August Wilhelm Schlegel

Der junge A.W. Schlegel

August Wilhelm von Schlegel (* 8. September 1767 in Hannover; † 12. Mai 1845 in Bonn) war ein deutscher Literaturhistoriker, Übersetzer, Schriftsteller, Orientalist und Philosoph. Er gilt als Mitbegründer der deutschen Romantik.

Leben

August Wilhelm Schlegel kam als Sohn des lutherischen Pastors Johann Adolf Schlegel (1721-1793) in Hannover zur Welt, wo er auch das Gymnasium besuchte. Er studierte Theologie und Philosophie in Göttingen, wandte sich jedoch bald ausschließlich der Philologie zu und der Schriftstellerei. Seit 1789 war er Mitarbeiter bei den Göttinger Gelehrten Anzeigen. Er schloss Freundschaft mit Gottfried August Bürger und Friedrich Ludewig Bouterweck, welcher ihn in die romantische Richtung lenkte. 1791 war er als Erzieher in Amsterdam tätig.

Nachdem er nach Deutschland zurückgekehrt war, ging er 1796 nach Jena, das schnell zum Zentrum der Frühromantik wurde. Dort schrieb er für Schillers Horen, verfasste Kritiken und übersetzte Werke von Shakespeare, Calderon, Dante, Cervantes u.a.

Im selben Jahr heiratete er Caroline Böhmer, die er im Hause seines Lehrers Christian Gottlob Heyne kennen gelernt hatte. Die Ehe wurde jedoch nach vier Jahren geschieden.

Von Herzog Karl August 1798 zum außerordentlichen Professor an der Universität Jena ernannt, gab er mit seinem Bruder Friedrich Schlegel von 1798-1800 gemeinsam die Zeitschrift Athenäum heraus. 1803 ging er nach Berlin, wo er als Professor Vorlesungen über Kunst und Literatur hielt.

1804 lernte er hier die französische Schriftstellerin Madame de Staël kennen, der er auf ihr Schlösschen Coppet am Genfer See folgte als Freund, Hauslehrer ihrer Kinder und wichtiger Informant für ihr epochemachendes Deutschlandbuch De l'Allemagne (1810). 1804/05 begleitete er sie auf einer längeren Italienreise.

Porträt von August Wilhelm Schlegel

1815 erhielt er den Adelstitel und ging 1818 als Professor für Literatur an die neugegründete Universität zu Bonn. Zuvor hatte er sich in Paris dem Studium des Sanskrit und der orientalischen Literatur gewidmet. Er lernte Sophie Paulus kennen und verheiratete sich mit ihr. Die Ehe ging jedoch noch schneller in die Brüche als die erste.

Mit zunehmendem Alter wuchs Schlegels Eitelkeit, so dass er immer öfter Ziel des Spottes wurde. Seine 1827 in Berlin gehaltenen Vorlesungen über die Theorie und Geschichte der bildenden Künste waren ein Misserfolg.

Er starb am 12. Mai 1845 in Bonn, sein Grab befindet sich dort auf dem Alten Friedhof.

Werk

August Wilhelm Schlegel gilt als Mitbegründer der altindischen Philologie. Er war Mitarbeiter an Schillers Horen, dem Musenalmanach und der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung. Mit seinem Bruder Friedrich teilte er sich die Herausgeberschaft der Zeitschrift Athenäum. Später war er Herausgeber der Indischen Bibliothek. An literarischen Werken verfasste er Sonette, Balladen und Dramen. Blieben seine eigenen Werke auch unbedeutend und ohne Erfolg, so sind seine Verdienste für die deutsche Literatur als Übersetzer, z.T. gemeinsam mit Ludwig Tieck (und dessen Tochter Dorothea sowie Wolf von Baudissin), unbezweifelbar und maßgebend. A.W. Schlegel gilt zusammen mit seinem Bruder Friedrich als wichtigster Initiator der literarischen Romantik in Deutschland. Beide versammelten einen Kreis hochrangiger Literaten, wie Novalis, Ludwig Tieck oder Friedrich Wilhelm von Schelling um sich und legten das Fundament für eine literarische Strömung, die das erste Drittel des 19. Jahrhunderts beherrschte und auch danach noch zahlreiche Anhänger fand.

Erst in neuester Zeit wurde Schlegels Beitrag zur Entstehung des europäischen Rassismus bekannt.

Heinrich Heine über August Wilhelm Schlegel

Zu den Spöttern über Schlegel gehörte Heinrich Heine. Der hatte bei ihm in Bonn studiert und den weiteren Werdegang seines Lehrers verfolgt. "Die romantische Schule" ist in weiten Teilen eine Abrechnung mit Schlegel. Über dessen Auftritt als Professor in einer Vorlesung heißt es: Herr A. W. Schlegel trug aber Glaceehandschuh und war noch ganz nach der neuesten Pariser Mode gekleidet; er war noch ganz parfümiert von guter Gesellschaft und eau de mille fleurs; er war die Zierlichkeit und die Eleganz selbst, und wenn er vom Großkanzler von England sprach, setzte er hinzu »mein Freund«, und neben ihm stand sein Bedienter in der freiherrlichst Schlegel’schen Hauslivree, und putzte die Wachslichter, die auf silbernen Armleuchtern brannten, und nebst einem Glase Zuckerwasser vor dem Wundermanne auf dem Katheder standen. Livreebedienter! Wachslichter! silberne Armleuchter! mein Freund der Großkanzler von England! Glaceehandschuh! Zuckerwasser! welche unerhörte Dinge im Kollegium eines deutschen Professors! Dieser Glanz blendete uns junge Leute nicht wenig, und mich besonders, und ich machte auf Herren Schlegel damals drei Oden, wovon jede anfing mit den Worten: 0 du, der du, usw. Aber nur in der Poesie hätte ich es gewagt, einen so vornehmen Mann zu duzen. Sein Äußeres gab ihm wirklich eine gewisse Vornehmheit. Auf seinem dünnen Köpfchen glänzten nur noch wenige silberne Härchen, und sein Leib war so dünn, so abgezehrt, so durchsichtig, dass er ganz Geist zu sein schien, dass er fast aussah wie ein Sinnbild der Spiritualismus.

Über Schlegels Versuch eines Comebacks in Berlin schreibt Heine: Herrn A. W. Schlegel verlor man seitdem ganz außer Augen. Er war verschollen. Missmut über solches Vergessenwerden trieb ihn endlich, nach langjähriger Abwesenheit, wieder einmal nach Berlin, der ehemaligen Hauptstadt seines literärischen Glanzes, und er hielt dort wieder einige Vorlesungen über Ästhetik. Aber er hatte unterdessen nichts Neues gelernt, und er sprach jetzt zu einem Publikum, welches von Hegel eine Philosophie der Kunst, eine Wissenschaft der Ästhetik, erhalten hatte. Man spottete und zuckte die Achsel. Es ging ihm wie einer alten Komödiantin, die nach zwanzigjähriger Abwesenheit den Schauplatz ihres ehemaligen Sukzess wieder betritt, und nicht begreift warum die Leute lachen statt zu applaudieren. Der Mann hatte sich entsetzlich verändert und er ergötzte Berlin vier Wochen lang durch die Etalage seiner Lächerlichkeiten. Er war ein alter eitler Geck geworden, der sich überall zum Narren halten ließ. Man erzählt darüber die unglaublichsten Dinge.

Und schließlich trifft Heine seinen ehemaligen Lehrer in Paris wieder: Hier in Paris hatte ich die Betrübnis, Herrn A. W. Schlegel persönlich wieder zu sehen. Wahrlich, von dieser Veränderung hatte ich doch keine Vorstellung, bis ich mich mit eigenen Augen davon überzeugte. Es war vor einem Jahre, kurz nach meiner Ankunft in der Hauptstadt. Ich ging eben das Haus zu sehen, worin Molière gewohnt hat; denn ich ehre große Dichter, und suche überall mit religiöser Andacht die Spuren ihres irdischen Wandels. Das ist ein Kultus. Auf meinem Wege, unfern von jenem geheiligten Hause, erblickte ich ein Wesen, in dessen verwebten Zügen sich eine Ähnlichkeit mit dem ehemaligen A. W. Schlegel kund gab. Ich glaubte seinen Geist zu sehen. Aber es war nur sein Leib. Der Geist ist tot und der Leib spukt noch auf der Erde, und er ist unterdessen ziemlich fett geworden; an den dünnen spiritualistischen Beinen hatte sich wieder Fleisch angesetzt; es war sogar ein Bauch zu sehen, und oben drüber hingen eine Menge Ordensbänder. Das sonst so feine greise Köpfchen trug eine goldgelbe Perücke. Er war gekleidet nach der neuesten Mode jenes Jahrs, in welchem Frau v. Stael gestorben. Dabei lächelte erso veraltet süß, wie eine bejahrte Dame, die ein Stück Zucker im Munde hat, und bewegte sich so jugendlich wie ein kokettes Kind. Es war wirklich eine sonderbare Verjüngung mit ihm vorgegangen; er hatte gleichsam eine spaßhafte zweite Auflage seiner Jugend erlebt; er schien ganz wieder in die Blüte gekommen zu sein, und die Röte seiner Wangen habe ich sogar in Verdacht, dass sie keine Schminke war, sondern eine gesunde Ironie der Natur.

Schriften

  • (Übers.): W. Shakespeare: Dramatische Werke 9 Bde. Berlin: Unger 1797–1810. (Ergänzt u. erläutert von Ludwig Tieck. Theil 1–9. Berlin: Reimer 1825–33).
  • Athenaeum 3 Bde. Berlin: Vieweg (1) bzw. Berlin: Frölich (2–3) 1798–1800.
  • Ehrenpforte und Triumphbogen für den Theater-Präsidenten von Kotzebue bey seiner gehofften Rückkehr ins Vaterland [1800].
  • Gedichte Tübingen: Cotta 1800.
  • Charakteristiken und Kritiken 2 Bde. Königsberg: Nicolovius 1801.
  • Musen-Almanach für das Jahr 1802 Hg. A. W. Schl. u. L. Tieck. Tübingen: Cotta 1802.
  • An das Publikum. Rüge einer in der Jenaischen Allgemeinen Litteratur-Zeitung begangnen Ehrenschändung Tübingen: Cotta 1802.
  • Ion. Ein Schauspiel Hamburg: Perthes 1803
  • Blumensträuße italienischer, spanischer und portugiesischer Poesie Berlin 1803
  • Spanisches Theater 2 Bde. Berlin 1803-1809
  • Über dramatische Kunst und Litteratur. Vorlesungen 3 Bde. Heidelberg: Mohr & Zimmer 1809–11.
  • Poetische Werke 2 Bde. Heidelberg: Mohr & Zimmer 1811.
  • Über dramatische Kunst und Literatur. Vorlesungen 3 Bde. Heidelberg: Mohr & Zimmer 1809–11
  • (Hrsg.): Indische Bibliothek 3 Bde. Bonn: Weber 1820–30.
  • Bhagavad-Gita Bonn: Weber 1823.
  • Die Rheinfahrt des Königs von Preußen auf dem Cölnischen Dampfschiffe Friedrich Wilhelm zur Einweihung desselben am 14. September 1825. In lateinischer Sprache besungen. Nebst einer deutschen Übersetzung von Justizrath Bardua in Berlin. Für das abgebrannte Städtchen Friesac Berlin: Nauck 1825.
  • Kritische Schriften 2 Bde. Berlin: Reimer 1828.
  • Zu Goethe‘s Geburtsfeier am 28. August 1829 1829.
  • Réflexions sur l‘étude des Langues Asiatiques suivies d‘une lettre à M. Horace Hayman Wilson Bonn: Weber 1832.
  • Essais littéraires et historiques Bonn: Weber 1842.
  • Oeuvres 1846 (posthum)
  • Sämtliche Werke Hrsg. Eduard Böcking. 16 Bände. I-XII: Sämtliche Werke, XIII-XV: OEuvres, écrites en français, XVI: Opuscula, quae Schlegelius latine scripta reliquit. ISBN 3-487-03354-2, Leipzig 1846-48. Neudruck Verlag Olms, Hildesheim, 1971f.

Literatur

  • Behler, Ernst: "Die Theorie der Kunst ist ihre Geschichte": Herder und die Brüder A. W. Schlegel. In: Studien zur Romantik und zur idealistischen Philosophie. Bd. 2 Paderborn 1993 S. 187-205.
  • Behler, Ernst: Die Zeitschriften der Brüder A. W. Schlegel. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Romantik. Darmstadt 1983
  • Behler, Ernst: Sokrates und die griechische Tragödie: Nietzsche und die Brüder A. W. Schlegel über den Ursprung der Moderne. In: Ders.: Studien zur Romantik und zur idealistischen Philosophie. Bd 2: Paderborn 1993, S. 143-156
  • Kornbacher, Agnes: August Wilhelm Schlegels Einfluß auf den Aufsatz ‚Über epische und dramatische Dichtung von Goethe und Schiller’ (1797). In: Goethe-Jahrbuch 115 (1998), S. &3-67
  • Niggl, Günter: Die Anfänge der romantischen Literaturgeschichtsschreibung: Friedrich und August Wilhelm A. W. Schlegel. In: Ders.: Studien zur Literatur der Goethezeit. Berlin 2001, S. 247-263
  • da Rocha Abreu, Manuel: Zwischenruf - Rassistisch. In: Frankfurter Rundschau, 17.1.06, S. 26
  • Schenk-Lenzen, Ulrike: Das ungleiche Verhältnis von Kunst und Kritik. Zur Literaturkritik August Wilhelm A. W. Schlegels. Würzburg 1991 [= Studien zur Literatur- und Kulturgeschichte]
  • Wistoff, Andreas: Die deutsche Romantik in der öffentlichen Literaturkritik. Die Rezensionen zur Romantik in der "Allgemeinen Literatur-Zeitung" und der "Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung" 1795-1812. Bonn; Berlin 1992


Quellen: Meyers Konversationslexikon 1897; s.o.