Öffentlichkeitsarbeit

Öffentlichkeitsarbeit, oder auch Public Relations [ˌpʌblɪk rɪˈleɪʃənz] (PR), bezeichnet dreierlei:

  • einen weit gefassten Begriff für das Management der Kommunikation von Organisationen,
  • ein in einem Prozess zunehmender Professionalisierung begriffenes Berufsfeld,
  • als soziales Phänomen den Gegenstand einer Wissenschaft, die sich im Spannungsfeld von Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaft sowie Psychologie und Soziologie ausdifferenziert.


Begriff

Der Begriff Public Relations wurde in den USA zuerst 1882 verwendet, die deutsche Entsprechung Öffentlichkeitsarbeit 1917. Eine Definition, die zugleich vollständig und allgemein akzeptiert wäre, existiert nicht. PR grenzen sich allerdings begrifflich zum einen von Propaganda und Werbung als davon unterscheidbare Typen öffentlicher Kommunikation, zum anderen auf makrosozialer Ebene von Marketing und Journalismus als verwandten Subsystemen in Wirtschaft und Publizistik mit denen PR in wechselseitigen Austauschverhältnissen stehen ab. Unter dem Schlagwort "Determinationshypothese vs. Intereffikationsansatz" fand in den 1990ern eine ausführliche Beschäftigung mit dem Verhältnis von PR und Journalismus statt; 1992 ermittelte eine Studie von Rolke ein Verhältnis von Selbstdarstellung zu Fremdbeobachtung in der Medienresonanz mit ca. 70:30 als normal.

Public Relations, bzw. die von einigen Autoren synonym gebrauchten Begriffe Öffentlichkeitsarbeit, Organisationskommunikation, Kommunikationsmanagement, stehen mikrosozial betrachtet für denjenigen Typ öffentlicher Kommunikation, der für eine Organisation Funktionen wie Information, Kommunikation und Persuasion erfüllt und besonders auf langfristige Ziele wie Aufbau, Erhaltung und Gestaltung konsistenter Images und somit von Vertrauen abzielt, an einem Konsens mit den Teilöffentlichkeiten in der Umwelt der Organisation interessiert ist und so auch im Fall von Konflikten glaubwürdiges Handeln der Organisation ermöglichen soll. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei den Anspruchsgruppen der Organisation zuteil, also etwa Anwohnern, Bürgern, Bürgerinitiativen, dem Gesetzgeber, Kapitalgebern, Kunden, Lieferanten, Medien, Mitarbeitern, usw.

Die in neuerer Zeit etwa von Michael Kunczik wieder gebrauchte Synonymsetzung von PR und Propaganda wird vor allem im wiedervereinigten Deutschland problematisch gesehen. Es fand nämlich eine Verschiebung der Bedeutung von Propaganda vom ursprünglich wertneutralen Verbreiten von Überzeugungen weg statt. Besonders die nationalsozialistische und die SED-Diktatur betrieben Propaganda als eine einseitige Darstellung eines ideologisch verzerrten Weltbilds im Verbund mit einer Herrschaftsform, welche andersartige Darstellungen marginalisierte, tabuisierte bzw. unter Strafe verbot. PR fand auch in diesen Systemen statt, war jedoch durch die Dominanz der Propaganda im Ausmaß und Umfang erheblich eingeschränkt und musste sich eines angepassten Kommunikationsstils bedienen.

Werkzeuge des Pressesprechers oder des Spin Doctors sind z.B. Pressekonferenz, Presseerklärung, aber auch Kampagnen und Inszenierungen. Ziel ist die Einflussnahme auf das Image des Auftraggebers in der Öffentlichkeit.

Geschichte

Während für einige Autoren die Geschichte der Public Relations so alt ist, wie die Geschichte des menschlichen Kommunizierens, sehen viele andere PR im eigentlichen Sinne als relativ junges Phänomen an: Diese wurden im Zuge der Ausdifferenzierung der Gesellschaft sowie zunehmender räumlicher Entgrenzung von Organisationen notwendig, haben berufsgeschichtlich vor allem mit dem Journalismus gemeinsame Wurzeln und wuchsen gemeinsam mit diesem in Folge der Herausbildung von Massenmedien erheblich in Umfang und Komplexität. Dass bestimmte Handlungen, die zum typischen Rüstzeug der PR gehören, eine deutlich länger als in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichende Tradition haben, bleibt hiervon unberührt.

Der Forschungsstand ermöglicht derzeit vor allem einen Vergleich der Geschichte der PR in den USA und in Deutschland. Während die Entwicklungen und Herausforderungen an Organisationen im Bezug auf Massenmedien und Wachstum vergleichbar waren, nahmen unterschiedliche Denktraditionen und soziokulturelle Entwicklungen, besonders hervorzuheben sind die beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts in Deutschland, erheblichen Einfluss auf die Entwicklungslinien der konkret herausgebildeten PR-Systeme. Der Umstand einer sehr spät erfolgten Herausbildung von Standesorganisationen in Deutschland und die Dominanz US-amerikanischer PR-Agenturen auf dem Markt legte den u.a. von Binder (1983) und Kunczik (1997) -- besonders auf dem Gebiet staatlicher, aber auch auf dem Gebiet wirtschaftlicher Öffentlichkeitsarbeit -- widerlegten Schluss nahe, dass PR nach dem Zweiten Weltkrieg aus den USA nach Deutschland quasi "importiert" worden seien.

Grobe Periodisierung

Periodisierungen der Geschichte der PR liegen z.B. vor von Bentele, Bernays, Binder, Cutlip, Grunig, Kordes/Pollmann, Oeckl, und anderen. Längs der Entwicklung eines Strukturwandels der Öffentlichkeit (Jürgen Habermas) lassen sich grundlegende Strömungen zwar supranational nachvollziehen, die Ausdifferenzierung der PR in den jeweiligen Gesellschaften läßt sich jedoch aufgrund erheblicher soziohistorischer Differenzen mit größerem Gewinn auf nationaler Ebene beschreiben.

  • um 1800 v.Chr. in Mesopotamien erste landwirtschaftliche Informationsbroschüren
  • im antiken Griechenland und Rom: Gedanken über die Relevanz der öffentlichen Meinung. Das Streben nach Ruhm wird heute teils als eine Anwendung von Impression Management verstanden.

Vorgeschichte der PR

  • 1622: Gründung der Congregatio de propaganda fide durch Papst Gregor XV.
  • 1641: New England's First Fruits in London veröffentlicht, die laut Cutlip erste PR-Broschüre (mit dem Ziel "fund raising")
  • 18. Jhdt.: Die Arbeit der Revolutionäre im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg trägt PR-praktische Handschrift.

Geburt von PR im heutigen Sinne

  • 1841 (Deutschland): Gründung des Ministerial-Zeitungsbüros als Stelle staatlicher Öffentlichkeitsarbeit
  • Mitte 19. Jhdt. (USA): Presseagenten insbesondere für die Eisenbahn und "Zirkus", wie z.B. das American Museum von P.T. Barnum
  • 1851: Krupp läßt auf der Weltausstellung einen großen Stahlblock präsentieren (gerne kolportiert als das erste PR-Event)

PR im 20. Jahrhundert in den USA (nach Cutlip)

  • bis 1917: Aufkommen von PR (seedbed era) als defensive Imformationstätigkeit von Unternehmen gegenüber investigativen Journalisten (muckrakers) und für weitreichende politische Reformen unter Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson.
  • 1917-1919: Einsatz von PR in der Zeit des Ersten Weltkriegs, (creel committee) um die Bereitschaft für Kriegsanleihen, Spenden und in den Krieg zu ziehen zu steigern.
  • in den Goldenen 20ern: Gründerjahre des Berufsfelds und Boom von PR für wirtschaftliche, politische und soziale Zwecke.
  • 1930-1945: In der Zeit nach der Wirtschaftskrise und dem Zweiter Weltkrieg dominiert die Entwicklung politischer und staatlicher Öffentlichkeitsarbeit unter Franklin D. Roosevelt und Louis McHenry Howe.
  • 1945-1965: in der Nachkriegszeit bildet sich ein breites Berufsfeld heraus.
  • ab 1965: Globalisierung und Informationsgesellschaft: Mit der exponentiellen Steigerung der Kommunikationsmöglichkeiten steigt auch der Bedarf an Kommunikationsmanagement rapide an.

PR in Deutschland seit Mitte des 19. Jahrhunderts (nach Bentele)

  • bis 1918: Erste Presseabteilung und schließlich Kriegs-PR, der Beruf entsteht.
  • 1918-1933: Pressearbeit wird im Wirtschaft, Politik und Kommunen selbstverständlich.
  • 1933-1945: In der NS-Zeit steht Pressearbeit unter großem Einfluß bzw. Vorbehalt der politischen Propaganda.
  • 1945-1958: In der BRD setzt nach der Kapitulation eine Entdeckung von PR nach amerikanischem Vorbild als etwas neues statt, das sich rasch zu einem Berufsfeld entwickelt.
  • 1958-1985: Nach der Gründung des Berufsverbands in der BRD wächst die Branche im Umfang und entwickelt berufspraktische Ausbildungswege. In der DDR bildet sich ein Typ sozialistischer Öffentlichkeitsarbeit heraus.
  • seit 1985: Wachstum bei den PR-Agenturen und akademisierung des Berufs.

Berufsfeld

Public Relations in der Praxis

Die grundsätzliche Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations ist es, den Kontakt zwischen einem Auftrag- oder Arbeitgeber und einer definierten Zielgruppe herzustellen, zu festigen oder auszubauen. Die Kommunikation zwischen Auftrag- oder Arbeitgeber und Zielgruppe soll dann in Gang gesetzt und gesteuert werden. Hierzu stehen eine Reihe von Kommunikationsinstrumenten zur Verfügung, u.a. sind dies:

Pressearbeit: Schreiben und Verbreiten von Pressemitteilungen, Themenbeiträgen, Anwenderberichten, Reden, Biographien, Unternehmensbackgrounder, Themenplanung, Themenmanagement, Organisation von Pressekonferenzen, Roundtable, Redaktionsbesuchen mit Kunden, Beantworten von Presseanfragen, Durchführung von Journalistenreisen, Interviews, Internetbetreuung

Medienbeobachtung: Beobachtung der Medienpräsenz des Auftrag- oder Arbeitgebers und Auswertung und Analyse der Berichterstattung

Mediengestaltung: Erstellen von Geschäftsberichten, Broschüren, Flyern, Anzeigen, Newslettern, Verbraucherzeitschriften, Internet-Seiten, etc.

Veranstaltungsorganisation: Planung und Durchführung von Konferenzen, Seminaren, Festen, Verbraucherveranstaltungen, Messen und sonstigen Events

Interne Kommunikation: Erarbeitung von Mitarbeiterzeitschriften, Planung und Durchführung von Veranstaltungen für Mitarbeiter, Schulung von Mitarbeitern, Intranetbetreuung

Training: Medientraining, Fortbildungen, Schreibtrainingetc.

Sponsoring: Treffen von leistungsgebundenen Vereinbarungen in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales, Umwelt und Wissenschaft

Sonstige Aktionen: Organisation von Gewinnspielen und Wettbewerben, Betreuung von Info-Mobilen und Messeständen


Die zentralen Aufgaben von Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations werden im Berufsbild der Deutschen Public Relations Gesellschaft e.V. in der Formel AKTION zusammengefaßt:


Analyse, Strategie, Konzeption Erstellen von Situations- und Meinungsanalysen sowie Stärken-/Schwächen-Profilen, Definition von Zielen, Entwicklung von Strategien und Konzeptionen zum Erreichen der gesetzten Ziele

Kontakt, Beratung, Verhandlung Konstruktiver Dialog mit dem Vorgesetzten bzw. dem Kunden, Verhandlungen mit Dienstleistern, Gespräche und Diskussionen mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen wie z.B. Politikern und Journalisten

Text und kreative Gestaltung Aufbereitung und Gestaltung von Informationen z.B. in Form von Pressemitteilungen, Broschüren oder Internet-Seiten

Implementierung Entscheidungen treffen, Maßnahmen planen, Kosten kalkulieren, Zeitpläne erstellen

Operative Umsetzung Durchführung von Veranstaltungen und Projekten jeglicher Art, aktive Pressearbeit, Versand von Mailings, etc.

Nacharbeit, Evaluation Kontrolle des Erfolgs der Maßnahmen, Analyse von Effektivität und Effizienz, Durchführung von Korrekturen


Die Nachfrage nach Expertinnen und Experten in der Öffentlichkeitsarbeit/ Public Relations steigt auch in den letzten Jahren kontinuierlich, nicht zuletzt weil sich die Gesellschaft fortschreitend ausdifferenziert und in allen Bereichen (Organisationen, Institutionen, Parteien, Verbänden, Unternehmen, etc.) effiziente Kommunikationsstrukturen als maßgeblich betrachtet werden. In Deutschland sind ca. 30.000-50.000 Personen (Stand: 2004, Quelle Deutsche Public Relations Gesellschaft e.V.) in der Öffentlichkeitsarbeit/ Public Relations tätig, vorwiegend in Organisationen, Unternehmen, in Agenturen oder als selbständige/r PR-Berater/in, sowie in Ausbildung, Forschung und Lehre.

Voraussetzungen für professionelle Öffentlichkeitsarbeit sind auf der Basis einer breiten Allgemeinbildung und persönlicher Eignung eine berufliche Qualifizierung. Selbständige beratende und leitende Tätigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit/ Public Relations setzen in der Regel ein erfolgreich absolviertes Hochschulstudium als Basis weiterer beruflicher Spezialisierung voraus. Öffentlichkeitsarbeit/ Public Relations ist ein arbeitsteiliger Prozeß; Teamfähigkeit und Teamarbeit sind daher nötig; Generalisten und Spezialisten ergänzen einander.

Herausragende Personen

  • Phineas T. Barnum gilt im 19. Jahrhundert als prototypischer Anwender des Aufmerksamkeitsgedankens (publicity).
  • Edward L. Bernays schrieb 1923 das erste Buch über PR und hatte als Ergebnis seiner lebenslagen theoretischen und praktischen Tätigkeit Vorbildwirkung besonders auch für die deutschen PR.
  • Carl Hundhausen führte in der Nachkriegszeit den Begriff PR in Deutschland einer breiteren praktischen und theoretischen Öffentlichkeit zu.
  • Ivy Ledbetter Lee stellte 1906 (declaration of principles) seine Arbeit als Presseagent unter das Motto der öffentlichen Informationstätigkeit.
  • Albert Oeckl gilt als Nestor der PR in Deutschland, war umfangreich theoretisch und praktisch tätig und stand über Jahrzehnte hinweg an der Spitze zuerst der DPRG, dann der IPRA.
  • Arthur Page begleitete ab 1927 als Vizepräsident den Aufstieg von AT&T mit wissenschaftlich und ethisch fundierter PR.
  • Ludwig Roselius war nicht nur Theoretiker, sondern machte auch Kaffee HAG zu einem der ersten internationalen Markenartikel.
  • Moritz Hunzinger berät Politiker und vermittelt Kontakte zur Wirtschaft.

Wissenschaft

Die wissenschaftliche Beschreibung von PR verwendet zur Beschreibung und Erklärung oft kommunikationswissenschaftlicher und systemtheoretische Ansätze, unter anderem folgende:

  • 4-Typen-Modell (Grunig)
  • Determinationsthese (Baerns) und Intereffikationsansatz (Bentele / Liebert / Seeling)
  • PR-Arbeit als Organisationsfunktion (Szyszka)
  • PR = Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten (Merten)
  • PR = Interaktion in Gesellschaft (Faulstich)
  • Situative Theorie der Teilöffentlichkeiten (Grunig)
  • Systemtheoretischer Ansatz (Ronneberger / Rühl)
  • Theorie öffentlichen Vertrauens (Bentele)
  • Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit (Burkart)
  • Win-Win-Modell exzellenter PR (Grunig)
  • Vernetzte Kommunikation (Bogner)

Literatur

  • Armbrecht / Zabel: Normative Aspekte der Public Relations. Opladen, 1994.
  • Avenarius: Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation. Darmstadt, 2000.
  • Bentele / Brosius / Jarren: Öffentliche Kommunikation. Opladen, 2003.
  • Cutlip / Center / Broom: Effective public relations. 1994.
  • Dagger / Greiner / Leinert / Meliss / Menzel: Politikberatung in Deutschland . Praxis und Perspektiven, Wiesbaden 2004
  • Dorer / Lojka: Öffentlichkeitsarbeit. Wien, 1991.
  • Faulstich: Grundwissen Öffentlichkeitsarbeit. München, 2001.
  • Grunig / Hunt: Managing Public Relations. 1984.
  • Grunig / Grunig / Dozier: Excellent public relations and effective organizations. New York, 2002.
  • Kunczik: Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland. Köln, 1997.
  • Kunczik: Public Relations. Konzepte und Theorien. Köln, 2002.
  • Meffert: Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik. Wiesbaden, 1991.
  • Merten, Klaus: Das Handwörterbuch der PR. 2 Bde. 2000.
  • Ronneberger / Rühl: Allgemeine Theorie der Public Relations. Opladen, 2001.
  • Rota: PR- und Medienarbeit im Unternehmen. Nördlingen, 1994.
  • Röttger: Theorien der Public Relations. Wiesbaden, 2004.
  • Szyszka: Auf der Suche nach Identität. PR-Geschichte als Theoriebaustein. Berlin, 1997.
  • Fissenewert / Schmidt: Konzeptionspraxis, Eine Einführung für PR- und Kommunikationsfachleute - mit einleuchtenen Betrachtungen über den Gartenzwerg. Frankfurt, 2002