Jean Blondel

Jean Blondel (2008)

Jean Fernand Pierre Blondel (* 26. Oktober 1929 in Toulon; † 25. Dezember 2022[1]) war ein französischer Politologe auf dem Gebiet der vergleichenden Politikwissenschaft. Von 1964 bis 1984 war er Professor für Politikwissenschaft an der Universität Essex sowie von 1985 bis 1994 am Europäischen Hochschulinstitut Florenz, an dem er 1994 emeritiert wurde. Zudem war er von 1970 bis 1980 Gründungsdirektor des European Consortium for Political Research. 2004 wurde er für sein Werk mit dem Johan-Skytte-Preis ausgezeichnet.

Werdegang

Blondel wurde 1929 in Toulon geboren und wuchs in Paris auf. Nach dem Besuch einer Jesuiten-Schule studierte er zunächst am Institut d’études politiques de Paris, an dem er 1953 ein Diplom erhielt. Anschließend erhielt er ein Stipendium am St. Antony’s College in Oxford, an dem er daraufhin von 1953 bis 1955 studierte und mit einem Baccalaureus Litterarum abschloss. Nach dem Militärdienst beim französischen Heer kehrte er nach Großbritannien zurück und studierte bis 1958 an der University of Manchester.

Von 1958 bis 1963 lehrte er als Dozent am Fachbereich für politische Institutionen des University College of North Staffordshire (der heutigen Keele University), dann war er Fellow an der Yale University. 1964 wurde er Professor an der neu gegründeten Universität Essex und baute dort den Fachbereich für Politikwissenschaft mit auf, dessen erster Vorsitzender er wurde. In Essex lehrte er bis 1984 und war anschließend zunächst bei der Russell Sage Foundation in New York, ehe er 1985 als Professor für Politikwissenschaft an das Europäische Hochschulinstitut (EUI) in Florenz berufen wurde. 1994 wurde er am EUI emeritiert und war dort anschließend noch bis 2000 als externer Professor tätig.

Er war einer der Mitinitiatoren des European Consortium for Political Research (ECPR) und von 1970 bis 1980 dessen Gründungsdirektor.[2]

Ab 1993 war er Mitglied der Academia Europaea, ferner der American Academy of Arts and Sciences[3] und der Schwedischen Akademie der Wissenschaften.

Forschungstätigkeit

Blondel forschte intensiv auf mehreren Gebieten der vergleichenden Politikwissenschaft und trug insbesondere maßgeblich zur Theorie der Parteiensysteme, der Analyse von Regierungskabinetten sowie den Beziehungen zwischen Parteien und Regierungen bei.[4] Sein späteres Interesse galt zudem dem weltweiten Vergleich verschiedener Präsidialsysteme, mit besonderem Fokus auf lateinamerikanische und afrikanische Länder sowie die Länder der ehemaligen Sowjetunion.[4]

Laut dem ECPR ist die Anzahl seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen so weitreichend, dass keine vollständige Liste davon erhalten ist, wobei sein Werk jedoch „mindestens“ 29 Bücher umfasst.[5] Insbesondere seine Bücher Voters, Parties, and Leaders (1963), An Introduction to Comparative Government (1969) und Political Parties (1978) gelten dabei als grundlegende Werke der Politikwissenschaft.

Ehrungen

Für „seinen herausragenden Beitrag zur Professionalisierung der europäischen Politikwissenschaft, sowohl als ein Pionierarbeit leistender Komparatist als auch beim Aufbau von Institutionen“ wurde Blondel 2004 der Johan-Skytte-Preis verliehen.[6] Darüber hinaus erhielt er unter anderem für sein Lebenswerk Lifetime Achievement Awards der British Political Studies Association (2000) sowie des ECPR (2022).[5]

Er war Ehrendoktor der University of Salford, der University of Essex, der Universität Löwen, der Universität Turku, der Universität Macerata (2007) und der Universität Siena (2008).

Seit 2003 verleiht das ECPR jährlich den nach ihm benannten Jean Blondel PhD Prize für die beste politologische Dissertation.[4]

Schriften (Auswahl)

  • Voters, parties and leaders : the social fabric of British politics. Harmondsworth : Penguin Books, 1963.
    • In deutscher Übersetzung: Demokratie in England: Wähler, Parteien, Politiker. Frankfurt am Main & Hamburg: Fischer Bücherei, 1964.
  • An Introduction to Comparative Government. London: Weidenfeld & Nicolson, 1969.
  • Comparative legislatures. Englewood Cliffs, N.J: Prentice Hall, 1973.
  • Political parties. A genuine case for discontent?. London: Wildwood House, 1978.
  • The Discipline Of Politics. London & Boston: Butterworths, 1981.
  • Political leadership: towards a general analysis. London & Beverly Hills: SAGE, 1987.
  • mit Ferdinand Müller-Rommel (Hrsg.): Cabinets in Western Europe. Basingstoke: Macmillan, 1988.
  • mit Ferdinand Müller-Rommel (Hrsg.): Governing together : the extent and limits of joint decision-making in Western European cabinets. New York: St. Martin’s Press, 1993.
  • mit Maurizio Cotta (Hrsg.): Party and government : an inquiry into the relationship between governments and supporting parties in liberal democracies. New York: St. Martin’s Press, 1996.
  • mit Richard Sinnott, Palle Svensson: People and Parliament in the European Union : participation, democracy, and legitimacy. Oxford, England : Clarendon Press, 1998.
  • mit Maurizio Cotta (Hrsg.): The nature of party government : a comparative European perspective. New York: St. Martin’s Press, 2000.
  • mit Ferdinand Müller-Rommel (Hrsg.): Cabinets in Eastern Europe. Basingstoke: Macmillan, 2001.
  • Political leadership, parties and citizens. The personalisation of leadership, Routledge 2010, ISBN 978-0-415-54736-9
  • mit Manuel Alcántara, Jean-Louis Thiébault: Presidents and Democracy in Latin America, Routledge 2018[7]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. European Consortium for Political Research, Twitter.com, 26. Dezember 2022, abgerufen am 26. Dezember 2022.
  2. researchgate
  3. Book of Members, B. (PDF) American Academy, abgerufen am 12. Mai 2021 (englisch).
  4. a b c Jean Blondel PhD Prize. In: ECPR. Abgerufen am 26. Dezember 2022 (englisch).
  5. a b Two outstanding scholars win our 2022 Lifetime Achievement Award. In: ECPR. 3. November 2022, abgerufen am 26. Dezember 2022 (englisch).
  6. The Johan Skytte Prize. Archiviert vom Original am 1. Juli 2022; abgerufen am 26. Dezember 2022 (englisch).
  7. Presidents and Democracy in Latin America. Abgerufen am 12. Mai 2021 (englisch).