Intensivtransporthubschrauber

Der Intensivtransporthubschrauber (ITH) ist ein Luftrettungsmittel, dessen Tätigkeitsschwerpunkt in der Verlegung von Intensivpatienten auf dem Luftweg liegt. Diese Verlegungen setzen voraus, dass der Patient bereits in klinischer Obhut, in einer Intensivstation ist und ein schneller Transport in ein Spezialklinikum aus medizinischer Sicht dringend erforderlich ist. Das unterscheidet ihn vom Rettungshubschrauber (RTH), der für sogenannte Primäreinsätze, also die Notfallrettung eingesetzt wird. Verlegungen nennt man daher im Rettungsdienst allgemein Sekundäreinsatz.
Patienten des Intensivtransporthubschraubers werden zwischen Intensivstationen verlegt, sie sind daher immer intensivpflichtig. Das bodengebundene Pendant des ITH ist der Intensivtransportwagen (ITW).

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Intensivtransporthubschrauber vom Typ Bell 412

Ausrüstung

Die Mindestausstattung von Intensivtransporthubschraubern ist durch DIN 13230-10 geregelt. Während des Fluges stehen (fast) alle intensivmedizinischen Verfahren und Überwachungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Gerät zum Patiententransport

Häufig kommen auf dem Hubschrauber speziell konstruierte Tragen zum Einsatz, die zusätzliche Halterungen für den Monitor und das Beatmungsgerät haben. Unter der Liegefläche werden dabei häufig die Druckluft- und Sauerstoffflaschen verstaut.

Beatmungsgerät

Intensivpatienten sind - anders als Notfallpatienten - während der Beatmung bereits weitgehend wieder wach. Teilweise müssen sie auch "nur noch" nach einer Langzeitbeatmung von der Maschine entwöhnt werden. Daher ergibt sich die Notwendigkeit, flexiblere Beatmungsmuster und Luftgemische nutzen zu können, als es in der Notfallmedizin notwendig ist. Allerdings sind diese Beatmungsgeräte wesentlich größer, unhandlicher und schwieriger zu bedienen als Notfallbeatmungsgeräte.

Verglichen mit einem Rettungshubschrauber sind vor allem die deutlich aufwändigeren Beatmungsmaschinen zu nennen. Mit den Intensivbeatmungsgeräten lassen sich differenzierte Beatmungsmuster anwenden, die einfachere Notfallbeatmungsgeräte nicht anbieten können.

Zur Überwachung der Beatmung kann die Kapnometrie, die den exspiratorischen Kohlenstoffdioxidgehalt bestimmt, verwendet werden.

Die für die Beatmung notwendige Druckluft wird auf dem Intensivtransporthubschrauber, genauso wie auf modernen Intensivtransportwagen mit bordeigenen Kompressoren, sogenannten Air-Pumps, erzeugt und in einem Drucklufttank zwischengespeichert.

Die Beatmungsgeräte können an Bord über ein 220V-Netz betrieben werden, für den Einsatz außerhalb des Hubschraubers verfügen sie über einen leistungsfähigen Akku.

Blutdruck

Im Gegensatz zu den meisten Rettungshubschraubern besteht die Möglichkeit der invasiven Blutdruckmessung (IBP), bei der über eine arterielle Kanüle der Blutdruck bestimmt wird. Auch die Messung des zentralvenösen Drucks ist möglich.

Zusätzlich verfügt der Intensivtransporthubschrauber über erweiterte Monitoring-Möglichkeiten:


Hubschrauber

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Intensivtransporthubschrauber des ADAC vom Typ BK 117 (Christoph Westfalen)

Wegen der hohen Zuladung und des deutlich größeren Platzbedarfs werden für den Intensivtransporthubschrauber größere Hubschraubermodelle (z. B. in Deutschland: Eurocopter BK117/EC145, Bell Helicopters Bell 222, Bell 412, MD 900, MD Explorer, Agusta A 109) als für den Rettungshubschrauber (Eurocopter EC135, Bo 105, teils aber auch BK 117) eingesetzt, dadurch ist die benötigte, höhere Zuladung und die Möglichkeit weitere Strecken zu fliegen, gegeben.

Die Reichweite und Zuladung hängt vom gewählten Hubschraubermodell ab. Die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. nennt für die Bell 412 eine Reichweite von ca. 700 km bei einem maximalen Abfluggewicht von 5,4 Tonnen. Dazu können bis zu 1250 Liter Treibstoff getankt werden.

Einsätze

Die Intensivtransporthubschrauber sind vor allen Dingen im Bereich von interklinischen Transporten (Polytraumapatienten, Verbrennungsopfer, Inkubatortransporte) tätig, seltener für Organtransporte oder die Verlegung von OP-Teams. Dabei werden sie häufig für die Verlegung von Häusern niedrigerer Versorgungsstufe zu Häusern höchster Versorgungsstufe verwendet und für Verlegungen von Patienten, die spezielle Behandlungsmethoden oder Geräte benötigen, die nur in wenigen Krankenhäusern zur Verfügung stehen.

Die Intensivtransporthubschrauber werden von eigenen Leitstellen koordiniert. In Bayern z. B. ist eine zentrale Leitstelle, die der integrierten Leitstelle München angegliedert ist, für ganz Bayern zuständig. Die Rettungshubschrauber werden von den jeweiligen örtlichen Rettungsleitstellen verwaltet.

Bei Bedarf kann der Intensivtransporthubschrauber auch in der Primärrettung als Rettungshubschrauber eingebunden werden. Gerade zur Nachtzeit wird auf diese Option gerne zurückgegriffen, da die Intensivtransporthubschrauber im Gegensatz zu den meisten Rettungshubschraubern auch nachts besetzt sind. Allerdings wird der Intensivtransporthubschrauber bei Nachteinsätzen hauptsächlich als Transportmittel genutzt und weniger häufig als schneller Notarztzubringer, da die Landung auf unbeleuchteten Flächen sehr riskant ist, so dass zum Beispiel die örtliche Feuerwehr oder das THW regelmäßig zum Ausleuchten der Landestelle bestellt werden muss.

Kosten

Die Kosten für den Einsatz des Intensivtransporthubschraubers werden, wie auch für den Einsatz des Rettungshubschraubers, von den Krankenkassen übernommen. Dabei wird üblicherweise nach Flugminuten abgerechnet. Der Preis pro Flugminute wird dabei meist aus den Kosten des Vorjahres ermittelt. Die Preise werden nicht veröffentlicht.

Eine BK 117, die kleinste im Intensivtransport eingesetzte Maschine, kostet ca. 3,5 Millionen Euro (2004). Dazu kommt dann noch die medizinische Ausrüstung, sowie die Unterhalts- und Betriebskosten. Die BK 117 wird auch regelmäßig als Rettungshubschrauber eingesetzt.

Die Kosten für einen Einsatz des Intensivtransporthubschraubers sind höher als die für einen Rettungshubschrauber, die wiederum (deutlich) über denen für einen Intensivtransportwagen liegen. Daher muss der bestellende Arzt die Vor- und Nachteile abwägen. Gerade bei längeren Strecken ist der Transport per Hubschrauber im Allgemeinen vorzuziehen, da er schonender für den Patienten ist.

In Niedersachsen betrugen die Kosten 1998/ 1999 im 19-monatigen Mittel pro Einsatz rund 1000 DM, also rund 500 Euro.

Vorteil der Spezialisierung

Dadurch, daß neben Rettungshubschraubern auch Intensivtransporthubschrauber zur Verfügung stehen, können die häufig sehr langwierigen und zeitaufwändigen Intensivverlegungen problemloser durchgeführt werden: Der Rettungshubschrauber, der für Primäreinsätze, also für die Notfallrettung benötigt wird, wird durch solche Verlegungen nicht blockiert.

Zudem werden einige der intensivmedizinischen Geräte, über die ein Intensivtransporthubschrauber verfügt, im normalen Rettungsdienst kaum gebraucht. Auf allen Rettungshubschraubern diese Geräte vorzuhalten, würde eine enorme Kostenbelastung bedeuten.

Besatzung

Der Patient wird betreut von einem Notarzt mit intensivmedizinischer Erfahrung (meist ein Anästhesist, beim Transport von Neugeborenen oft ein Neonatologe) und einem Rettungsassistent mit Zusatzausbildung zum HEMS Crew Member.

Die fliegerische Besatzung besteht aus mindestens einem Pilot, je nach Hubschraubertyp unterstützt durch einen Bordtechniker oder einen zweiten Piloten.

Betreiber

Die Intensivtransporthubschrauber werden zum Beispiel von der DRF, dem HDM (TEAM DRF), dem HSD (TEAM DRF) und der ADAC-Luftrettung betrieben. Das nicht-ärztliche medizinische Personal wird von den Hilfsorganisationen gestellt, die Ärzte von den Standortkliniken.

Geschichte

Der erste Intensivtransporthubschrauber in Deutschland wurde 1991 in München vom Arbeiter Samariter Bund (ASB) in Dienst genommen. Die Maschine wurde zunächst über eine eigene Leitstelle des ASB koordiniert, erst später begann die zentrale Koordination über eine gemeinsame Leitstelle für Intensivtransporthubschrauber. In Österreich wurde der erste Intensivtransporthubschrauber im Juli 1999 vom ÖAMTC als Pilotprojekt in Dienst genommen, er ist seitdem im Schnitt 537 Einsätze pro Jahr geflogen.

Bevor dedizierte Intensivtransporthubschrauber zum Einsatz kamen, wurden Intensivverlegungen von Rettungshubschaubern und sogenannten "Ambulanzhubschraubern" geflogen - genauso wie im bodengebundenen Intensivtransport entsprechende Einsätze vor der Implementierung von Intensivtransportwagen von Rettungswagen mit Arztbegleitung oder einem Notarztwagen übernommen wurden. Dabei musste man in Kauf nehmen, dass insbesondere die Beatmungsmöglichkeiten und das Raumangebot eingeschränkt waren. Ambulanzhubschrauber mit einem Tätigkeitsfeld, das mit dem er späteren ITH vergleichbar war, wurden bereits ab Mitte der 1980er Jahre in das Luftrettungsnetz implementiert, so etwa von der DRF in Hartenholm. Diese Hubschrauber waren oftmals lange Jahre nicht Teil der öffentlich-rechtlichen Luftrettung.

Funkrufnamen

Die Rufnamen der Intensivtransporthubschrauber wurden mittlerweile vereinheitlicht. Daher wechselte beispielsweise der ITH München seinen Namen von SAMA 78/1 über ITH München zum jetzt offiziellen "Christoph München".

Im Gegensatz zu den Rettungshubschraubern sind die Intensivtransporthubschrauber nicht durchnummeriert, sondern tragen nach der Kennung "Christoph" den jeweiligen Stationsnamen.

Literatur

  • M. Weinlich, M. Mühlmeyer, A. Reichert, R. Jaki, Intensivtransport in der Luft. Erfahrungen in Baden-Württemberg in Notfall & Rettungsmedizin Bd. 4 Nr. 2 März 2001, S. 93-101, Springer-Verlag Heidelberg, ISSN 14346222 Online
  • H. Scholl, Luftrettung. S&K-Verlag, 1. Auflage 2002, ISBN 3-932 750-77-2.

Weblinks