Rainald Goetz

Rainald Maria Goetz (* 24. Mai 1954 in München) ist ein deutscher Schriftsteller.

Bildung

Goetz studierte Geschichte, Theaterwissenschaft und Medizin in München und Paris. In seinen Schriften erwähnt Goetz zudem ein abgebrochenes Studium der Soziologie in Berlin. Die Studiengänge Geschichte und Medizin schloss er jeweils mit einer Promotion ab: Zunächst, nach einem Aufenthalt an der Sorbonne im Herbst 1977, den Studiengang Geschichte mit einer althistorischen Dissertation über Freunde und Feinde des Kaisers Domitian, die durch den Althistoriker Hermann Bengtson (1909–1989) angeregt und betreut wurde.

In seinen Schriften nimmt Goetz immer wieder in abwertender Form auf die Alte Geschichte Bezug, die Entstehung seiner Dissertation schildert er in seinem Roman Kontrolliert, auch eine mögliche Karriere durch eine Assistentenstelle bei den Althistorikern erwähnt Goetz in seinen Schriften. Ende 1982 folgte die Promotion zum Dr. med. mit einer Arbeit über ein Thema der Jugendpsychiatrie. Neben der ersten Dissertation, die trotz des „trockenen“ und vor allem epigraphisch bearbeiteten Themas bereits literarische Ambitionen erkennen lässt, zeichnet sich auch die medizinische Doktorarbeit durch eine kaum verkennbare literarische Stilisierung aus. Zu nennen sind neben der provokativen „Danksagung“ („Dankanbruderundsoweiter“) auch Versatzstücke innerhalb des Textes. Wo von abweichendem Verhalten von Kindern die Rede ist, kommentiert Goetz: „Punk Anarchie Okay.“

Karriere

1976 begann er, für die Süddeutsche Zeitung zu schreiben. Zunächst verfasste er Rezensionen von Kinder- und Jugendbüchern. 1977 erschien dann eine dreiteilige Artikelserie mit dem Titel Aus dem Tagebuch eines Medizinstudenten. 1978 folgte die erste Veröffentlichung im Kursbuch, in der Goetz unter dem Titel Der macht seinen Weg den bisherigen Verlauf seines Studiums und seine soziale Isolation schilderte.

Berühmt wurde Goetz 1983 durch einen Aufsehen erregenden Auftritt beim Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt: Vor laufenden Fernsehkameras ritzte er sich während einer Lesung mit einer Rasierklinge die Stirn auf, ließ das Blut über seine Hände und sein Manuskript laufen und beendete die Lesung schließlich blutüberströmt. Jedoch gewann er bald auch auf „seriöse“ Weise durch seine Romane und Theaterstücke unter Kritikern Anerkennung. Außerdem schrieb er für die Musikzeitschrift Spex – diverse Einzelbeiträge wurden zu Bänden zusammengefasst (Hirn, Kronos, Celebration) – und den Merkur, auf die Goetz in seiner Erzählung Rave abwertend Bezug nimmt. 1998 wurde er eingeladen, die Frankfurter Poetik-Vorlesungen zu halten. Im selben Jahr schrieb Rainald Goetz in Berlin ein Netztagebuch unter dem Titel Abfall für alle, in dem er seine Tages- (und Nacht-)eindrücke aktuell auf einer Webseite veröffentlichte. Ein zentrales Thema war damals die Soziologie von Niklas Luhmann. Das Netztagebuch erschien ein Jahr später in Buchform. Um 1999 beteiligte er sich an dem Internet-Literaturprojekt Pool.

Zu den Themen, die Goetz literarisch verarbeitet hat, zählen der Deutsche Herbst (Kontrolliert), seine eigenen Erfahrungen bei der Arbeit in der Psychiatrie (Irre) und die Techno-Bewegung in Deutschland (unter anderem veröffentlichte er einen Text über Sven Väth, den Roman Rave und zusammen mit Westbam das Buch Mix, Cuts & Scratches). Durch nahezu alle Schriften zieht sich eine typische Tendenz: Die Wahrnehmung des Erzählers ist meist die eines Solitärs und Einzelgängers, dessen Alltag von geistiger Arbeit geprägt ist und dessen Eintreten in die jeweiligen Musikszenen (Punk in Irre, Techno in Rave) als wichtige Ergänzung zur sonstigen Lebensorganisation wahrgenommen wird.

In den letzten Jahren war nicht viel zu hören/lesen. Seine letzte eigenständige Buchveröffentlichung stammt aus dem Jahr 2001: "Jahrzehnt der schönen Frauen". Mit diesem Merveband wurde eine Phase frenetischer Produktion abgeschlossen, die 1997 mit "Mix, Cuts & Scratches" begann. Ihr verdanken wir eine fünfbändige Geschichte der Gegenwart, die seit 2004 als von Albert Oehlen gestaltete Kassette bei Suhrkamp günstig zu erwerben ist. 2001 wurde auch das von Goetz in "Dekonspiratione" beschriebene Fernsehformat "nothing special" im ZDF-nachtstudio mit Volker Panzer, Moritz von Uslar und Goetz selbst in die Tat umgesetzt. Ausgestrahlt wurden 3 Folgen unter dem Namen "Fernsehen", Gäste waren Alexa Hennig von Lange, Barbara Sichtermann und Klaudia Brunst. Die zweite Folge wurde einen Tag nach dem 11. September gedreht und gesendet.

Im Oktober 2005 veröffentlichte "Cicero" eine goetzsche Rezension von Houellebecqs "Die Möglichkeit einer Insel": "Michel Houellebecq. Das Elend der Liebe". Sie endet mit dem unvergesslichen Satz: "So radelte er hin". 2006 erschien ein kurzer Text in der TEMPO-Jubiläumsausgabe. Seit dem 1. Februar 2007 stellt Goetz in seinem Blog KLAGE täglich um die Mittagszeit seinen Tagebucheintrag des Vortags ins Netz (vanityfair.de), der von allen Schreiber-Kriegern deutscher Zunge begierig verschlungen wird.

Nicht zuletzt aufgrund gemeinsamen Feierns etc. wird geglaubt, dass Schriftsteller wie Christian Kracht oder Benjamin von Stuckrad-Barre von ihm "beeinflusst" wurden. Explizit dahin gehendes Bekenntnis war z.B. von Moritz von Uslar (bei einer Lesung seines Romans "Waldstein") zu hören.

Die meisten seiner Werke sind im Suhrkamp Verlag erschienen. Anlässlich von Goetz’ 50. Geburtstag fand im Literaturhaus Frankfurt das Erste internationale Rainald-Goetz-Symposium statt (veranstaltet von der Marburger Philipps-Universität, dem Literaturhaus und Suhrkamp), dem der Jubilar selbstredend fernblieb.

Werke

  • Irre (Roman, 1983)
  • Krieg (Theaterstück, 1986)
  • Hirn (Essays, 1986)
  • Kontrolliert (Roman, 1988)
  • Festung (Theaterstücke und Materialien, 1993)
  • Word I (12", 1994, zusammen mit Oliver Lieb)
  • Word (Doppel-CD, 1994, zusammen mit Oliver Lieb und Stevie B-Zet)
  • Mix, Cuts & Scratches (1997, zusammen mit Westbam)
  • Rave (Erzählung, 1998)
  • Jeff Koons (Theaterstück, 1998)
  • Abfall für Alle (Online-Tagebuch, 1998/99. In Buchform erschienen 1999)
  • Celebration. Texte und Bilder zur Nacht (1999)
  • Dekonspiratione (Erzählungen, 2000)
  • Jahrzehnt der schönen Frauen (Texte, 2001)
  • Heute Morgen (Hörspiel, 2001, zusammen mit Westbam)
  • Heute Morgen (Zusammenstellung aus Rave, Jeff Koons, Dekonspiratione, Celebration, Abfall für alle; 2004)

Auszeichnungen