Bundespräsident (Deutschland)

Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Seine Amtssitze sind das Schloss Bellevue in Berlin und die Villa Hammerschmidt in Bonn. In der Ausübung seiner Aufgaben unterstützt ihn das Bundespräsidialamt. Der Bundespräsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren von der Bundesversammlung gewählt. Derzeitiger Amtsinhaber ist Horst Köhler.

Amtssitz

Schloss Bellevue

Erster - Berliner - Amtssitz ist das Schloss Bellevue, zweiter - Bonner - Amtssitz die Villa Hammerschmidt. Das neue, 1996 eingeweihte Bundespräsidialamt - von den Berlinern etwas respektlos Präsidentenei genannt - befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schloss Bellevue.

Vorübergehend wird der Bundespräsident aufgrund von Bauarbeiten am Schloss Bellevue im Gebäude des Bundespräsidialamts tätig sein.

Für repräsentative Anlässe sind zwei verschiedene Orte vorgesehen. Größere Anlässe wie Staatsbankette sollen im Schloss Charlottenburg abgehalten werden, für kleinere Empfänge mit bis zu 18 Personen wird das bisherige Gästehaus des Auswärtigen Amtes in Berlin-Dahlem genutzt. Für die rund zwölf Millionen Euro teure Sanierung von Bellevue sind 15 Monate veranschlagt. Im August/September 2005 soll das Schloss wieder bezugsfertig sein. Bis dahin wird der Sitz des Bundespräsidenten mit einer komplett neuen Haustechnik ausgestattet und die repräsentativen Räume werden restauriert. Die bislang ungenutzte Amtswohnung im Schloss fällt weg. Dort entsteht ein größerer Speisesaal für 40 Personen.

Der Bundespräsident nutzt ein eigenes Stander. Es zeigt den Bundesadler auf quadratischem, goldenem Grund, welcher von einem roten Band umzogen ist.

Aufgaben und Befugnisse

Vorlage:Zeitleiste Bundespräsidenten BRD

Der Bundespräsident hat in seiner Funktion als Staatsoberhaupt vor allem repräsentative Aufgaben. Er vertritt die Bundesrepublik völkerrechtlich, beglaubigt diplomatische Vertreter und hat auf Bundesebene das Begnadigungsrecht, welches er allerdings teilweise an andere Bundeseinrichtungen delegiert hat. Er kann aber keine Amnestie aussprechen. Hierzu ist ein Bundesgesetz notwendig.

Im Politischen sind seine Aufgaben und Befugnisse hauptsächlich auf der formalen Ebene angesiedelt:

  • Unterzeichnung und Verkündigung der Bundesgesetze (durch Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt),
  • Vorschlagen des Bundeskanzlers zur Wahl (durch den Bundestag) sowie dessen Ernennung beziehungsweise Entlassung,
  • Ernennung und Entlassung von Bundesministern auf Vorschlag des Bundeskanzlers,
  • Ernennung und Entlassung von Bundesrichtern, Bundesbeamten, Offizieren und Unteroffizieren, sofern nichts anderes durch Anordnungen und Verfügungen bestimmt ist,
  • Verkündung der Feststellung des Verteidigungsfalls und Abgabe völkerrechtlicher Erklärungen nach Beginn eines Angriffes sowie
  • Einberufung der Parteienfinanzierungskommission nach dem Parteiengesetz

In all diesen Fällen ist der Bundespräsident vor allem Ausführender. Fast jeder dieser Akte bedarf nach Artikel 58 des Grundgesetzes der Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung. Dies führt dazu, dass der Bundespräsident manchmal auch als Bundesnotar verspottet wird.

Auflösung des Bundestages und Gesetzgebungsnotstand

Wirkliche politische Befugnisse wachsen dem Amtsinhaber nur in eng umrissenen Ausnahmesituationen zu. So kann er in zwei Fällen den Bundestag auflösen: Sollte bei der Wahl des Bundeskanzlers der vorgeschlagene Kandidat für dieses Amt auch im dritten Wahlgang nur eine relative Mehrheit erhalten, hat der Bundespräsident die Möglichkeit, ihn zu ernennen (Minderheitsregierung) oder aber den Bundestag aufzulösen (Artikel 63 des Grundgesetzes). In diesem Fall benötigt die Auflösungsanordnung keine Gegenzeichnung durch die Bundesregierung, zumal eine solche nicht im Amt ist.

Ebenso kann der Bundespräsident den Bundestag nach einer gescheiterten Vertrauensfrage (Artikel 68 des Grundgesetzes) auflösen. Dies geschah in der bundesdeutschen Geschichte bisher zweimal: 1972 löste Gustav Heinemann den Bundestag auf, 1983 Karl Carstens. Allerdings wurde diese Situation in beiden Fällen von den jeweiligen Regierungsfraktionen bewusst herbeigeführt, um gewünschte Neuwahlen zu ermöglichen. Das Bundesverfassungsgericht kam 1983 in einem Urteil, in dem es eine Organklage von Mitgliedern des Bundestages gegen die Auflösungsentscheidung des Bundespräsidenten abwies, zu der Ansicht, dass der Bundespräsident zu prüfen hat, ob der Bundeskanzler tatsächlich nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages besitzt oder ob dieser die Auflösung des Bundestages missbräuchlich betreiben will. In diesem nicht unumstrittenen Urteil bestätigte das Gericht die Auflösung des Bundestages durch Karl Carstens, obwohl Helmut Kohl die Vertrauensfrage absichtlich verloren hatte.

Im Falle der verlorenen Abstimmung über die Vertrauensfrage ist der Bundespräsident auf Antrag des Bundeskanzlers und mit Zustimmung des Bundesrates befugt, aber nicht verpflichtet, den Gesetzgebungsnotstand nach Artikel 81 des Grundgesetzes zu erklären. Dieser Fall ist in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nicht eingetreten.

Ernennung und Entlassung der Mitglieder der Bundesregierung

Der Bundespräsident schlägt nach Artikel 63 dem Bundestag einen Kandidaten zur Wahl zum Bundeskanzler vor. Dem Vorschlag gehen regelmäßig Gespräche mit den betroffenen Politikern voraus. Formalrechtlich ist der Bundespräsident in seiner Vorschlagsentscheidung frei. Jedoch hat bisher jeder Bundespräsident den Kandidaten der bei der Bundestagswahl siegreichen Partei zum Bundeskanzler vorgeschlagen; jeder dieser Kandidaten ist dann auch gewählt worden. Sollte der vom Bundespräsidenten vorgeschlagene Kandidat nicht gewählt werden, so beginnt eine zweiwöchige Frist, in der der Bundestag unabhängig vom Vorschlag des Bundespräsidenten einen Bundeskanzler wählen kann. In jedem Fall muss der Bundespräsident einen mit absoluter Mehrheit gewählten Kandidaten ernennen. Kommt eine Wahl mit absoluter Mehrheit aber weder in den zwei Wochen noch in der sich unmittelbar anschließenden dritten Wahlphase zustande, so ist die Ernennung einer Minderheitsregierung ebenso möglich wie die Auflösung des Bundestages. In diesem Fall ist eine Gegenzeichnung durch die Bundesregierung nicht erforderlich. Zur Ernennung eines Bundeskanzlers ist in keinem Fall eine Gegenzeichnung erforderlich.

Der Bundespräsident muss die vom Bundeskanzler Vorgeschlagenen zu Bundesministern ernennen. Er hat hier allenfalls ein formales Prüfungsrecht, etwa ob der Vorgeschlagene Deutscher ist; er besitzt jedoch kein personelles Prüfungsrecht. Ein diesbezügliches Ansinnen von Theodor Heuss, der sich vor der Ernennung der Minister des ersten Kabinetts Adenauer eine Ministerliste vorlegen lassen wollte, wurde von Adenauer zurückgewiesen. Dies stellte einen seither nie in Frage gestellten Präzedenzfall dar.

Auch bei der Entlassung eines Ministers hat der Bundespräsident kein Mitspracherecht. Er muss die vom Bundeskanzler getroffene Entscheidung formal nachvollziehen.

Der Bundespräsident kann einen Rücktritt des Bundeskanzlers nicht ablehnen; er muss den Bundeskanzler in diesem Fall entlassen. Er muss auch im Falle des erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum den bisherigen Amtsinhaber entlassen und den neu Gewählten ernennen.

Der Bundespräsident kann nach Artikel 69 des Grundgesetzes einen entlassenen Bundeskanzler oder Bundesminister ersuchen, bis zur Wahl des Nachfolgers die Amtsgeschäfte weiterzuführen. Er hat dies in der Regel so gehandhabt. Einzige bedeutende Ausnahme war die Entlassung von Willy Brandt nach dessen Rücktritt 1974. Hier hatte Brandt darum gebeten, nicht mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betraut zu werden. Heinemann entsprach diesem Wunsch; somit amtierte der soeben entlassene Vizekanzler Walter Scheel für einige Tage als Bundeskanzler. Für dieses Ersuchen ist ebenfalls keine Gegenzeichnung notwendig.

Der Bundespräsident hat kein Mitspracherecht bei der Ernennung des Stellvertreters des Bundeskanzlers. Dies ist eine Entscheidung, die ausschließlich durch den Bundeskanzler getroffen und vollzogen wird.

Völkerrechtliche Vertretung

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Roman Herzog (* 1934)
7. Bundespräsident (1994-1999)
mit dem franz. Staatspräsidenten Jacques Chirac (rechts)

Der Bundespräsident schließt im Namen der Bundesrepublik Deutschland Verträge. Er ermächtigt hierzu in aller Regel andere Bundesbeamte. Solche Verträge müssen vom Gesetzgeber ratifiziert werden. Ebenso wird die völkerrechtliche Anerkennung eines Staates oder die Ankennung von Diplomaten eines Staates (Agrément) formal vom Bundespräsidenten ausgesprochen. Die politische Entscheidung hierzu trifft allerdings die Bundesregierung.

Der Bundespräsident unternimmt auch Staatsbesuche. Hier tritt die Problematik der politischen Aussagen in Reden, die unten behandelt wird, ebenfalls auf.

Er reist mit einem Flugzeug der Flugbereitschaft der Deutschen Luftwaffe, das die Aufschrift "Bundesrepublik Deutschland" trägt. Zuvor war er oft mit einem Flugzeug mit der Aufschrift "Luftwaffe" geflogen. Dies hatte in Ländern, in denen die deutsche Luftwaffe in Kriegen Schaden angerichtet hatte, teilweise für Befremden gesorgt.

Regelmäßig machte der Bundespräsident seinen ersten Staatsbesuch im Amt in Frankreich. Bundespräsident Köhler ist von dieser Regel abgewichen, indem er seinen ersten Staatsbesuch in seinem Geburtsland Polen, Deutschlands östlichem Nachbarn, verbrachte.

Die Feststellung des Verteidigungsfalls, die auf Antrag der Bundesregierung durch Bundestag und Bundesrat erfolgt, wird vom Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt verkündet. Sobald der Verteidigungsfall verkündet ist, kann der Bundespräsident mit Zustimmung des Bundestages völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalls abgeben.

Unterzeichnung von Gesetzen

Der Bundespräsident hat bei der Unterzeichnung von Gesetzen ein formales Prüfungsrecht, ob diese verfassungsgemäß zustande gekommen sind. Teile der Rechtswissenschaft sehen dies sogar als Prüfungspflicht (aufgrund des geleisteten Amtseides) an. Die Existenz eines materiellen Prüfungsrechtes ist allerdings weithin umstritten.

In der Vergangenheit haben die Bundespräsident selten (bisher sechs Mal), dann aber unter großer öffentlicher Beachtung Gesetze "angehalten", d. h. nicht unterzeichnet. Sie begründeten dies meist damit, dass Gesetze zwar ordnungsgemäß verabschiedet worden seien, inhaltlich aber dem Grundgesetz widersprächen.

So hielt Bundespräsident von Weizsäcker 1991 ein Gesetz zur Privatisierung der Luftverkehrsverwaltung für verfassungswidrig und unterzeichnete das Gesetz nicht. Dies führte zur Einfügung des Artikels 87 d in das Grundgesetz, welcher es dem Gesetzgeber freistellte, ob die Luftverkehrsverwaltung in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Weise gestaltet werde. Daraufhin wurde das Gesetz erneut beschlossen und schließlich von von Weizsäcker unterzeichnet.

Bundespräsident Johannes Rau unterzeichnete 2001 nach mehrmonatiger Prüfung das Zuwanderungsgesetz, obwohl dieses im Bundesrat in einer umstrittenen Abstimmung beschlossen worden war. Da er zuvor von Ministerpräsidenten der CDU/CSU dazu aufgefordert worden war, das Gesetz nicht zu unterzeichnen, verband er seine Unterzeichnung mit einer öffentlichen Erklärung, in welcher er zur Klärung der Sachlage durch das Bundesverfassungsgericht aufrief. Das daraufhin von einigen Ländern angerufene Bundesverfassungsgericht erklärte das Gesetz mit 6:2 Stimmen für verfassungswidrig zu Stande gekommen und damit nichtig.

Eine ähnliche Haltung nahmen Karl Carstens 1981 beim Staatshaftungsgesetz, Roman Herzog 1994 beim Atomgesetz und Horst Köhler 2005 beim Luftsicherheitsgesetz ein. Sie machten ihre Bedenken den Präsidenten von Bundestag und Bundesrat gegenüber deutlich.

Insgesamt wird von der herrschenden Meinung in der Staatsrechtlehre die Ansicht vertreten, dass ein Bundespräsident ein Gesetz allenfalls dann anhalten darf, wenn das Gesetz inhaltlich oder sein Zustandekommen offensichtlich dem Grundgesetz widerspricht. Eine nicht offensichtliche Kollision mit der Verfassung kann daher nur vom Bundesverfassungsgericht festgestellt werden.

Staatssymbole

Der Bundespräsident ist berechtigt, Nationalhymne, Flagge, Wappen, Uniformen, Dienstkleidung, Amtstracht der Richter, deren Verwendung, sowie Staatsakte und Staatsbegräbnisse anzuordnen, sofern jeweils nicht der (Grund-)Gesetzgeber - wie etwa bei der Vorschrift über die Bundesflagge in Artikel 22 des Grundgesetzes - tätig geworden ist. Diese Anordnungen müssen jeweils von einem Mitglied der Bundesregierung gegengezeichnet werden.

Ebenso verleiht der Bundespräsident Orden und Ehrenzeichen, unter ihnen das Bundesverdienstkreuz in seinen Variationen.

Die Nationalhymne wurde 1952 und 1991 in Briefwechseln zwischen Bundespräsident Heuss und Bundeskanzler Adenauer bzw. zwischen Bundespräsident von Weizsäcker und Bundeskanzler Kohl festgelegt. Die jeweilige Antwort der Bundeskanzler wird im Allgemeinen als Gegenzeichnung zur Verfügung des Bundespräsidenten interpretiert. Diese Deutung wird durch die Tatsache unterstützt, dass die beiden Briefwechsel im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden und damit einen quasi-offiziellen Charakter erhielten.

Diese Befugnisse haben keine formalrechtliche Grundlage im Grundgesetz oder in einem einfachen Bundesgesetz. Die Mehrheit der Staatsrechtslehrer begründet sie daher mit der traditionellen Definitionshoheit von Staatsoberhäuptern über Staatssymbole.

Stellung im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik

Geschichtlicher Überblick

Die schwache Position des Bundespräsidenten, die vor allem an der Gegenzeichnungspflicht und seinen geringen realpolitischen Befugnissen abzulesen ist, ist auch eine Reaktion auf die Erfahrungen der Weimarer Republik. Während der Beratungen des Parlamentarischen Rates herrschte weitgehender Konsens aller Beteiligten, dass dem Präsidenten nicht wieder eine solch überragende Stellung im politischen System zukommen sollte wie seinerzeit dem Reichspräsidenten (zum Beispiel Paul von Hindenburg). Insbesondere das Notverordnungsrecht (Artikel 48 der Weimarer Verfassung), das Recht des Reichspräsidenten, im Notfall mit präsidentiellen Erlassen am gewählten Reichstag vorbei zu regieren, und das Recht des Reichspräsidenten, den Reichskanzler selbst zu ernennen (und zwar in einer eigenen politischen Entscheidung und nicht wie in der Bundesrepublik nur in der formalen Nachvollziehung der Wahl des Bundestages), werden für die politische Krise der Weimarer Republik ab 1930 mit den Kanzlern Heinrich Brüning, Franz von Papen und Kurt von Schleicher und schließlich die Abgleitung in die Diktatur unter Adolf Hitler mitverantwortlich gemacht. Allerdings war das Notverordnungsrecht zu Beginn der Weimarer Republik durch Friedrich Ebert noch in einer überwiegend als positiv bezeichneten Weise ausgeübt worden.

Die Wegnahme dieser beiden wichtigen Rechte war eine deutliche Entmachtung des Bundespräsidenten. Ein Notverordnungsrecht der Exekutive gibt es in der Bundesrepublik nicht mehr, selbst im Gesetzgebungsnotstand herrscht noch parlamentarische Kontrolle durch den Bundesrat; die Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers und der Bundesminister liegt im Wesentlichen in der Hand des Bundestages beziehungsweise des Bundeskanzlers.

Parallel zu dieser Schmälerung der Amtsbefugnisse wurde auch der Wahlmodus für den Präsidenten verändert: War der Reichspräsident noch vom Volk direkt gewählt worden (1925 und 1932), so wird der Bundespräsident von der nur für diesen Zweck zusammentretenden Bundesversammlung gewählt. Damit wurde die demokratische Legitimation des Bundespräsidenten indirekter: Er ist nicht mehr unmittelbar vom Souverän gewähltes Staatsoberhaupt, sondern wird von einem Wahlmännergremium (das seinerseits aber demokratisch legitimiert ist) bestimmt. Die Ablehnung der (Wieder-)Einführung einer Direktwahl des Bundespräsidenten wird auch damit begründet, dass ansonsten ein Missverhältnis zwischen starker demokratischer Legitimation (er wäre dann neben dem Bundestag das einzige direkt gewählte Verfassungsorgan) und geringer politischer Macht einträte.

Allerdings ist die schwache Position des Bundespräsidenten auch durch die starke Ausprägung der "Kanzlerdemokratie" unter Konrad Adenauer bedingt. Der Grund für Adenauers Rückzug von der eigenen Kandidatur zum Bundespräsidenten 1959 ist - neben seiner Abneigung seinem potentiellen Nachfolger Ludwig Erhard gegenüber - auch in der Erkenntnis zu sehen, dass er als Bundespräsident weniger Einfluss gehabt hätte denn als Bundeskanzler.

Politische Reden

Aus dieser Konstellation ergibt sich, dass der Bundespräsident politische Wirkung hauptsächlich durch Reden erzielt, die gesellschaftliche Debatten aufgreifen oder anstoßen. Als Beispiele hierfür gelten die Weizsäcker-Rede anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges (1985) und die so genannte 'Ruck-Rede' Roman Herzogs von 1997 (siehe Weblinks). Wie kein anderer Spitzenpolitiker ist der Präsident unabhängig von der Tagespolitik und kann daher wesentlich freier als andere Politiker Themen und Zeitpunkt seiner Äußerungen bestimmen, die der Überparteilichkeit verpflichtet sind (bis auf Gustav Heinemann ließen alle bisherigen Präsidenten ihre Parteimitgliedschaft für die Dauer der Amtszeit ruhen).

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Reden ohne "Gegenzeichnung" ist nicht unumstritten, da der Bundespräsident durch eine Rede faktisch möglicherweise stärker in die Politik eingreifen kann als durch einen formalen Akt, für den in nahezu jedem Fall eine Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung notwendig ist. Die Mehrheit der Staatsrechtler geht allerdings bei Reden von einer gewissen Autonomie des Bundespräsidenten aus, zumal keine formalen Entscheidungen gefällt werden und der Bundespräsident immerhin ein oberstes Verfassungsorgan ist.

Diskrete Einflussnahme

Der Bundespräsident nimmt jedoch "hinter den Kulissen" durchaus Einfluss auf die Tagespolitik. Hierzu führt er Gespräche mit Mitgliedern der Bundesregierung und des Bundestages. Der Chef des Bundespräsidialamtes nimmt an Kabinettssitzungen teil und berichtet dem Bundespräsidenten.

Parteipolitische Neutralität und politische Aussagen

Der Amtsinhaber befindet sich während seiner Amtsführung stets in einem Dilemma, da er einerseits politisch handelt (zumindest aber politische Aussagen trifft), andererseits aber zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet ist. Die Bundespräsidenten haben hierbei meist in einer eher abstrakten Weise Themen angesprochen (Herzogs Ruck-Rede, Raus Globalisierungskritik), die sich in keine parteipolitische Richtung interpretieren ließ, oder aber die Parteien insgesamt angegriffen (Weizsäckers Zitat von der Machtversessenheit der Parteien).

Auch die Tatsache, dass die Bundespräsidenten in der Regel verdiente Politiker sind, die sich in der Partei, von der sie in der Bundesversammlung gewählt werden, haben hocharbeiten müssen, gibt Kritikern Grund zum Zweifel an der parteipolitischen Unabhängigkeit und Neutralität des Bundespräsidenten.

Der amtierende Bundespräsident, Horst Köhler, ist der erste Amtsinhaber, der seine wichtigsten Ämter nicht in Deutschland innegehabt hat. Er scheint damit politisch unabhängiger als seine Vorgänger zu sein. Befürworter halten ihm zugute, dass seine Reden nicht wie bei anderen Politikern "rund geschliffen" seien, um Kritikern keine Angriffsfläche zu bieten; vielmehr seien sie offen und benennten das Problem. Er hat sich außerdem in seiner Amtszeit bereits zu mehreren aktuellen Themen zu Wort gemeldet. Kritiker halten ihm vor, dass er damit die Überparteilichkeit des Amtes ebenso verletze wie das Gebot der Nichteinmischung in die Tagespolitik. Horst Köhler scheint damit von der Amtsführung seiner Vorgänger deutlich abzuweichen.

Eine bislang ungebrochene, ungeschriebene Regel ist, dass ein ehemaliger Bundespräsident keine weiteren politischen Ämter mehr anstrebt, sondern allenfalls als elder statesman am öffentlichen Leben teilnimmt.

Vertretung

Die Vertretung des Bundespräsidenten wird durch den Bundesratspräsidenten wahrgenommen, unabhängig davon, ob der Bundespräsident nur zeitweilig abwesend oder aber amtsunfähig ist. Häufig findet das Vertretungsrecht faktisch nur auf Teile der Amtsbefugnisse des Bundespräsidenten Anwendung, etwa wenn der Bundespräsident auf Staatsbesuch ist und durchaus seinen (außenpolitischen) Verpflichtungen nachkommt, andererseits aber ein Gesetz unterschrieben werden muss. In einem solchen Fall wird das Gesetz regelmäßig vom Stellvertreter des Bundespräsidenten unterzeichnet.

Außerpolitisches Engagement

Symbolische Ämter

Der Bundespräsident übernimmt eine Reihe von Schirmherrschaften über von ihm für sinnvoll erachtete Projekte. Auch wenn der Bundespräsident nicht an die Übernahme von Schirmherrschaften seiner Vorgänger gebunden ist, führt er etliche hiervon weiter. Ebenso verleiht der Bundespräsident Preise, darunter den Deutschen Zukunftspreis, und gratuliert zu Jubiläen.

Ehegatte des Bundespräsidenten

Seit Elly Heuss-Knapp haben sich die Ehefrauen der Bundespräsidenten auch in dieser - ungewählten - Position karitativ engagiert. Traditionell übernehmen die "First Ladys" die Schirmherrschaft über das von Frau Heuss-Knapp begründete Müttergenesungswerk. Von den bisherigen Präsidentengattinnen haben sich besonders Mildred Scheel (Deutsche Krebshilfe) und Christiane Herzog (Mukoviszidose-Stiftung) für kranke Menschen eingesetzt. Seit Frau Herzog hat sich das auch öffentlich dargestellte karitative Engagement der Bundespräsidentenfrauen endgültig eingebürgert.

Wahl des Bundespräsidenten und Vereidigung

Horst Köhler (* 1943)
9. Bundespräsident (seit 2004)

Unvereinbarkeiten

Der Bundespräsident darf nach Artikel 55 des Grundgesetzes weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft auf Bundes- oder Landesebene angehören. Er darf ferner kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und darf weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.

Nach § 22 des Europawahlgesetzes endet mit der Annahme der Wahl zum Bundespräsidenten die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament.

Wahl

Der Präsident wird von der Bundesversammlung ohne Aussprache und geheim gewählt. Bei der Wahl muss ein Kandidat die absolute Mehrheit auf sich vereinen; erst wenn dies in zwei Wahlgängen keinem Kandidaten gelingt, reicht in einem dritten Wahlgang die relative Mehrheit aus. Die Wahl erfolgt auf fünf Jahre; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Staatsrechtler sind überwiegend der Meinung, dass die Formulierung »Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig« im Artikel 54 des Grundgesetzes mehr als zwei Amtszeiten einer Person gestattet, sofern die zusammenhängenden Zeiten zehn Jahre jeweils nicht übersteigen. Wählbar ist jeder Deutsche, der das 40. Lebensjahr vollendet hat und das passive Wahlrecht besitzt.

Die Zusammensetzung der Bundesversammlung spiegelt das föderative System der Bundesrepublik Deutschland wider: Sie besteht aus den Mitgliedern des Bundestags und ebensovielen von den 16 Landesparlamenten gewählten Wahlmännern. Üblicherweise handelt es sich hierbei um Landtagsabgeordnete und einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, zum Beispiel aus Wirtschaftsverbänden oder Prominente, wobei alle Mitglieder der Bundesversammlung (also auch die Vertreter aus Wirtschaft und Prominenz) mit der Annahme ihrer Wahl bis zum Zusammentreten der Bundesversammlung Immunität genießen. Der Bundestagspräsident hat den Vorsitz der Bundesversammlung inne.

Vereidigung

In einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat wird der neue Bundespräsident am Tag des Amtsantritts (üblicherweise der 1. Juli) vom Bundestagspräsidenten vereidigt. Der Eid lautet nach Artikel 56 GG: »Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.« Die religiöse Beteuerung kann auch weggelassen werden. Der Eid muss auch als solcher geleistet werden; eine Bekräftigung - wie sie im Strafgesetzbuch für Personen vorgesehen ist, die aus religiösen Gründen keinen Eid leisten möchten - ist nicht zulässig. Diese Verpflichtung ist verfassungsmäßig, da die Übernahme des Amtes des Bundespräsidenten freiwillig erfolgt.

Ab dem Zeitpunkt seiner Vereidigung erhält der Bundespräsident eine Besoldung von etwa € 213.000 jährlich, die bis zum Lebensende ausgezahlt wird.

Kandidatenauswahl

Die Kandidatenauswahl im Vorfeld der eigentlichen Bundespräsidentenwahl ist stark von der absehbaren parteipolitischen Stimmverteilung in der Bundesversammlung und entsprechenden parteitaktischen Überlegungen geprägt. Je nach Ausgangslage versuchen die beiden großen Parteien, in einem (wie auch immer gearteten) innerparteilichen (bei der Bundestagskoalition auch koalitionsinternen) Prozess einen Kandidaten zu finden, für den sich in der Bundesversammlung eine Mehrheit organisieren lässt. Im Allgemeinen erfolgt auch dies bereits im Vorfeld mittels Absprachen zwischen einzelnen Parteien.

Die Dominanz von parteitaktischen Überlegungen bei der Kandidatenauswahl (statt der Persönlichkeit der möglichen Kandidaten) und häufige Absprachen im Vorfeld, die die Wahl durch das eigentlich zuständige Gremium zur reinen Formalität herabwürdigen, führten zu Diskussionen, eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk zu ermöglichen. Befürworter argumentieren, eine Direktwahl durch das Volk würde das gesamte Wahlverfahren transparenter machen und Entscheidungen wieder aus politischen Hinterzimmern in das Licht der Öffentlichkeit bringen. Gegner einer Direktwahl meinen, dass eine Direktwahl den Prinzipien einer repräsentativen Demokratie zuwider laufen würde und außerdem das Amt des Präsidenten zu wenig Machtbefugnisse habe, um für eine Direktwahl in Frage zu kommen. Darüberhinaus würde das Amt sowie die Person des Bundespräsidenten im notwendig werdenden Wahlkampf beschädigt werden.

Zur Einführung einer Direktwahl wäre eine Verfassungsänderung notwendig.

Präsidentenanklage und Amtsenthebung

Während seiner Amtszeit genießt der Bundespräsident Immunität. Der Bundespräsident kann nicht abgewählt werden. Die einzige Möglichkeit, ihn seines Amtes zu entheben, ist die Präsidentenanklage vor dem Bundesverfassungsgericht nach Artikel 61 GG.

Die Präsidentenanklage kann auf Antrag eines Viertel der Mitglieder des Bundestages oder des Bundesrates durch Beschluss mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag oder Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Nach Erhebung der Anklage kann das Bundesverfassungsgericht per einstweiliger Anordnung erklären, dass der Präsident an der Ausübung seines Amtes verhindert ist. Kommt es im Verfahren dann zu dem Schluss, der Bundespräsident habe vorsätzlich gegen das Grundgesetz oder gegen ein Bundesgesetz verstoßen, kann es ihn des Amtes entheben.

Das Instrument der Präsidentenanklage ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch nie angewendet worden.

Ende der Amtszeit

Seit dem Jahr 1969 endete die Amtszeit des Bundespräsidenten stets mit Ablauf des 30. Juni, und sein Nachfolger trat sein Amt mit Beginn des 1. Juli an. Diese Regel kann allerdings jederzeit durch die Beendigung des Amtes des Bundespräsidenten unterbrochen werden. Das Amt wird außerhalb der Regelmäßigkeit nach fünf Jahren Amtszeit beendet, indem der Bundespräsident

In diesem Fall tritt die Bundesversammlung nach Artikel 54 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes spätestens dreißig Tage nach der Erledigung des Amtes zusammen und wählt einen Bundespräsidenten, dessen Amtszeit unmittelbar nach der Annahme der Wahl beginnt. Bis zur Neuwahl übt der Präsident des Bundesrates die Befugnisse des Bundespräsidenten aus.

Im Verteidigungsfall kann sich die Amtszeit des Bundespräsidenten nach Artikel 115h des Grundgesetzes verlängern. Die Amtszeit des Bundespräsidenten oder die Wahrnehmung der Befugnisse durch den Präsidenten des Bundesrates im Vertretungsfall enden in diesem Falle neun Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.

Jeder Bundespräsident wird traditionell mit einem Großen Zapfenstreich aus seinem Amt verabschiedet. Bisher lehnte dies nur Gustav Heinemann ab.

Die bisherigen Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland

Überblick

Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
Name Partei Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Wahl(en)
1 Theodor Heuss FDP 13. September 1949 12. September 1959 1949/1954
2 Heinrich Lübke CDU 13. September 1959 30. Juni 1969 1959/1964
3 Gustav Heinemann SPD 1. Juli 1969 30. Juni 1974 1969
4 Walter Scheel FDP 1. Juli 1974 30. Juni 1979 1974
5 Karl Carstens CDU 1. Juli 1979 30. Juni 1984 1979
6 Richard von Weizsäcker CDU 1. Juli 1984 30. Juni 1994 1984/1989
7 Roman Herzog CDU 1. Juli 1994 30. Juni 1999 1994
8 Johannes Rau SPD 1. Juli 1999 30. Juni 2004 1999
9 Horst Köhler CDU 1. Juli 2004 2004

Vom 7. bis 12. September 1949 war Bundesratspräsident Karl Arnold amtierendes Staatsoberhaupt, weil es noch keinen Bundespräsidenten gab.

Heinrich Lübke war katholisch. Alle anderen Bundespräsidenten waren oder sind evangelisch.

Zusammenfassung der Amtszeiten

Theodor Heuss (1949-1959)

Theodor Heuss prägte als erster Bundespräsident dieses Amt in ähnlicher Weise wie Konrad Adenauer das Amt des Bundeskanzlers. Der Liberale, der schon in der Weimarer Republik Mitglied des Reichstages gewesen war, übte sein Amt überparteilich aus und konnte durch seinen demokratischen und kulturellen Hintergrund auch im Ausland Vertrauen in das neue demokratische (West-)Deutschland zurückgewinnen. Auch seine intellektuellen Reden zu aktuellen Streitfragen ließen ihn zum Vorbild für seine Nachfolger werden. Eine dritte Amtszeit, zu der eine Grundgesetzänderung nötig gewesen wäre, lehnte er ab, da er die Schaffung einer "lex Heuss" vermeiden wollte.

Heinrich Lübke (1959-1969)

Schon die Art der Nominierung Heinrich Lübkes zum Bundespräsidenten als Ersatz für den zurückziehenden Adenauer prädestinierte ihn zu einer schwachen Präsidentschaft. Dennoch versuchte er, auch als Bundespräsident in die Politik einzugreifen. Zum Teil scheiterte er dabei (auch er wollte sich - wie Heuss - eine Ministerliste vorlegen lassen), zum Teil gelang es ihm, etwa indem er für die Bundespräsidenten das Recht in Anspruch nahm, Gesetze "anzuhalten", wenn sie gegen das Grundgesetz verstoßen. Dennoch bleiben von seiner Präsidentschaft häufig nur rhetorische Fehlgriffe in Erinnerung, die auch auf Auslandsreisen zu peinlichen Situationen führten.

Gustav Heinemann (1969-1974)

Obwohl Gustav Heinemann nicht - wie alle Vorgänger und Nachfolger - mit einer absoluten Mehrheit ins Amt gewählt worden war, wurde er als vollwertiger Bundespräsident anerkannt. Seine Wahl war insofern hochpolitisch, als sie die später im Jahr 1969 folgende sozialliberale Koalition vorweg nahm. Seine tiefen moralischen Überzeugungen, die ihn 1950 aus Protest gegen die Wiederbewaffnung zum Rücktritt als Bundesinnenminister und zum Austritt aus der CDU geführt hatten, machten ihn zu einem anerkannten Bundespräsidenten, der sich selbst als "Bürgerpräsident" betrachtete und die demokratischen und liberalen Traditionen Deutschlands betonte. Als er sah, dass die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung eine Wiederwahl unwahrscheinlich machten, trat er nicht mehr an; diesem Beispiel folgten alle anderen Bundespräsidenten nach ihm, was dazu geführt hat, dass noch nie ein Bundespräsident abgewählt worden ist.

Walter Scheel (1974-1979)

Der erste ehemalige stellvertretende Bundeskanzler im Amt des Bundespräsidenten versuchte auch in seinem neuen Amt politisch mitzuwirken. Dieses Ansinnen scheiterte jedoch auch am entschiedenen Widerstand von Bundeskanzler Schmidt, sodass Walter Scheel vor allem als singender Bundespräsident in Erinnerung geblieben ist ("Hoch auf dem gelben Wagen").

Karl Carstens (1979-1984)

Der fünfte Bundespräsident der Bundesrepublik wurde auch als "wandernder Bundespräsident" bekannt. Seine staatsrechtlich bedeutsamste Entscheidung war die Auflösung des Bundestages nach der absichtlich verlorenen Vertrauensfrage Helmut Kohls 1982/83. Gegen diese Anordnung des Bundespräsidenten hatten einige Abgeordnete geklagt, das Bundesverfassungsgericht bestätigte in einem umstrittenen Urteil allerdings Carstens' Entscheidung.

Richard von Weizsäcker (1984-1994)

Richard von Weizsäcker ging als einer der bedeutendsten Bundespräsidenten in die Geschichte ein. Schon seine Rede zum 40. Jahrestags des Kriegsendes am 8. Mai 1985 brachte ihm großen internationalen Respekt, aber auch Kritik aus konservativen Kreisen ein, da er die Interpretation des 8. Mai vom "Tag der Niederlage" hin zum "Tag der Befreiung" verschob. Seine teils scharfe Kritik am Parteienstaat kann auch mit einer persönlichen Animosität zu Bundeskanzler Kohl erklärt werden. Weizsäcker war 1989 der erste Bundespräsident seit Heinrich Lübke 1964, der wiedergewählt wurde.

Roman Herzog (1994-1999)

Der bis zu seiner Wahl als Präsident des Bundesverfassungsgerichtes amtierende Roman Herzog wird besonders als Präsident der Ruck-Rede im Berliner Hotel Adlon 1997 wahrgenommen. Diese Rede war ein Beispiel seiner Kritik an der politischen Situation in Deutschland. Er begründete damit die Idee der Berliner Rede, die von Bundespräsident Rau fortgeführt wurde. Herzogs Amtszeit war geprägt durch die Anprangerung vermeintlicher Versäumnisse der Politik in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation. Auch ein anderes wichtiges Werk von Herzog begann 1997, als er den deutschen Zukunftspreis ins Leben rief.

Johannes Rau (1999-2004)

Johannes Rau führte die Berliner Rede fort und hielt sie jedes Jahr selbst. Er sprach in ihr Themen wie die Integration von Ausländern und die Auswirkungen von Gentechnologie und Globalisierung an. Er vermied jedoch im Wesentlichen Angriffe auf die handelnden Politiker, weshalb er auch als "Bruder Johannes" verspottet wurde. Andere fanden sein Lebensmotto "Versöhnen statt Spalten", an das er sich auch während seiner Amtszeit zu halten versuchte, für den Inhaber des Bundespräsidentenamtes ideal. Johannes Rau hielt als erster Bundespräsident eine Rede auf Deutsch vor dem israelischen Parlament, der Knesset.

Horst Köhler (seit 2004)

Mit Horst Köhler ist erstmals ein Politiker Bundespräsident, der vorher kein höheres innenpolitisches Mandat innehatte. Ihm wurde deswegen größere Unabhängigkeit und Distanz zur Bundespolitik bescheinigt. Diesem Anschein kam er durch seine Äußerungen zur Tagespolitik, etwa indem er die Agenda 2010 von Bundeskanzler Schröder für noch zu wenig weit reichend bezeichnete oder die versuchte Verlegung des Tages der Deutschen Einheit öffentlich kritisierte, nach. Horst Köhler handelt damit anders als seine Vorgänger. Dieses Vorgehen brachte ihm Lob ("erfrischend"), auch aber die Kritik ein, er verletze damit ungeschriebene Gesetze, die bisher für Bundespräsidenten gegolten hätten.

Selbst wenn Horst Köhler diese Amtsführung beibehält, so muss doch abgewartet werden, ob er damit die Stellung des Bundespräsidenten im politischen System der Bundesrepublik grundlegend ändert oder aber ob spätere Bundespräsidenten ihre Art der Amtsausübung wieder an Horst Köhlers Vorgänger anlehnen werden.

Literatur

  • Klaus Stern: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band 2: Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung. Beck, München 1980, ISBN 3-406-07018-3
  • Eberhard Jäckel, Horst Möller, Hermann Rudolph (Hrsg.): Von Heuss bis Herzog - die Bundespräsidenten im politischen System der Bundesrepublik. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1999, ISBN 3-421-05221-2
  • Günther Scholz: Die Bundespräsidenten: Biographien eines Amtes. Bouvier, Bonn 1997, ISBN 3-416-02573-3

Weblinks

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