Rastafari

Rastafari ist eine auf Jamaika in den 1930-er Jahren entstandene, heute weltweit verbreitete Lebensweise.

Auslöser für die Entstehung war eine Prophezeiung von Marcus Mosiah Garvey (1887-1940), in der er im Jahr 1927 den Aufstieg eines großen Königs in Afrika vorhersagte; die Krönung Haile Selassies als Kaiser Äthiopiens 1930 sah man als Erfüllung der Prophezeiung an.

Unter den Rastafaris gibt es verschiedene Strömungen, wobei sich manche zu sogenannten „Houses“ zusammenschlossen (z. B. Nyahbinghi, Bobo Ashanti oder Twelve Tribes of Israel). Einzelne Anhänger der Bewegung nennt man Rastaman, Bredren oder Idren („Brüder“) – bei weiblichen Rasta Sistren, Sister („Schwestern“), Daughter oder Iawata(„Tochter“).

Begriffsherkunft

Der Begriff Rastafari leitet sich vom Geburtsnamen des äthiopischen Kaisers Haile Selassie, nämlich Ras Tafari Makonen ab.

Wegen seiner Krönungstitel "Auserwählter Gottes" und "Siegreicher Löwe von Juda" gilt er den Rastas als die in der Bibel angekündigte Wiederkehr von Jesus Christus. Rastas sind – wie die meisten christlichen Konfessionen – von der Göttlichkeit Jesu Christi überzeugt, selbiges gilt demzufolge auch für Haile Selassie, seine Wiedergeburt.

Im Gegensatz zu Christen, Juden und Muslimen warten die Rastas demnach nicht mehr auf das (erneute) Erscheinen des Messias, welches die Endzeit einläuten soll, sondern sehen dies bereits durch die Krönung Haile Selassies als erfüllt an. Es herrscht die Auffassung, dass Gott drei Mal in Form eines Menschen auf die Erde erschien: Die erste Inkarnation in der Gestalt des Melchisedech, die zweite als Jesus Christus und die dritte und letzte als Haile Selassie I., der die Sieben Siegel öffnet und das Armageddon (bei Rastas auch "Armagideon" genannt) einleitet.

Die Farben der Rastafari-Bewegung sind Rot, Gold bzw. Gelb und Grün, also die Farben der äthiopischen Nationalflagge. Sie haben für die Rastas auch symbolische Bedeutungen: Rot für das Blutvergießen und die Morde unter den verschleppten Sklaven, Gold für den Reichtum den man den Sklaven (Sufferahs, "Leidende") gestohlen hat und Grün für das gelobte Land Äthiopien (oder allgemein Afrika), das die Heimkehr der verschleppten Schwarzen erwartet.

Eine zusätzliche Symbolik erhalten die Farben durch ihre Verwendung als Panafrikanische Farben seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Bewegung

Wichtigste Quelle der Rastafari-Bewegung sind diverse Abschnitte in der Bibel, vor allem die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament. Manche Rastas schätzen aber auch die besonderen Bücher der äthiopischen Bibel sehr (Henoch, Buch der Jubiläen und andere – siehe Liste biblischer Bücher). Die so genannte Holy Piby gilt vielen unter ihnen zudem als „Bibel des schwarzen Mannes“. Außerdem spielen einige Texte der ersten Rastas wie zum Beispiel "The Promised Key" von Leonard P. Howell eine wichtige Schlüsselrolle in der Entstehung der Rastafari-Bewegung.

Die Rastafari sind eine typische Heilserwartungsbewegung.

Ihre Hauptmerkmale sind: Die Anerkennung Haile Selassies als wiedergekehrten Messias und lebendigen Gott auf Erden, die Ablehnung der westlichen Wertanschauung (die sie als Babylon bzw. Babylon-System bezeichnen) sowie der Kampf für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung.

Ein weiterer Grundsatz ist die Forderung nach Repatriierung, also der Rückkehr in die afrikanische Heimat ihrer Vorfahren, die als Sklaven nach Amerika verschleppt wurden. Inzwischen wurde die körperliche Rückkehr nach Afrika in eine 'spirituelle Rückkehr' umgedeutet, dennoch sind einige Rastafari nach Afrika übergesiedelt und haben dort eigene Gemeinden gegründet. Viele Rastafari müssen allerdings ihr Leben auf Jamaika oder anderen Ländern akzeptieren und streben nach einer geistigen Rückkehr in die afrikanische Heimat. Es geht hierbei darum, den kulturellen Bruch, der durch die Versklavung ihrer Vorfahren entstand, zu überwinden, und sich positiv mit ihrer afrikanischen Identität zu identifizieren.

Einige Rastafaris ließen später die Idee von der Göttlichkeit Haile Selassies fallen und wandten sich der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche zu.

Kultur

In den meisten Varianten ist Rastafari eine Bewegung, die frei von Gesetzen und Vorschriften ist. Der Mensch wird als Individuum verstanden und somit auch die freie Meinung akzeptiert. Andererseits berufen sich manche Gruppierungen auf die strengen Reinheitsvorschriften des Alten Testaments. Es finden sich allerdings auch patriarchalische Strukturen im Rastafari-Glauben, so wird der Frau die Pflicht auferlegt, ihren Kopf zu bedecken, ihren Mann zu umsorgen und ihm treu zu sein – auch wenn er es nicht ist (Bob Marley als leuchtendes Beispiel).

Rastaman mit Dreadlocks

Homosexualität wird von den Rastafarians – wie auch vom jamaikanischen Gesetzgeber – aufgrund der Aussagen in der Bibel abgelehnt. Die Musik von Rastafari-Künstlern gerät wegen homophober Texte regelmäßig in die Kritik. Obwohl die Musiker Ausdrucksweisen wie „Feuer auf die Schwulen“ (Fire pon chi chi man) im übertragenen Sinn verstanden sehen wollen, also ein „spirituelles Verbrennen“ solcher „unreiner“ Gedanken meinen, werden sie von unbedarften Fans oft wörtlich aufgefasst. So lässt sich die Ermordung des schwulen Bürgerrechtlers Brian Williamson 2004 und des HIV/AIDS Aktivisten Steve Harvey 2005, sowie die starke Homophobie in Jamaika [1] zumindest zum Teil so erklären.

Grundsätzlich lehnen die Rastafarians Alkohol sowie Tabak ab und ernähren sich möglichst ohne tierische Produkte und Salz (I-tal). Sie glauben, dass sich der Mensch am Anfang der Schöpfung ausschließlich von Kräutern und Früchten ernährte. (1. Mose 1;29: Und Gott sprach: Siehe, ich habe euch alles samentragende Kraut gegeben, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem samentragende Baumfrucht ist: es soll euch zur Nahrung dienen.)

Rastas verwenden für Gott den biblischen Namen „Jah“ (sprich Dschah), eine Kurzform von Jahwe.

Viele von ihnen, aber nicht alle, konsumieren gemeinsam auf rituelle Weise Cannabis (Ganja), welches sie zum Meditieren oder zum Reasoning (d. h. für sich selbst nachdenken oder mit anderen debattieren) nutzen. Sie legen allerdings Wert darauf, dass Kiffen allein niemanden zum Rastafari macht. Die unreflektierte Übernahme von Rastafari-Symbolik in die Jugendkultur westlicher Länder lehnen sie ab.

Einige Rastafarians tragen – ebenso wie beispielsweise die heiligen Männer in Indien – Dreadlocks und ungestutzte Bärte als Ausdruck ihrer Verbundenheit mit Gott. Die Dreadlocks sind außerdem ein Symbol für Naturverbundenheit und die Löwenmähne des Löwen von Juda. Einige Rastafarians haben auch das Gelübde des Nasiräers abgelegt, was die charakteristischen Dreadlocks und die langen Bärte zu Folge hat.

Dass man nur als Schwarzer ein Rastafarian sein kann, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Da die Bibel keine Unterscheidungen zwischen den Hautfarben trifft, werden auch weiße Rastas respektiert. Allerdings sollte jedem auch bewusst sein, daß die im Rastafarismus fest verankerte Rückkehr ins Mutterland (Äthopien bzw. Afrika allgemein) den weißen Rastafarians nicht als Ziel gelten kann. Es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob und ab wann er sich „Rastafarian“ nennt, da es keine umfassende öffentliche Institution in dem Sinne gibt. Daher ist es auch nur bedingt möglich, über die Anhängerzahlen dieser Religion Auskunft zu geben.


International bekannt wurden die Rastafaris ab den 1970er Jahren hauptsächlich durch die Reggae-Musik (zum Beispiel von Bob Marley, Peter Tosh und Dennis Brown). Gleichzeitig sehen viele Rastas (z. B. bis vor kurzem die Bobo Ashanti) Reggae als „Musik des Bösen“ an und lehnen ihn kategorisch ab. Dennoch finden sich auch beim heute populären Dancehall-Reggae einige Musiker, die der Rastafari-Religion angehören.

Sprache

Die jamaikanischen Rastafari sprechen das auf der Insel übliche Patois, allerdings mit einer ganzen Reihe Rastafari-spezifischer Wörter versetzt, die von anderen Patois-Sprechern nicht gebraucht werden.

Hauptmerkmal dieser Begriffe ist dass sie mit einem (meist großgeschriebenen) I verfremdet wurden, das sowohl das englische Wort ich als auch die Ziffer eins des römischen Zahlensystems symbolisiert, die im Titel Haile Selassies vorkommt.

Bekannte Beispiele sind „I and I“ und „I-Jahman“ für „ich“ bzw. „wir“. Durch die Vermeidung des Audrucks „du“ (also „me and you“) soll die Einheit der einzelnen Individuen untereinander und mit Gott ausgedrückt werden.

Die Rastafari-spezifische Sprache bez. „I“ wird von Rastafarians selbst „Iyaric“ genannt.

Viele Rastas verwenden für das Wort „verstehen“ – also auf Englisch „to understand“ – den Neologismus „to overstand“, da sie das ursprüngliche Wort als Atavismus aus der Sklaverei sehen und daher als erniedrigend empfinden.

Patois Englisch Deutsch
I and I I, we ich, wir
Irie free frei, sehr gut
Ites heights Höhen (spirituell; auch im Sinne von „high“ durch Drogenkonsum)
I-tal vital „ökologisch“ kochen nach Rasta-Regeln
Ises praises Lobpreisungen
most I most high Allerhöchster = Gott
baldhead baldhead Kahlkopf = jemand ohne Dreadlocks; Unterdrücker
to overstand to understand verstehen