Benutzer:Mautpreller

Ich bin seit 2005 Autor in der Wikipedia und seit Dezember 2010 auch Mitglied der Administration. Außerdem bin ich Mitbetreiber des Diskussionsforums Grillenwaage.

Ein Zitat, das mir ab und zu hier einfällt

"Sie wird also Zimmerarrest bekommen, die kleinen Hausstrafen, Arbeiten, es darf nicht mit den andern spazierengehn - so wird das hier gemacht." Kurt Tucholsky: Schloß Gripsholm, Kapitel 5. Theodor W. Adorno sind die letzten fünf Worte dieses Ausspruchs der bösen Kinderheimleiterin, Frau Adriani, in Erinnerung geblieben, er verwendet das Zitat in Jargon der Eigentlichkeit und Minima Moralia.

Eine These

Ein Unternehmen wie Wikipedia funktioniert nur, wenn man beschreibende Sätze oder Anteile von Sätzen möglichst so formuliert, dass sich auch die Mitautoren in dieser Beschreibung wiederfinden (vielleicht sogar besser, als sie es vorher dachten). Bei den Bewertungen kann das naturgemäß nur in Grenzen so sein. Diese These geht auf eine alte rhetorische Regel zurück:

Soll eine Kontroverse fruchtbar sein, so mache man den Gegenstandpunkt stark, nicht schwach.

Man helfe also der "Gegenpartei", ihren Standpunkt möglichst gut auszuformulieren, um ihn dann zu attackieren. Ein bisschen von diesem Geist würde ich mir hier in der Wikipedia wünschen. Leider ist er in vielen Kontroversen nicht zu spüren ...

Mit Sorge beobachte ich derzeit die Entwicklung eigentümlicher Spezialisierungen in Wikipedia. Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, in denen Leute sich als zuständig für oder spezialisiert auf die Einhaltung zentraler Wikipedia-Regulative verstehen, insbesondere NPOV (neutraler Standpunkt) und OR (Theoriefindung). Sie begreifen diese Regulative als Regelwerk im Sinne einer Anweisung, die unbekümmert um den Inhalt des jeweiligen Artikels durchgesetzt werden müssten. Ich denke, dass sie dabei einem doppelten Irrtum unterliegen: Wikipedia-Regulative sind eben nicht (sinnvoll) als starre Regeln zu verstehen, und "Neutralisierung" oder "Standpunktzuweisung" ist ohne ein Interesse am Gegenstand und entsprechendes Wissen nicht möglich. Solche Arbeiten laufen nicht einfach wie ein Algorithmus ab, ohne Rücksicht auf den Inhalt der Artikel und die Urteilsfähigkeit der Beteiligten; sie benötigen eben gerade inhaltliches Engagement, Kommunikationsfähigkeit, konkrete Reflexion und begründete subjektive Einschätzung. Daher ist eine Spezialisierung auf solche Arbeiten nur um den Preis möglich, dass sie dysfunktional, ja schädlich werden. Es bildet sich eine Art Hausmeisterwesen heraus, das dem Prinzip der Erarbeitung und Präsentation von Wissen diametral entgegensteht.

Zum "neutralen Standpunkt": Wie auch schon andere festgestellt haben, handelt es sich dabei um ein Paradox. "Points of view" (der englische Ausdruck dafür, der besser als "Perspektive" übersetzt würde) können selbstverständlich nur von Subjekten eingenommen werden und sind deshalb prinzipiell subjektiv und interessiert. Eine denkbare Interpretation wäre, dass beim Bearbeiter möglichst wenig persönliches Interesse am Gegenstand des Artikels vorhanden sein sollte; dies führt jedoch zu absurden Konsequenzen und schlechten Artikeln. An der tatsächlichen Artikelarbeit lässt sich aber eine brauchbare (und innovative) Interpretation entwickeln: "Neutraler Standpunkt" kann einen point of view bezeichnen, der durch Objektivität geprägt ist - in dem Sinn, dass Interessierte verschiedener points of view von dem Artikel etwas haben. Die Zone der Objektivität (und damit allgemeinen Brauchbarkeit) soll so groß wie möglich sein. Dafür gibt es in Wikipedia einige sehr schöne Beispiele (etwa Rudi Dutschke). Diese zeigen, dass nicht ein Weniger an subjektivem Interesse einen guten, "neutralen" Artikel schafft, sondern ein Mehr an subjektivem Engagement: Durch dieses kann individuell und kollektiv ein Raum der Objektivität geschaffen werden, der vorher nicht existiert hat. Durch "Entfernung" von POV kann also Objektivität grundsätzlich nicht entstehen.


High End

Exzellent: Horst-Wessel-Lied (mit Rainer Lewalter und Boris Fernbacher), Requiem (Mozart) (mit Beiträgen von Boris Fernbacher), Die ungewöhnlichen Abenteuer des Julio Jurenito, Ilja Grigorjewitsch Ehrenburg, Erinnerung an die Marie A. (Hauptautor Mbdortmund), Wolfgang Diewerge

Noch ein paar Sachen, die nicht wirklich fertig geworden sind, mit denen ich aber zumindest passagenweise ganz zufrieden bin: Kaufman-Plan, Die Ästhetik des Widerstands (mit Ausnahme des Inhalts- und des Formabschnitts, für die ich nichts kann), Walter Ullmann (Regisseur und Journalist) (in Kooperation mit tvwatch), Massaker vom Lago Maggiore, Franz Servatius Bruinier, O. John Rogge, Samuel Hahnemann (dem allerdings ein Werkabschnitt fehlt) und der leider nur halbfertige Stockholmer Appell

Neuere Projekte: Jabès gegen van Meeteren und Safarowsky, Léon Castro

Und im Meta-Bereich: Wikipedia:Kritik-Knigge

Varia

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