Weinbau in Stuttgart

Der Weinbau in Stuttgart umfasst rund 400 Hektar Rebfläche – knapp 2 % der Stadtfläche. Die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart liegt im klimatisch begünstigten Neckartal und zählt zu Deutschlands größten Weinbaugemeinden. In 16 der 23 Stadtbezirke wird Weinbau betrieben, von den meisten der ca. 500 Betriebe im Nebenerwerb. Landwirtschaftliche Betriebe im engeren Sinne bewirtschafteten 360 ha (Stand 2005)[1]. Die Anbaufläche verteilt sich auf 18 Einzellagen, die alle zur Großlage Weinsteige gehören. Bewirtschaftet werden großenteils Steillagen. Gut 60 % der Produktion entfallen auf Rotwein.

Steillagen des Zuckerle zwischen Cannstatt und Mühlhausen

Klima und Geologie

Das gesamte Anbaugebiet Württemberg liegt in einer Übergangszone zwischen atlantischem und kontinentalem Klima. Das Neckartal profitiert vom mildernden Einfluss des Flusses. Aufgrund seiner Lage im Regenschatten des Nordschwarzwaldes ist Stuttgart einer der Orte in Deutschland mit der höchsten Sonneneinstrahlung[2]. Mit einer 230-240 Tage langen Vegetationsperiode (Durchschnittstemperatur über 5 °C) besitzt Stuttgart die längste Wachstumszeit in ganz Württemberg. Nachteilig für den Weinbau ist lediglich die hohe Gefahr von Hagelschlag, gegen den ein Hagelflieger im Einsatz ist.

Geologisch gehören die Stuttgarter Weinbergslagen überwiegend dem Keuper an. Lediglich im Nordosten des Stadtgebietes (Bad Cannstatt, Mühlhausen) dominiert der Muschelkalk. Aufgrund der Steilheit der Lagen ist die Bodenschicht aus den Verwitterungsprodukten des Unterbodens – Mergel und sandiger bis toniger Lehm – recht dünn. Die Reben müssen deshalb ihre Wurzeln bis in das Muttergestein hineintreiben.

Rebsorten

Der württembergischen Tradition folgend, dominiert auch in Stuttgart der Rotwein. Zu Anfang der 1990er Jahre waren 62,5 % der 400 Hektar mit roten Rebsorten bepflanzt. Allein auf den Trollinger entfielen 190 ha. 15 ha beanspruchte der Spätburgunder. Wachsende Bedeutung gewinnt inzwischen der Dornfelder. Daneben sind noch Lemberger, Heroldrebe, Samtrot, Muskat-Trollinger und Sankt Laurent zu nennen. In jüngster Zeit wurden auch Merlot und Cabernet Sauvignon gepflanzt – eine Reaktion auf die wachsende Nachfrage nach körperreichen Rotweinen. Das typischerweise trockene und sonnige Herbstwetter lässt auch diese aus weit südlicher gelegenen Weinbaugebieten stammenden Rebsorten noch ausreifen. Ihr Qualitätspotenzial ist allerdings schwer zu beurteilen, da diese Rebanlagen noch sehr jung sind.

Flurbereinigter Uhlbacher Götzenberg
Mauerterrassen des Cannstatter Zuckerle

In den letzten Jahrzehnten hat der Weißwein wieder an Boden gewonnen – 1950 waren über 90 % mit Rotweinreben bestockt. Unter den weißen Rebsorten ist der Riesling führend – er nahm Anfang der 1990er Jahre 65 ha ein. 40 ha entfielen auf den Müller-Thurgau. Daneben werden noch Silvaner, Kerner, Weißburgunder und Gewürztraminer in größerem Umfang kultiviert. Neuerdings gewinnen auch Chardonnay und Sauvignon Blanc an Raum.

Weinlagen

Die Stuttgarter Weinbergslagen bilden zusammen mit denjenigen der Stadt Esslingen am Neckar und Teilen der Fellbacher Weinberge die Großlage „Weinsteige“. Letztere findet sich allerdings nur selten auf Etiketten, da die Stuttgarter Weine in der Regel ohnehin nur aus einer Einzellage stammen. Vor dem Lagennamen wird der Stuttgarter Ortsteil vermerkt, also „Cannstatter Zuckerle“ oder „Untertürkheimer Altenberg“. Lediglich die in den inneren Stadtbezirken gewachsenen Weine dürfen sich als „Stuttgarter“ bezeichnen.

Die einst ausgedehnten Weinberge an den Hängen des Stuttgarter Kessels sind weitgehend dem Wachstum der Großstadt und den entsprechend hohen Bodenpreisen zum Opfer gefallen. So vereint die Mönchhalde neben einem größeren Weinberg an der Birkenwaldstraße drei kleine, weit voneinander entfernte Parzellen an der Karlshöhe, an der Neuen Weinsteige und am Hasenberg. Letztere ist der Rest der früheren Südlagen Afternhalde, Wanne und Gebelsberg. Die am Neckar gelegenen Stadtteile Hedelfingen, Obertürkheim, Untertürkheim, Uhlbach und Rotenberg besitzen hingegen große zusammenhängende Weinbergflächen. Diese stark ansteigenden Lagen wurden im Rahmen von Flurbereinigungen in größere Terrassen umgewandelt und durch parallel zum Hang verlaufende Wirtschaftswege erschlossen. Die steilsten Lagen Stuttgarts – Cannstatter Zuckerle, Degerlocher Scharrenberg und der in Rohracker gelegene Teil des Lenzenbergs − besitzen hingegen nach wie vor ihre Mauerterrassen.

Aufgrund des besonders günstigen Klimas zählen einige Stuttgarter Lagen zu den besten Württembergs. Besonderen Ruf genießen neben der Stuttgarter Mönchhalde die Untertürkheimer Lagen Herzogenberg, Mönchberg und Schlossberg, der Uhlbacher Götzenberg sowie das Cannstatter Zuckerle und die Cannstatter Halde.

Kuriositäten bilden der nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof gelegene Kriegsberg, der von der Stuttgarter IHK und der Landesbausparkasse bewirtschaftet wird, sowie der Hohenheimer Schlossberg, der als Versuchsgut der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Hohenheim dient. Der teilweise auch auf Fellbacher Gemarkung gelegene Untertürkheimer Gips ist ein ehemaliger Gipssteinbruch, dessen ausgebeutete Flächen sukzessive wieder bestockt wurden.

Die Stuttgarter Weinlagen im Einzelnen (von der Stadtmitte aus im Uhrzeigersinn):

Lagenname Stadtteile Fläche (ha) Ausrichtung Steilheit Bodenart
Mönchhalde Stuttgart, Bad Cannstatt 5 West – Südost – Ost
(kleine isolierte Lagen)
steil Keuper-Verwitterung
toniger Lehm – lehmiger Ton
Kriegsberg Stuttgart 1,5 Süd – Südost steil Keuper-Verwitterung
lehmiger Ton
Berg Stuttgart, Wangen, Münster,
Bad Cannstatt, Feuerbach,
Zuffenhausen
90 Südwest – Süd – Südost mäßig geneigt bis steil Keuper-Verwitterung
toniger Lehm, lehmiger Ton
Halde Bad Cannstatt 3,5 Südwest stark geneigt bis steil Muschelkalk-Verwitterung
toniger Lehm
Zuckerle Bad Cannstatt, Münster, Hofen, Mühlhausen 20 West – Süd – Südost steile Mauerterrassen Muschelkalk-Verwitterung
toniger Lehm, lehmiger Ton
Steinhalde Bad Cannstatt, Münster, Mühlhausen 20 Südwest – Süd – Ost vorwiegend steil (terrassiert) Muschelkalk-Verwitterung
toniger Lehm, lehmiger Ton
Mönchberg Bad Cannstatt, Untertürkheim, Fellbach 50 West – Süd – Südost schwach geneigt bis steil Keuper-Verwitterung
leichter Mergel – sandiger Lehm, lehmiger Ton
Herzogenberg Bad Cannstatt, Untertürkheim 15 West – Südwest – Süd leicht bis stark geneigt Keuper-Verwitterung
toniger Lehm
Gips Untertürkheim, Fellbach 10 Südwest – Süd mäßig geneigt Gipskeuper-Verwitterung
toniger Lehm – lehmiger Ton
Altenberg Untertürkheim 23 Südwest – Süd steil Keuper-Verwitterung
leichter Mergel – lehmiger Sand – lehmiger Ton
Schlossberg Rotenberg, Uhlbach, Untertürkheim 40 Südwest – Süd – Südost leicht geneigt bis steil Keuper-Verwitterung
mergeliger bis sandiger Lehm
Götzenberg mit Steingrube Uhlbach 70 West – Süd steil Keuper-Verwitterung
sandiger bis toniger Lehm
Kirchberg Obertürkheim 22 West – Südwest – Südost steil Keuper-Verwitterung
leichter Mergelkies bis toniger Lehm
Ailenberg Obertürkheim, Esslingen 28 West – Südwest steil Keuper-Verwitterung
leichter Mergelkies bis toniger Lehm
Lenzenberg Hedelfingen, Rohracker 27 Südwest – Süd stark geneigt, teils steile Terrassen Keuper-Verwitterung
toniger Lehm, schwerer Letten
Schlossberg Hohenheim 3,7 Süd mäßig geneigt Lehm auf Schwarzem Jura
Scharrenberg Degerloch 3,5 Südwest steil (terrassiert) Keuper-Verwitterung
toniger Lehm, lehmiger Ton
Abelsberg Stuttgart, Gablenberg, Gaisburg 3 West – Südost
(kleine isolierte Lagen)
mäßig bis stark geneigt Keuper-Verwitterung
toniger Lehm, lehmiger Ton

Erzeuger

Genossenschaften

Genossenschaft Gründung Mitglieder Rebfläche (ha)
Bad Cannstatt 1923 95 65
Hedelfingen 1955 40 16
Rotenberg 1936 75 40
Rohracker 1919 55 12
Uhlbach 1906 120 60
Untertürkheim 1887 84 98

Der größte Teil der Stuttgarter Weine wird von den sechs Winzergenossenschaften erzeugt. Zu ihren Mitgliedern zählen nicht zuletzt die vielen Nebenerwerbswinzer. Die Produktion ist im wesentlichen für den lokalen Markt bestimmt, weshalb der traditionelle Trollinger überwiegt. Auf eine Verschiebung der Nachfrage haben die größeren Genossenschaften jedoch mit neuen Produktlinien reagiert. Internationale Rebsorten, Ertragsbeschränkung und moderne Kellerverfahren einschließlich des Barriqueausbaus gehören heute zum Repertoire. An der Spitze dieser Bewegung steht die Untertürkheimer Genossenschaft, die sich seit 2001 Weinmanufaktur nennt. Ihr Kellermeister Jürgen Off wurde vom Gault-Millau zum „Gutsverwalter des Jahres“ 2005 gewählt. Der Erfolg überzeugte auch die Nachbarn: Die Obertürkheimer Genossen votierten einstimmig für den Anschluss an die Weinmanufaktur.

Untertürkheimer Altenberg am Fuß des Württembergs

Private Weingüter

Die meisten der privaten Stuttgarter Weingüter produzieren nur kleine Mengen, die entweder in der angeschlossenen Besenwirtschaft oder aber in örtlichen Weinstuben ausgeschenkt werden. Nur wenige genießen überregionale Bekanntheit. Drei Güter sind Mitglieder des VDP:

  • Das in Fellbach ansässige Weingut Aldinger bewirtschaftet insgesamt 20 ha, darunter als Monopollage den Untertürkheimer Gips (9,6 ha). Je 30 % entfallen auf Riesling und Trollinger, 15 % auf Spätburgunder, der Rest auf Gewürztraminer, Sauvignon Blanc, Weißburgunder, Cabernet Sauvignon, Lemberger und Merlot.
  • Dem Untertürkheimer Weingut Wöhrwag gehört der Untertürkheimer Herzogenberg (15 ha) im Alleinbesitz. Auf insgesamt 18 ha wachsen 40 % Riesling und 20 % Trollinger, der Rest entfällt auf Grau- und Weißburgunder, Rivaner, Spätburgunder und Lemberger.
  • Das zur Württembergischen Hofkammer gehörende Weingut Herzog von Württemberg in Ludwigsburg besitzt 7,5 ha im Untertürkheimer Mönchberg am Württemberg. Als Lagenweine werden Lemberger und Spätburgunder angeboten.

Weitere qualitätsorientierte Güter sind

  • Weingut Bauer, Bad Cannstatt (Lagen: Berg und Zuckerle)
  • Wein- und Sektgut Fritz Currle, Uhlbach (Götzenberg)
  • Weingut Diehl, Rotenberg (Schlossberg)
  • Weingut Jägerhof, Bad Cannstatt (Berg)
  • Weingut Schwarz, Untertürkheim (Altenberg und Mönchberg)
  • Weingut Albert und Konrad Zaiß, Obertürkheim (Kirchberg)
Datei:Stuttgart-uhlbach-weinbaumuseum2005.jpg
Weinbaumuseum Uhlbach

Städtisches Weingut

Seit 1949 besteht das Weingut der Stadt Stuttgart. Zuvor wurde der Ertrag der städtischen Weinberge versteigert. Die Kellerei befindet sich in einem ehemaligen Luftschutzbunker in Bad Cannstatt. Das Gut bewirtschaftet 17,5 ha in der Stuttgarter Mönchhalde, dem Cannstatter Berg und dem Cannstatter Zuckerle. Mit der Pflege von zusammen 4,9 ha terrassierten Steillagen leistet die Stadt ihren Beitrag zum Erhalt dieser Kulturdenkmäler. Qualitativ haben die Weine in den letzten Jahren den Anschluss an die Spitze gefunden. Jüngste Bestrebungen der CDU zielen auf eine Privatisierung oder Verpachtung des Gutes. Neben dem Weingut betreibt die Stadt auch das Weinbaumuseum in der ehemaligen Kelter von Uhlbach.

Geschichte

Möglicherweise reichen die Wurzeln des Weinbaus am mittleren Neckar in die Römerzeit zurück. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 708 und belegt Weinbergbesitz des Klosters Sankt Gallen in Cannstatt. Im 10. Jahrhundert wurde im Neckartal der Anbau auf Mauerterrassen eingeführt. Im inneren Stadtgebiet wird mit hoher Sicherheit seit dem 11. Jahrhundert Wein angebaut, denn eine Urkunde aus dem Jahre 1108 erwähnt die Schenkung eines Stuttgarter Weinberges an das Kloster Blaubeuren.

Ältester Stuttgarter Weinberg könnte aber der in der Nähe des Alten Schlosses gelegene Relenberg sein, dessen Name auf die Herzogin Reginlinda zurückgeht, Gattin des Herzogs Hermann I. von Schwaben. Erstmals urkundlich erwähnt wurden unter anderem 1229 die Mönchhalde und 1259 der Kriegsberg. Seit dem 13. Jahrhundert sind Aufzeichnungen über die Qualität der Ernten erhalten. Im Jahr 1400 wurde eine Weingärtnerverordnung erlassen, die Weinfälschungen Einhalt gebieten sollte. Im frühen 16. Jahrhundert entstand die Stuttgarter Weingärtnerzunft. Um die häufigen Streitigkeiten über die Weinpreise zu unterbinden, wurde 1456 angeordnet, dass nach der Lese eine „Weinrechnung“ zu machen sei. Hierzu wurde eine Kommission aus zwei Ratsherren, einem Unterkäufer (Weinmakler) und vier Weingärtnern eingesetzt. Diese „Siebener“ machten einen Preisvorschlag für den Weinhandel. Trotz der Reglementierung schwankten die Preise sehr stark. Der Preis für einen Eimer (293,92 l) bewegte sich im 16. Jahrhundert zwischen zwei und zehn Gulden. Missernten zwischen 1585 und 1589 trieben ihn bis auf 36 Gulden.

Der Weinbau blieb das ganze Mittelalter hindurch die Haupterwerbsquelle der Stuttgarter. 1350 waren bereits 502 Hektar bestockt, 1594 sogar über 1200 Hektar − die später eingemeindeten Vororte wie Cannstatt und Untertürkheim sind hier nicht mitgezählt! Nach Wien und Würzburg war Stuttgart im 16. Jahrhundert Deutschlands größte Weinbaugemeinde. Der Stuttgarter Wein wurde großenteils über Ulm nach Osten exportiert. Diese agrarische Wirtschaftsstruktur ihrer Residenzstadt störte jedoch die württembergischen Herrscher. In der Mitte des 16. Jahrhunderts verbot Herzog Christoph von Württemberg sogar unter Strafandrohung die Neuanlage von Weinbergen, außer in bis dato „ungeschlachter Wildnis“.

Nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges – ein Viertel der Rebfläche lag 1648 brach – schlug das Pendel jedoch zurück: Zum Schutz des Stuttgarter Weinbaus wurde 1655 der Import fremden Weines verboten, und 1667 wurde auch das Bierbrauen untersagt. 1710 wurde dieses Verbot auf ganz Württemberg ausgedehnt. Auch Maßnahmen zur Qualitätssicherung gehen in die frühe Neuzeit zurück: Die erste, 1595 erlassene Herbstordnung regelte unter anderem den Lesebeginn, den sogenannten Herbstsatz, und den Betrieb der Keltern. Eine weitere Herbstordnung empfahl den Weinbauern im Jahr 1607 den Anbau von Qualitätssorten. Dies waren damals Klevner, Silvaner, Grüner Veltliner, Gutedel, Gewürztraminer und Muskateller. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts überwogen die weißen Rebsorten mit rund 80 %.

Feudale Strukturen beherrschten den Weinbau bis ins 18. Jahrhundert. Erst 1813 wurde der sogenannte Kelterbann aufgehoben, der den Betrieb von Keltern nur adligen und geistlichen Grundherren erlaubte. So konnte die Menge des Zehntweines genau kontrolliert werden. Die Keltern gingen in städtisches Eigentum über, durften jedoch seitdem nur noch außerhalb der Stadtmauern betrieben werden. Die Bedeutung des Weinbaus für Stuttgart sank erst mit der Industrialisierung und der damit einher gehenden Verdrängung der Weinberge.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewirtschafteten 400 Weingärtnerfamilien noch ein knappes Drittel der Gemarkung Alt-Stuttgarts, 1895 nur noch 15 % – 400 Hektar. Die Stuttgarter Weinbergfläche wuchs durch Eingemeindungen zwar nochmals bis auf 750 Hektar an, dem Wachstum der Großstadt fielen aber immer mehr Rebflächen zum Opfer. Mitte des 19. Jahrhunderts waren in Alt-Stuttgart nur noch sechs Keltern in Betrieb, zu Anfang des 18. Jahrhunderts gab es deren noch 27. Heute ist von diesen nur noch der „Fruchtkasten“ am Schillerplatz übrig geblieben.

Den Rückgang der Stuttgarter Weinbaufläche zeigt die nachfolgende Tabelle
Stadtteil Rebfläche (ha)
1850
Rebfläche (ha)
2006
Alt-Stuttgart 750 10
Degerloch 23 3,5
Feuerbach 140 15
Hedelfingen 92 16
Rohracker 66 12
Wangen 112 2
Zuffenhausen 50 10

Den letzten markanten Einschnitt brachte die Rebflurbereinigung seit den 1960er Jahren. Die Trockenmauern in Ober- und Untertürkheim, Hedelfingen, Rotenberg und Uhlbach wichen breiten Terrassen, die durch asphaltierte Wirtschaftswege erschlossen sind. 110 Hektar besitzen noch heute ihre ursprüngliche Gestalt. Die vom Verfall bedrohten Weinberge an der Neuen Weinsteige wurden bis 1990 restauriert und vom städtischen Weingut wiederbestockt.

Die Weingärtner bildeten bis weit ins 19. Jahrhundert einen gewichtigen, zumeist konservativen, politischen Faktor. So lösten 1848 mit Stöcken bewaffnete „Wingerter“ in Stuttgart eine Demonstration von Demokraten auf.

Die republikanische Minderheit unter den Weingärtnern gründete 1863 den „Winzerklubb“, und erst 1904 schlossen sich alle Wingerter im „Stuttgarter Winzerbund“ zusammen. Die erste Weingärtnergenossenschaft entstand 1887 in Untertürkheim. Sie wurde allerdings in jedem Herbst neu gegründet und erst 1907 zur Dauerorganisation. Weitere Genossenschaften entstanden unter anderem 1918 in Obertürkheim, 1923 in Cannstatt und 1936 in Rotenberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen sich 45 Genossenschaften zur Landeszentralgenossenschaft württembergischer Weingärtnergenossenschaften mit Sitz in Untertürkheim zusammen. Sie nennt sich inzwischen Württembergische Weingärtnerzentralgenossenschaft und verlegte ihren Sitz 1968 nach Möglingen. Auch wenn der Weinbau in der Stuttgarter Wirtschaft heute nicht mehr ins Gewicht fällt, besitzen die „Wingerter“ noch immer politischen Einfluss: Zwei der 60 Stuttgarter Gemeinderäte sind hauptberufliche Weinbauern.

Weinkultur

Württemberger Weinstraße

Zahlreiche Veranstaltungen zeigen die Verbundenheit Stuttgarts mit seinem Weinbau. Größtes Ereignis ist das Stuttgarter Weindorf, das seit 1974 Ende August bis Anfang September in der Innenstadt seinen Platz findet. An 120 Ständen werden Stuttgarter und andere Württemberger Weine an die Besucher ausgeschenkt. Ableger hiervon gibt es in Hamburg und Berlin. Unter sich bleiben können die schwäbischen „Vierteles-Schlotzer“ auf den Kelterfesten der Stadtteile sowie in den zahlreichen Besenwirtschaften und Weinstuben.

Die Spitze der Qualitätspyramide stellt sich auf der jährlich Mitte November stattfindenden Weinverkostung „Stuttgarts beste Weine“ dem Urteil des Publikums.

Durch Stuttgart führt die Württemberger Weinstraße. Die Geschichte des Stuttgarter Weinbaus wird im Weinbaumuseum Uhlbach präsentiert. Das Fremdenverkehrsamt hat vier Weinwanderwege gekennzeichnet.

Quellenangaben

  1. Landwirtschaftlich genutzte Fläche in Stuttgart - Statstisches Landesamt
  2. Globalstrahlung in der Bundesrepublik Deutschland 2003

Literatur

  • Gunter Link: Stuttgart und sein Wein. Silberburg Verlag, Tübingen/Stuttgart 1993, ISBN 3-87407-145-6
  • Hans Ambrosi, Bernhard Breuer: Deutsche Vinothek – Württemberg. Busse + Seewald, Herford 1996, ISBN 3-512-03044-0
  • Hans Schleuning (Hrsg.): Stuttgart-Handbuch. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-8062-0376-8

Weblinks