„Bernulf Kanitscheider“ – Versionsunterschied

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Kanitscheider promovierte 1964 (Thema: ''Das Problem des Bewusstseins'') an der [[Universität Innsbruck]], wo er sich 1970 auch mit dem Thema „Geometrie und Wirklichkeit“ habilitierte. 1974 wurde er auf den Lehrstuhl für Philosophie der Naturwissenschaft an der [[Universität Gießen]] berufen. Im Oktober 2007 trat Kanitscheider in den Ruhestand.
Kanitscheider promovierte 1964 (Thema: ''Das Problem des Bewusstseins'') an der [[Universität Innsbruck]], wo er sich 1970 auch mit dem Thema „Geometrie und Wirklichkeit“ habilitierte. 1974 wurde er auf den Lehrstuhl für Philosophie der Naturwissenschaft an der [[Universität Gießen]] berufen. Im Oktober 2007 trat Kanitscheider in den Ruhestand.


Er ist Mitherausgeber der Zeitschriften [[Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg#Aufklärung und Kritik|''Aufklärung und Kritik'']] und ''[[Philosophia naturalis]]'' sowie Mitglied des Beirats der Zeitschriften ''Folia Humanistica'', ''Argumentos de Razón Técnica'', ''[[Erkenntnis (Zeitschrift)|Erkenntnis]]'' und ''Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie.'' Ferner gehört er dem wissenschaftlichen Beirat der [[Giordano Bruno Stiftung]] an und ist Mitglied des Wissenschaftsrates der [[Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften]] und der [[Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg]]. In seiner Naturphilosophie vertritt er einen konsequenten Naturalismus, wonach sogar die kulturellen Leistungen des Menschen – der Gegenstand der Geisteswissenschaften – lediglich „Organisationsformen spontaner Ordnungsentstehung auf einer ontologisch frühen Schicht der Materie“ darstellen.<ref>[http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/gute-stube/zwei-kulturen/2008-04-11/kanitscheider ''Konflikt oder Kooperation? Über das Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaften'']</ref>
Er war Mitherausgeber der Zeitschriften [[Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg#Aufklärung und Kritik|''Aufklärung und Kritik'']] und ''[[Philosophia naturalis]]'' sowie Mitglied des Beirats der Zeitschriften ''Folia Humanistica'', ''Argumentos de Razón Técnica'', ''[[Erkenntnis (Zeitschrift)|Erkenntnis]]'' und ''Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie.'' Ferner gehörte er dem wissenschaftlichen Beirat der [[Giordano Bruno Stiftung]] an und war Mitglied des Wissenschaftsrates der [[Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften]] und der [[Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg]]. In seiner Naturphilosophie vertrat er einen konsequenten Naturalismus, wonach sogar die kulturellen Leistungen des Menschen – der Gegenstand der Geisteswissenschaften – lediglich „Organisationsformen spontaner Ordnungsentstehung auf einer ontologisch frühen Schicht der Materie“ darstellen.<ref>[http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/gute-stube/zwei-kulturen/2008-04-11/kanitscheider ''Konflikt oder Kooperation? Über das Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaften'']</ref>


Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich der thematische Schwerpunkt von Kanitscheiders Publikationen zur [[Praktische Philosophie|Praktischen Philosophie]] verlagert. Als Abschluss dieser Schaffensperiode kann sein Buch ''Das [[Hedonismus|hedonistische]] Manifest'' (2011) betrachtet werden. Darin fasst er frühere, teilweise in dem mit Bettina Dessau verfassten Buch ''Von Lust und Freude'' (2000) formulierte Auffassungen zusammen und ergänzt sie. Kernaussagen hat er passagenweise wörtlich übernommen, so z. B.: „[[Julien Offray de La Mettrie]] war zweifellos der kompromissloseste und freimütigste Verteidiger der Lebenslust unter den Philosophen.“<ref>Bernulf Kanitscheider (mit Bettina Dessau): ''Von Lust und Freude.'' Insel, Frankfurt/M. 2000, S. 90<br />Bernulf Kanitscheider: ''Das hedonistische Manifest''. Hirzel, Stuttgart 2011, S. 111.</ref> Neben La Mettrie ist es vor allem der [[Marquis de Sade]], dessen Positionierung zum Hedonismus Kanitscheider immer wieder, auch in ''Die Materie und ihre Schatten'' (2007)<ref>Bernulf Kanitscheider: ''Die Materie und ihre Schatten.'' Alibri, Aschaffenburg 2007, S. 256–261.</ref>, ventiliert. Der La-Mettrie-Kenner [[Bernd A. Laska]] hat Kanitscheiders Bemühungen, Sade neben La Mettrie als Ahnherren einer hedonistischen Ethik heranzuziehen, als inkonsequent kritisiert.<ref>Bernd A. Laska: ''[http://www.lsr-projekt.de/lm-un-bekannt.pdf La Mettrie – ein gewollt unbekannter Bekannter. Zur Thematik Aufgeklärter Hedonismus und Zweite Aufklärung]''. In: Aufklärung und Kritik. Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie. Sonderheft 14/2008, S. 64–84.</ref>
Seit Mitte der 1990er Jahre verlagerte sich der thematische Schwerpunkt von Kanitscheiders Publikationen zur [[Praktische Philosophie|Praktischen Philosophie]]. Als Abschluss dieser Schaffensperiode kann sein Buch ''Das [[Hedonismus|hedonistische]] Manifest'' (2011) betrachtet werden. Darin fasste er frühere, teilweise in dem mit Bettina Dessau verfassten Buch ''Von Lust und Freude'' (2000) formulierte Auffassungen zusammen und ergänzte sie. Kernaussagen hat er passagenweise wörtlich übernommen, so z. B.: „[[Julien Offray de La Mettrie]] war zweifellos der kompromissloseste und freimütigste Verteidiger der Lebenslust unter den Philosophen.“<ref>Bernulf Kanitscheider (mit Bettina Dessau): ''Von Lust und Freude.'' Insel, Frankfurt/M. 2000, S. 90<br />Bernulf Kanitscheider: ''Das hedonistische Manifest''. Hirzel, Stuttgart 2011, S. 111.</ref> Neben La Mettrie ist es vor allem der [[Marquis de Sade]], dessen Positionierung zum Hedonismus Kanitscheider immer wieder, auch in ''Die Materie und ihre Schatten'' (2007)<ref>Bernulf Kanitscheider: ''Die Materie und ihre Schatten.'' Alibri, Aschaffenburg 2007, S. 256–261.</ref>, ventilierte. Der La-Mettrie-Kenner [[Bernd A. Laska]] hat Kanitscheiders Bemühungen, Sade neben La Mettrie als Ahnherrn einer hedonistischen Ethik heranzuziehen, als inkonsequent kritisiert.<ref>Bernd A. Laska: ''[http://www.lsr-projekt.de/lm-un-bekannt.pdf La Mettrie – ein gewollt unbekannter Bekannter. Zur Thematik Aufgeklärter Hedonismus und Zweite Aufklärung]''. In: Aufklärung und Kritik. Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie. Sonderheft 14/2008, S. 64–84.</ref>


== Bücher ==
== Bücher ==

Version vom 7. Juli 2017, 13:33 Uhr

Bernulf Kanitscheider (* 5. September 1939 in Hamburg; † 21. Juni 2017[1]) war ein Philosoph und Wissenschaftstheoretiker. Er schrieb mehrere naturphilosophische Bücher, vorwiegend zu Fragen der Kosmologie, der Lebensphilosophie und zu einem „aufgeklärten Hedonismus“.

Kanitscheider promovierte 1964 (Thema: Das Problem des Bewusstseins) an der Universität Innsbruck, wo er sich 1970 auch mit dem Thema „Geometrie und Wirklichkeit“ habilitierte. 1974 wurde er auf den Lehrstuhl für Philosophie der Naturwissenschaft an der Universität Gießen berufen. Im Oktober 2007 trat Kanitscheider in den Ruhestand.

Er war Mitherausgeber der Zeitschriften Aufklärung und Kritik und Philosophia naturalis sowie Mitglied des Beirats der Zeitschriften Folia Humanistica, Argumentos de Razón Técnica, Erkenntnis und Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie. Ferner gehörte er dem wissenschaftlichen Beirat der Giordano Bruno Stiftung an und war Mitglied des Wissenschaftsrates der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften und der Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg. In seiner Naturphilosophie vertrat er einen konsequenten Naturalismus, wonach sogar die kulturellen Leistungen des Menschen – der Gegenstand der Geisteswissenschaften – lediglich „Organisationsformen spontaner Ordnungsentstehung auf einer ontologisch frühen Schicht der Materie“ darstellen.[2]

Seit Mitte der 1990er Jahre verlagerte sich der thematische Schwerpunkt von Kanitscheiders Publikationen zur Praktischen Philosophie. Als Abschluss dieser Schaffensperiode kann sein Buch Das hedonistische Manifest (2011) betrachtet werden. Darin fasste er frühere, teilweise in dem mit Bettina Dessau verfassten Buch Von Lust und Freude (2000) formulierte Auffassungen zusammen und ergänzte sie. Kernaussagen hat er passagenweise wörtlich übernommen, so z. B.: „Julien Offray de La Mettrie war zweifellos der kompromissloseste und freimütigste Verteidiger der Lebenslust unter den Philosophen.“[3] Neben La Mettrie ist es vor allem der Marquis de Sade, dessen Positionierung zum Hedonismus Kanitscheider immer wieder, auch in Die Materie und ihre Schatten (2007)[4], ventilierte. Der La-Mettrie-Kenner Bernd A. Laska hat Kanitscheiders Bemühungen, Sade neben La Mettrie als Ahnherrn einer hedonistischen Ethik heranzuziehen, als inkonsequent kritisiert.[5]

Bücher

  • Geometrie und Wirklichkeit. Duncker & Humblot, Berlin 1971, ISBN 978-3-428-02495-7.
  • Vom absoluten Raum zur dynamischen Geometrie. Bibliographisches Institut, Zürich 1976, ISBN 978-3-411-01506-1.
  • Materie – Leben – Geist. Zum Problem der Reduktion der Wissenschaften. Duncker & Humblot, Berlin 1979, ISBN 3-428-04336-7.
  • Philosophie und moderne Physik. Systeme, Strukturen, Synthesen. WBG, Darmstadt 1979, ISBN 978-3-534-00808-7.
  • Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaft. Walter de Gruyter, Berlin 1981, ISBN 978-3-11-006811-5.
  • Moderne Naturphilosophie. Königshausen und Neumann, Würzburg 1984, ISBN 978-3-88479-076-2.
  • Das Weltbild Einsteins. C.H. Beck, München 1988, ISBN 3-406-33002-9.
  • Kosmologie : Geschichte und Systematik in philosophischer Perspektive. Reclam, Stuttgart 1991, ISBN 978-3-15-008025-2 (Neuaufl. 2013).
  • Von der mechanistischen Welt zum kreativen Universum. Zu einem neuen philosophischen Verständnis der Naturwissenschaft. WBG, Darmstadt 1993, ISBN 978-3-534-11296-8
  • Auf der Suche nach dem Sinn. Insel, Frankfurt/M. 1995, ISBN 3-458-33448-3.
  • Im Innern der Natur. WBG, Darmstadt 1996, ISBN 978-3-534-23381-6 (Sonderausg. 2010).
  • Liebe, Lust und Leidenschaft. Sexualität im Spiegel der Wissenschaft. Hirzel, Stuttgart 1998, ISBN 3-7776-0795-9.
  • Drogenkonsum. Bekämpfen oder Freigeben? Hirzel, Stuttgart 2000, ISBN 3-7776-0999-4.
  • (mit Bettina Dessau) Von Lust und Freude. Insel, Frankfurt/M. 2000, ISBN 3-458-34258-3.
  • Die Materie und ihre Schatten. Naturalistische Wissenschaftsphilosophie. Alibri Verlag, Aschaffenburg 2007, ISBN 3-86569-015-7.
  • Entzauberte Welt. Über den Sinn des Lebens in uns selbst - eine Streitschrift. Hirzel, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7776-1603-2.
  • Das hedonistische Manifest. Hirzel, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7776-2107-4.
  • Natur und Zahl. Die Mathematisierbarkeit der Welt. Springer Spektrum, Berlin / Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-37707-5.

Einzelnachweise

  1. https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/nachruf-bernulf-kanitscheider
  2. Konflikt oder Kooperation? Über das Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaften
  3. Bernulf Kanitscheider (mit Bettina Dessau): Von Lust und Freude. Insel, Frankfurt/M. 2000, S. 90
    Bernulf Kanitscheider: Das hedonistische Manifest. Hirzel, Stuttgart 2011, S. 111.
  4. Bernulf Kanitscheider: Die Materie und ihre Schatten. Alibri, Aschaffenburg 2007, S. 256–261.
  5. Bernd A. Laska: La Mettrie – ein gewollt unbekannter Bekannter. Zur Thematik Aufgeklärter Hedonismus und Zweite Aufklärung. In: Aufklärung und Kritik. Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie. Sonderheft 14/2008, S. 64–84.