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Anton Domenico Gabbiani: Prinz Ferdinando de' Medici (Ferdinando III., Zweiter von rechts) und seine Musiker

Die Musik spielte bei den Medici eine große Rolle. Im Barock zeigte speziell Prinz Ferdinando III. eine große musikalische Begabung sowie ein Mäzenatentum, das den florentinischen Maler Anton Domenico Gabbiani (1652–1726) zu mehreren Gemälden anregte, die heute in der Accademia di Belle Arti, Florenz, aufbewahrt bzw.  ausgestellt sind. Von diesen interessiert insbesondere das hier beschriebene Bild. Es trägt den angegebenen Titel „Prinz Ferdinand de Medici und seine Musiker“ ohne Zeitangabe. Obwohl außer Ferdinand III. alle Musiker unbenannt sind, lassen sich an ihrer Darstellung insgesamt musikhistorische Zusammenhänge sowie eine überraschende Abbildung Antonio Vivaldis erkennen.

Raum und Zeit

Im Unterschied zu den anderen Bildern mit Musikern vom selben Maler Anton Domenico Gabbiani, die im Freien dargestellt sind,[1] handelt es sich hier um einen geistlichen Raum mit zwei Säulen und dem Wandgemälde eines Engels – dieses hinten links fast ganz verdeckt. Zwei Priester, zu erkennen an ihren weißen Hals-Dekors, sogenannten „Beffchen“ – der eine im Mittelpunkt, der andere rechts an der Wand etwas im Schatten stehend – zählen auf dem Gemälde zur Musikerrunde, nach den Noten in ihren Händen zu deuten. Zwischen ihnen (rechte Bildhälfte) ist das Bildnis eines Verstorbenen eingereiht, erkennbar an der unwirklich erscheinenden Farbe. Wer ist das? Francesco Maria de’ Medici (1660–1711)? Damit wäre an einen Kardinal und weiteren Musikmäzen der Medici erinnert. Tomaso Albinoni widmete diesem anfangs des 18. Jahrhunderts sein op. 4, 12 Kantaten. Sein Sterbejahr wäre eine zeitliche Eingrenzung des Gemäldes nicht vor 1711. Die Hauptfigur des Bildes, der zu Beginn erwähnte Medici-Musikmäzen Ferdinando III. (zweiter von rechts), ist der Neffe dieses Kardinals. Er starb 1713, 50jährig. Der florentinische Maler Gabbiani müsste das Bild also zwischen 1711 und 1713 gemalt haben.[2]

Instrumente und Musiker

Titelblatt des Erstdruckes verlegt durch Estienne Roger, Amsterdam

Von den auf dem Bild dargestellten drei Bassinstrumenten hat das Zupfinstrument in der Mitte hier eine besondere Bedeutung. Es ist eine große Theorbe mit sehr langem Hals, dessen Ende mit den darauf gespannen Basssaiten nicht im Bild ist. Sie wird von einem Jüngling mit auffällig ernstem, konzentrierten Blick gespielt. Er ist der einzig aktive, die anderen Musiker verharren. Dazu gehören zwei genial ausschauende Kollegen oben links ohne Instrumente. Der linke von beiden hält am Bildrand auch Noten, wie zu erkennen. Vielleicht gehört zu ihm die vor ihm abgestellte Gambe. Deren breiter Steg mit seinen Griffeinteilungen mündet in eine auffällig große, ovale Verzierung, einem Wappen ähnlich (Wappen der Medici?). DUnd dieser Musiker am linken Bildrand schaut deutlich in Richtung des Priesters am rechten Bildrand. Rechts neben der Gambe hält der wohl Älteste der Gruppe, Cosimo III. de' Medici (Vater des Ferdinando) mit seiner Griffhand den Hals eines halbverdeckten Cellos und mit der Linken dessen Bogen.

Vivaldi, Karikatur des römischen Malers und Zeichners Pier Leone Ghezzi (1723)

Auch die beiden involvierten Priester scheinen eine zentrale Bedeutung zu haben: Der mittlere hält eine umfangreiche Notenrolle, wie sie damals manchmal als Dirigierhilfe benutzt wurde und vermittelt mit blassem Gesichtsausdruck eine ernste Stimmung. Zu seinen Füßen blickt ein Hund zu ihm auf, was die Szene als private, nicht-kirchliche erklärt. Ganz rechts, im Schatten stehend, demonstriert der andere Priester ein einzelnes Notenblatt mit Fingerzeig auf eine der Notenzeilen. Offenbar geht es ihm um ein musikalisch-spieltechnisches Moment, das mit dem Theorbenspieler zusammenhängt, der mit seinem Instrument speziell für die akkordisch-harmonische Unterstützung der Musik dieser Zeit (die später das „Generalbasszeitalter“ genannt wird)[3] verantwortlich ist. Diese Thematik erklärt, warum auf dem Bild allein die Theorbe gespielt wird: diese ist für die harmonische Ausführung in Arpeggio- und Akkordgrifftechnik gebaut, während Gambe und Cello die Basslinie der Musik wie notiert spielen, aber das steht hier im Moment nicht zur Debatte.

Auf allein Ferdinando III. (1663–1713) in Florenz, den Gönner der Musiker („ […] und seine Musiker“), wird in der Bilderklärung namentlich hingewiesen. Er, der Gran Principe, ist an seinem auffällig noblen, grünen Anzug als Hauptfigur zu erkennen. Er weist auf das Cello, das sein Vater hält, während er freundlich mit jenem Priester mit dem einzelnen Notenblatt kommuniziert. Dessen Profil mit Hakennase gibt zu denken, weil es an die bekannte Vivaldi-Karikatur des römischen Malers Pier Leone Ghezzi denken lässt: denn bei dem Priester im Schatten des rechten Bildrandes dürfte es sich wahrscheinlich um eine Darstellung Antonio Vivaldis handeln, den „prete rosso“, dessen rote Haarfarbe hier vom Halbdunkel verschluckt ist. Antonio Vivaldi widmete Ferdinando III. im Jahr 1711 oder 1712 sein opus 3 L’Estro Armonico, die Harmonische Eingebung.[4] Wenn die zeitliche Eingrenzung der Entstehung dieses Bildes zwischen 1713, dem Todesjahr Ferdinandos und 1711 demjenigen des „Verblichenen" zutrifft, müsste es sich um eine bisher unbekannte Darstellung Vivaldis handeln (?), nämlich im Zusammenhang mit der Widmung seiner Opera Terza an Ferdinando, die „Harmonische Eingebung“, die er 1711 bei Estienne Roger in Amsterdam drucken ließ.

Anmerkungen

  1. Siehe Abbildungen im Wikipedia-Artikel des Malers
  2. vorausgesetzt, dass die angenommenen Identitäten der Personen zutreffen.
  3. Hugo Riemann: Handbuch der Musikgeschichte Leipzig 1912
  4. Siehe zu opus 3 Kordula Knaus: Musikgeschichte ‚Barock‘, Bärenreiter Studienbücher Musik. Band 24, 2023, S. 164f.

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Johannes Baptist de La Salle (1651–1719)