutschen Reich trieb die türkische Regierung eine Kapitalsteuer ein, die Varlık Vergisi, welche die nichtmuslimischen Bürger der Türkei unverhältnismäßig hart traf. Als Folge der Nichtzahlung der Steuer[15] sammelte die türkische Regierung 324 Millionen Lira (270 Millionen $ zu der Zeit) durch die Konfiszierung nichtmuslimischer Eigentümer ein.[15]

1974 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, welches besagte, dass nichtmuslimische Treuhandschaften nicht mehr besitzen dürfen, als unter ihrem Namen 1936 registriert war.[16][17][18][19] Als Folge dessen wurden mehr als 1.400 Besitztümer von Stiftungen der Istanbuler Armeniergemeinde ab dem Jahr 1936 rückwirkend zu illegalem Erwerb erklärt und vom Staat beschlagnahmt.[18][20] Dies umfasste Kirchen, Schulen, Wohnbauten, Krankenhäuser, Sommercamps, Friedhöfe und Waisenhäuser.

Als Versuch, die Türkei mit EU-Standards in Einklang zu bringen, wurde durch die Demokratischen Linkspartei (DSP) unter Ministerpräsident Bülent Ecevit die Offenlegung der osmanischen Landregistrierung, Schriftgüter und Urkunden in Erwägung gezogen. Dies wurde nach einer Warnung des Nationalen Sicherheitsrates der türkischen Streitkräfte von der regierenden islamischen AKP am 26. August 2005 abgelehnt:[20]

„The Ottoman records kept at the Land Register and Cadaster Surveys General Directorate offices must be sealed and not available to the public, as they have the potential to be exploited by alleged genocide claims and property claims against the State Charitable Foundation assets. Opening them to general public use is against state interests.“

Am 15. Juni 2011 stimmte das United States House Foreign Affairs Committee mit 43 zu 1 für die Unterstützung einer Resolution (House Resolution 306), die die Republik Türkei dazu aufruft, "ihr christliches Erbe zu schützen und die konfiszierten Kircheneigentümer zurückzugeben."[21][22]

Heutige Einschätzung

Die Hrant-Dink-Stiftung gibt an, dass 661 Eigentümer allein in Istanbul von der osmanischen und der späteren türkischen Regierung konfisziert wurden, wodurch nur noch 580 der 1.328 Eigentümer übrig bleiben, welche von den 53 armenischen Stiftungen genutzt und betrieben werden (Schulen, Kirchen, Krankenhäuser, etc.). Das Schicksal der verbliebenen 87 konnte nicht festgestellt werden.[23][24][25] Von den 661 enteigneten Eigentümern wurden bislang lediglich 143 (21,6 %) den Stiftungen zurückgegeben.[23][24][25][26]

Die Hrant-Dink-Stiftung forschte lange Zeit über die Enteignungen und bietet heute Beschreibungen, Fotografien und Grenzlinien auf ihrer interaktiven Kartenquelle hier.[27]

Quellen

Einzelnachweise

  1. a b Ugur; Mehmet Üngör; Polatel: Confiscation and Destruction: The Young Turk Seizure of Armenian Property. Continuum International Publishing Group, 2011, ISBN 1-4411-3055-1, S. 224 (google.com [abgerufen am 22. Dezember 2012]).
  2. Erol Özkoray: Ermeni Soykırımı niçin hâlâ tabu?. Abgerufen am 5. Oktober 2012
  3. How life can commemorate death: the Armenian Genocide, Ekklesia, Abgerufen am 5. Oktober 2012
  4. Why Is the Armenian Genocide Still a Taboo?. Abgerufen am 6. Oktober 2012
  5. a b Shavarsh Toriguian: The Armenian question and international law. 2nd Auflage. ULV Press, La Verne, Calif., U.S.A. 1988, ISBN 978-0-911707-13-7.
  6. Armenian Genocide Timeline. Abgerufen am 22. Februar 2013.
  7. The Armenian Genocide: Facts and Documents. St. Vartan Press, New York City, New York 1985, S. 11.
  8. ? In: The Armenian Review. 18. Jahrgang. Hairenik Association, 1965, S. 3: „Articles 2, 3, 6, 11 and 22 of the governmental order of May 16, 1915, from Talaat, head of the Ministry of Interior, in Constantinople directing the seizure and confiscation of Armenian buildings apply, also, to church buildings and their property.“
  9. Peter Balakian: The Burning Tigris: The Armenian Genocide and America's Response. HarperCollins, 2003, ISBN 0-06-019840-0..
  10. Vahakn N Dadrian: The History of the Armenian Genocide: Ethnic Conflict from the Balkans to Anatolia to the Caucasus. Berghahn Books, 1995, ISBN 1-57181-666-6..
  11. "Abandoned Properties" Law, 13. Oktober 1915, S. 1 
  12. Y. Bayur, Turk Inkilabz, Vol. III, Teil 3, in Dadrian, History of the Armenian Genocide.
  13. Ungor, U. U. (2008). Seeing like a nation-state: Young Turk social engineering in Eastern Turkey, 1913-50. Journal of Genocide Research, 10(1), 15-39.
  14. Gidel, Lapradelle (1929). Le Fur. Confiscation des Biens des Refugies Armeniens par le Gouvernement Turc, Seiten 87-90 (französisch)
  15. a b Varlik vergisi (asset tax) - one of the many black chapters of Turkish history... In: Assyrian Chaldean Syriac Association. Abgerufen am 14. Oktober 2011.
  16. Yasemin Varlık: Tuzla Ermeni Çocuk Kampı'nın İzleri (Memento des Originals vom 6. Dezember 2006 im Internet Archive) In: BİAnet, 2. Juli 2001. Abgerufen am 20. März 2007 
  17. Baskın Oran: Bu kadarı da yapılmaz be Hrant! In: Agos, 26. Januar 2007. Abgerufen am 1. Mai 2007 (türkisch). 
  18. a b Rubina Peroomian: And those who continued living in Turkey after 1915 : the metamorphosis of the post-genocide Armenian identity as reflected in artistic literature. Armenian Genocide Museum-Institute, Yerevan 2008, ISBN 978-99941-963-2-6, S. 277 (google.com [abgerufen am 22. Dezember 2012]).
  19. Fraser Susan: Turkey to return confiscated property In: Guardian, 28. August 2011. Abgerufen am 22. Dezember 2012 
  20. a b Raffi Bedrosyan: Revisiting the Turkification of Confiscated Armenian Assets In: Armenian Weekly, 17. April 2012. Abgerufen am 22. Dezember 2012 
  21. Tierney Smith: House Panel Approves Resolution Calling on Turkey to Return Confiscated Christian Churches In: CNS News, 5. August 2011. Abgerufen am 24. Dezember 2012 
  22. U.S. Congress House Resolution 306. Abgerufen am 24. Dezember 2012.
  23. a b Raffi Bedrosyan: '2012 Declaration': A History of Seized Armenian Properties in Istanbul In: Armenian Weekly, 6. Dezember 2012. Abgerufen am 22. Dezember 2012 
  24. a b Vercihan Ziflioğlu: Dink Foundation urges further steps for seized Armenian properties In: Hürriyet, 14. Dezember 2012. Abgerufen am 22. Dezember 2012 
  25. a b General Overview. Hrant Dink Foundation, abgerufen am 27. Dezember 2012 (türkisch).
  26. Devlet tarafından yağmalanan Ermeni mallarının tam dökümü yayımlandı In: Haberlink, 02-12-2012. Abgerufen am 27. Dezember 2012 (türkisch). 
  27. Interactive map of the confiscated Armenian proprieties in Istanbul